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HenningS

Ich-Perspektive und Zeiten

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Ich habe vor Jahren "Die Tribute von Panem" gelesen und erinnerte mich jetzt daran, dass es eine Ich-Erzählung ist. Ich suchte mir das Buch raus und war überrascht, dass es im Präsens geschrieben ist. Denn genau wie @AnnaW es ausdrückt, finde die Ich-Perspektive im Präsens oft prätentiös. Aber offenbar hat das Präsens mich damals bei Lesen nicht gestört.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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vor 11 Stunden schrieb HenningS:

Ich habe vor Jahren "Die Tribute von Panem" gelesen und erinnerte mich jetzt daran, dass es eine Ich-Erzählung ist. Ich suchte mir das Buch raus und war überrascht, dass es im Präsens geschrieben ist. Denn genau wie @AnnaW es ausdrückt, finde die Ich-Perspektive im Präsens oft prätentiös. Aber offenbar hat das Präsens mich damals bei Lesen nicht gestört.

Bei mir war es das erste Präsens-Buch und ich erinnere mich, zuerst sehr irritiert gewesen zu sein. Aber ich musste das Buch lesen (meine Tochter bekam es von einer Lehrerin empfohlen und war nach der Lektüre ziemlich verstört :(), und im Laufe des Buches habe ich mich dran gewöhnt. Heute fällt mir Präsens in Büchern immer noch auf, ich mag es auch nicht besonders, aber es geht.

Man gräbt keine goldenen Halsbänder aus dem Boden. (John Vorhaus "Handwerk Humor")

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"Bei "Als ich ... komme", dreht sich mir der Magen um. Ganz unabhängig davon, ob das grammatikalisch möglich ist - ich meine, nein - spricht oder erzählt so doch niemand.

Es gibt mehrere Dinge, die man im Präsens schreiben kann, vor allem dann, wenn man im Präteritum erzählt. Das sind beispielsweise allgemeingültige Tatsachen oder Erkenntnisse, die nicht nur während der Erzählzeit gültig sind. Ein anderes Beispiel ist das szenische Präsens, das vor allem in Erlebniserzählungen in Schulaufsätzen gern verwendet wurde (etwa so um 1960).

Ich akzeptiere als Leser das Präsens nur, wenn der Protagonist die ganze Geschichte ganz bei sich selbst ist.  Bei Sibylle Berg: Der Tag, an dem meine Frau ihren Mann fand, hat es mich überzeugt. Es gibt bestimmt auch andere Möglichkeiten wie das Ich als unpersönlicher Beobachter oder so etwas. Aber das Präsens erzählt anders als das Präteritum. Kann man leicht merken, wenn jemand genau das tut. Im Präsens erzählen. "Ich, also, um die Ecke rum. Steht der Kerl doch da und tut so ... Ich mach einen großen Bogen. Vorsichtig, versteht sich. Man weiß  ja nie. Und dann, gerade als" etc.

Damit keine Missverständnisse aufkommen. Ich möchte meine eigenen Lesegewohnheiten nicht als Standard vorschlagen. Aber ich hasse Beliebigkeiten von der Art, dass alles geht, auch dort, wo es nicht geht. Aber wenn ich Forscher durch Forschende ersetze, wie ich es mittlerweile sogar in der Zeitung lese, und dann so tue, als wäre das gleichbedeutend, dann steigt bei mir der Blutdruck.

Wolf (Schreibender)
;D

 

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vor 5 Stunden schrieb Wolf:

"Bei "Als ich ... komme", dreht sich mir der Magen um. Ganz unabhängig davon, ob das grammatikalisch möglich ist - ich meine, nein - spricht oder erzählt so doch niemand.

„Als ich ins Zimmer komme, stehen dort sämtliche Schranktüren offen. Ein Blick in die ebenfalls herausgerissene Schublade: Meine Papiere sind weg! Und damit auch der Beweis, dass es mich gibt!“ - Geht, finde ich. Für einen Thriller zum Beispiel. Über den Stil kann man ja streiten. Oder: „Als ich um die Ecke biege, stehe ich Aug in Aug mit einem Wolf, der die Zähne fletscht. Auf den zweiten Blick ist’s nur ein Husky. Und auf den dritten ein Plakat.“  

Ich finde, damit kann man Unmittelbarkeit sehr gut deutlich machen. Und das schrittweise Begreifen einer Situation.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 1 Stunde schrieb Beate K.:

Bei mir war es das erste Präsens-Buch und ich erinnere mich, zuerst sehr irritiert gewesen zu sein. Aber ich musste das Buch lesen (meine Tochter bekam es von einer Lehrerin empfohlen und war nach der Lektüre ziemlich verstört :(), und im Laufe des Buches habe ich mich dran gewöhnt. Heute fällt mir Präsens in Büchern immer noch auf, ich mag es auch nicht besonders, aber es geht.

Eigentlich sollte eine Geschichte inhaltlich so interessant sein, dass "wie es gemacht ist" schon nach wenigen Seiten verschwimmt. Und das wird bei den meisten Lesern sicherlich so sein.

Wir als AutorInnen haben da einen anderen Blick. (Und das kann manchmal sogar nervig sein, weil zB Überraschungen verloren gehen.) Kürzlich sah ich in einem TV-Krimi wie eine Lehrerin zwei Schülern ein Klappmesser abnahm und sagte zu meiner Frau: Aha, die Macher haben einen Grund gebraucht, warum eine solche Durchschnittsfrau ein Klappmesser bei sich trägt. Das wird mit Sicherheit zum Einsatz kommen. Und meine Frau sagte: Meinst du echt?

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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vor 23 Stunden schrieb HenningS:

Eigentlich sollte eine Geschichte inhaltlich so interessant sein, dass "wie es gemacht ist" schon nach wenigen Seiten verschwimmt. Und das wird bei den meisten Lesern sicherlich so sein.

Genauso sehe ich das auch.

Anfänglich habe ich auch meine Bücher im Präteritum verfasst, wie man es gewohnt ist. Dann hatte ich eine Aha-Erlebnis bei einem amerikanischen Thriller, der im Präsens geschrieben war. Fand ich toll. So direkt, so unmittelbar. Meine Wikinger-Trilogie war zur Hälfte fertig (1 ½ Bücher). Ich hab sie spontan umgeschrieben. Seitdem habe ich diverse Romane im Präsens verfasst, mit und ohne Ich-Erzähler. Mir liegt das Präsens. Der Leser ist so unmittelbar beim Geschehen dabei. Und von den Leserinnen, die das gewöhnungsbedürftig fanden, war die Eingewöhnung meist nach drei Seiten erledigt. Danach war es ihnen gar nicht mal mehr bewusst. So die Rückmeldungen.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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