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(ChristophL)

Warum sind anglo-amerikanische Autoren so gut?

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Hallo zusammen,

 

ich war gerade für ein paar Tage in London und habe eine Stadt erlebt, die von der Lust am Skurrilen nur so durchdrungen ist, in der das Geschichtenerzählen ein viel wichtigerer Bestandteil der Kultur zu sein scheint als hierzulande. Seitdem beschäftigt mich die Frage: Warum sind angelsächsische Autoren so gut?

 

Autorinnen und Autoren aus GB und den USA beherrschen seit Ewigkeiten die Bestsellerlisten. Ein Großteil der internationalen Bestseller kommt aus diesen beiden Ländern. Schlägt man einen amerikanischen Thriller oder einen britischen Krimi oder Fantasyroman auf, stößt man auf eine Leichtigkeit des Erzählens, die man bei deutschen Autoren weitaus seltener findet. Autoren wie Neil Gaiman, Terry Pratchett, Stephen King, J.K. Rowling und viele andere mehr haben die moderne Unterhaltungsliteratur geprägt und werden von deutschen Autoren nachgeahmt.

 

Warum?

 

Haben angelsächsische Autoren durch die Creative-Writing-Studiengänge bessere Ausbildungsmöglichkeiten? Hat Unterhaltung dort einen höheren Stellenwert? Oder ist es tatsächlich so, dass Amerikaner und Briten das Erzählen quasi mit der Muttermilch aufsaugen, weil ihre Kultur das eben stark befördert?

 

Oder sind Amis und Engländer gar nicht so toll, wie der Lode meint?

 

Was meint ihr?

 

Neugierig,

 

euer Christoph

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Hallo, Christoph.

 

Der verzweifelte Unterscheidungsversuch zwischen "ernster" und "unterhaltender" Kunst wird in den Staaten kaum unternommen. Zwar könnte man einen Thomas Pynchon, den ich ganz persönlich für maßlos überschätzt halte, nach unseren Maßstäben der E-Literatur zuordnen, wohingegen bei Irving, Updike, Roth, DeLillo, Franzen usw. die Tendenz eher in Richtung "U" ginge, durchaus aber gewichtige E-Elemente hat, aber so sieht das dort kaum jemand. Auch nicht bei den ganzen Thriller-, Krimi- und Action-Autoren. Ein Dan Brown wird mit einem Philip Roth gleichrangig behandelt, ein Stephen King erst recht. Man ist sich durchaus der Tatsache bewusst, dass hier eine andere Qualität von Erzählliteratur vorliegt, und Dan Brown wird vermutlich niemals für den National Book Award o.ä. vorgeschlagen werden, aber das qualifiziert den einen nicht mehr als den anderen. Die Tiefe des Erzählens, wenn man so will, spielt bei der feuilletonistischen Betrachtung zwar eine Rolle, aber sie sind alle Autoren und versuchen, ihre Publikümmer zu erreichen.

 

Gleichzeitig ist die Erzählkultur auch und insbesondere bei den "Großen" sehr ähnlich. Familiensagas, die personal oder auktorial erzählt werden - in vergleichbarem Stil. Leute wie Irving, DeLillo usw. nutzen ganz ähnliche Stilmittel und auch ähnliche strukturelle wie dramaturgische Elemente. Das ist der amerikanischen CW-Kultur geschuldet, die das Handeln (Show, don't tell) über die Sprache hebt, ohne diese vollständig zu ignorieren. Im Ergebnis hat man zwar interessante, orginelle, bemerkenswerte Bücher, die zuweilen als genial zu bezeichnen sind, aber sprachlich und stilistisch dem selben Genpool entspringen - vereinfacht gesagt. Gerade die großen amerikanischen Erzähler scheinen über einen gemeinsamen Stammbaum zu verfügen, wenn man so will. Das geht mit dem Effekt einher, dass sprachlich und stilistisch sehr eigenständige Werke, anders als bei uns, kaum eine Position haben.

 

Ich mag die amerikanischen Erzähler sehr gerne, aber ich würde mir nicht wünschen, dass diese gleichmachende Erzählkultur auch bei uns Einzug hält.

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Gleichzeitig ist die Erzählkultur auch und insbesondere bei den "Großen" sehr ähnlich. Familiensagas' date=' die personal oder auktorial erzählt werden - in vergleichbarem Stil. Leute wie Irving, DeLillo usw. nutzen ganz ähnliche Stilmittel und auch ähnliche strukturelle wie dramaturgische Elemente. Das ist der amerikanischen CW-Kultur geschuldet, die das Handeln (Show, don't tell) über die Sprache hebt, ohne diese vollständig zu ignorieren. [/quote']

 

Ich frage mich, ob das wirklich an der CW-Kultur liegt, oder ob es sich dabei nur um Modeerscheinungen handelt. Betrachtet man die moderne angelsächsische Literatur insgesamt, findet man doch sehr unterschiedliche Strömungen und Ausprägungen, sowohl inhaltlich als auch stilistisch.

 

Christoph

 

EDIT: "Angelsächsisch" ist verwirrend. Habe daher die Überschrift geändert.

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Es liegt nicht nur an der CW-Kultur, aber sie ist eine Ursache - übrigens sind sich viele - auch sehr honorige - amerikanische Autoren nicht zu schade dafür, in den Unis CW-Kurse zu geben. Aber es hat natürlich auch mit der (US-)amerikanischen Gegenwartskultur allgemein zu tun, die fremdkulturelle Einflüsse nur in geringem Maße schätzt, die generell sehr handwerks- und zielorientiert arbeitet. Selbst Filme, zum Beispiel, die in Amerika als besonders originell und eigenständig gefeiert werden, weisen dennoch stilistische und dramaturgische Elemente auf, die Hollywood vorgegeben hat (manch ein deutscher "Tatort" ist da weitaus experimenteller). Dieserart hat man ein hohes Maß an Vergleichbarkeit, Ähnlichkeit, Verläßlichkeit in gewisser Hinsicht, aber auch wenig Originalität abseits der strukturellen Muster, die die Branchen vorgeben. Auch hier gilt natürlich: Ausnahmen bestätigen ... ;)

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Theorien:

 

1. Sowohl England mit seinem Empire als auch die USA, der "melting pot", standen stets vor dem Problem, eine Vielzahl kulturell sehr unterschiedlich geprägter Menschen über einen "kleinsten gemeinsamen Nenner" anzusprechen: Die Notwendigkeit, eine besonders "wirksame" Weise des Erzählens zu finden, könnte schlicht größer gewesen sein.

 

2. Die Konkurrenz ist größer. Wieviel Menschen sprechen Englisch als Haupt- oder Muttersprache? Eine Milliarde? Das wären zehnmal so viel wie bei Deutsch. Entsprechend mehr Autoren müssen sich rein statistisch um nicht soo viel mehr Veröffentlichungsplätze balgen. (Wobei hinzu kommt, dass "den großen amerikanischen Roman" zu schreiben ein heftig verbreiteter Lebenstraum in den USA sein soll.)

 

3. Englischsprachige Autoren wurden nie groß gefördert, mussten immer ihr Publikum finden und halten, wenn sie es zu was bringen wollten. Was man muss, das lernt man. Viele deutschen Autoren hatten Mäzene und mussten nicht.

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Wobei hinzu kommt, dass "den großen amerikanischen Roman" zu schreiben ein heftig verbreiteter Lebenstraum in den USA sein soll.

 

Man könnte das fast als eigenständige literarische Gattung bezeichnen - die eigene Lebens-/Familiengeschichte vor dem Hintergrund der amerikanischen Historie, oder sie zugleich erzählend. Das ist motivisch in vielen erfolgreichen Erzählungen verankert. Philip Roth hat einen seiner ersten Romane auch gleich "The Great American Novel" genannt. Exzellentes Buch übrigens.

 

Amerikanische Autoren schreiben weniger "für" irgendwen als zum Beispiel deutsche Autoren, was die Zielgruppe anbetrifft.

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Hi Christoph,

 

ich denke auch, daß schon die Masse viel ausmacht, innerhalb derer sich dann auch viele positive Extreme finden (wobei mich meine Arbeit als Gutachter aber auch lehrt, daß es ebenso viele negative Extreme gibt ;-)) Die Masse ermöglicht auch eine fruchtbare Diversifizierung - der amerikansiche SF-Markt besteht beispielsweise nicht nur aus drei Autoren (wenn's hochkommt! ;-))

 

Bei den Drehbuchleuten wundert es mich ehrlich gesagt mehr. Da haben wir Schulen, Förderung, alles, jedoch...

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Ich habe 25 Jahre in amerikanischen Firmen gearbeitet mit Kollegen aus allen angelsächsischen Ländern und war auch 5 Jahre mit einer Engländerin verheiratet. 80% meiner Lektüre ist in englisch. Deshalb glaube ich sagen zu können, das dies eine kulturelle und Mentalitätsfrage ist:

 

1) Unterhaltung ist nichts Ehrenrühriges. Die U und E Debatte gibt es dort überhaupt nicht, würde auf völliges Unverständnis stoßen. Im Gegenteil wird erwartet, dass unterhalten wird, in welcher Form auch immer, sei es Drama, Kommödie oder Tragödie. Konflikte, Spannung, Drama sind die wichtigen Elemente. Wer nicht fesseln kann, hat keine Chance. Sprachexperimente bringen es nicht. Das ist mit ein Grund, warum ich persönlich viele deutsche Autoren schlicht langweilig finde.

 

2) Eine Entertainment/Humor Kultur. Selbst oder gerade im alten England kommt man ohne ein Scherzchen auf den Lippen nicht weit im Leben. besonders "when the going tough" ist. Und besonders über sich selbst soll man lachen können. Das durchdringt die ganze Kultur. Auch im Geschäftsleben. Eine gute Verkaufspräsentation ist Show Business. Man lockert mit ein bisschen Humor auf. Ich bekam, zurück in Deutschland, erstmal einen Schock, wie dröge die Leute einem teilweise gegenübersitzen. Ein Autor soll unterhalten. Die machen sich echt ernste Gedanken über Unterhaltung.

 

3) Den Angelsachsen ist Inhalt mehr als Form. Das hat nichts damit zu tun, das man sich einfach ausdrücken will oder es nicht besser kann. Die englische Sprache ist leicht, um mit ein paar Worten schnell zurecht zu kommen. Aber um Englisch richtig gut zu sprechen, das ist schwer. Englisch hat fast doppelt so viele Worte wie das Deutsche und die vielen idioms sind nicht ohne. Nein, aber es geht ihnen hauptsächlich um die erfolgreiche Kommunikation. Man spricht den anderen nicht nur an, man möchte auch verstanden werden. Deshalb sind Texte über komplexe Inhalte in englisch so viel leichter zu verstehen, als deutsche. Nicht weil die Sprache vereinfacht wurde, sondern weil man sich eine Menge Gedanken um den Leser macht, wie bringt man es wirklich effektiv rüber.

 

4) Geschichten erzählen, Show und Drama gehören zur angelsächsischen Kultur. Es gibt tausend Laienbühnen in England. Shakespeare wird verehrt. Hausfrauen nehmen Schauspielunterricht. Das wird gelebt. Ebenso das öffentliche Debattieren und Diskutieren. Mit dem Quentchen Humor, versteht sich.

 

Tut es Wunder, wenn man das alles zusammennimmt, dass da soviel Schwung und Können ist, das es schöne Blüten treibt? Habt ihr mal gesehen, wie Amerikaner eine Kundenveranstaltung organisieren, das der Hype einem nur so um die Ohren fetzt? In Deutschland schlafen einem die Füße ein.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ein skeptischer Einwurf: Die anglo-amerikanischen Autoren, die hierzulande übersetzt werden und dann womöglich die Bestsellerliste stürmen, sind letztlich die Spitze vom Eisberg. Wer drüben floppt (und davon gibt es auch nicht wenige), wird hier nicht eingekauft. Wahrscheinlich gibt es jede Menge urlangweilige amerikanische Thrillers - aber wer sich nicht intensiv mit dem dortigen Markt beschäftigt und Bücher im Original liest, der wird diese gar nicht in Händen bekommen.

Auch im vielgerühmten Hollywood gibt es etliche Filme, die es nicht in die Kinos schaffen und noch mehr, die floppen. Ebenso wie viele Fernsehserien pilotiert werden und nie von einem Fernsehsender gekauft werden - weil sie womöglich noch schlechter sind als manch deutsche Produktion.

 

Etwas hanebüchen kommt mir darüber hinaus das Argument vor, dass die hiesige E-U-Stigmatisierung die generelle Qualität mit beeinbeflusst. Wenn ein deutscher Autor einen langweiligen Krimi schreibt (und zwar kein experimentelles, sondern ein bewusst in diesem Genre angesiedeltes Buch), dann hat das doch nichts damit zu tun, dass hinterher nicht er, sondern ein Handke im Feuilleton landet. Und wenn ich einen historischen Roman schreibe und das vor allem mit der Absicht zu unterhalten werde ich - falls es schief geht - nicht hinterher sagen: Er ist nur darum so langweilig geworden, weil ich in Wahrheit E-Literatur schreiben wollte.

Auch wer auf einen strikten E-U-Unterschied beharrt (ich tue es in dieser Absolutheit nicht) stellt doch nicht den Freifahrtschein aus, dass Unterhaltungsliteratur langsam, dramaturgisch schlecht und totlangweilig geschrieben werden muss!

 

Liebe Grüße,

Julia

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Interessante Antworten. Die schiere Masse an englischsprachiger Literatur scheint wohl der Hauptgrund für deren Erfolg zu sein, wobei mir auch Ulfs Argument einleuchtet, dass pointiertes Erzählen einfach Teil der anglo-amerikanischen Kommunikationskultur ist.

 

Ein weiterer Grund scheint mir auch ein anderer Umgang mit dem Alltag zu sein. Um bei meinem Beispiel London zu bleiben: Da hat jeder noch so unbedeutende Ort seine eigene Geschichte, Anekdoten und Legenden werden gesammelt und gehegt und gepflegt, was zu einer Mystifizierung alltäglicher Vorgänge und Orte führt. Ich kann auch nicht genau erklären, was ich da gespürt und beobachtet habe; es war jedenfalls ganz anders als unsere deutsche institutionalisierte Langeweile, und ich kann mir gut vorstellen, dass so über die Jahrhunderte ein idealer Nährboden für Geschichtenerzählen entsteht. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Phantastik, wie wir sie heute kennen, in Neuengland und Großbritannien entstanden ist.

 

Christoph

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Ein skeptischer Einwurf: Die anglo-amerikanischen Autoren, die hierzulande übersetzt werden und dann womöglich die Bestsellerliste stürmen, sind letztlich die Spitze vom Eisberg. Wer drüben floppt (und davon gibt es auch nicht wenige), wird hier nicht eingekauft.

 

Sicher richtig. Dennoch, es gibt halt sehr viele gute. Sonst kämen nicht so viele rüber und der umgekehrte Weg ist fast unbekannt. Beispiel: "Die Vermessung der Welt". Fand ich richtig originell und amüsant. Bis etwa zur Hälfte. Dann geht die Luft raus. Man quält sich zuletzt bis zum Ende und freut sich, dass das Buch endlich aus ist.

 

Ein Volk, das sich Nachrichtensprecher wir die 20:00 ARD Tagesschau leistet, da wird vom Blatt gelesen, da regt sich kein Muskel im Gesicht. Brrrrhhh. Was soll aus so einem Volk kommen? CNN, BBC auch die Franzosen können News besser rüberbringen.

 

Die U/E-Debatte ist wirklich blöd. Aber solange man von "ernsthafter" Literatur redet, von Hoch- und gehoben und noch was edlerem, da wird halt vieles zum Einschlafen produziert. Und das Gegenstück zu dem ist nicht Pilcher, das will ich mal klarstellen!

 

Ich entschuldige mich im Voraus für meine Boshaftigkeit. :s22

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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1) Unterhaltung ist nichts Ehrenrühriges.

 

Ja, genau. Das, was man zu erzählen hat, so aufzubereiten, dass man es versteht, ihm folgen kann und auch gern folgt, wird als Bringschuld verstanden - auch von Lehrkräften, z.B. Ein amerikanischer Professor darf und soll unterhaltsam, fesselnd, witzig, faszinierend sein - ein deutscher darf es nicht! Denn sonst gilt er als "populärwissenschaftlich" und ist im Kollegenkreis unten durch. (Ich kenne einen Fall, in dem die Berufung auf einen Lehrstuhl mit diesem Argument verhindert wurde. Der Kandidat lehre "zu lebhaft und anschaulich".)

 

Das ist eine Kulturfrage, nicht ein isoliertes Phänomen. In Deutschland macht man sich verdächtig, wenn man unterhaltend/spannend/fesselnd schreibt oder spricht.

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Ein amerikanischer Professor darf und soll unterhaltsam' date=' fesselnd, witzig, faszinierend sein - [i']ein deutscher darf es nicht![/i] Denn sonst gilt er als "populärwissenschaftlich" und ist im Kollegenkreis unten durch. (...) In Deutschland macht man sich verdächtig, wenn man unterhaltend/spannend/fesselnd schreibt oder spricht.

 

Das fällt mir auch immer wieder auf: Sachbücher aus dem Amerikanischen sind normalerweise - auch wenn sie schwierige Themen behandeln - verständlich und bestenfalls sogar unterhaltsam geschrieben, während ich bei deutschen Fachleuten als Laie kaum eine Chance habe zu verstehen, was sie - offenbar nicht mir - sagen wollen. Ich finde das ausgesprochen traurig.

 

Das Erstaunlichste, was ich in dieser Beziehung erlebt habe, war die Doktorarbeit eines entfernten Verwandten. Bis ich die in Händen hielt, hatte ich mich immer für einen leidlich intelligenten Mensch gehalten. Nach drei Anläufen mit der ersten Seite fing ich an, an meinem Verstand zu zweifeln und gab auf. Ich staunte nicht schlecht, als ich diesen Menschen irgendwann persönlich kennenlernte, handelte es sich doch um einen sehr umgänglichen, durch und durch "normalen" Mann, der auch mit uns "einfachem Volk" problemlos kommunizieren konnte :-?.

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Das fällt mir auch immer wieder auf: Sachbücher aus dem Amerikanischen sind normalerweise - auch wenn sie schwierige Themen behandeln - verständlich und bestenfalls sogar unterhaltsam geschrieben' date=' während ich bei deutschen Fachleuten als Laie kaum eine Chance habe zu verstehen, was sie - offenbar nicht mir - sagen wollen. Ich finde das ausgesprochen traurig. [/quote']

 

Das Deutsche hat einfach andere Möglichkeiten. Es gibt da die Redensart, Englisch sei die Sprache der Dichter, und Deutsch die Sprache der Philosophen. Tatsächlich lädt die "Einsilbigkeit" bei gleichzeitiger lexikalischer Größe des Englischen dazu ein, sich flüssig und elegant auszudrücken. Im Deutschen haben wir mit unseren tollen Substantivierungen und diversen Prä- und Suffixen die Möglichkeit, Wortungetüme zu bauen, die prima echte (oder eingebildete) Bedeutungsunterschiede gerade im wissenschaftlichen Diskurs festhalten können. Viele dieser Begriffe sind ins Englische gar nicht übersetzbar.

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Also nur zwei Anmerkungen:

 

Ich bin jetzt einige Jahre nicht mehr in den USA gewesen, aber vor zehn Jahren hatte ich nicht den Eindruck, dass die Literatur einförmiger war. Was einförmiger ist, sind die Importe ins Deutsche, die Verlage kaufen möglichst nur Mainstream, das, was wir hier in Deutschland an angelsächsischen Büchern lesen ist eine stark gefilterte und verdünnte Brühe.

 

Auch die strikte E und U Unterscheidung gibt es drüben in gewissen Kreisen. Als Stephen King einen hohen literarischen Preis gewann, gab es riesigen Wirbel und einen bösen Artikel eines amerikanischen Literaturwissenschaftlers, der sich beklagte, dass diesen Preis doch auch Philip Roth bekommen hätte und dann könne man ihn doch keinem Trash Autor geben.

 

Dabei hatte King den PReis gar nicht für seine Texte sondern für seine Nachwuchsförderung bekommen.

 

Aber Unterhaltung und Verständlichkeit haben sicher einen ganz anderen Wert in der angelsächsischen Welt und vor allem bei Wissenschaftlern. Wobei sich das hier auch ändert, allerdings langsam.

 

Hans Peter

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Hallo, Andreas.

 

In Deutschland macht man sich verdächtig, wenn man unterhaltend/spannend/fesselnd schreibt oder spricht.

 

Hier scheint mir eine eklatante Verwechslung von Ursache und Wirkung vorzuliegen. Mal davon abgesehen, dass viele "junge" Autoren (Regener, Goosen, Birbaek, Strunk, um nur einige zu nennen) ohne verrenktes Schielen auf die Feuilletons erstens fesselnd, spannend und orginell und zweitens gut schreiben, ohne sich "verdächtig" zu machen, und verblüffenderweise sowohl Publikum, als auch die Kulturredaktionen auf sich aufmerksam machen, sind es m.E. die Autoren selbst (vorzugsweise in den Genres Krimi, Thriller, SF), die sich im Rahmen ihrer teilweise recht epigonenhaften Tätigkeit selbst sprachliche Schranken aufzuerlegen scheinen. Wenn ich einen H. D. Klein lese und danach Dan Simmons, kommt das dem Wechsel aus einer miefigen, völlig ranzigen 24-Stunden-Kneipe in ein besterntes Feinschmeckerlokal gleich - obwohl beide ähnliche Geschichten erzählen - oder zu erzählen versuchen. Deutsche Thriller? Blasses Dan-Brown-Hinterhergetapse (auch eine Kunst, noch schlechter als Dan Brown zu schreiben!). Deutsche SF? Wir ahmen entweder Lem oder Dick nach, aber auf niedrigem Niveau. Deutsche Krimis? Tannöde Selbstbeweihräucherung oder regionales Gepolter auf Schulaufsatzniveau ("Priml", würde Kommissar Kluftinger sagen). Klar, es gibt Heinrich Steinfest und Wolf Haas, vielleicht noch Bernhard Schlink. Aber das sind eigentlich auch keine Krimis, was die Herren schreiben oder geschrieben haben.

 

Was ich damit sagen will: Der Bereich, der in Europa gewachsen ist, nämlich das, was wir Popliteratur nennen, zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Eigenständigkeit und sprachliche Originalität aus. In vielen anderen Genres muss man derlei suchen, händeringend zuweilen (und ich lese ausgesprochen gerne SF - ein guter deutscher SF-Roman ist mir aber seit Jahren nicht mehr untergekommen), weil auf kleiner Flamme aufgekocht wird, was andere besser vorgemacht haben. Natürlich hat das auch etwas mit Verlagspolitik zu tun. Aber man macht sich m.E. nicht "verdächtig", wenn man "unterhaltend/spannend/fesselnd schreibt oder spricht".

Es wird einfach nicht getan.

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Aber man macht sich m.E. nicht "verdächtig"' date=' wenn man "unterhaltend/spannend/fesselnd schreibt oder spricht".[/quote']

Vor sich selbst schon. Da ist immer noch die Hemmung da, nicht "ernsthaft" zu schreiben, obwohl sich die Bedingungen längst geändert haben.

 

Dass "unterhaltend" heute von Verlagen nicht mehr scheel angesehen wird, ist richtig. Dass es mittlerweile auch viele Autoren gibt, die das können, stimmt auch. Aber bei sehr vielen fehlt es einfach noch und ich denke, so schnell legt man die Vergangenheit mit dem schlechten Gewissen (Unterhaltsam, Pfui) nicht ab.

 

Wobei ich glaube, das ändert sich zunehmend. Im Literaturgenre und der Fantasy sehe ich da durchaus ganz erhebliche Verbesserungen.

 

Hans Peter

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Hallo zusammen,

 

im Prinzip gibt es zwischen 1933- und 1945 eine Zäsur im Bereich der Literatur: Es gab in der Weimarer Zeit eine Hochblüte der deutschen Kultur in vielen Bereich wie Film, Fernsehen, Theater, Musik, Malerei und Literatur. Mit der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten gab es dann eine äußere und innere Emigration, viele Kulturschaffende wurden ermordet oder begingen Selbstmord.

Der Neubeginn fand ohne die Traditionslinien vor 1933 statt- wer sich die Gruppe 47 ansieht und weitere wichtige deutsche Autoren direkt nach 1945, der wird feststellen, dass der Großteil der Autoren vor 1933 nicht geschrieben hat oder danach aus dem Exil geschrieben hat.

Im Film blieben die meisten Regisseure, die meisten Schauspieler, Komponisten einfach in Amerika oder in anderen Ländern- und haben dort ihre Erfahrungen weitergegeben.

 

Somit hat sich die deutsche Literatur zwar immer wieder an der Literatur vor 1933 orientiert- aber die wenigsten Autoren konnten ohne die direkte Vermittlung und die Erfahrung derer, die vor ihnen waren, wirklich auf diese Erzähllinien zurückgreifen.

Das hat mit E-und U- gar nichts zu tun. Sondern damit, dass es unglaublich schwierig ist solche Linien nachzuvollziehen.

 

Amerika hat in den letzten Jahrhunderten immer wieder davon profitiert, dass Menschen aus dem kulturellen Bereich dorthin gegangen, geflohen oder ausgewandert sind und das sie gezielt auch die Leute eingekauft haben.

Dadurch haben sie aus den vereinzelten Leuchttürmen nach und nach ein gezieltes Netz aus gezielter Förderung aufgebaut, von den Schreibkursen an Schulen, Universitäten und mehr. Sie haben das aber nicht gemacht, weil sie Erzähltraditionen so schätzen, sondern weil sie aus den Erzähltraditionen eine meßbare Verwertungskette in finanzieller Sicht machen konnten und nebenbei auch in kultureller Sicht- siehe Demokratieentwickung und Einfluß durch Kultur.

Und dabei haben sie etwas entdeckt, was alle vorher wussten, aber kaum eingesetzt haben: Wer kreative Energie bündelt und unterschiedliche Menschen dabei zusammenbringt, der bekommt einen enormen Pool, aus dem alle schöpfen können.

 

In Deutschland wurde weitgehend alleine geschöpft, Leuchttürme, von einigen Gruppen einmal abgesehen- und das ändert sich genau wie die Schreibausbildung. Und es gibt einige neue Erzähltraditionen, und alles zusammen macht die Autoren in Deutschland immer besser. Es gibt inzwischen in der Malerei eine Leipziger Schule, und einige deutsche Regisseure und Schauspieler werden inzwischen wieder eingekauft- weil da in Amerika ein Mangel an richtigen guten Leuten herrscht.

Während seit 15 Jahren in Amerika immer mehr stagniert, weil die Kreativen wieder wie früher durch die Welt reisen, wandern, in Berlin, Paris oder London leben, ist es in Deutschland etwas anders. Im Moment haben die Amerikaner Leuchttürme, die das Gefühl geben, da ist noch viel- aber die meisten amerikanischen Autoren in Übersetzung sind über 50- und was nachkommt ist bei weitem nicht so gut.

Im Moment kommt da in Deutschland wesentlich mehr nach.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Tatsächlich lädt die "Einsilbigkeit" bei gleichzeitiger lexikalischer Größe des Englischen dazu ein, sich flüssig und elegant auszudrücken. Im Deutschen haben wir mit unseren tollen Substantivierungen und diversen Prä- und Suffixen die Möglichkeit, Wortungetüme zu bauen, die prima echte (oder eingebildete) Bedeutungsunterschiede gerade im wissenschaftlichen Diskurs festhalten können. Viele dieser Begriffe sind ins Englische gar nicht übersetzbar.

Ich würde noch hinzufügen, dass die oft lakonische Treffsicherheit, die gute angloamerikanische Autoren so sehr auszeichnet, nur schwer ins Deutsche zu übertragen ist. Ich lese Bücher dieser Autoren daher lieber gleich im Original, weil mich Übersetzungen doch oft enttäuscht haben.

Das neue Jugendbuch: "Der Reiter des Königs"&&Homepage Burkhard P. Bierschenck

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Amerika hat in den letzten Jahrhunderten immer wieder davon profitiert, dass Menschen aus dem kulturellen Bereich dorthin gegangen, geflohen oder ausgewandert sind und das sie gezielt auch die Leute eingekauft haben.

 

Das ist sicher richtig, daraus aber ableiten zu wollen, dass amerikanische Erfolge nur darauf basieren, dass sie sich von überall her nur die besten Leute geholt haben, ist meines Erachtens eine falsche Einschätzung. Was für Raketentechnologie noch zählen mag, gilt sicher nicht für Literatur.

 

Schon allein die Sprache stellt eine Barriere da ... siehe Beispiel Brecht. Außerdem fließt in die Literatur auch noch mehr als die Sprache. Da ist der ganze Schatz an kulturellem Erbe, kulturellen Erinnerungen. Diese sich aus einem anderen Kulturraum über Nacht anzueignen ist nicht einfach.

 

Vergessen wir auch nicht, dass es auch sehr gute britische Autoren gibt (mir noch lieber als die amerikanischen). Die Engländer haben sich sicher kein Netz an fremden Kulturschaffenden eingekauft.

 

Dass bei uns hingegen der fatale Exodus vieler Künstler während der NS-Zeit eine erst sich langsam füllende Leere hinterlassen hat, steht sicher außer Zweifel.

 

Wer kreative Energie bündelt und unterschiedliche Menschen dabei zusammenbringt, der bekommt einen enormen Pool, aus dem alle schöpfen können.

 

Absolut. Aber dazu muss man auch offen sein und den Mut haben, alte Muster beiseitezuschieben, wenn sie nicht mehr dienen.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich möchte an das Posting von Thoma anknüpfen. Interessanterweise feiern immer mehr deutsche Regisseure in Amerika bzw. Hollywood Erfolge. Drüben scheint man etwas ausgebrannt zu sein - auch was die Stoffe betrifft. Es ist kein Zufall, dass immer häufiger deutsche Kinofilme für Amerika nochmals verfilmt werden, ohne große Änderungen am Drehbuch vorzunehmen, nur eben mit Hollywood-Stars besetzt. Ich denke an Filme wie "Belle Martha" von Sandra Nettelbeck oder "Funny Games" von Michael Haneke.

 

Es gibt also Hoffnung, da ist was in Bewegung...

 

Herzlichst:

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Sachbücher aus dem Amerikanischen sind normalerweise - auch wenn sie schwierige Themen behandeln - verständlich und bestenfalls sogar unterhaltsam geschrieben' date=' während ich bei deutschen Fachleuten als Laie kaum eine Chance habe zu verstehen, was sie - offenbar nicht mir - sagen wollen.[/quote']

 

Das wollen sie auch gar nicht. Im Ernst. Ich habe das selber gesagt bekommen: "Ein Fachvortrag soll in erster Linie imponieren, nicht informieren." Eine andere Regel lautet: "Ein Drittel sollen alle verstehen, ein Drittel sollen nur die Fachleute verstehen, ein Drittel soll niemand verstehen."

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sind es m.E. die Autoren selbst (vorzugsweise in den Genres Krimi' date=' Thriller, SF), die sich im Rahmen ihrer teilweise recht epigonenhaften Tätigkeit selbst sprachliche Schranken aufzuerlegen scheinen. [/quote']

 

Hmm. Da ist was dran, wenn ich auch noch nicht ganz den Finger drauflegen kann. Eine epigonale Grundeinstellung scheint mir eine der grundlegendsten Hürden zu sein, wenn man (als Deutschsprachiger?) mit dem Schreiben beginnt: Dieses nahezu reflexhafte Ansiedeln seiner Gesichten in einem nicht selbst erlebten Plastik-Amerika, zum Beispiel. (In dieser Hinsicht muss ich mich in "Solarstation" und auch in "Jesus Video" schuldig bekennen: Die Nationalität der Hauptfiguren war Nachahmungsreflex.) Hat vielleicht etwas mit diesen gebrochenen Traditionslinien zu tun, weiß ich nicht. Denn andere versuchen ja, wie Thomas Mann zu schreiben, was genauso regelmäßig peinlich misslingt.

 

Andererseits arbeitet sich ja zweifellos auch ein britischer oder amerikanischer Autor an Vorbildern entlang. Was macht den Unterschied aus?

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Warum die anglo-amerikanischen Autoren so gut sind?

 

Vielleicht weil sie sich nicht so fürchterlich wichtig nehmen. Weit mehr als in unseren deutschen Romanen kommt Leichtfüßigkeit, Selbstironie und Optimismus vor, auch bei "schweren Themen".

 

Während bei uns alles bedeutungsschwanger, bis auf den letzten Zipfel gründlich recherchiert, schwerblütig und Betroffenheit auslösend sein muss. Oder es wird platter Kamauk produziert. Die Zone dazwischen ist erbärmlich ausgedünnt.

 

Außerdem habe ich den Eindruck, dass die anglo-amerikanischen Autoren weit souveräner und spielerischer mit den Gefühlen umgehen, sowohl mit denen der Protagonisten als auch mit denen der Leser.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Vielleicht weil sie sich nicht so fürchterlich wichtig nehmen. Weit mehr als in unseren deutschen Romanen kommt Leichtfüßigkeit, Selbstironie und Optimismus vor, auch bei "schweren Themen".

Anna

 

Das ist auch mein Empfinden. Sie behandeln den Stoff positiver, betrachten auch ihre eigenen Figuren wohlwollender. Es werden weniger Seelnabgründe analysiert, keine umfassenden Philosophien entwickelt. Einfach Geschichten gut erzählen. Spinning the yarn ...

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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