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(Peter D. Lancester)

Der feige Autor ist langweilig

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Ein oft strapazierter Ausdruck ist: Wenn die Geschichte es erfordert. Nun, oft erfordert sie es, aber der Autor überwindet sich dennoch nicht. Hier ist die Crux.

Peter, ich denke, hier hast du wirklich ein zentrales Problem angesprochen. Die meisten Autoren zieren sich, ich kenne da soviele Manuskripte, die grade an der Stelle kneifen.

Ingrid Noll hat mal gesagt: Erst als ich richtig böse wurde, hatte ich Erfolg.

Dein Hänsel und Gretel Beispiel zeigt es. Wenn die Geschichte auf bitterste Dinge zuläuft, muss man sie da reinlaufen lassen. Auch wenn es weh tut (dem Autor und erst recht dem Protagonisten). "Eine Geschichte ist erst fertig, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen hat" (Dürrenmatt).

Erfolgreiche Autoren nutzen das, indem sie die Protagonisten an den Haaren in herbeigezogene SItuationen schleifen. Das funktioniert, auch wenn es unglaubwürdig ist.

Erfolglose Autoren vermeiden selbst dann die Konflikte, wenn sie direkt aus der Geschichte folgen - aber nein, der Autor lässt den Waldhüter kommen, der findet Hänsel und Gretel, die Hexe hat kein Mittagessen und der LEser Langeweile.

Wie oft habe ich schon Autoren gesagt: Hier hast du einen hervorragenden Konflikt, mancher Thrillerautor würde sich die Finger danach lecken. Es ist nicht an den Haaren herbeigezogen, folgt aus der Geschichte, passt zu deinen Figuren, warum weichst du ihm aus? Du hast alle Voraussetzungen, jetzt nutzte sie. Lass deine Figuren in die Scheiße rutschen, wenn auf dem Weg Scheiße liegt und sie in die Luft gucken, statt auf die Straße zu achten!

 

Wenn du eine Geschichte machst, musst du sie bis zum bitteren Ende durchführen.

 

Grüße

 

Hans Peter

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"Eine Geschichte ist erst fertig, wenn sie die schlimmstmögliche Wendung genommen hat" (Dürrenmatt).

 

Klasse.

Das pinne ich mir an den Monitor.

 

In meinem neuen Roman stirbt jemand, den die Leser über alles lieben.

Davon habe ich mich auch nicht durch "xy darf nicht sterben"- Parolen und Bitt-Mails abbringen lassen.

(Meine Fans ahnen natürlich schon was geschehen könnte)

Für mich stand das Ende der Trilogie schon vom ersten Satz an fest.

 

In "Die Hüterin des Elfenfeuers", führe ich eine Protagonistin nur deshalb ganz liebevoll ein, um sie später auf grausame Weise, zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Freund umkommen zu lassen.

 

Meine Lektorin hat diese Passage sogar meinen männlichen Kollegen gezeigt und gesagt: "Und warum traut ihr euch das nicht?"  

 

Ich mag schlimmstmögliche Wendungen  ;D

 

Allerdings mag ich keine Helden, die im Verlauf eines Buches gleich zwanzig davon "mit letzter Kraft" überleben. Das ist doch arg unglaubwürdig.

 

Liebe Grüße

Monika

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(Peter_Dobrovka)

Erfolgreiche Autoren nutzen das, indem sie die Protagonisten an den Haaren in herbeigezogene SItuationen schleifen. Das funktioniert, auch wenn es unglaubwürdig ist.

Hier liegt wohl auch ein Teil des Scham-Problems verborgen. Der Autor will keinen Horror oder irgendwas "Billiges" schreiben.

 

Wie oft habe ich schon Autoren gesagt: Hier hast du einen hervorragenden Konflikt, mancher Thrillerautor würde sich die Finger danach lecken. Es ist nicht an den Haaren herbeigezogen, folgt aus der Geschichte, passt zu deinen Figuren, warum weichst du ihm aus? Du hast alle Voraussetzungen, jetzt nutzte sie. Lass deine Figuren in die Scheiße rutschen, wenn auf dem Weg Scheiße liegt und sie in die Luft gucken, statt auf die Straße zu achten!

Yepp.

Ich glaube, das Phänomen kennt man am besten, wenn man es viel mit unveröffentlichten Autoren zu tun hatte.

 

Peter

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Hi,

 

es sollte halt eine individuelle Scheiße sein - wo ist die größte Angst? Und da geht´s rein. Erinnert Ihr Euch noch an 1984? Ich glaube der held hatte angst vor Mäusen o.ä - und das war´s dann. Bei einem Pianisten sind´s die Finger - muss nicht so grausam sein... Harry Potters größte Angst in Band 4 war ja schließlich auch, ein Mädchen zum Tanz aufzufordern :o

 

Grüße

 

Kathrin

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(Peter_Dobrovka)

Ich habe jetzt gerade das Vergnügen, mit einem Co-Autor an einem Drehbuch zu sitzen und mich dauernd mit ihm über genau dieses Thema zu streiten. Er ist gerade was essen gegangen, da kann ich schnell mal diesen Post schreiben, hehe.

Ich finde immer wieder Schrauben im Plot, die man noch ein wenig fester anziehen kann, und er wehrt sich mit Händen und Füßen dagegen. Sein Lieblingsargument: Das ist doch überflüssig. Sein zweitliebstes: Das wird zu kompliziert.

Um was geht es? Halt solche Dinge, wo einen die Scham halt befällt, wie z.B. ein angedeuteter Inzest zwischen der Tochter, die allein mit ihrem besitzergreifenden Vater lebt, der sie in einem goldenen Käfig hält. Der Inzest ist nicht "nötig", damit die Story funktioniert, aber er verstärkt sie, rüttelt stärker am Leser. Und vor allem ist sie, was die Charakterisierung angeht, einfach nur gnadenlos konsequent. Co-Autor sagt, es sei überflüssig, aber ich merke an seinen nonverbalen Signalen, daß ihm das Thema hochgradig unangenehm ist, und er fürchtet diffuse Sympahtieeinbußen bim Zuschauer.

Oder wo der Prota unversehrt bleiben soll. Er wird vom Gegner durch die Gegend gewirbelt. Und damit er keinen Knochenbruch erleidet, will mein Co-Autor einen Obststand an den Aufschlagspunkt setzen, damit ihm nichts passiert. Ich weise zwar nach, daß der Prota im weiteren Verlauf auch mit Gipsbein und -arm agieren kann, ohne daß der Plot sich ändert, aber das ist meinem Kollegen "zu kompliziert".

 

Ich könnte noch 20 solcher Beispiele aufzählen. Worum es mir geht:

Es ist manchmal nicht nur Scham, ich glaube, es ist manchmal auch Faulheit.

 

Was meint ihr?

 

Peter

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Hehe, Peter, ich wünsche dir Durchsetzungsvermögen! ;)

Faulheit, ja, die spielt sicher auch eine Rolle. Andererseits, ich entdecke grade, dass es auch ne Menge Spaß macht die Protas ordentlich leiden zu lassen.

 

Masochistische Grüße

Joy

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Hi,

 

also, ich stelle fest, dass ich es erstens liebe, Bücher zu lesen, bei dem die Helden leiden und im Prinzip von einer Katastrophe in die nächste rutschen, ohne jemals richtig zur Ruhe zu kommen. Das gibt einen Pageturner Effekt.

 

Zweitens stelle ich fest, dass ich es sehr schwierig finde, so auch zu schreiben. Das liegt zum einen daran, dass es gar nicht so einfach ist, sich einen Plot auszudenken, der stimmig und logisch bleibt und wo es trotzdem gelingt, den Protagonisten auf so eine Achterbahn zu setzen, aus der er nicht vorzeitig aussteigen kann. Zum anderen merke ich aber bei mir selber auch die Hemmung, bei Gewalt- oder auch Sexszenen so richtig in die Vollen zu greifen.

 

Der Grund ist ganz einfach: es turnt mich selbst unglaublich an und ich habe unbewusst Angst, dass andere Leute das bemerken und mich für eine total schräge Person halten, wenn ich sowas schreibe. Dabei bin ich gar nicht so schräg. Ganz offensichtlich turnt es nämlich die meisten Leser auch an, sonst würden sich solche Bücher ja nicht so gut verkaufen. (Und jetzt komme mir bitte keiner und sage, Diana Gabaldon verkaufe sich so gut wegen des interessanten historischen Hintergrunds)

 

Lernen kann man was das angeht übrigens prima in der FanFiction Szene. Man kann über FanFiction Autoren denken, was man will, aber wenn die meisten eines können, dann ist das, ihre Helden blutend am Boden liegen zu haben und leiden zu lassen. Und auch über das schreiben expliziter und teilweise sehr erotischer Sexszenen kann man da jede Menge lernen. FanFiction ist meist sehr hemmungslose Literatur.

 

Im Moment schreibe ich völlig ungeplant an einer längeren Geschichte, die sich vielleicht zu einem Roman auswächst, vielleicht auch nicht. Das ist sozusagen eine Therapiemaßnahme, weil ich mit meinem wunderschön durchgeplanten Jugendroman ja schon seit Monaten nicht weiterkomme. Und da diese neue Geschichte erstmal nicht für irgendein Publikum geschrieben ist, sondern in erster Linie für mich, dürfen da die Gewaltszenen plötzlich auch ganz brutal werden und die Sexszenen sehr erotisch oder auch mal anders herum. Und die Protagonisten rennen, leiden, brechen zusammen und rappeln sich wieder auf, dass es eine wahre Freude ist. Bisher liest es nur eine Freundin und die tickt da durchaus genauso wie ich und schreit ständig nach Fortsetzungen.

 

Aber ich stelle mir jetzt mal so vor, ich würde diese Geschichte zu Ende schreiben und vielleicht echt als Roman veröffentlicht kriegen. Wie erkläre ich das dann meiner Mutter? Ernsthafte Frage. Wie machen das diejenigen von euch, die wirklich brutale und explizite Geschichten schreiben? Wie erklärt ihr das Vater, Mutter, Oma und Tante Klärchen? Lesen die das dann?

 

Gruß,

Capella

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Hallo Capella,

 

das soll jetzt nicht überheblich klingen: Über die Angst vor Blamage war ich schon hinaus, als ich mich mit dem Gedanken einer Veröffentlichung getragen habe. ALLE werden es lesen! Sämtliche Tanten und Onkels! Und meine sind ALLE errötet!

Aber das ist mir egal. Es muss mir egal sein. Ich kann mich nicht von den Moralvorstellungen meiner Familie blockieren lassen.

Sie haben übrigens nie vermutet, dass ich das alles BIN, was ich da geschrieben habe. Sie sagen mir eine lebhafte Fantasie nach. ;)

Und meine Mutter sagte zuerst: Ist ja ein schönes Buch mein Kind, aber musste es so viel Sex sein? Ich sagte, ja Mama, muss! Isso in dem Genre. ;)

Inszwischen hat sie mehr in der Richtung gelesen, festgestellt, dass ich gar nicht so schlimm bin und sich beruhigt.

Aber selbst WENN sie mich für die Schlimmste überhaupt hielte, würde mich das nicht abhalten.

 

Ich habe mir damals gesagt, ich denke ja auch nicht, dass Laurell K. Hamilton wirklich davon träumt DAS ALLES mit einem Werwolf zu machen! ;) Kranke Dinge, unglaubliche Sachen passieren in ihren Büchern. Vom prüden Amerika wird sie auch heftig kritisiert. Aber gerade WEIL ihre Bücher so unter die Haut gehen, verkauft sie sie massenweise!

 

Ich rate also diese Angst schnell abzulegen und hemmunslos drauflos zu schreiben. So entstehen die besten Bücher. Immer schön trauen, gelle? ;)

 

LG

Joy

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Ich habe diesen thread nicht verfolgt, nur eben Peters posting gelesen.

 

Peter, ich denke, Film/Drehbuch haben ihre eigenen Gesetze, was in einem Film "knallig" wirkt, kommt in einem Buch vielleicht eher "billig" rüber.

 

Man kann rasch eine gute Story kaputtmachen, indem man zu viel reinpackt und alles viel zu sehr auswalzt.

Wenn man mit subtilen Andeutungen arbeitet, ist der Effekt oft wesentlich stärker.

 

Wie erkläre ich das dann meiner Mutter? Ernsthafte Frage.
Capella, zu dieser Frage gab es hier tatsächlich mal einen thread; leider weiß ich den Titel nicht mehr - erinnert sich jemand?

 

Gruß

Jan

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... Wie erklärt ihr das Vater, Mutter, Oma und Tante Klärchen? ...

 

Capella, so lange ich mich noch selbst im Spiegel betrachten kann, ohne mich vor meinem Spiegelbild zu ekeln, ob der Dinge, die ich da in die Tastatur hämmere, ist es mir völlig wurscht, was die Familie denkt. Von daher gibt es, bzw. wird es auch keine Rechtfertigungen meinerseits geben.

 

Gruß

koldir

 

 

:)

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Ich find die Frage ja spannend, wie man eine Frau finden soll, wenn man mit blutigen Schockern und Psychothrillern über Leute, die ihre Geliebten zerstückeln, berühmt geworden ist. ;) Und vor allem: Was das dann für Frauen sind?

Ist Brad Easton Ellis noch Single?

Oder überhaupt, diese ganze Beziehungsnummer. Die Frau von Hornby hat doch nach High-Fidelity bestimmt Gulasch aus ihm gemacht.

"Schatzi, du mußt das verstehen...ich war jung und brauchte das Geld, klein Timmy brauchte doch eine neue Spange!" Da wäre ich zu gern Mäuschen. ;)

 

Wenn ich mir vorstelle meine Frau schriebe zum Beispiel eine Geschichte mit einer lesbischen Protagonisten. Also...rein hypothetisch. Wie reagiert man dann? ;)

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Hallo PeterN,

 

du hast zwar den Zwinkersmiley geposted, aber ich will trotzdem mal "ernsthaft" antworten. ;)

Für mich wäre sowas kein Problem, weil mein Mann meine Arbeit ernst nimmt und mich eher noch unterstützen würde solche Szenen zu entwickeln.  :s21

Im Ernst, das ist doch alles Teil der Jobbeschreibung "Autor".  In dieser Beziehung feige sein hieße für mich meinen Job nicht gut genug erledigen.

 

LG

Joy

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Ich könnte noch 20 solcher Beispiele aufzählen. Worum es mir geht:

Es ist manchmal nicht nur Scham, ich glaube, es ist manchmal auch Faulheit.

 

Was du dabei vergisst: die Sachen müssen auch gedreht werden. Faulheit spielt da ebenso rein wie Ökonomie. (An dieser Stelle der Hinweis: Bei einem Drehbuch denkt kein Mensch an 'den Leser', davon musst du dich verabschieden.)

Wenn ein Produzent das liest, rattert es gleich wieder in seiner Birne: Schauspieler muss jeden tag mit Gipsarm und -bein geschminkt werden, Materialkosten, Zeitkosten, welcher Schauspieler macht das mit? etc.

 

Beim Inzest-Thema ähnliches. Der produzent liest das, und rattert: Jugendschutz, wer wird sich angegriffen fühlen, Boykottversuche vom Verein Dunkelziffer e.V. oder ähnliches.

 

Film, noch stärker als Bücher, sind öknomisch abhängig. Im Buch kannst du locker deinen Prot durch die gegend humpeln lassen, und Schafe vögeln lassen, das wird kaum einer mitkriegen. Aber im Film haben solche Sachen tatsächlich einen anderen Stellenwert. Und ein Drehbuch muss unheimlich viele Leute überzeugen, damit sie dran teilnehmen (Ein Manuskript muss 'nur' den Lektor und den Händler überzeugen.) Und je unbequemer das Drehbuch ist, zumal wenn es tatsächlich nicht 'nötig' ist, desto schwerer ist der Stand des Drehbuchs.

 

Da gelten, wie Jan schon sagte, total andere Regeln und Voraussetzungen, das kann man nicht so einfach eins zu eins umsetzen.

 

Ich hab schonmal das Beispiel gebracht, mit der Szene, wie ein Mann im Regen auf den Bus wartet, vor ihm stehen noch zehn andere Leute, und er steigt ein.

Die Szene wurde vom produzenten ersatzlos gestrichen, weil sie unökonomisch ist. Sie zeigt absolut nichts, bis auf dass sie ein wenig düstere Stimmung macht, aber die Kosten für: Regenmaschine, Busmiete, Komparsen, womöglich noch Nachtdrehzuschläge...

Das alles für eine kurze Szene, die Stimmung machen soll? No Way.

 

Du muss da - anders denken, ich kann die Zweifel deines Co-Autors nicht nur verstehen, sondern sogar unterstreichen. Glaub mir, es ist kein vergnügen, dreizehn Stunden am Tag mit gipsarm und -bein zu schauspielern, das machen nicht viele leute mit, zumal der Maskenbildner die Dinger jeden tag eine halbe Stunde an und abpappen muss. Und wofür?

Es ist tatsächlich unnötig.

 

Genau aus solchen Gründen sind Buchautoren meist so schlechte Drehbuchautoren. Sie sind es gewohnt, mit einem Satz ganz großartige Dinge zu erschaffen, die aber bei der Produktion eines Films UNSUMMEN verschlingen würden, oder den ganzen Betrieb super verkomplizieren würden... (Nichts gegen dich, war wieder ein allegemeines Statement.)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Hallo Peter,

 

ich möchte sich-nicht-trauende Autoren nicht für feige oder langweilig halten. Ich möchte nicht einmal unterstellen, dass sie sich wirklich nicht trauen, sondern gehe zunächst einmal viel eher davon aus, dass sie sich bewusst entschieden haben, bestimmte Dinge außen vor zu lassen oder nicht zu vertiefen.

 

Es ist doch immer eine Frage der Relevanz. Ist es relevant für die Geschichte, bestimmte Dinge im Detail zu zeigen, auszuschmücken oder zustande kommen zu lassen? Wenn es nicht relevant ist, dann bleibt es eine bloße Frage des Effekts. Es soll dann einen Effekt erzeugen, und es stellt sich die Frage, ob der Effekt notwendig oder gewünscht ist.

 

In meinem Fall, "Projekt Babylon", gibt es eine Fast-Vergewaltigungs-Szene. "Fast" nur deswegen, weil sie unterbrochen wird. Wäre ich nun nach deiner Ansicht feige? Ich habe durchaus kein Problem, eine solche Szene zu schreiben, sowohl an Vorstellung als auch an Worten fehlt es mir nicht, was du an der kurz vorangegangenen Szene sehen kannst. Ich bade allerdings im Buch nicht in Gewalt oder Effekten, so dass das Ende meines Buches den meisten Lesern ohnehin schon als "zuviel" vorkommt. Wozu wäre also nun die vollzogene Vergewaltigung gut? Sie würde keine neuen Informationen vermitteln oder etwas am Prinzip der Situation, der Szene ändern. Im Gegenteil, sie würde der Szene ein unnötiges zusätzliches Gewicht geben, aber mir liegt es nicht daran, das menschliche Leid der Charaktere zu schildern oder zu untersuchen, sondern mir liegt es an der Bedrohung und der Spannung. Alles andere wäre eine gänzlich andere Geschichte. Es ist also keine Feigheit, sondern eine Entscheidung.

 

Und in den beiden Beispiel von dir verhält es sich ähnlich: Es ist doch zu überlegen, wozu ein Knochenbruch gut sein soll? Erzeugt er in der Folge weitere - gewünschte - Konflikte? Gut! Ist er einfach nur hinderlich und erzeugt er eine Überbetonung des Situation? Schlecht - raus damit!

 

Nur, weil man etwas vertiefen KANN, heißt das nicht lange nicht, dass man es auch konsequenterweise tun muss. Es liegt immer in der Entscheidung des Autors, es zu tun oder zu lassen, und die Geschichte so zu verbessern oder zu verschlechtern. Das richtig entscheiden zu können, ist eine Sache des Handwerks und der Erfahrung. Es sein zu lassen lässt aber nicht notwendigerweise auf Unschlüssigkeit, oder Feigheit schließen - es kann auch durchaus die richtige Entscheidung sein.

 

Gruß,

 

Andreas

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(Peter_Dobrovka)

Man kann sich auch bewußt falsch entscheiden ...

 

Wenn ich dein Buch ausgelesen habe, Andreas, werde ich dir sagen, ob und wo genau ich den Eindruck habe, daß du Potenzial verschenkt hast.  :s22

 

Mir ging es übrigens nicht darum, jemanden mit einem Gips rumlaufen zu lassen, sondern den mir verhaßten Effekt zu vermeiden, der bei vielen Action- und Monsterfilmen auftritt: Menschen werden munter durch die Gegend geworfen, meterweit, und erleiden dabei keinerlei Blessuren.

 

Peter

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Ich will auf keinen der vielen Beiträge speziell eingehen, sondern nur meinen Senf zum Titel des Threads geben:

 

Ein Buch, bei dem die mit irgendeiner Art von Aktion geladenen Szenen immer erst hinterher erzählt oder nur von oben herab geschildert werden ist tot - nämlich todlangweilig.  

 

 

Dabei kann bei der Aktion Blut fließen oder es sich um einen (für die Handlung relevanten) Kuss handeln.

 

Gruß Sysai

 

Kommentar von Gheron:

Einer der Höhepunkte des (langweiligen) Hinterher-Erzählens war für mich ein Western, in dem der Showdown am Tresen des Saloons erzählt wurde, und zwar von den Überlebenden der Schießerei!

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Ein Buch, bei dem die mit irgendeiner Art von Aktion geladenen Szenen immer erst hinterher erzählt oder nur von oben herab geschildert werden ist tot - nämlich todlangweilig.

[...]

Einer der Höhepunkte des (langweiligen) Hinterher-Erzählens war für mich ein Western, in dem der Showdown am Tresen des Saloons erzählt wurde, und zwar von den Überlebenden der Schießerei!

Danke, Sysai, Ghereon, das ist DIE typische Methode, etwas zu vermeiden. Nicht die Szene schildern, sondern sie von jemand anderem schildern lassen.

Das was wichtig, entscheidend ist, erlebt der Leser nicht mit, sondern jemand berichtet, dass er es in der Zeitung gelesen hat.

Faust trifft Mephisto in Gestalt des Pudels und kriegt rote Flecken, weil er eine Hundehaare Allergie hat. Später, als alter Mann liest er in der Zeitung: "Polizei deckt auf: Teufel verkleidete sich als Pudel". Da hab ich ja nochmal Glück gehabt, sagt er sich.

Andreas, du hast recht, ich muss keine vollendete Vergewaltigung schildern. Wenn die Geschichte es erlaubt oder gar erfordert, bleibt es bei dem Versuch. Aber bitte nicht einfach aus dem Weg gehen. Das ist das Problem bei so vielen "feigen" Autoren.

 

Wobei ich sagen würde, dass es weniger Feigheit, als Scham ist. Und in vielen Fällen Anspruch. Ich will nicht reißerisch schreiben, keine Klischees, keinen Kitsch.

Die Angst vor Kitsch und Klischee ist der Vater langweiliger Texte.

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)

Wobei ich sagen würde, dass es weniger Feigheit, als Scham ist. Und in vielen Fällen Anspruch. Ich will nicht reißerisch schreiben, keine Klischees, keinen Kitsch.

Hehe, siehe Antwort #27. ;D

 

Die Angst vor Kitsch und Klischee ist der Vater langweiliger Texte.

Das klingt gut, sollte in meine Sprüchesammlung aufgenommen werden.

Aber wenn meine Erinnerung mich nicht trügt: Haben wir uns an anderer Stelle nicht schon mal darauf geeinigt, daß Kitsch und Klischee unschön sind? Und posten wir nicht immer wieder Wege, wie man sie vermeiden kann?

 

Ich glaube, es ist wieder das alte Problem des Kindes, das mit dem Bade ausgeschüttet wird. Reißerisch muß nicht gleich Klischee sein, aber für viele Autoren ist das im Hirn untrennbar miteinander verbunden. Weil eben Unterhaltungsliteratur gern das Reißerische und das Klischee vereint. Mit Klischees kann man da auch sehr schnell und einfach zu Ergebnissen kommen.

Viele Manuskripte, die mir auf den Tisch kommen, beweisen jedoch, daß man wunderbar Klischees anhäufen kann und dabei doch langweilig bleiben wie eine Parteitagsrede der SED.

 

Peter

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Hallo Ihr,

 

ich möchte mit meinen Büchern Licht und Liebe in die Welt bringen und trotzdem spannend schreiben.

 

Ob das möglich ist?

 

Ich werde noch sehr sehr viel ausprobieren, bis ich mich der Antwort auf diese Frage annähern kann.

 

Wahrscheinlich bin ich tatsächlich ein noch eine etwas ängstliche Schreiberin, denn als ich mal eine Idee für einen Thriller hatte und anfing über Satanismus zu recherchieren, da hats mich so gegruselt, dass ich beschloss: Darüber werde ich gar nicht schreiben. Meine Ängstlichkeit angesichts dieses Themas würde man sowieso herauslesen. Und Dunkelheit gibts auch schon genug auf der Welt. Ich möchte nicht mehr als nötig hinzufügen.

 

Aber ich habe mit dieser Idee viel über mein Gruseln gelernt und weiß nun, dass ich also mindestens diese eine der sieben Todsünden (Frey) zu beichten hätte.

 

LG

Ilona

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Darüber werde ich gar nicht schreiben. Meine Ängstlichkeit angesichts dieses Themas würde man sowieso herauslesen.

Genau deshalb solltest Du diese Geschichte schreiben! Deine Angst ist doch die beste Stimmungslage, um solche furchteinflößenden Sachen gut rüberzubringen. Ich esse grundsätzlich fast alles mit der gleichen Lustlosigkeit, deshalb könnte ich kein appettitanregendes Kochbuch schreiben. Und wenn ich etwas Grausames schildern muss, was bei mir sehr oft vorkommt, dann muss ich mich mühsam in die richtige Stimmung bringen. Bei Dir war die Angst schon da, Du hättest sie nur noch auf Deine Charas projezieren müssen. Beim Schreiben fühlen, darum geht es doch!

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"Die Autorin nimmt sich eines heiklen Themas an, verzerrt jedoch die historischen Tatsachen um der Spannung willen und läßt den Roman dadurch seine Glaubwürdigkeit verspielen."

 

 

So, ich bin spät, deshalb nur kurz hierzu!

 

Das wäre eine typische Kritik eines Lesepublikums, das sachlich, faktisch liest und weniger die Unterhaltung sucht. Kann man machen, wenn man z.B. Geschichtsunterricht braucht. Ich kenne keinen historischen Roman, der nicht verzerrt ist, allein dadurch, dass die historische Forschung über viele Epochen zu neunzig Prozent auf Annahmen beruht und fast immer strittig ist.  

 

Ob der Autor sich nicht traut. Na ja ...  das halte ich eher für unwahrscheinlich. Ich nehme mal ganz frech an, dass die meisten Autoren, glauben sie hätten was Interessantes zu erzählen, dazu muss es weder grenzwertig sein, noch menschenverachtend, noch grausam. Das ist eher eine Genrefrage als eine allgemeine, finde ich! Wenn ein Cover mir Horror, Massenmord und Brutalität verspricht und ich sowas lesen will (nö, will ich nicht!!), werde ich enttäuscht, wenn es sich um ein unspektakuläres Werk handelt. Aber ich habe schonmal einen Splatter gelesen, den ich sprachlich so umwerfend gut fand, dass ich den ganzen Dreck ignoriert habe: auch das gibt es!

 

Dennoch bin ich es leid, dass - um beim Beispiel zu bleiben - in jedem Historischen alle intrigant, versoffen oder dreckig sind, alle Kinder halb verhungert und mindestens ein hurender Priester, jemand mit einer ansteckenden Seuche, wimmelnde Ratten und eine Vergewaltigung vorkommt. Muss nicht und ist obendrein Klischee. Es wäre da eher ein Wagnis mal ohne das auszukommen (Ich geb mir alle Mühe) Insofern schließe ich mich einigen Vorrednern an. Und das ist eine Überzeugung und keinekünstlerische Schrulle, nur um den üblichen polemischen Phrasen, die hier ja schon vorweggenommen wurden, mal vorzubeugen. Frei nach dem Motto: Ihr Euers, ich meins ;-) <-- und der ist durchaus ernst gemeint!

 

Liebe Grüße

 

Anja

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Das klingt gut, sollte in meine Sprüchesammlung aufgenommen werden.

Aber wenn meine Erinnerung mich nicht trügt: Haben wir uns an anderer Stelle nicht schon mal darauf geeinigt, daß Kitsch und Klischee unschön sind? Und posten wir nicht immer wieder Wege, wie man sie vermeiden kann?

Hallo Peter,

 

Das meinte ich nicht. Natürlich ist Kitsch und Klischee "unschön" (sehr höflich ausgedrückt). In gedruckten Büchern liebe ich sowas überhaupt nicht.

 

Aber wenn du bereits beim Schreiben der Erstfassung Klischee und Kitsch ausweichst, dem inneren Zensor gehorchst, schreibst du weiträumig um das herum, was interessant ist.

 

Oft steckt nämlich unter dem Klischee das, was interessant ist, was der Autor im Moment aber (noch) nicht schreiben kann.

Sei es, dass es ihm selbst viel zu nahe geht, sei es, dass er Angst hat, "sowas" zu schreiben, sei es, dass ihm einfach noch die zündende Idee fehlt, die aus dem Klischee eine wirklich gute Szene macht. Manchmal ist es da einfach nützlich, ein "Klischee" zu verwenden, "reißerisch" zu schreiben und da dann später drüber zu gehen.

 

Aber wenn du allem ausweichst, das nach Klischee, nach Kitsch riecht, weichst du bald allen Gefühlen aus. Das gibt dann diese merkwürdige Sorte Texte, die sehr, sehr gut formuliert sind, allgemein gelobt werden, die aber niemanden so richtig ansprechen.

 

Hätte es Oliver Twist gegeben, wenn Dickens von vorneherein Klischees und Kitsch ausgewichen wäre?

 

Hans Peter

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Was darf man Helden zumuten? Wie weit darf man gehen?

Eine Frage, die mich seit meinen ersten Romanversuchen beschäftigt, drum muss ich auch meine Erfahrungen dazu posten.

In besagtem Roman 1 fing ich nett an, eine seichte Liebesgeschichte aus der Sicht der Ich-Erzählerin. Mein damals einziger Leser hat gemächlich mitgelesen, bis er zu der Stelle kam, wo die beiden verliebten Helden in eine eklige, brutale Situation gerieten und dort gefangen waren. Da hat mir mein Leser die Seiten ungeordnet aus der Hand gerissen, so wie sie aus dem Drucker kamen. Ich habe in der Szene niemanden ermordet, >es< war nur brutal zu den Protagonisten.

Aber ich machte eine erschreckende und faszinierende Entdeckung: Geh über die Konventionen hinaus, sprenge Grenzen, dann wirst du gelesen.

Natürlich stimme ich Elfirina zu: in einem Kinderbuch gibt es andere Regeln als in einem Horrorthriller. Ich muss auf die potentiellen Leser Rücksicht nehmen. Aber gesetzt der Fall, ich habe entsprechend belastbares Zielpublikum...

Dann kann ich das entscheiden, was Marco sagt: Schreibe ich handlungsorientiert, sprich, soll der Prota etwa einen Kriminalfall lösen, darf er nicht zu sehr verletzt werden. Die andere Variante ist mir lieber und steht in meinem Schreiben im Vordergrund: meine Protas werden einfach in eine Situation geschmissen und müssen sich da durchfinden. Inclusive aller Verletzungen, auch ihrer Würde.

Und da habe ich die zweite Erfahrung gesammelt - die wenigsten Leser akzeptieren es, wenn der Protagonist zu sehr leidet. Wenn seine Würde mit Füßen getreten wird, und das womöglich über einen längeren Zeitraum. Auch ich als Leserin finde derlei Bücher abstoßend. Über einen bestimmten Punkt hinaus lese ich nicht weiter.

Trotzdem fasziniert es mich auch gerade, wenn der Prota über Grenzen hinaus belastet wird.

Ist also ambivalent und wie so oft eine Geschmacksfrage.

Wobei ich zwei Varianten sehe, die sich kombinieren lassen: Das eine ist die Sprache - vulgär oder nicht? Wie formuliere ich? Da habe ich bei mir engere Grenzen.

Das andere ist der Inhalt: darf etwa die Prota vergewaltigt werden? Und was geschieht, wenn ihr Auserwählter dasselbe erlebt hat? Ziemlich gestörte Persönlichkeiten, vermute ich, hängt aber von ihren Charakteren ab. Gräuel erlebt jeder anders. Es gibt Faktoren, die es erträglicher machen. Eine zerstörerische Sprache z.B. unterstützt das Gefühl von >Über-Grenzen- Gehen<.

Auch ist es ein Unterschied, ob ich erwähne, dass die Prota mal vergewaltigt worden ist, oder ob ich es beschreibe. Und wie ich es beschreibe, aus welcher Perspektive: der des Opfers oder mit dem Vergnügen des Täters.

Reduziert man das Problem darauf, ob der Autor sich trauen soll, Probleme zu radikalisieren, so kann ich nur sagen: Er soll es nicht nur, er muss. Weichgespültes ist langweilig. Es hilft nichts und niemandem. Probleme müssen ausgelebt werden. Im Roman sollte das radikal geschehen, weil das die Plattform ist, wo es sein darf, da es sich nur um irreale Figuren handelt.

Autor und Leser können Konflikte bis in ihre Spitzen hinein erleben. Das kann helfen, reale Dinge ins richtige Licht zu rücken. Wenn alles nur angerissen wird, ist das wie eine verwaschene Lauge: Ein bisschen Gelb, das im Wasser treibt, es eintrübt, mehr nicht. Nur wer sehr gute Augen hat, wer für Zwischentöne sehr empfänglich ist, kann das richtig deuten.

Ist natürlich eine interessante Variante, weil es den Leser zum Denken animieren kann. Aber nur trübe Brühe? Ab und an müssen die Farben knallen. Die Probleme, insbesondere das Hauptthema, müssen umfassend beleuchtet werden.

Das Wie ist eine eigene Frage. Ob man also auf die radikalen Aspekte Gewicht legt oder sie nur einträufelt, ist Entscheidung des Autors. Da geht es darum, dass eine Geschichte nicht zu vorhersehbar sein sollte, ein anderes Problem also.

Fazit: ich kämpfe allenfalls mit meiner eigenen Feigheit, wenn ich nicht radikal genug schreibe. Die Grenzen der Leser sind mir bewusst, bis dorthin vorzudringen, ist die Aufgabe des Autors.

Und an Capella: Ja, das Problem mit Müttern und Anverwandten kenne ich. Ist mies, wenn der Schwager sagt: dein Buch ist aber ganz schön brutal. Und die Mutter säuselt, wie schön doch das harmlose Kinderbuch sei. Doch darauf Rücksicht nehmen?!

Viel schöner ist es, der eigenen Dynamik zu folgen, mag sie noch so schaurig sein. Solange sie stimmig ist (herumgeworfene Menschen erleiden gewöhnlich Knochenbrüche), nicht an den Haaren für einen Schockeffekt herbeigezogen ist (Das Opfer wird nur geworfen, weil es so schön dabei aussieht), und solange sie das anvisierte Zielpublikum (Nicht die lieben Eltern) nicht über Gebühr strapaziert. Sollte ich darüber hinausgehen wollen, ist es für mein eigenes Vergnügen, nicht fürs Veröffentlichen.

Grüße von Claudia, die ihre Protagonisten nicht ermorden kann  :s21

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Hallo Rocker!

 

Danke für Deine Worte!

Sie zeigen mir, die andere Seite, die, die ich noch nicht gesehen hatte!

 

Ich dachte, meine Ängstlichkeit würde sich darin zeigen, dass ich beim Schreiben das, was mich gruselt, aussparen könnte, über die Geschehnisse im Nachhinein verkürzt berichten, so wie Sysai das eben andeutete. Das wollte ich nicht.

 

Was Du vorschlägst verstehe ich so: Zeigen, was da wirklich ist, mich dem Gruseln ganz und gar hingeben und dieses Gefühl in den Text einfließen lassen. Wow!

Allein bei dem Gedanken daran habe ich ne Gänsehaut auf meinen Wadenbeinen.

 

Aber ich denke, genau das ist es, was etwas bringt. Nämlich echte, tief empfundene Gefühle, die einen Text lebendig machen.

Ja, da möchte ich hin.

 

Aber *gruselgrusel* zuerst lieber noch mit meinen eigenen Gruselthemen: Meine eigenen alten Ängste bearbeiten und tief empfunden in Texte bringen, bevor ich mich neuen zuwende.

 

Zu meinen eigenen Ängsten gehören Themen wie z.B.:

- ungewollt ein Lügner sein

- verlassen zu werden und jmd. verlassen wollen

- unschuldig schuldig zu sein

- andere ungewollt zu verletzen

- mein Gegenüber nicht wirklich wahrzunehmen

- mich Kritik und Konflikten zu stellen anstatt davor wegzulaufen

- werde ich es schaffen, mein Leben richtig zu leben, anstatt nur davon zu träumen?

- Und, um nochmal auf die Todsünden zurückzukommen: werde ich jemals schaffen, eine produktive Schriftstellerin zu werden?

 

Nichts dramatisches, allübliches eben. Aber dafür meins.

 

Liebe Grüße

Ilona

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Hallo,  :)

 

dieser Thread passt hervorragend zu dem, was ich gerade schreibe (eine Art Dark Fantasy-Mystery-Thriller).

Mein Prot muss durch eine kritische, schwierige Situation nach der anderen, er wird verfolgt, angegriffen, seine Gegner erwischen ihn und sind dabei u.a. über mindestens 15 Seiten hinweg sehr gewalttätig, weil sie ihn zerbrechen wollen, damit er dann tut, was sie verlangen. Und auch davor passieren ihm nicht gerade schöne Dinge. Alles ist sehr düster.

 

Ich habe mich während des Schreibens dann schon gefragt, ob das Ganze nicht zu blutig oder brutal wird, v.a. weil ich bisher nichts in dieser Art geschrieben habe.

D.h. mein Problem ist im Moment nicht, zu feige zu sein - ich kann mich schon sehr gut in die Situation hineinversetzen (benutze dazu die Methode, die Rocker oben erwähnte) und das dann schreiben und finde es streckenweise sogar in der Rohversion schon ganz gelungen - sondern ab wann etwas zu viel, zu detailliert wird.

 

Bin da sehr ambivalent und stelle mir seit Wochen die Frage, wieviele Details ich den Lesern zumuten kann.

Andererseits geht es in dem Roman darum, dass der Prot (er ist ein ziemlich kaputter Held, dem die Gegner anscheinend immer mindestens zwei Schritte voraus sind) trotz der ganzen Gewalt und Demütigung seinen Weg findet - und gewinnt - das ist die Hauptentwicklung - also sehe ich auch keine Möglichkeit, das ganze auf eine halbe Seite zu reduzieren.  

 

Gut, ich weiß, dass das immer darauf ankommt, wie etwas geschrieben ist.

Aber dennoch habe ich gerade Probleme, für mich herauszufinden, wo die Grenze zwischen langweilig und zu brutal liegt.

 

Etwas ratlos,

Lionne

 

 

@Ilona:

Ich versuche es ähnlich zu machen, wie Rocker das beschreibt. Sich dem Gefühl stellen - und dann darüber schreiben, die Worte dafür finden.

Das ist m.E. sehr, sehr wichtig, um Texte zu erhalten, die nicht zu distanziert sind. Kann dem also nur zustimmen.

LG Lionne

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