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(Peter_T.)

Kurze Sätze, lange Sätze

Empfohlene Beiträge

Ich bin ein Verfechter von kurzen Sätzen. Ab und an hatte ich aber doch einen langen gebastelt. Klammern im Text hatte mir meine Dozentin immer angerügt.

Heute vermeide ich überlange Sätze und lasse Klammern ganz weg. Dass es auch anders geht, beweisen nachfolgende Beispiele.

 

Jimmy Kooper ist der Typ Mann, der um halb fünf aufwacht, ins Fitnesscenter geht und mit seinen Anwaltskumpeln Gewichte hebt, zwei Stunden in einem türkischen Bad absteigt, sich dann beim Friseur am Plaza rasieren und in einem piekfeinen Etablissement, das nur zwanzig Leute kennen, eine Massage verpassen lässt, danach zur Arbeit geht, eine dreistündige Mittagspause mit Klienten oder Freunden einlegt, dann wieder zur Arbeit zurückkehrt, um seine Mitarbeiter fertig zu machen, ein zweistündiges Meeting mit seinem Börsenmakler, Anlageberater oder Buchmacher dazwischen schiebt, nach der Arbeit bei seiner Geliebten vorbeischaut und sich dort Handschellen anlegen lässt oder sie in Handschellen legt, und dann nach Hause geht. Er wirkt einfach wie die Sorte Mann, die aus einem vierundzwanzigstündigen Tag sechzig Stunden herausquetschen kann

 

Mit einem Zahnstocher zwiebelt er sich ein Stückchen Kopfsalat aus den Zwischenräumen und gibt dabei ein lautes, saugendes Geräusch von sich.

„Tja, Stil", sagt Jimmy Cooper. Er hat den Salat mittlerweile rausbekommen und pult mit einen anderen Zahnstocher nach anderen Essensresten. „Stil muss man schon haben."

Seine Frau betupft ihren kleinen Mund mit ihrer Serviette.

Ein Pitbull und eine Afghanenhündin - Jimmy und Carol Cooper haben die klassische Statur eines Komikerduos: Der Dicke (Hardy) und die Dünne (Laurel), allerdings nicht ganz so überzogen, denn er hat zwar Schultern wie ein Sofa, ist aber nicht fett, sie hat etwas von einem Kleiderbügel, ist aber nicht magersüchtig. Wenn ich sie so anschaue, ihren schweren, über den Stuhl gehängten Zobelfellmantel, ihr reiches mit Puder überzogenes East-Side-Gesicht, ihr sorgsam gekämmtes, blondes Haar, ihren glänzenden Teint (sie sieht aus wie eine Wachsbirne) und ihre kleine Hakennase, dann erinnert sie mich an jemanden... aber ich komme nicht mehr drauf. Selbst die Art, wie sie spricht und auftritt, lässt mich an jemand anderen denken, aber ich kann mich nicht mehr entsinnen, wer es ist.

 

Was haben wir hier? Wir haben genau dass, was man mir (und sicherlich auch anderen) angekreidet hat. Die Sätze sind nicht nur sehr lang, sie sind Megalang. Und Klammern haben wir auch. Wer hat das vollbracht? Es handelt sich um das Erstling eines amerikanischen Autors, Ted Heller, mit dem Titel: „Heiße Luft". Erschienen im Goldmann Verlag. Frey schreibt u.a.: ...einem bekannten Autor nimmt man so etwas ab, ihnen aber nicht... Hier handelt es sich aber nicht um einen bekannten Autor, denn es ist ja sein Erstling. Es bleibt aber die Frage, warum das angenommen wurde. Vielleicht, weil es immer Ausnahmen gibt? Oder vielleicht, weil es einfach nur gut geschrieben ist? Oder vielleicht, weil Ted Heller der Sohn des berühmten Autors Joseph Heller ist? Diese Frage möge jeder selbst versuchen zu beantworten.

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Hallo Peter,

ich verstehe dein Grundproblem nicht. Du vergleichst jetzt schon zum zweiten Mal mit einem veröffentlichten Autoren und fragst: Warum darf der das? Warum darf ich das nicht?

Es ist der falsche Ansatz, so zu fragen.

Der darf das, weil er nicht du ist ;-)

 

Du musst einen verdammt guten Text abliefern, in deinem verdammt eigenen Stil, der einen verdammt noch mal vom Hocker haut (war das jetzt genug Frey?)... dann spielt es keine Rolle mehr, ob dein Satz 11 mm oder 23,86 mm misst.

 

Nur, es muss in sich stimmig sein, es muss einfach ein kohärenter Stil sein, der sich mit dem Genre verträgt und vor allem mit dem, was du zu erzählen hast!

Wenn du das geschafft hast, wirst du merken, dass auch kurze Typen mit für sie langen Sätzen operieren - und dass Menschen mit langem Atem in Spannungssituationen kürzer werden.

 

Weg von der mechanistischen Machbarkeit und Planbarkeit von Sprache, weg von larmoyanten Vergleichen mit Erfolgreichen in Sachen Verlagsfindung... werde verdammt gut und finde den ATEM DEINER SÄTZE.

 

Schöne Grüß,

Petra

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Petra, du kannst mein Grundproblem auch nicht verstehen. Ich habe keines. Ich habe lediglich etwas zur Diskussion gestellt, was mir aufgefallen ist.

PvO

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Hallo, Peter,

 

die Form sollte dem Inhalt folgen.

 

Um Petras Metaphorik aufzugreifen: Deine Sätze sollten hastig atmen, wenn du Hektik, Geschäftigkeit, action vermitteln willst; sie sollten ruhig atmen, wenn du Gelassenheit und Entspannung signalisieren willst.

 

Lange Sätze zwingen den Leser, langsamer zu lesen, weil er sonst den Sinn nicht mehr verstehen kann. Informationen sollte man sparsam verstreuen und nicht möglichst viel davon in ein Konstrukt packen.

 

Das heißt natürlich nicht, dass manche Autoren nicht das Gegenteil dürfen. :) Aber bevor man eine Regel bricht, sollte man sie kennen.

 

Gruß,

 

Tin

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(SiskianHerbstblatt)

Im Prinzip kann ich mich meinen Vorrednernanschließen, will aber doch einen kleinen Seitenweg einschlagen:

Diese "absoluten" Ratschläge, wie Stil nun falsch oder richtig ist, sollte man mit einer gesunden (!) Portion Skepsis betrachten.

Für mich hat schreiben auch etwas mit Musik zu tun, und wenn ich - der Autor und Komponist - empfinde, das der lange Satz an dieser Stelle weitaus melodiöser klingt als wenn ich ihn in 3 Einzelteile splitte und damit Disharmonien in der Gesamtkompositation erziele, dann breche ich eben die Regel, das man nur kurze Sätze schreiben soll, egal, wieviel Dozenten da in Panik geraten mögen.

 

Lieben Gruß

 

Siskian

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Ich würde es etwas anders ausdrücken: Man sollte die Regeln kennen, mit denen man etwas reparieren kann, wenn es nicht funktioniert.

 

Wenn ein Text funktioniert, dann braucht er keine Regeln.

 

Ob etwas funktioniert, oder ob man sich etwas noch mal genauer anschauen muss, um es vielleicht zu verbessern, das verrät einem letztlich nur das eigene Gespür für den Text, ein Empfinden, das in erster Linie mit Erfahrung wächst und sich nicht in Algorithmen umsetzen lässt (zumindest nicht in Algorithmen, die irgendwer noch bewusst verarbeiten könnte). Leider vergessen das heutzutage mitunter auch gestandene Lektoren, weil es im betrieblichen Alltag nun mal leichter ist, auf angeblich feste Regeln zu verweisen als selbst Verantwortung zu übernehmen.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Wenn ein Text funktioniert, dann braucht er keine Regeln.

 

 

Wenn ein Text funktioniert, hält sich der talentierte Autor unbewusst an Regeln oder spielt mit ihnen.

 

Gruß,

 

Tin

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Wenn ein Text funktioniert, hält sich der talentierte Autor unbewusst an Regeln oder spielt mit ihnen.

 

Aber mir ist noch keine Regel oberhalb banaler Rechtschreibungs-/Grammatikregeln untergekommen, die man nicht in zahllosen erfolgreichen und funktionierenden Texten gebrochen findet - und wo gerade die Nichteinhaltung dieser Regeln den Text so funktionieren lässt, wie er ist.

 

Regeln sind keine Baupläne für Texte, sondern immer nur die gezielte Antwort auf konkrete Schwächen eines Autors.

 

Ob man eine Regel tatsächlich "kennen" muss, um mit dem von ihr beschriebenen Sachverhalt virtuos und korrekt umzugehen, kann im übrigen durchaus kontrovers diskutiert werden. Unsere Muttersprache lernen wir ja auch nicht über ihre grammatischen Regeln, aber wir beherrschen sie trotzdem meist sehr viel besser als die Fremdsprachler, die über eine "Regel-mäßige" Ausbildung dort eingestiegen sind. Kenntnisse der Grammatik braucht man auch selten, um korrekt zu sprechen, sondern viel eher, um über Sprache zu sprechen oder um gezielt einzelne Fehler zu erkennen und zu beheben.

Alles weitere würde das grammatische Regelwerk auch überfordern: Denn all die umfangreichen generativen Grammatiken schaffen es bisher nicht, Sprache korrekt abzubilden. Wenn es also bisher noch nicht gelungen ist, auf Tausenden von Seiten auch nur ein Regelwerk zu formulieren, das grammatisch korrekte Sätze eindeutig beschreibt - dann kann mir auch niemand erzählen, dass es einen lernbaren Regelsatz gibt, mit dem sich gute und sachangemessene Sprache eindeutig beschreiben lässt. Da würde dann doch der Schwanz allzu sehr mit dem Hund wackeln; die Bilder aufgehangen, ehe die Wände gemauert sind; oder was man da sonst für passende Vergleiche anbringen kann ...

 

Ich halte das Wörtchen unbewusst also für einen durchaus wichtigen Bestandteil deiner Aussage :)

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Ich bin ein Verfechter von kurzen Sätzen. Ab und an hatte ich aber doch einen langen gebastelt. Klammern im Text hatte mir meine Dozentin immer angerügt.

 

Nun, Spinner, ich halte es zumindest für verfrüht, Peter zu sprachlichen Experimenten zu ermuntern. Jeder Wissenschaftler, der sich auf seinem Gebiet einarbeitet, nutzt die Erkenntnisse seiner Kollegen. Warum sollte er auch bei Erbsen anfangen, wenn es Dolly gibt? :)

 

Es gibt immer wieder Debuts, die die Leserschaft in die Knie zwingen. Sich an diesen zu messen hieße, die Messlatte ins Weltall zu hängen. Ja, es gibt sie, die großartigen Geschichtenerzähler, die es aus sich fließen lassen und ein Kunstwerk vorlegen.

 

Alle anderen, mit durchschnittlichem oder überdurchschnittlichem Sprachtalent, sollten wissen, wie das Handwerk funktioniert, bevor sie sich in die Menge ergießen. Aber das Thema Selbstüberschätzung wäre auch einen Thread wert. Wie auch immer sie zu ihren Erkenntnissen kommen, ist unerheblich, ob durch Selbststudium mit Textmarker in den Lieblingsbüchern oder durch das Vergleichen von Ratgebern.

 

Du willst nicht wirklich sagen, dass das Schreiben von Büchern keinen Regeln unterliegt, oder? Als Lektoren sollten wir erkennen, welcher Autor das Zeug hat, sie zu brechen, und wen wir auf den Teppich zurück holen müssen.

 

Gruß,

 

Tin

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Hallo zusammen,

 

ich halte es für wichtig zu probieren, welche Arten von Sätzen einem eher liegen. Beides hat seine Vorteil, beides seine Nachteile.

 

Der wichtigste Grund für mich auf lange Sätze weitgehend zu verzichten, ist der natürliche Sprachrhythmus bzw. Sprechrhythmus.

Mit kurzen Sätzen bin ich sehr dicht an einem natürlichen Sprechrhythmus dran, den ich beliebig beschleunigen und verlangsamen kann. Hier bekomme ich einen Klang hin, der meinen Text mit trägt. Dabei unterstütze ich meine Geschichte durch den Klang, ohne von der Geschichte abzulenken.

 

Bei langen Sätzen habe ich den Nachteil, das der Leser wesentlich intensiver lesen muss. Ich zwinge ihm in langen Sätzen etwas auf, führe ihn wie einen Ochsen am Nasenring durch meine Geschichte und den Sprachrhyhtmus.

Dabei habe ich einen Sprachrhthymus, der sehr kompliziert ist, ich spiele eine Partitur mit verschiedenen Klängen in einem Satz (was ich bei kurzen Sätzen so nicht in kurzen Abschnitten kann). Das hat sicher seinen Reiz, weil ich dem Leser über den Klang durch eine Geschichte führe, ständig variieren kann, mal reizen, mal langweilen, mal hetzen, mal klingen.

Aber ich ermüde den Leser sehr stark, und die meisten Leser bekommen weniger von der Geschichte mit, weil sie meinen Satzkonstruktionen folgen müssen.

 

Deshalb arbeite ich meist mit kurzen Sätzen. Kurz im Sinne von maximal zwei Nebensätzen. Ich arbeite zudem regelmäßig elliptisch, weil selbst kurze Sätze häufig überflüssige Teile enthalten- was den Klang behindert.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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(Peter_Dobrovka)

Der Gedanke von den Regeln, die man erst kennen sollte, bevor man sie bricht, hinkt, ist aber derzeit der beste, den man zu diesem Thema formulieren kann.

Die Sache ist in Wahrheit viel komplexer. Man kann wunderbare Texte schreiben, ohne überhaupt zu wissen, daß es Regeln gibt. Das Zauberwort heißt: "Sensibilität".

Plump gesagt: Man schreibt einen guten Text genau dann, wenn man es vermeidet, einen schlechten zu schreiben, und das wiederum vermeidet man, indem man während oder noch vor der Niederschrift erkennt, was schlecht ist. Dann wird das Schlechte gar nicht erst niedergeschrieben oder wieder herausgenommen und durch eine Variante ersetzt, die vielleicht besser ist. Wenn nicht, beginnt das Spiel von vorn.

 

Ich nehme an, daß Menschen, die dieses Spiel nicht oft pro Satz wiederholen müssen oder es so schnell tun, daß sie dennoch flüssig schreiben, tatsächlich wo etwas wie Regeln im Kopf gespeichert haben, nach denen sie bevorzugt gute Sätze auswählen. Aber diese Regeln in Worte zu fassen, ist schwer bis unmöglich.

 

Zumal sie sich ständig verändern.

 

Peter

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Du willst nicht wirklich sagen, dass das Schreiben von Büchern keinen Regeln unterliegt, oder?

 

Nun, es gibt viele Regeln. Wie man Tempo in einen Textabschnitt bringt oder es herausnimmt. Wie man Spannung erzeugen kann; wie man überhaupt bestimmte Wirkungen mit Sprache erzeugen kann; was von welcher Zielgruppe an Stilmitteln nicht akzeptiert wird; wie man häufige Mängel in Texten vermeidet ... Aber, nein, ich glaube tatsächlich nicht, dass es ausformulierbare Regeln gibt, wie man einen guten Text schreibt.

Sonst würde mein Computer die Texte schreiben; oder jeder Lektor und jeder Ratgeberautor wäre auch ein guter Schriftsteller.

 

Genau genommen stört mich sogar der Begriff "Regeln": Unter einer Regel verstehe ich ein Ideal, bei dem es umso besser ist, je näher man ihm kommt; und bei dem ein Text umso schlechter wird, je weiter man davon abweicht. Die wenigsten mir bekannten "Regeln" erfüllen diese Bedingung - die meisten dienen nur dazu, einen Text, der Mängel aufweist, zu verbessern; aber ihre Anwendung würde einen Text auch schlechter machen, wenn er nicht den mangelhaften Ausgangszustand hat, der ihre Anwendung nötig macht.

Beispiel "Adjektive vermeiden": zu viele Adjektive sind tatsächlich ein häufiger Mangel in Texten von Schreibanfängern; der Rat, solche zu vermeiden, hat also seinen Sinn. Wenn man diese Regel aber vollkommen erfüllt und alle Adjektive herausnimmt, dürfte der Text unlesbar sein.

Beispiel "kurze Sätze": Wenn man sinnlose Schachtelsätze vermeiden kann, ist das ein guter Rat. Wenn man das Ideal allerdings erreicht hat und nur noch "S-P-O-Sätze" bringt, will ich den Text nicht lesen.

Wortwiederholungen soll man vermeiden - wenn die Suche nach Synonymen aber zu krampfhaft wird, sind verunglückte Formulierungen und Stilblüten vorprogrammiert ...

 

Ich würde beim Schreiben also lieber weniger von "Regeln", sondern lieber von "Ratschlägen" sprechen. Ein und derselbe Rat kann für den einen gut sein, für den anderen schlecht.

Wer sich "Schreibratgeber" kauft, muss selbst entscheiden, ob die Ratschläge dort für ihn passen. Und die Aufgabe eines Lektors ist es, zu erkennen, welcher Ratschlag gerade für den vorliegenden Text und den vorliegenden Autor der richtige ist, und den dann gezielt zu geben - und ihn am besten nicht als Regel zu formulieren, die der Autor auch an alle seine Freunde weitergeben kann ;)

 

Und vor diesem Hintergrund möchte ich auch durchaus Peter zu "sprachlichen Experimenten" ermuntern - weil ich bei seinen bisherigen Ausführungen immer eher das Gefühl hatte, dass er ein wenig zu sehr das "einfach-einfach" verinnerlicht hat und ein Stoß in die andere Richtung für ihn hilfreicher wäre als die Bestätigung: "Ja, immer schön kurz, keine Experimente."

 

Peters Ausführungen zu dem Thema finde ich eigentlich recht treffend. Und ich bestreite auch gar nicht, dass es einen "sprachlichen Normalpegel" gibt, den man erkennen können sollte um zu entscheiden, wann eine Abweichung davon angebracht ist; und dass es "Regeln" gibt, um Texte, die von dieser Linie allzu zügellos abweichen, wieder in die richtige Richtung zu drücken - ich bezweifle nur, dass man diesen "Normalpegel" wirklich erschöpfend beschreiben kann. Zum Beispiel nicht durch das Abmessen der Satzlänge mit dem Lineal.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Hallo, ihr Lieben!

 

Hier ist schon vieles geschrieben worden, dem ich nur zustimmen kann.

 

Sprache lebt, sie atmet, hat einen Puls, Rhythmus und Melodik. Sie ist die Trägersubstanz einer jeden Geschichte. Wer sie dazu herabwürdigt, nur noch "die Handlung voranzutreiben", der übersieht etwas ganz Entscheidendes: Diese Texte atmen nicht, sie hecheln bloß, sie haben keinen Puls, sondern synthetischen Beat, keinen Rhythmus, sondern Takt und keine Melodik sondern Riffs.

 

Anders als in Sachliteratur besteht die Aufgabe von Sätzen in fiktionaler Literatur keineswegs darin, kompakte Informationseinheiten als Lerneinheiten zu bieten, sondern »the chief duty of a narrative sentence is to lead to the next sentence -- to keep the story going« (U. K. LeGuin).

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Also mal ehrlich: ich habe mir beim Schreiben noch nie Gedanken darüber gemacht, ob ein Satz zu lang oder zu kurz ist, sondern nur, ob er funktioniert, ob er wirkt.

Bezüglich der Länge von Sätzen nach Regeln zu suchen und solche einzuhalten, halte ich für ebensowenig sinnvoll, wie einem Maler vorzuschreiben, wieviele Farben er maximal verwenden darf.

Jeder Satz sollte in Inhalt und Form dem Zweck der Handlung, der Szene, der Atmosphäre, der Geschichte dienen.

Idealerweise ist man ja in der Lage, ein und den selben Inhalt auf -zig verschiedene Arten zu formulieren, und wählt jeweils diejenige, die am besten passt.

Wer das nicht instinktiv kann, sollte es üben, um seinen sprachlichen Werkzeugkasten zu verbessern.

 

Andreas

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(Siberianchan)

Bei der Regeldiskussion weiter oben fallen mir spontan diese Schreibschulen ein. Ich hab mal spaßeshalber dieses Studium angefangen - und prompt wurde am Stil meiner eingesandten Fantasy-Kurzgeschichte rumgemäkelt. "Zu individuell". *shrug*

Aber zurück zum Thema.

 

Ich glaub, die Satzlänge hängt auch vom text ab. Eine Kurzgeschichte hat kürzere, knappere Sätze, als ein Roman. Der kann auch mal mit Fontane'schen Auswüchsen balancieren, sprich, ein ASatz über 10 Zeilen.(man merkt, dass ich Fontane nicht mag, ne?)

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Ich glaub' date=' die Satzlänge hängt auch vom text ab. Eine Kurzgeschichte hat kürzere, knappere Sätze, als ein Roman.[/quote']

Häh? http://www.kiki-net.de/smilies/entsetzt/dozingoff.gif

 

Ich zitiere:

In der Mitte der Hauptstraße der Stadt war ein Umleitungszeichen gewesen, aber Autos waren ganz offensichtlich durchgefahren, also fuhr Nick Adams, in der Meinung, daß es sich um Straßenarbeiten handelte, die beendet waren, durch die Stadt, die leere, ziegelsteingepflasterte Straße entlang, von Verkehrslichtern angehalten, die an diesem verkehrslosen Sonntag an- und ausgingen und die nächsten Jahre verschwunden sein würden, wenn die Zahlungen für die Anlage nicht geleistet wurden, weiter, unter den dichten Bäumen der kleinen Stadt, die dir ans Herz gewachsen sind, wenn es deine Stadt ist und du unter ihnen einhergegangen bist, die aber für einen Fremden nur zu dicht sind, die Sonne aussperren und die Häuser feucht machen, hinaus, hinter dem letzten Haus auf die Landstraße, die mit sauber abgeschrägten, roten Lehmböschungen und dem Baumnachwuchs zu beiden Seiten direkt vor ihm anstieg und abfiel.

 

Nicht von mir, aber der erste Satz einer Kurzgeschichte, die zugleich (als zitierte Kurzgeschichte) Bestandteil eines Romans ist.

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

 

Nachtrag, um das Rätsel aufzulösen: Es handelt sich um den Anfang von Ernest Hemingways Kurzgeschichte Fathers and Sons (in der Übersetzung von Annemarie Horschitz-Horst, Väter und Söhne), erstmals veröffentlicht 1933 in der Anthologie Winner Take Nothing (dt. Der Sieger geht leer aus, TB, Hamburg 1958 ).

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Liebe Sibi

 

Auch wenn ich mittlerweile ein schlechtes Gewissen kriege, Dir ewig widersprechen zu müssen - Die Länge des Textes ist wirklich kein Inidkator für die Länge seiner Sätze. ;)

 

Es gibt ganze Kurzgeschichten, die nur aus ein oder zwei Sätzen bestehen, oder aus lyrischen Schachtelsätzen zusammengebastelt sind.

 

Voller Gewissensbisse,

Marco!

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ich hatte vor einiger zeit mal versucht, einen roman zu lesen, der nur aus ganz kurzen sätzen bestand - das höchste der gefühle war hier mal ein satz mit einem komma. es war entsetzlich und ich habe nicht mehr als 20 oder 30 seiten geschafft und habe das buch für immer weggelegt.

obwohl ich zugebe, dass ich meine langen sätze beim ersten schreiben, meist gut halbieren kann und es meist auch mache, nur manchmal liebe ich die verschachtelungen zu sehr, um auf sie zu verzichten.

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ich habe mir beim Schreiben noch nie Gedanken darüber gemacht' date=' ob ein Satz zu lang oder zu kurz ist, sondern nur, ob er funktioniert, ob er wirkt.[/quote']

 

Das ist nicht der Punkt. Sondern: Versteht der Leser den Satz?

 

Wenn dein Zielpublikum eine Horde Intellektueller ist, kannst du zig Wörter lange und bis zum Gehtnichtmehr verschachtelte Sätze schreiben. Ist dein Zielpublikum jedoch allgemeiner, gilt die Regel:

 

Je kürzer, desto besser.

 

Ansonsten verlierst du deinen Leser womöglich, bevor er das Ende deines Satzes erreicht hat.

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Hallo, Klaus!

 

Was verstehst du unter "einer Horde Intellektueller"? http://www.kiki-net.de/smilies/nachdenklich/gruebel.gif

 

Interessierte Grüße,

Iris :s17

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(Siberianchan)

Marco, Marco, so langsam werd ich aber sauer... immer widersprichst du mir.. ;)

 

Ich meinte das eher statistisch und verallgemeinert. Nicht so, dass es auf JEDES extstück zutreffen muss.

Mir ist noch was eingefallen: an die zielgruppe. Kinder brauchen kürzere Sätze. Also sind kinderbücher in kürzeren Sätzen geschrieben. Manchmal liegt es auch an der Muttersprache. Englisch zum beispiel ist eine sprache, die kurze Sätze bevorzugt(leider glaubte mir meine Lehrerin in der zehnten das nie)

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Was verstehst du unter "einer Horde Intellektueller"?

 

Hm. Ich meine es als Herabsetzung, gar als Beleidigung. Setze ein "Pseudo" oder "Möchtegern" vor "Intellektueller" und der Sinn ergibt sich für dich vielleicht eher.

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Hallo, Klaus!

 

Ich meine es als Herabsetzung' date=' gar als Beleidigung. Setze ein "Pseudo" oder "Möchtegern" vor "Intellektueller" und der Sinn ergibt sich für dich vielleicht eher.[/quote']

Wow! Intellektuellenschelte! Wie heroisch!

Dazu fällt mir nur eins ein: http://www.mysmilie.de/smilies/schilder/5/img/002.gif

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hallo Iris,

kennst du nicht die Regel der BLÖD-Zeitung mit dem Maximum von zehn Wörtern pro Satz?

Man muss schon auf sein Zielpublikum achten... :s22

 

Schöne Grüße,

Petra

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