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(Huutini)

Vom Erzählen und vom Schreiben

Empfohlene Beiträge

Mensch, habt Ihr Probleme! Da schnall ich ab.

LG Phi

 

Heißt?? Deine Meinung zu dem Thema les ich da jetzt nicht heraus... Ausser dass dir das Thema nicht zusagt. :-/

 

Lieber hpr, hab zurzeit nicht die Zeit, dir zu antworten, find aber den ein oder anderen Punkt sehr interessant. Würde das gerne etwas aufschieben, bis ich mehr Luft hab.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Gutes Schreiben bedeutet für mich gutes Erzählen in schriftlicher Form. Das zentrale Element ist und bleibt das Erzählen. Ob jemand das mit dem gesprochenem oder geschriebenem Wort macht, ist egal. Je nach Vorliebe und Veranlagung. Er/sie kann Geschichten auch singen oder malen, das ist Jacke wie Hose.

Die Kunst liegt im Erzählen und die ist sehr komplex. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Der Plot, die Figuren, die Ausdrucksweise, das Timing, die Struktur, der Spannungsbogen und vor allem - HP hat es auf den Punkt gebracht - die Emotion.

 

Gruß,

Thomas

 

und ja: ich bin auch dafür, dass wir mal einen Thread bezüglich der Länge mancher Postings starten. Ich frage mich immer, was wohl dabei herauskäme, wenn manche Leute ihre Energie lieber auf das Schreiben von Büchern richten würden. Wahrscheinlich harte Konkurrenz ;)

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Gutes Schreiben bedeutet für mich gutes Erzählen in schriftlicher Form. Das zentrale Element ist und bleibt das Erzählen.

 

Das erzähl mal einem Haiku-Autoren.

Oder Lyrikern generell, die meinen nämlich auch, sie schreiben gut und haben bei weitem nicht den Aspruch auch etwas zu erzählen. ;)

 

Kurz,

Marco! :s17

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Hi Marco,

 

ich bezog mich auch ganz speziell auf Romane. Ich glaube im Thread war auch vorwiegend davon die Rede. Kann sein, dass mir das aufgrund der Länge der Postings etwas durchgerutscht ist. ;)

 

Gruß,

Thomas

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Puh, schade, dass nicht nur die einzelnen Postings sehr lang sind, und - wollte man sie im Detail beantworten - jeden Absatz einzeln beantworten müsste. Auch ist der Thread schon so lang, und viele Leute haben bereits das versucht, was ich jetzt sein lasse.

 

Ich habe beim - zugegebenermaßen flüchtigen! - Lesen des Threads eine ganz Menge scheinbarer Widersprüche gesehen, die vielleicht keine sind, wenn ich es alles sorgfältiger gelesen hätte. Aber mal heißt es, verkürzt Literatur sei eher Schreiben, während Trivialliteratur eher Erzählen sei. Dann wieder heißt es, Schreibratgeber würden das Schreiben aber nicht das Erzählen lehren - während andererseits immer gesagt wird, Schreibratgeber würden nur für triviale 08/15 U-Literatur taugen (und eben *nicht* für höhere Literatur) ... also ich weiß nicht.

 

Für mich gibt es keine sinnvolle Trennung zwischen Schreiben und Erzählen. Das eine ohne das andere ergibt glaube ich kein Buch, das ich lesen möchte, und ich bemühe mich daher selbst auch um beides.

 

Gruß,

 

Andreas

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Gutes Schreiben bedeutet für mich gutes Erzählen in schriftlicher Form.

 

Volle Zustimmung! Das Erzählte wird durch das Schreiben transportiert.

Ich bin beim Lesen des Threads auch davon ausgegangen, dass die Rede von Romanen bzw. Erzähltexten war. Sonst wäre das Schreiben und das Erzählen nicht zu vergleichen und wir müssten uns auf den Vergleich Schreiben und Dichten einigen.

 

Wenn ich an den Autor als Erzähler denke, sehe ich eine Szene auf einem orientalischen Markt vor mir, auf dem ein alter, hagerer Geschichtenerzähler seine Zuhörer bannt wie der Schlangenbeschwörer seine Kobra. Ein Erzähler in diesem Sinn ist ein Magier, der es versteht, die Erzählung zu einem Erlebnis zu machen, in das der Zuhörer eintaucht.

 

Das ist das vielzitierte "Geheimnis", der "nicht vermittelbare" Teil des Schreibens, um den die Ratgeber-Bücher immer einen so großen Bogen machen, weil diese Fähigkeit eben sehr individuell ist. Meines Erachten hat Erzählen viel mit Sprachgefühl, Beobachtungsgabe und der Leseerfahrung  zu tun. Daraus setzt sich die Fähigkeit zusammen, das richtige "Gefühl" für das Erzählen.

 

Der Erzähler im literaturwissenschaftlichen Sinne ist davon abzugrenzen. Er ist eine Erfindung des Autors, die dem Buch die Stimme verleiht. Diese beiden Definitionen wurden an einer Stelle im Thread vermischt.

 

Der Schreibende ist der Techniker, der das Erzählte in Schriftform umsetzt und dabei unter Umständen auf andere Methoden zurückgreifen muss als der Erzähler, dem Mimik, Gestik und Stimme zur Verfügung stehen. Auf diese Techniken des Aufschreibens beziehen sich die Ratgeber meist und auch zu Recht, denn schließlich kann man die Methoden schriftlicher Texte analysieren und gewisse Grundregeln ableiten, die für alle Arten von Erzähltexten gelten.

 

Natürlich ist der Autor als Erzähler vom Autor als Schreibenden nicht zu trennen. Das wurde ja schon mehrfach gesagt. Das Schreiben zielt auf die Verzauberung des Lesers (sprich das Eintauchen in den Text), folglich wird der Schreibende als Magier (sprich als orientalischer Geschichtenerzähler) tätig.

 

So, und mit diesem hochakademischen Eintrag  ;D bin ich nun vollends aus dem Urlaub zurück.

 

Liebe Grüße,

Heide

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Ich habe alle Postings gelesen, auch wenn sie lang waren, habe sie wohl auch verstanden. Glaube ich.

Woran sich die Geister wohl mal wieder scheiden dürften, ist die Wortwahl. Ich hätte die Emotionen (die man beim Leser in der Tat auslösen sollte) nie im Leben mit "Erzählen" ettikettiert. Erzählen ist erzählen. Eine Geschichte erzählen. Handlung. Inhaltsangabe, Nacherzählung. Aber gut, verwenden wir "Erzählen" in diesem Thread mal ausnahmsweise als die Kunst, Emotionen beim Leser auszulösen.

Auch ist "Schreiben" nun mal nichts weiter als Schreiben. Hier wird es nun als "Strukturierung und Optimierung eines Textes" definiert. Meinetwegen, ich bin ja flexibel. Aber wir sollten uns schon klar darüber sein, daß wir die Wörter im Folgenden bewußt falsch verwenden.

 

Insofern ist Erzählen und Schreiben beides ein WIE und kein WAS. Und hier beginnen schon meine Bauchschmerzen. Ich behaupte schon lange und wiederhole es hier erneut: Das WAS ist sehr wichtig. Ich halte es für einen unbewiesenen wenn nicht gar irrigen Mythos, daß ein guter Schriftsteller aus jedem beliebigen belanglosen Thema ein spannendes, packendes Buch machen kann.

 

Der klassische Schreibratgeber befasst sich mit eben dem: Schreiben! Was für Charaktere nutze ich? Welche Konflikte erschaffe ich? Wie verteile ich die Informationen? Wie ziehe ich die Spannungsschraube hoch?

Das könnte zutreffen. Diese These mache ich mir mal bis zum Beweis des Gegenteils zu eigen.

 

Ein Text kann verdammt gut erzählt sein, aber schlecht geschrieben. Die sogenannte Trivialliteratur hat viele Vertreter dieser Spezies. Man leidet mit den Menschen mit, obwohl man von Anfang an genau weiß, was passiert, und die Charaktere klingen noch lange nach.

Ich bin versucht, auch dem zuzustimmen, mir fehlt jedoch eine Kleinigkeit: Wann ist ein Text denn nun gut erzählt? Will sagen, die Wirkung auf den Leser ist keine ausreichende Beschreibung. Du schreibst, Spannung erzielt man durch Informationsmanagement. Wodurch erzeugt man denn nun Emotionen?

 

Was die Aussage angeht, daß Spannung und Emotionen trennbar sind, gehe ich konform. Ich habe in letzter Zeit viele Texte gelesen, die formal spannend sind, und ich neugierig bin, was nun passiert und wie es sich auflöst, aber die Personen sind mir ziemlich egal. Umgekehrt kenne ich viele Texte, die mich anrühren aber in keiner Weise spannend sind.

Da wird auch der Faktor der Wiederlesens interessant; ein Text kann nur beim ersten Lesen spannend sein. Reine Spannungsromane sind Einwegware.

Ich bin da aber auch nicht repräsentativ. Für mich ist die Spannungssache zweitrangig, ich genieße es nicht, mitzurätseln. Ich kann gut damit leben, schon vorher die Geschichte zu kennen und finde ein Buch nur dann gut, wenn ich Lust verspüre, es ein zweites Mal lesen zu wollen. Krimis sind für mich nicht. Für mich ist Emotion ganz klar wichtiger als Spannung. Wobei ich nochmal darauf hinweisen muß, daß mit diesen beiden Punkten die Liste der Faktoren nicht vollständig ist.

Jetzt wäre es interessant, eine Studie zu haben oder durchzuführen, wie wichtig Emotionen bzw. Spannung für "den Leser" sind. Zu trennen wäre dabei jedoch, wie sehr ein Buch seinen Lesern gefallen hat und wie gut es sich verkauft. Das sind nämlich auch zwei verschiedene Paar Schuhe.

 

Trivialliteratur, die als Beispiel für Emotionen ohne Spannung herangezogen wird, kann ich nur schwer beurteilen, denn ich lese sie nicht. Ich kenne aber durchaus einige ihrer Vertreter und würde das nicht unterschreiben wollen. Viele Heftromänchen sind durchaus spannend.

 

Peter

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Noch eine Anekdote am Rande, die zu diesem Thema passt.

 

Gestern brachte ich ein Päckchen zur Post, um es als Buchsendung aufzugeben. Fragt mich der freundliche Mensch am Schalter: "Ist da was Geschriebenes drin?"

 

Offenbar kennt man bei der Post noch eine Definition von Schreiben, die uns allen bislang entgangen ist.  :s21

 

LG,

Heide

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Für mich gibt es keine sinnvolle Trennung zwischen Schreiben und Erzählen. Das eine ohne das andere ergibt glaube ich kein Buch' date=' das ich lesen möchte, und ich bemühe mich daher selbst auch um beides.[/quote']

 

Das ist genau der Knackpunkt, weshalb man mich nicht so versteht, wie ich es gerne hätte: Man versteht mich so, als gäbe es nur das eine oder das andere. Es gibt beides. Parallel. Die Unterscheidung die ich ziehe ist wie die zwischen Grammatik und Rechtschreibung. In Romanen findet sich immer beides, sie unterliegen aber verschiedenen Regeln. Auf nichts anderes will ich ja hinaus.

Ob man diese Meinung dann noch teilt, ist ja ein ganz anderer Punkt.

 

Dass der Rest definitorischen Meinungsverschiedenheiten unterliegt, ist mir ebenfalls klar, weshalb ich mich ja um eine so detaillierte Definition bemüht habe. Dass das etwas länger wird liegt in der Natur der Sache. ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Das ist genau der Knackpunkt, weshalb man mich nicht so versteht, wie ich es gerne hätte: Man versteht mich so, als gäbe es nur das eine oder das andere. Es gibt beides. Parallel. Die Unterscheidung die ich ziehe ist wie die zwischen Grammatik und Rechtschreibung. In Romanen findet sich immer beides, sie unterliegen aber verschiedenen Regeln. Auf nichts anderes will ich ja hinaus.

Ob man diese Meinung dann noch teilt, ist ja ein ganz anderer Punkt.

 

Ich glaube, dass bei einer Unterteilung Grammatik und Rechtschreibung klare Trennlinien herrschen, bei deiner Erzählen/Schreiben-Geschichte leuchtet mir das nicht ein. Es ist wie du gesagt hast, so als würde man versuchen, Salz und Pfeffer aus dem fertigen Gericht wieder heraus zu filtern.

Wenn man eine Unterscheidung treffen müsste zwischen Stil, dem Handwerkszeug, und dem Plot, also zwischen Form und Inhalt - und sagen würde, okay, das eine ist das Schreiben, denn dies ist die Form, die ich wähle, und das Andere ist das Erzählen, nämlich der Inhalt, und die Geschichte, das Erzählte, könnte auch in jede andere Form gepresst werden, das würde mir auch einleuchten. Das wäre auch ein -jedenfalls nach meinem Empfinden- natürlicher Gebrauch dieser Begriffe.

Allerdings willst du ja, soviel habe ich begriffen, auf etwas ganz anderes hinaus und da geht es mir wie vielen anderen. Ich sehe diese Trennlinie nicht, für mich ist emotionale Bindung und Charakterzeichnung eins, das eine bedingt das andere.

 

Gruß

Peter

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Wenn man eine Unterscheidung treffen müsste zwischen Stil, dem Handwerkszeug, und dem Plot, also zwischen Form und Inhalt - und sagen würde, okay, das eine ist das Schreiben, denn dies ist die Form, die ich wähle, und das Andere ist das Erzählen, nämlich der Inhalt, und die Geschichte, das Erzählte, könnte auch in jede andere Form gepresst werden, das würde mir auch einleuchten.

 

Naja, es ist halt BEIDES Form. Es sind nur unterschiedliche Techniken, mit unterschiedlichen Zielen.

 

Die Techniken des Erzählens wirken absolut und uneingeschränkt ÜBERALL dort, wo erzählt wird. Auch ausserhalb geschriebener Texte!

Diese Techniken sind allen Formen gemein, die erzählen: mündliche Erzählungen, schriftliche, bildliche. Ein Bild, ein Foto, kann auch erzählen. Das, was Dieses Foto und einen Roman verbindet, deren Schnittmenge, ist die Erzähltechnik.

 

Die Techniken des Schreibens sind absolut und uneingeschränkt nur auf GESCHRIEBENE Texte beschränkt. Ein geschriebener Text ist ein sehr eigenes Medium, das sehr eigen vom Leser aufgenommen wird. Alles, was nur in geschriebenen Texten wichtig ist, sind Schreibtechniken!

 

Genau DA ziehe ich die Trennlinie: Beides sind Techniken der Form, aber mit verschiedenen Zielen und verschiedenen Wirkungsbereichen, die ihre Schnittmenge im Roman haben.

 

Weil aber der Fokus der Schreibratgeber eben größtenteils auf dem Aspekt liegt, der nur für geschriebene Texte gilt, versuche ich darzustellen, dass es noch Techniken gibt, die nicht ans schreiben gebunden sind, sondern einfach mit dem Erzählen zu tun haben, ganz allgemein. Und diese versuche ich herauszufiltern. Denn damit beschäftigen sich viele Autoren nicht, und halten das für gottgegeben.

 

Keine Ahnung, ob das jetzt verständlicher ist, der Definitionsversuche werde ich ja nicht müde. ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Das ist genau der Knackpunkt' date=' weshalb man mich nicht so versteht, wie ich es gerne hätte: Man versteht mich so, als gäbe es nur das eine oder das andere. Es gibt beides. Parallel. [/quote']

Ich kann nicht für die anderen sprechen, aber ich habe dich nicht so verstanden, als würdest du behaupten, es gäbe nur das eine oder andere.

Aber du versuchst hier etwas auseinander zu definieren, das meiner Ansicht eben nicht parallel vorhanden ist, sondern das zusammen ein Ganzes bildet. Etwas, das sich gar nicht sinnvoll auseinandertrennen lässt, und wofür es auch überhaupt keinen Grund, keinen Mehrwert in der theoretischen Betrachtung gibt.

Mir scheint es - mit Verlaub - als ob du dir nur die Zeit vertreibst ;)

 

Gruß,

 

Andreas

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Nachtrag, weil ich gerade dein letztes Posting gelesen habe:

 

Wenn du jetzt betrachten möchtest, wie man ohne zu Schreiben Erzählen kann (was für eine Erkenntnis?!), also mit Fotos, oder mit Musik, mit Gebärdensprache und Pantomime, ja dann sag' das doch gleich. Warum so von hinten durch die Brust ins Auge? Und was hat das mit dem Schriftstellern zu tun? Was ist der Grund deines Postings? Worauf willst du hinaus? Was ist deine Aussage? Deine Frage?

 

Andreas

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Als Ergänzung zu Charlie, Petra und noch einigen anderen:

 

 

?

 

Ich habe mit diesem Thread nuescht zu tun!

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Stimmt :)

Ich war schon ganz irritiert, Charlie, weil Du doch zu Th. Mann etwas geschrieben hattest.

Ich werde den Beitrag mal irgendwie an die richtige Stelle setzen ;D.

 

Anna

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Nachtrag, weil ich gerade dein letztes Posting gelesen habe:

 

Wenn du jetzt betrachten möchtest, wie man ohne zu Schreiben Erzählen kann (was für eine Erkenntnis?!), also mit Fotos, oder mit Musik, mit Gebärdensprache und Pantomime, ja dann sag' das doch gleich. Warum so von hinten durch die Brust ins Auge? Und was hat das mit dem Schriftstellern zu tun? Was ist der Grund deines Postings? Worauf willst du hinaus? Was ist deine Aussage? Deine Frage?

 

Ich bin ja geneigt, zu seufzen und es aufzugeben, aber ich möchte noch einen letzten Versuch wagen.

Und zwar diesmal ganz und gar und absolut pragmatisch. Das folgende Beispiel ist fiktiv, also bitte nicht mit Antworten kommen, die über meine Frage hinausgehen!

 

Ich schreibe einen Roman, in dem ein Mann seine Familie bei einem Unfall verliert. Ich schreibe diese Geschichte aus der Ich-Perspektive.

Gedemütigt sitzt mein familienloser Ich-Erzähler in einer Bar, als ein anderer Mann kommt und sich geknickt neben ihn setzt.

 

Nun möchte ich als Autor gerne zeigen, dass dieser zweite Mann ebenfalls seine Familie bei einem Unfall verloren hat.

Die Tatsache, dass ich an dieser Stelle diese Information bringen möchte, ist Strukturierung, ergo Teil des Schreibens. Die tatsache, dass überhaupt ein zweiter Mann auftaucht, der ebenfalls seine Familie verloren hat, ist Plot, also auch Struktur und Teil des Schreibens. Dass der mann geknickt ist, ist teil der Charaktersierung, als solches, IN DIESEM Fall, ebenfalls Teil des Schreibens.

 

Große Preisfrage: Wie erzähle(!!) ich das?

 

Als Tipp: Es ist keine Richtig/Falsch Frage, es gibt also NICHT eine richtige und mehrere falsche Antworten!

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ich habe etwas zu MEINER Lesart von "Tod in Venedig" geschrieben, nicht zu Thomas Mann.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Hallo Marco,

 

meine Ansicht nach, ist deine Entscheidung, einen zweiten Menschen auftauchen zu lassen, der ebenfalls seine Familie verloren hat, bereits ein Aspekt des Erzählens. Du als Autor könntest dich ja ebenfalls entscheiden, die Geschichte deines Ich-Erzählers ohne diese Episode zu schildern. Stattdessen scheint es innerhalb deiner Erzählung wichtig zu sein, Teil des Plots, wie du sagt. Es ist ein Aspekt des Erzählen, das für wichtig zu erachten und es nicht aus der Erzählung auszuschließen.

In welcher Weise du diese Situation nun schilderst, ist eine ebensolche Entscheidung, die sich von der grundsätzlichen Entscheidung, den zweiten Mann an dieser Stelle auftauchen zu lassen nur im Detailgrad, in der "Zoomstufe" des erzählenden Handwerks unterscheidet. Die nächste Zoomstufe wäre dann, welche Wörter du verwendest.

 

Andreas

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Hallo Marco,

 

meine Ansicht nach, ist deine Entscheidung, einen zweiten Menschen auftauchen zu lassen, der ebenfalls seine Familie verloren hat, bereits ein Aspekt des Erzählens. Du als Autor könntest dich ja ebenfalls entscheiden, die Geschichte deines Ich-Erzählers ohne diese Episode zu schildern. Stattdessen scheint es innerhalb deiner Erzählung wichtig zu sein, Teil des Plots, wie du sagt. Es ist ein Aspekt des Erzählen, das für wichtig zu erachten und es nicht aus der Erzählung auszuschließen.

In welcher Weise du diese Situation nun schilderst, ist eine ebensolche Entscheidung, die sich von der grundsätzlichen Entscheidung, den zweiten Mann an dieser Stelle auftauchen zu lassen nur im Detailgrad, in der "Zoomstufe" des erzählenden Handwerks unterscheidet. Die nächste Zoomstufe wäre dann, welche Wörter du verwendest.

 

Andreas

 

Nun, nehmen wir das erst mal so hin.

 

Meine Frage hast du damit aber nicht beantwortet!  ;D

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Meine Frage hast du damit aber nicht beantwortet!  ;D

Nein, das kann ich auch nicht. Es gibt sicher viele hundert Möglichkeiten, eine solche Szene umzusetzen. Es muss zum Stil des Buches passen (ist es geheimnisvoll, ist es philosphisch, dreckig, spannend, melancholisch, romantisch, intellektuell, etc.), zum Stil des Erzählers (ist er jemand, der einfach einen anderen Typ anquatscht, oder ist er introvertriert, usw.), zum zweiten Mann (redet er vielleicht einfach drauf los, ist er betrunken, ist er manisch-depressiv, ist er agressiv, greift er den Erzähler an...), und mehr. Wie könnte man über bloßes Brainstorming hinaus sinnvolle Vorschläge zu machen, ohne den gesamtem Kontext zu kennen?

 

Andreas

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Nein, das kann ich auch nicht.

 

Falsch! Also, richtig, dass Du das nicht kannst. Aber MAN kann! Und der Kontext ist dafür total unwichtig.

 

So nett ich deine Aufzählung auch finde: sie zeigt, jedenfalls für mich, dass du die Möglichkeiten nicht kennst und deshalb gar nicht wissen kannst, worauf ich hinaus will!

 

Ich gebe einmal ein paar Beispiele:

 

Du könntest eine Rückblende einbauen, und die Geschichte des Zweiten Mannes auktorial erzählen.

 

Du könntest die beiden einen Dialog führen lassen, hin und her.

 

Du könntest den Ich-Erzähler die indirekte Rede nutzen lassen.

 

Du könntest, auch schön, innerhalb des Ich-Romans, den zweiten Mann als zweiten Ich-Erzähler seine eigene Geschichte erzählen lassen.

 

Dabei hast du noch die Wahl, das als Monolog zu erzählen, oder wirklich den Mann als echten, zweiten Ich-Erzähler zu wählen.

 

 

Das sind (einige) Möglichkeiten, WIE du die Informationen herüberbringen kannst. Anders gesagt: Wie du sie ERZÄHLST.

 

Das interessante dabei ist: jede dieser verschiedenen Möglichkeiten hat verschiedene Auswirkungen auf das Erleben des Lesers. Die eine Möglichkeit schafft mehr Distanz als die andere, je nach ERZÄHLFORM wird der Leser anders angesprochen. Die Wahl, WIE du genau diese Sache erzählst, hat erheblichen Einfluss auf die Emotionen des Lesers.

 

Mit welchen Worten du das dann erzählst, ist wieder ein anderes Thema und eben Stil oder Klang, oder halt all das, was ich ja hier aus eben diesen gründen ausgeblendet haben will, weil eben da die Missverständnisse liegen.

 

Naja, das ist der Unterschied, auf den ich hinauswill. Scheint niemand zu verstehen. Möglicherweise braucht man dazu einfach auch eine gewisse Vorkenntnis, ich weiß es nicht. Deshalb hate ich ja das Buch empfohlen: da stehen all solche schönen Erzähltechniken drin wie oben aufgezählt. Wenn man die Erzähltechniken nicht kennt, ist man natürlich ebenso aufgeschmissen, wie wenn man die 'Schreibtechniken' nicht kennt.

 

Auf jeden Fall: Die Entscheidung, an ganz genau DIESER Stelle den zweiten Mann und seine Geschichte einführen zu wollen, ist eine planerische Maßnahme, die NICHT auf die Emotionen des Lesers einwirkt, sondern auf seinen Informationsstand. Sie hält ihn bei der Stange, verhindert, dass er das Buch zuschlägt. DARUM ist es definitorisch nichts Erzählerisches.

 

Die Frage, welche Perspektive und welche Ebene, und welche Distanz ich wähle, wirkt sich nicht auf den Informationsstand des Lesers aus, denn der ist immer gleich, egal WIE ich es erzähle. Er wirkt sich auf die Emotion des Lesers aus, wie sehr er sich mit dem zweiten Mann und dessen Geschichte identifiziert. Deshalb ist es ein erzählerisches Mittel.

 

Knackpunkt und Ziel dieses Threads war es: die meisten Autoren würden diese Szene so erzählen, wie es ihnen intuitiv richtig erschient. Sei das nun ein Dialog, eine Rückblende, oder was auch immer.

 

Was ich gerne sagen möchte, ist: Diese intuitive Wahl ist nicht zwangsläufig auch die beste!!! Es lohnt sich, innezuhalten und sich einmal Gedanken darüber zu machen, WIE man diese Szene erzählt. (Nein, ich meine nicht die Wortwahl!) Denn das wirkt sich aus.

 

Nichts anderes als das war mein Ziel hier.

 

Darum meinte ich: Ich versuche nur, weiteres Rüstzeug zum Schreiben zu verteilen. Und ganz offensichtlich IST es nicht bekannt. Dir jedenfalls nicht!  :s22

 

Wer nun meint, darüber nachzudenken wäre müssig, oder wer meint, ich würde da etwas trennen, was man nicht trennen kann, oder das wäre alles das gleiche, tja, was soll ich da sagen?! Jeder schreibt anders, macht sich mehr oder weniger Gedanken beim Schreiben.

 

Für Leute, die gerne nachdenken beim Schreiben, wie das was sie schreiben wirkt, und wie man diese Wirkung evtl. verbessern oder schlicht verändern kann, ist es möglicherweise hilfreich.

 

Für alle anderen mag es so unwichtig sein wie die Diskussion über SDT oder den Schmelztiegel für andere.  ;)

 

Ich bin soweit jedenfalls fertig. Anders, mehr oder nochmal mag ichs nicht erklären.  ;D

 

Keine Angst, hpr, zu dir komme ich nochmal.  ;)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Hey hpr! ;D

 

So, nu kommst du nochmal! In aller Ausführlichkeit! (Nur als Warnung an die ängstlichen und Zeitknappen.)

 

Und ganz nebenbei: Auch Erzählen' date=' auch mündliches Erzählen erfordert strukturierung und Optimierung, noch mehr als schriftliches. Weil der Zuhörer nicht zurückblättern kann. Nicht später weiterzuhören.[/quote']

Nein, das ist schlicht und ergreifend falsch. Du kannst es quasi jeden Tag selbst ausprobieren. s.u.

 

 

Nenne mir einen, nur einen guten Erzähler, der sich nicht um Charaktere, Konflikte Gedanken macht und darum, wie er die Spannungsschraube anzieht!

Sicher, ein guter Erzähler macht das. Aber es geht nicht primär darum, es ist nicht existentiell wichtig wie bei einem Buch.

 

 

Hast du mal eine Lesung mit Rafik Schami zugehört?

Der Mann ist ein gutes Beispiel. Der ERZÄHLT!

 

 

Wobei es andere Mittel gibt: Perspektive, Nähe/Ferne wird anders genutzt, um die Spannungsschraube anzudrehen, die emotionen anzusprechen.

Nun, DAS ist ja auch erzählen. ;)

 

Das halte ich für Unsinn, entschuldige. Weil beides sowohl fürs Schreiben wie fürs Erzählen gilt.

Nein. Da irrst du und ich kann es Beweisen!

Zum einen: beim mündlichen Erzählen ist die Struktur unwichtig, weil du immer noch anfügen oder dich verheddern kannst. Du kannst nämlich sehr wohl zurückblättern. Aber siehe dazu unten. ;)

Es gibt Fotos, die erzählen Geschichten. Aber da ist alles gleichzeitig da, es gibt keine Struktur, es sind nur Momentaufnahmen. Solche Fotos gewinnen gerne Journalistenpreise. Und Fotos haben keine Struktur und keine Optimierung.

 

Die wird nur erzeugt, wenn Emotionen im Spiel sind, sorry. Die Leiche an sich ist absolut unspannend. Aber ich weiß als Krimi-Leser, da kommt jetzt was. Und wenn der Autor mir das nicht bringt, die Emotionen in irgendeiner Form, klappe ich das Buch zu

Siehste! genau deshalb ist es eine Schreibtechnik, keine Erzähltechnik!! Siehe dazu unten!

 

Da liegt der Denkfehler. Neugier ist eine emotion (ein Trieb) und bezieht sich nicht auf beliebiges (sonst würden die Leute Lexika lesen statt Romane), sondern auf das, was Emotionen weckt. Das ist übrigens gut untersucht in der Verhaltensforschung.

Sach ich ja. Nur weigere ich mich, Triebe als Emotion zu bezeichnen, aber sei diese Diskussion einmal dahingestellt, sie ist hierfür ohnehin nicht besonders relevant. ;)

 

Sie ist vielleicht nicht gut geschrieben im Sinne von: Stil, literarisch, etc.

Du wirfst hier wieder schreiben, schreiben und schreiben durcheinander.

 

Es gibt drei Arten:

Schreiben 1: Worte mit einem Stift auf einer Oberfläche fixieren.

 

Schreiben 2: Wortwahl, Klang, Stil, Rythmus

 

Schreiben 3: Einen Roman so schreiben, dass er bis zum Ende gelesen wird.

 

Das wird hier wieder alles wild durcheinandergewürfelt. Natürlich sind in einem Buch alle drei Sorten vorhanden und wichtig, und fließen ineinander, mir geht es aber allein und ausschließlich um Schreiben 3, und ja, man KANN Schreiben 2 und 1 ausblenden. Sie haben ihre wichtige Stellung, dass ein Buch gelesen und gemocht wird, aber sie sind nicht Bestandteil dieser Diskussion!!!

 

Ja, da hat der Autor die Emotionen angesprochen.

Aber ich denke, das spielt beim Schreiben keine Rolle? Und hier sagst du, dass man mit den *Menschen* mitleidet. Also wecken die Personen die Emotionen.

Ach? Waren es wirklich nur die Menschen? Oder war es am Ende doch etwas anderes?! Ich behaupte ja letzteres in Verbindung mit den Menschen. Nur dass es da überhaupt noch etwas anderes GIBT ist ja hier größtenteils unbekannt.

 

Witze brauchen Struktur.

Falsch. Witze können selbst dann noch witzig sein, wenn sie wirr sind oder du die Pointe versehentlich verrätst.

 

Das genau richtige Tempo an der richtigen Stelle, der Spannungsaufbau, was du sagst und was du nicht sagst, ist enorm wichtig.

Richtig. Aber damit sind wir wieder beim erzählen.

 

Aber während des Lesens hat es einen berührt. Warum sonst hetzt du durch das Buch?

Vielleicht weil man wissen will, wer den alten Mann getötet hat? Und wer der Mann mit der Kapuze ist, der fliegen kann? Oder was der helige Gral ist?

 

Nicht nur. Da sind die Personen, die Spannung, die handlung viel, viel wichtiger.

Nee. Großer Irrtum. Dafür sind zuviele hanebüchene, unrealistische Stoffe schon als emotional gut bindend festgestellt worden, als dass du mir das erzählen kannst!

 

Aber längst nicht nur. Und ich sehe keinen Grund, warum die Distanz wichtiger für's Erzählen und die Emotionale Bindung sind als die Figuren.

Figuren sind das Bindeglied zwischen Schreiben und Erzählen. Das WER ist Schreiben, wie nah die Leser an den Charakteren sind, aber Erzählen.

 

Was den Rest angeht: Ich sage ja nicht, dass ein Roman ENTWEDER gut Strukturiert ist ODER emotional bindend. Ich sage nur: die Techniken für beides sind gänzlich unterschiedliche.

 

Einem Erzähler nicht mehr zuzuhören geht noch schneller. Du kannst einfach weitergehen und der Märchenerzähler auf dem Marktplatz hat Pech gehabt. Du musst das Buch nicht mal weglegen, nicht vom Sofa aufstehen ;-)

Nee, komplett falsch, dazu gibt es auch wunderbare Studien. Aufstehen und den Raum verlassen, während der Erzähler da ist, ist immer schwieriger, als ein Buch zuzuklappen, was der Autor ja nicht sieht. s.u.

 

Eben, das ist es nicht. Und jetzt sagst du ja selbst, wie wichtig der Charakter ist: Die Leser sollen mit ihm mitleiden, das ist Element des Erzählens.

Ja. Aber das Mitleiden kommt nicht einfach durch die Biografie des Charakters, sondern durch die Distanz im Text, dadurch, wie gut der Text den Leser an den Charakter heranholt. Viele Charaktere ähneln sich, aber das mitleiden ist da immer sehr unterschiedlich.

 

Nur dass Perspektive, Nähe, etc. zum Erzählen gehören und Emotionen wecken, während Personen, Konflikt zum Schreiben gehören und keine wecken, stimmt einfach nicht.

Doch, es stimmt!

Der Konflikt per se lässt mich nämlich kalt, er sorgt nur dafür, dass ich das Buch nicht zuschlage.

Natürlich löst der Konflikt im Endeffekt Emotionen aus, aber nicht der Konflikt selber, sondern die Perspektive und Distanz, aus der mir der Konflikt geschildert wird, und wie er mir erzählt wird. Ob nu Held gegen Schurke, Mensch gegen Alien, Mann gegen Maus, ganz egal - das sorgt nur dafür, dass ich weiterlesen will. Wie ich mich aber fühle, hängt davon ab, ob ich dem Mann oder der Maus über die Schulter gucke. Ganz einfach.

 

Ich meine, dass wir komplett andere Ansichten haben, ist offensichtlich. Beinahe gegensätzlich, was zumindest erklärt, warum du die Begriffe genau entgegengesetzt benutzt. Da ich mich auf meine Studienerfahrung und Fachseminare stütze, fühle ich mich ganz dreist mal im Recht. :s22

(Okay, war jetzt nicht ganz ernst gemeint...)

 

Ich will die Diskussion aber nicht abreissen lassen, und die Punkte, in denen du meiner Ansicht nach frapierende Denkfehler aufweist, nochmal erläutern, mal wieder etwas praxisnaher.

 

Deine Beispiele sind nämlich immer nur von Fall zu Fall gültig oder ungültig. Der Märchenerzähler auf dem Marktplatz, die Struktur von fiktiven Geschichten... In Wohnzimmersituationen und z.B. bei realen Erlebnissen werden deine Argumente etwas schwächlich.

Ich versuche aber allgemeingültige Argumente zu finden. Und darum noch einmal ein ganz praxisnahes Beispiel.

 

 

 

Stell dir vor, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause passiert dir etwas unglaublich tolles. Egal was. Irgendetwas.

Nun kommst du zu Hause zur Tür rein, deine Familie sitzt auf der Couch, und du möchtest, dass deine Familie davon erfährt.

Was tust du? Richtig, du erzählst es ihnen.

 

Aber wie erzählst du es ihnen?

Du wirst es wohl kaum aufschreiben und ihnen zu lesen geben, oder? Nein, du stellst dich hin, und erzählst. Du musst dir nicht mal Gedanken um Handlung und Struktur machen, die ist ja sogar schon vorgegeben.

Nun: was ist dir, und jedem anderen in deiner Situation, das wichtigste? Du wirst bemüht sein, die Situation noch einmal aufleben zu lassen. Du wirst versuchen, dein Erlebnis so zu erzählen, als wäre deine Familie dabei gewesen, hätte sie selbst durchlebt und dieselben Emotionen gehabt wie du. Sie war ja nicht dabei. Du überlegst dir also, wie du es am besten so erzählst, als hätte deine Familie neben dir gestanden, als dir diese tolle Sache passiert ist.

 

Sehe ich das richtig? Da du jetzt gerade ja nicht antworten kannst, gehe ich mal von einem ja aus. Andernfalls würde ich mich fragen, warum du es überhaupt erzählst. Für gewöhnlich versucht nämlich jeder so zu erzählen, selbst wenn ihm das in dem Moment nicht so bewusst ist. :)

 

Bisher hast du aber noch nichts geschrieben. Also kann das unmöglich eine Schreibtechnik sein.

Nun aber willst du diese Geschichte aufschreiben.

 

ACHTUNG! An dieser Stelle kommt der größte Irrglaube und Fehler der meisten Autoren ins Spiel! Und dieser Irrglaube ist der Grund, warum schreiben und erzählen so oft synonym benutzt werden. (Hier, wie immer, im Sinne von Schreiben 3!)

Die Leute denken fälschlicherweise, du könntest diese Geschichte einfach genau so aufschreiben, wie du sie deiner Familie erzählt hast. Nur anstatt die Worte auszusprechen, schreibst du sie einfach nieder.

 

Und DAS ist schlicht und ergreifend falsch.

Denn das funktioniert nicht.

Und warum nicht?

 

Ganz einfach. Wenn du deiner Familie die Geschichte im Wohnzimmer erzählst, dauert das eventuell fünf Minuten. Eine ziemlich kurze Zeit. Du wirst in dieser Zeit auch keinen Gedanken darauf verschwenden, in welcher Reihenfolge du die Geschehnisse erzählst, welche Charaktere du wie mit einbringst. Ist ja ohnehin vorgegeben. Du konzentrierst dich ganz und gar darauf, dass deine Familie denkt, sie wäre dabei gewesen. Alles andere ist auch nicht nötig. Wenn du dich verhedderst, korrigierst du dich schnell, vergisst du eine wichtige Information, schiebst du sie schnell nach, was auch immer. (Gute Erzähler sind natürlich auch hier strukturiert, was das Vergnügen erhöht.)

Die Sache, dauert, wie gesagt, fünf Minuten, da sind die Leute nicht so pingelig.

 

Ein Buch zu lesen, dauert Stunden, vermutlich Tage, oder Wochen, manchmal Monate und Jahre.

Ein Buch zuzuschlagen und es für immer wegzulegen dauert hingegen eine Sekunde!

 

Wenn du jemandem etwas persönlich erzählst, ob nun Familie oder nicht, wird derjenige, selbst wenn es ihm nicht so gefällt, nur sehr, sehr unwahrscheinlich einfach aufstehen, dir die Hand schütteln und den Raum verlassen. Das wäre einfach zu umständlich, schließlich dauert deine Geschichte nur fünf Minuten, und außerdem ist es unhöflich dir gegenüber und man müsste erst eine Hemmschwelle überwinden. Du hast also beim persönlichen erzählen einer Geschichte sehr, sehr viele Freiheiten, was die Reihenfolge, die Charaktere, alles das was die Struktur des Erzählten ausmacht, angeht. Das ist einfach nicht so wichtig. Wichtig ist allein, dass die Leute denken, sie wären dabei gewesen, bei dem Ereignis, das zu erzählst. Je mehr du denkst, du warst dabei, desto besser findest du den Erzähler. (Glaub mir, isso! ;D)

Falls du das nun anders siehst: Wie oft bist du bei deiner Familie schon aufgestanden und einfach aus dem Raum gegangen, wenn sie dir was erzählt haben? Oder hast gesagt: "Schatz, das langweilt mich, sei bitte leise." (Okay, das sagt man öfter seinen Kindern, aber ja dann auch erst wenn sie einem mit ihren endlosen und unzähligen Geschichten auf den Keks gehen, und nicht gleich bei der erstbesten, nur weil sie langweilig ist...)

 

Aber wenn du einen Roman schreibst, hast du ganz und gar andere Probleme. Du musst dafür sorgen, dass dein Leser in all der Zeit, den Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren, die er dein Buch liest, nicht einmal auf die Idee kommt, sich eine einzige Sekunde Zeit zu nehmen, das Buch zuzuklappen und für immer weg zu legen.

 

Du musst dir also sehr genau Gedanken darüber machen, was du wann in welcher Reihenfolge erzählst, wie dein Spannungsbogen ausschaut, deine Charaktere, deine Konflikte...

 

Hier liegt die Trennung. Und nur hier.

 

Wenn du einen Roman schreibst, machst du dir Gedanken: Wie kriege ich den Leser dazu, das Buch nicht zuzuklappen? Und alles, was dazu dient, dass der Leser das Buch aufgeschlagen lässt, ist das, was Schreibratgeber predigen. Konflikte! Spannungsbogen! Vielschichtige Charaktere! Rätsel! Sogwirkung! Neue Metaphern! Show, dont tell! Überraschende Wendungen! Whatever!

 

Du kannst ohne diese Dinge keinen Roman schreiben, der bis zum Ende gelesen wird.

 

Natürlich erzählst du auch eine Geschichte. Und hier kommt wieder deine Familie im Wohnzimmer ins Spiel.

Als Autor solltest du noch ein zweites Ziel haben. Nämlich dass der Leser denkt, er wäre dabei gewesen, bei dem, was du ihm erzählst. Das heißt, alles das, was du im Wohnzimmer bei deiner Familie getan hast, ist erzählen. Das findet sich auch im Buch. Nur darüber denkt kein Autor nach, so wenig, wie man vor seiner Familie nachdenkt.

 

Man erzählt im Wohnzimmer intuitiv.

Deswegen gibt es Leute, die können gut erzählen, und Leute die können schlecht erzählen. Aber die wenigsten kommen auf die Idee, dass man das lernen könnte. Und dass es Tricks und Kniffe gibt, wie man seiner Familie das Erlebnis vom Nach-Hause Weg so gut erzählen kann, als wären sie dabei gewesen.

Du sprachst Rafik Schami an. Sein Erzähler der NAcht heisst nicht umsonst so, und er sagt nciht umsonst, er wollte ein Buch schrieben, in dem alle Formen von Erzählen vorkommen, und es WIRD in allen Formen erzählt! Und man WAR dabei. ;D

 

Und das, was ein guter Erzähler im Wohnzimmer macht, kann er auch im Buch machen.

 

Ein Autor sollte also zwei Ziele haben. 1) dass der Leser das Buch nicht zuschlägt. 2) dass er denkt, er wäre bei den Erlebnissen dabei gewesen, direkt neben den Charakteren.

 

In einem Roman findet sich natürlich immer beides. Nur die Techniken und Mittel die du einsetzt um 1) zu erreichen sind SCHREIBEN, weil sie nur(!) für Romane gelten. Und diese Techniken finden sich in Schreibratgebern.

Die Techniken und Mittel um 2) zu erreichen sind ERZÄHLEN, weil man sie auch im Wohnzimmer nach der Arbeit vor der Familie findet. Und übrigens auch woanders. In Bildern beispielsweise. Eben überall dort, wo etwas erzählt wird. Erzählen bedeutet per Definition, jemandem ein Ereignis mitzuteilen, dass dieser selbst nicht erlebt hat, und zwar so, als hätte er selbst es erlebt.

 

Und gerade 2) ist ein Problem, weil, wie gesagt, die Techniken, die dabei helfen so gut wie unbekannt sind, und die allermeisten Autoren, ja auch in diesem Forum, gar nicht wissen, dass man das steuern kann, geschweige denn WIE.

 

Glaub mir, die Trennung IST so. Das eine lässt dich lesen ohne zuzuschlagen, das andere mitfühlen. Nur: das eine brauchst du nur beim Romane schreiben, das andere brauchst du überall wo du erzählen willst, deshalb die Trennung der Techniken. BEIDES ist wichtig. Nur ist es einfach nicht DASSELBE, und schon gar nicht andersherum...

 

Ein Buch kann noch so emotional sein: Ist es schlecht geschrieben, klappe ich es zu. Und eine Geschichte kann mir im Wohnzimmer noch so wirr strukturiert aufgetischt werden: Solange ich das Gefühl habe, ich war dabei (=Emotionen haben) fühle ich mich unterhalten und betrachte ich die Sache als gut erzählt.

 

Kann natürlich auch sein, dass wir hier einfach verschiedene Religionen pflegen! ;D Dann werden wir beide aber nicht bestimmen können, wer 'richtiger' liegt als der andere. ;)

 

So, damit genug der langen Mails, ich vermute, das Thema ist durch, und fürchte den versammelten Zorn des Forums und gemeine Spitznamen. :s10

(damit will ich dir nicht den Mund verbieten, ganz im Gegenteil, sondern nur andeuten, dass ich in Zukunft kürzere Mails schreiben möchte...)

 

Ab sofort gibts von mir nur noch handliche Antworten zu dem Thema. Versprochen. :D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ich hab diesen Thread jetzt nicht genau gelesen - sonst hätte ich einen Knoten im Hirn.

 

Aber so wie ich Marco verstanden habe:

 

Man hat eine Geschichte.

Jetzt hat man verschiedene Möglichkeiten, wie man sie erzählt. Zieht man diese Szene weiter nach vorne? Baut man hier eine Szene ein, die einen Teil der Geschichte aus einer anderen Sicht beleuchtet? Schreibt man diesen Abschnitt aus der Perspektive der Figur, oder besser aus der Perspektive einer anderen? usw.

Alles Aspekte des Erzählens.

 

Ich habe fünf Jahre an meinem Roman geschrieben - und mir vielleicht erst vor zwei Jahren bewußt gemacht, dass man die gleiche Geschichte verschiedenartig erzählen kann. Und dann ging es los, mit dem wilden umstellen - bis ich für mich die für den Roman perfekte Erzählweise gefunden habe.

 

Falls ich dich also richtig verstanden habe, lieber Marco, sagst du hier etwas ganz wichtiges! Und für viele Autoren (also allgemein gesprochen, ich bezieh mich auf keine Montsegurler) wäre das ein gewaltiger Schritt nach vorne, würden sie sich dieses Problems bewußt werden.

 

Man merkt nämlich vielen Romanen an, dass sie intuitiv geschrieben wurden - was die Geschichte aber hindert, sich ganz und gar zu entfalten. Als machten sich die Autoren keine Gedanken, (und machen sie sich wohl auch nicht) auf welche Art sie die Geschichte erzählen wollen - die erstbeste Erzählform wird angewandt und Punkt.

Erzählformen gibt es aber viele, wie es Schablonen viele gibt. Intuitiv geschriebene Romane wirken daher so, als hätte man sie mit der erstbesten Schablone in Form gebracht.

Das Ziel muss aber sein, die für die Geschichte perfekte Schablone zu finden.

 

Grüße

Quidam

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