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MelanieM

Das Ende von Antagonisten

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Was ich mal gern diskutieren würde, sind die verschiedenen Vorlieben, wie man mit einem starken Antagonisten am Ende umgeht. Ich persönlich habe ja eine Schwäche für starke Antagonisten, die durchaus auch etwas haben, das man bewundern kann - sozusagen den Gegenpart zum Helden. Wären sie nicht stark und charismatisch, wären sie ja keine Herausforderung.

 

Ich habe so ein bisschen den Eindruck, als wäre der "geläuterte Antagonist" ein Modell, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut - man zittert mit ihm mit, ob er seine dunkle Seite überwindet oder nicht. Zugleich bangt man um den Helden.

 

Dadurch werden Geschichten tiefschürfender und spannender. Ob der Antagonist es schafft oder am Schluss doch vernichtet wird, ist dann eigentlich die Hauptfrage. Der erste Antagonist, den ich in meiner Jugend bewusst als so eine Gestalt wahrgenommen habe, war Darth Vader in "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" .

 

Das Ganze funktioniert ja auch mit Monstern - früher hat man Vampire und Werwölfe getötet, heute werden sie geheiratet (okay, wenn man sich anhört, was manche Ehemänner sagen, ist das vielleicht eine ganz besonders perfide Form der Vernichtung).

 

An welchen Punkten arbeitet ihr mit Antagonisten, die sich bekehren lassen und wann braucht es einen absoluten unbekehrbaren Bösewicht, der vernichtet werden muss?

 

Gruß, Melanie

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Hallo Melanie, 

 

da hast du eine spannende Frage gestellt! Ich kann leider nicht mit Tipps dienen, da ich mich mit dem Problem in meinem ersten Roman nicht auseinandersetzen musste. 

Im zweiten Roman, der gerade im Entstehen ist, stehe ich aber vor eben dieser Entscheidung. Die Antagonistin soll durchaus auch eine Entwicklung durchmachen und ich glaube, dass es unbefriedigend für den Leser wäre, wenn sie am Ende "vernichtet" würde. Bekehren klingt allerdings auch noch nicht ganz richtig ... Ach, ich werde hier bei euch einfach ein bisschen mitlesen und dann hoffentlich in eine Richtung tendieren! :)

 

Liebe Grüße, 

Kai

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Neben den beiden (klassischen) Varianten gibt es oft auch diese Alternativen:

- Der Antagonist ist eine innere Kraft, da funktioniert nur das Läuterungsmodell.

- Der Antagonist bleibt, wie er ist, aber der Protagonist ändert seine Sichtweise auf ihn.

 

Die Läuterung des Protagonisten habe ich persönlich nie verwendet, auch wenn ich so gut wie immer Antagonist / antagonistische Kräfte verwende. Die Vernichtung ist schwer zu umgehen, wenn der Antagonist extrem "böse" ist, wenn er Verbrechen begangen hat, die kaum jemand verzeiht wie Kindermorde, Vergewaltigungen. Dann kann man die Wandlung kaum plausibel rüberbringen - auch wenn das vielleicht mal eine besondere Herausforderung wäre :-)

 

LG

Heike

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Klar, die "unverzeihlichen" Verbrechen - wenn man den Antagonisten in so einem Fall läutert oder seine Sichtweise ändert, verzeihen es die Leser nicht.

Wobei es schon spannend ist, dass Anakin Skywalker durch Kindermord zu Darth Vader wurde, aber das war eben retrospektiv - weil die Vorgeschichte erst erzählt wurde, als man ihn schon mochte ;-).

 

Gruß, Melanie

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Meine Antagonisten haben (so hoffe ich), ihre eigene Sichtweise der Geschehnisse, und die stehen gleichberechtigt neben denen des oder der Protagonisten. Ihre Ziele sind halt entgegengesetzt. Deshalb kann mein Antagonist alles, aber nicht geläutert werden, er würde unglaubwürdig. Mal ehrlich: Das Kuschel-Ende von "Krieg der Sterne – Die Rückkehr der Jedi-Ritter", bei dem Darth Vader umgepolt wird, fand ich schon als Kind furchtbar. Der Böse braucht was auf die Mütze! Und das im großen Stil. Ob der Held dann mit ihm untergeht oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Meine Antagonisten haben (so hoffe ich), ihre eigene Sichtweise der Geschehnisse, und die stehen gleichberechtigt neben denen des oder der Protagonisten. Ihre Ziele sind halt entgegengesetzt. Deshalb kann mein Antagonist alles, aber nicht geläutert werden, er würde unglaubwürdig. Mal ehrlich: Das Kuschel-Ende von "Krieg der Sterne – Die Rückkehr der Jedi-Ritter", bei dem Darth Vader umgepolt wird, fand ich schon als Kind furchtbar. Der Böse braucht was auf die Mütze! Und das im großen Stil. Ob der Held dann mit ihm untergeht oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. 

 

Ich glaube ja, dass der klassische Böse, der vernichtet werden muss, heutzutage nur noch einen Teil der Antagonisten ausmacht. In klassischen Erzählungen mit klar definierter Gut- und Böse-Einteilung. Wenn man sich mal den Trend ansieht, dann existiert der reine Bösewicht vor allem in der High-Fantasy und in Serienmörder-Thrillern. Da hat er die Funktion, der dunkle Gegenpart zu sein und der kann am Schluss nur vernichtet werden - als das personifizierte Böse. Da die Personifikation mit dem Bösen eingetreten ist, kann es nicht geläutert, sondern muss vernichtet werden und die Frage ist wie. Aber wenn es sich um Geschichten handelt, in denen der Antagonist einfach nur eine Persönlichkeit mit anderen Zielen (und in der Wahl der Mittel weniger zimperlich als der Held) ist, läuft der Kampf gegen das Böse m.E. anders ab - dann läuft der Kampf gegen das Böse im Antagonisten und er wird nicht mehr körperlich vernichtet, sondern nur das Böse in ihm - so wie in dem Beispiel Darth Vader (ich habe das Ende übrigens geliebt und fand es überhaupt nicht kitischig ;-) ). Das, was ich daran so spannend finde, ist die Tatsache, dass der Kampf des Helden auf zwei Ebenen abläuft. Er muss auch eine Entscheidung treffen - geht er den leichten Weg der körperlichen Vernichtung des Antagonisten, um das Böse zu vernichten, oder stellt er sich dem weitaus schwerwiegenderen Kampf, den er auch verlieren kann. Oder beobachtet man als Leser, wie der Antagonist sich gerade wandeln will und nun ist plötzlich der bisherige Held der Antagonist, weil er den "Bösen" töten will. Ich finde das ein sehr faszinierendes Konzept, weil die Rollen zwischen Held und Antagonist dadurch im Erleben des Lesers nicht so klar definiert sind. Es bleibt spannend, mit wem man mitfiebert - wird es eine Versöhnung geben oder werden sie sich vernichten, obwohl man langsam für beide Sympathien hat?

 

Gruß, Melanie

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Meine Antagonisten werden nicht so wirklich geläutert.

Zum Einen, weil sie manchmal Überraschungs-Antagonisten sind (im klassischen Krimi) und die Wirkung über das erfolgreich gelöste Rätsel verpuffen würde, wenn der Typ jetzt noch weichgespült wird. Zum Anderen, weil sie eben böse sind (historischer Serienmörder). Hier ist übrigens der Held beinahe ein Unsympath, weil er sich zum Mitwisser machen lässt, während der Böse ihm die Schau stiehlt. Aber klar, er muss an den Galgen und zeigt keine Läuterung, nicht mal Schuldgefühle.

 

Ich denke, es kommt auf die Stufe der Läuterung des Antagonisten und die Art des Verständnisses an, das der Held zeigt.. Darth Vader ist immerhin tot, zeigte aber vorher Reue. Es hätte sicherlich nicht funktioniert, wenn man ihn weiter durch die Galaxie hätte reisen lassen. Der Antagonist darf reuevoll sterben oder kann sogar gerettet werden, die Bandbreite bleibt einem ja überlassen, es muss nur immer zum Rest der Geschichte sprich Schwere seiner Taten passen und dem Leser verständlich sein.

Es ist ja das klassische Handwerk, dem Antagonisten eine tiefe Figur zu geben. Und das reicht oft schon, um, wie Melanie sagte, den Helden dann ein wenig ins Trudeln kommen zu lassen. So wenig, wie Antagonisten immer abgrundtief böse sein müssen, müssen die Helden ja auch nicht immer strahlend, unüberwindlich und integer sein. Man dann die Diskussion also auch von zwei Seiten führen, was wir im Forum ja auch schon hatten.

 

Wohin der Trend in der Zwischenzeit geht, kann ich leider nicht beurteilen, da ich nicht mehr zum Lesen komme.

 

 

Brunhilde

Bearbeitet von Brunhilde
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Ich habe meistens gar nicht so die klassischen Antagonisten. Ich habe einfach Spielfiguren auf der Bühne, die jeweils ihre eigenen Interessen und Ziele verfolgen und damit mit anderen (den Protagonisten) in Konflikt geraten. Dabei sind die "Antagonisten" etwas weniger zimperlich in der Wahl ihrer Mittel und nicht unbedingt von Reue geplagt. Mir geht es eher um den Konflikt und nicht, ob da einer das von Grund auf Böse verkörpert. Natürlich könnte da einer am Ende auch Reue zeigen und sich wandeln, aber meistens tun Menschen dies doch nicht, sondern sie versuchen eher, ihre Handlungen zu rechtfertigen, außer sie werden zur Reue gezwungen, weil sie alles verloren haben und in der Scheiße sitzen.

 

In "Die Comtessa" gibt es einen Antagonisten, der ein bisschen hinterhältig ist in seinen Mitteln und rücksichtslos, aber im Grunde ist er kein schlechter Kerl. Am Anfang mag man ihn nicht, aber er wächst am Leser, weil er durchaus sympathische Seiten hat. Trotzdem verfolgt er seine Ziele, es kommt zum Krieg, er wird dann aber besiegt und gefangen genommen. Und in der Gefangenschaft diktiert man ihm einen für ihn nicht sehr vorteilhaften Frieden auf. Aber er akzeptiert das gutwillig (als wäre alles nur ein politisches Spiel gewesen und manchmal verliert man halt) und versöhnt sich mit dem Helden, der ihn in diese Lage gebracht hat, bietet ihm sogar einen Job an. Gute Leute kann man ja immer gebrauchen.  ;D 

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Für mich ist der Antagonist immer das dramaturgische Gegengewicht zu meinem Protagonisten. Dadurch kann er viele Formen annehmen, aber er hat immer eine klare Aufgabe: Er stört den Protagonisten. Diese Störung ist je nach Geschichte mit mehr oder weniger "Bösem" verbunden. Der Antagonist kann auch eine Versuchung sein, eine Behinderung, etc. und muss nicht zwangsläufig "vernichtet" werden.

 

Ist mein Antagonist blass, bleibt auch mein Protagonist blass, denn er hat ja nix zu tun ...

 

Ein Antagonist kann also auch ein Guter sein, der sich (fälschlicherweise) für das Böse einsetzt (Darth Vader), dann muss er nicht vernichtet werden. Die Ordnung, sei es Läuterung oder Vernichtung, sollte am Ende der Geschichte wieder hergestellt sein. Ausnahmen inbegriffen. :)

 

 

LG

Martin

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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Ist mein Antagonist blass, bleibt auch mein Protagonist blass, denn er hat ja nix zu tun ...

 

 

Und genau darum geht es doch, und um "Fallhöhe", jedenfalls in Unterhaltungsromanen.

Wenn nötig (und es der Geschichte dient), belasse ich also meine Antagonisten bis zum Schluss innerhalb ihrer Konflikte, sie bleiben intrigant und böse und ich mördere sie dann (vom "Guten" abgestochen, besoffen auf einem Schiff in Tampen und Leinen verheddert und selbst stranguliert, zwischen zwei LKW zermatscht... ;D ) mit Genuss.

 

Liebe Grüße

Doris

MAROKKO-SAGA: Das Leuchten der Purpurinseln,  Die Perlen der Wüste,  Das Lied der Dünen; Die Wolkenfrauen

Neu seit März 2020: Thea C. Grefe, Eine Prise Marrakesch

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Ist mein Antagonist blass, bleibt auch mein Protagonist blass, denn er hat ja nix zu tun ...

 

 

Und genau darum geht es doch, und um "Fallhöhe", jedenfalls in Unterhaltungsromanen.

Wenn nötig (und es der Geschichte dient), belasse ich also meine Antagonisten bis zum Schluss innerhalb ihrer Konflikte, sie bleiben intrigant und böse und ich mördere sie dann (vom "Guten" abgestochen, besoffen auf einem Schiff in Tampen und Leinen verheddert und selbst stranguliert, zwischen zwei LKW zermatscht... ;D ) mit Genuss.

 

Liebe Grüße

Doris

 

 

So brutal! Aber Doris, das hätte ich dir gar nicht zugetraut.   ;D 

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Und welches Ende ist für euch befriedigender?

Der zerstörte Antagonist oder der, der sich am Schluss mit dem Helden versöhnt?

 

Bei mir ist das Genre-abhängig und ob ich den Antagonisten mag, weil er noch ein paar sympathische Anteile hat.

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Es kommt auf die Geschichte - und natürlich aufs Genre an.

 

Und: Zwischen Zerstörung und Versöhnung gibt es noch ein paar Abstufungen. Ans Herz geht's mir, wenn ich einen Bösewicht vernichten muss, der mir ans Herz gewachsen ist ... :-*

 

 

@ Doris: LKW-Zermatschen wird immer gerne genommen. ;D Vor allem bei sympathischen Nebenfiguren, die leider sterben müssen - Love Interest des Prota z.B.

 

LG

Martin

Bearbeitet von MartinC

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

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@Ulf: Stille Wasser, du weißt schon... Sie dürfen sich vorher durchaus ausbreiten, ihre Pläne verfolgen und die Protagonisten piesacken, usw. Aber wenn sie mich zur Weißglut gebracht haben (und der Höhepunkt naht), müssen sie dran glauben. Ich erzähle es, sogar ausführlich, damit auch die Leser was davon haben, allerdings ohne Eiter und übermäßige Mengen an Blut.

 

Ich habe aber auch Halb-Böse, bei denen Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren sind. Sie dürfen -je nach Bedeutung für die Protagonisten- so bleiben, wie sie sind oder bekommen eine angedeutete Chance, sich zu ändern. Was sie daraus machen, ist ihre Sache.

 

Saulus-Paulus-Wandlungen halte ich jedenfalls für extrem unrealistisch.

 

@Martin: LKW-Zerquetschen gibts schon? Ach schade.

MAROKKO-SAGA: Das Leuchten der Purpurinseln,  Die Perlen der Wüste,  Das Lied der Dünen; Die Wolkenfrauen

Neu seit März 2020: Thea C. Grefe, Eine Prise Marrakesch

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Ich mag es gern, wenn der (nicht selten sympatische) Antagonist quasi zwischen den Stühlen sitzt und am Ende des Romans eine gewisse Ratlosigkeit oder Verblüffung beim Leser hinterlässt. Das finde ich spannender, als wenn er gemeuchelt wird. ;)

 

LG

Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

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Saulus-Paulus-Wandlungen halte ich jedenfalls für extrem unrealistisch.

 

 

Eine komplette Umkehr aller Werte ist m.E. auch unrealistisch. Aber spannend sind ja die zerrissenen Charaktere, die eben beide Seiten haben. Ich führe mal als bekanntes Beispiel wie so oft GoT an - anfangs ist klar, dass Jamie Lannister ein Antagonist ist - er treibt Inzucht mit der Zwillingsschwester und scheut sich nicht, für das Geheimnis zu morden und schreckt auch von kleinen Kindern  nicht zurück. Im Laufe der Geschichte sieht man aber auch ein anderes Bild - es ist die Vielschichtigkeit des Charakters, der auch durchaus sympathische Anteile hat, wo man bei ihm ist. Gerade GoT zeichnet sich m.E. dadurch aus, dass alles möglich ist hinsichtlich der Protagonisten- und Antagonisten-Entwicklung, weil die Rollen nicht so klar definiert sind.

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Liebe Melanie, gerade GoT ist ein schönes Beispiel dafür, dass es verschiedene Antagonisten gibt, deren Ende ich verschieden sehen möchte. Da ist Jaime Lannister, mit dem man irgendwann mitfühlt, auch wenn er keine 180 Grad Wendung hinlegen wird. Auf der anderen Seite ist da jemand wie Gregor Clegane, der reitende Berg, bei dem definitiv keine Sympathieübertragung funktionieren würde, weil es so eine brutale, bösartige und beängstigende Figur ist. Bei dem Sack will ich genüsslich zuschauen, wie er zu Grunde geht, harr harr harr!

 

Spannung können beide Arten erzeugen, wie von euch bereits beschrieben. Manchmal erzeugen Antagonisten Spannung, indem sie zu Grübeln beginnen, ab einem bestimmten Level ihrer "Bösartigkeit" - spannend wird es dann dadurch, ob sich die Figur hinreißen lässt, diese Grenze zu überschreiten. Manche Antagonisten erzeugen aber auch dadurch Spannung, dass sie solche Grenzen einfach niederwalzen - und als Leser kaut man sich die Nägel ab, weil man sich davor fürchtet, mit welcher Perfidie der nächste Befreiungsschlag des Protagonisten zermalmt wird. Daher: Hast Du nen anderen Antagonisten, hast Du ne völlig andere Geschichte ;) Daher kommt es wohl hauptsächlich darauf an, welche Geschichte man erzählen will.

 

Und ich halte übrigens den "durch und durch bösen" Antagonisten nicht von vornherein für langweilig. Man nehme zum Beispiel die herrlich hassenswerte Dolores Umbridge aus dem fünften Harry Potter. Sie ist völlig eindimensional böse. Noch dazu hat sie die "Optik" einer eindimensionalen Bösewichtin (Glubschaugen, Hängebacken, hässlich, strohig ungepflegte Haare, wenn ich mich recht erinnere, und einen Hang zu peinlichen Kitsch-Kätzchen) - all das ist Zeug, was man einem Neu-Autoren wohl sofort dick ankreiden würde ("Sie braucht ja schon irgendetwas Sympathisches, kann sie nicht wenigstens Mitglied im Verein für bedrohte Koboldarten sein und attraktive Augen haben?") Aber Dolores Umbridge funktioniert in ihrer Eindimensionalität trotzdem absolut großartig, einfach weil sie ihre Macht so lustvoll kreativ missbraucht und dabei wirklich alle Register zieht.

 

Wahrscheinlich gilt hier die gleiche Regel wie bei allem: Die Story, die man erzählen möchte, bestimmt die Art des Protagonisten, den man wählen sollte. Und: Die Mischung machts. Oft gibt es ja ein Konglomerat von Antagonisten, oder einen Hauptantagonisten mit Komplizen, etc., und hier können sich ja "Konzentrationsunterschiede" abbilden. Vielleicht ist der Hauptantagonist ein Ultrafiesling, aber einer seiner Handlanger entwickelt eine "zerrissene Persönlichkeit"? Oder der Hauptantagonist ist eine zerrissene Figur, aber sein ultraradikaler Sidekick macht all seine zweifelbeladenen Abmilderungsversuche zunichte?

 

Ciao :)

 

Alf.

 

 

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Neben den beiden (klassischen) Varianten gibt es oft auch diese Alternativen:

- Der Antagonist ist eine innere Kraft, da funktioniert nur das Läuterungsmodell.

- Der Antagonist bleibt, wie er ist, aber der Protagonist ändert seine Sichtweise auf ihn.

 

Die Läuterung des Protagonisten habe ich persönlich nie verwendet, auch wenn ich so gut wie immer Antagonist / antagonistische Kräfte verwende. Die Vernichtung ist schwer zu umgehen, wenn der Antagonist extrem "böse" ist, wenn er Verbrechen begangen hat, die kaum jemand verzeiht wie Kindermorde, Vergewaltigungen. Dann kann man die Wandlung kaum plausibel rüberbringen - auch wenn das vielleicht mal eine besondere Herausforderung wäre :-)

 

LG

Heike

Da nicht in jedem Genre hemmungslos gemordet wird, hier mal die Sichtweise aus der "Kuschelecke".

 

Mir gefällt  die geänderte Sichtweise. Es drückt eine große Entwicklung des Protagonisten aus, wenn er am Schluss bereit ist, seine Sichtweise zu ändern und seinen Gegner zu tolerieren/akzeptieren/ leben zu lassen. Sich zu sagen "mit dem rede ich nie mehr" oder auch: zu verstehen, warum der Antagonist so handelte. Es nicht gut zu heißen, sondern durch die jetzt auf dem Tisch liegenden vollständigen Wahrheiten zu entscheiden, den anderen zu tolerieren. Oder ihm zu verzeihen.  Das verlangt ziemliche Charakterstärke.

 

Es muss nicht immer Auge um Auge sein.

 

LG Ulrike

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Wobei mir gerade einfällt, dass ich beim "Klick zu viel" meine Antagonistin auch zu Tode kommen lasse. Alles andere wäre da auch nicht erträglich gewesen ;)

Nur in meinem neuesten Projekt sieht es anders aus ;)

LG Ulrike

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Und ich halte übrigens den "durch und durch bösen" Antagonisten nicht von vornherein für langweilig. Man nehme zum Beispiel die herrlich hassenswerte Dolores Umbridge aus dem fünften Harry Potter. Sie ist völlig eindimensional böse. Noch dazu hat sie die "Optik" einer eindimensionalen Bösewichtin (Glubschaugen, Hängebacken, hässlich, strohig ungepflegte Haare, wenn ich mich recht erinnere, und einen Hang zu peinlichen Kitsch-Kätzchen) - all das ist Zeug, was man einem Neu-Autoren wohl sofort dick ankreiden würde ("Sie braucht ja schon irgendetwas Sympathisches, kann sie nicht wenigstens Mitglied im Verein für bedrohte Koboldarten sein und attraktive Augen haben?") Aber Dolores Umbridge funktioniert in ihrer Eindimensionalität trotzdem absolut großartig, einfach weil sie ihre Macht so lustvoll kreativ missbraucht und dabei wirklich alle Register zieht.

 

 

 

Dolores Umbridge ist ein interessantes Beispiel. M.E. basiert ihre Funktionalität nicht darauf, dass eindimensional böse ist, sondern dass sie eine ausgezeichnete Projektionsfläche bietet, auf der wir all das Hassenswerte, das wir z.B. in unserer Kindheit und Schulzeit erlebt, abladen können.

Sie ist eine ungerechte fiese Lehrerin, dabei aber auch von einer zickenhaften Kleinmädchen-Bösartigkeit, die durch ihr Auftreten betont wird. Sie ist sowohl die ungerechte Lehrerin, die wir immer gehasst haben, aber auch die Zicke und Streberin, die sich einen Spaß daraus machte, ihre Mitschüler zu drangsalieren. Wenn sie auftritt, berührt das bestimmte Punkte in jedem von uns, weil wir alle derartige Aspekte kennen. Und deshalb wirkt sie glaubhaft - sie ist nämlich ein Konglomerat aus all unseren Aversionen von widerlichen Lehrerinnen und zickigen Schulmädchen. Jeder hat schon mal eine Person getroffen, die zumindest einen Umbridge-Aspekt verkörperte. Sie hat aber auch gute Seiten - sie ist loyal gegenüber denen, deren Meinung sie teilt. Das sind nur leider in dieser Geschichte die falschen aus Sicht der Helden.

 

Sie ist eine gute Nebenfigur, aber sie ist eben nicht die hauptsächliche Antagonistin. Dafür haben wir dann wieder Voldemort, der aber auch stimmig in seiner Entwicklung und seiner Entmenschlichung dargestellt wird, vor allem in Band sechs, wo man viel über seine Herkunft erfuhr. Er konnte dadurch abgrundtief böse sein und war auch glaubhaft, weil er sich sinnbildlich seiner Menschlichkeit und seiner Seele beraubte. Da gab es kein Zurück. Das spannende Gegenbeispiel dazu wiederum ist Severus Snape, m.E. die vielschichtigste FIgur überhaupt bei Harry Potter. Der ständige Antagonist, der eigentlich ein Held war, wie man erst ganz am Schluss erkannte.

 

Gruß, Melanie

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Dolores Umbridge als Projektionsfläche, so hab ich das noch gar nicht gesehen! Aber das trifft voll ins Schwarze, da rutscht man einfach auf dem Lesesessel rum, wenn die ihre fiesen Schikanen walten lässt!

 

Wahrscheinlich passt das Harry Potter Beispiel ganz gut, weil Rowling wirklich viel an Gegenspieler-Facetten eingebracht hat. Umbridge, Voldemort, Snape. Alle anders in ihrer Schurkenhaftigkeit, alle spannend :)

 

Ciao!

 

Alf.

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Da nicht in jedem Genre hemmungslos gemordet wird, hier mal die Sichtweise aus der "Kuschelecke".

 

Mir gefällt  die geänderte Sichtweise. Es drückt eine große Entwicklung des Protagonisten aus, wenn er am Schluss bereit ist, seine Sichtweise zu ändern und seinen Gegner zu tolerieren/akzeptieren/ leben zu lassen. Sich zu sagen "mit dem rede ich nie mehr" oder auch: zu verstehen, warum der Antagonist so handelte. Es nicht gut zu heißen, sondern durch die jetzt auf dem Tisch liegenden vollständigen Wahrheiten zu entscheiden, den anderen zu tolerieren. Oder ihm zu verzeihen.  Das verlangt ziemliche Charakterstärke.

 

Es muss nicht immer Auge um Auge sein.

 

LG Ulrike

 

 

Das hast du gut ausgedrückt, Ulrike, genau so empfinde ich es gerade auch. Ich glaube, ich lasse meine Protagonistin die Entscheidung am Schluss einfach treffen, ob sie ihre Gegenspielerin nun ausliefert oder nicht. Dann sehe ich ja, was herauskommt.  :)

 

Liebe Grüße, 

Kai

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Interessant. Ehrlich gesagt war mein erster Gedanke bei der Fragestellung aber: Warum darf der Antagonist nicht gewinnen? Nicht nur, dass er weder geläutert noch ermordet wird, sondern er gewinnt, weil der Protagonist so ein unterträglicher Gutmensch ist, den man nicht wirklich gewinnen lassen möchte. Ist aber nur so ein Gedanke, weil die Leser das vermutlich nicht goutieren.

 

Was mich aber immer ärgert, ist, dass die "guten" Bösen - also die richtig gut gezeichneten Antagonisten - anscheinend nie böse bleiben dürfen, sie müssen sich irgendwie verändern. Wenn man böse ist, hat man aber gar keine Veranlassung, sich zu ändern. Das mit Darth Vader ist ja wirklich ... Musste das sein? Bis dahin war er eine so großartige Figur.

 

Und so ist es heutzutage in vielen Filmen/Serien. Wo sind all die tollen Bösewichte hin, die einem früher so viel Spaß gemacht haben? Wenn man am Anfang schon weiß, dass sie am Schluss dann alle in die Kirche rennen und beten? Dass sie sich unbedingt bessern wollen? Oder eben dann abgeschlachtet werden, wenn sie es nicht tun.

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Ich denke schon, dass der Antagonist gewinnen darf, dann, wenn er nämlich der Protagonist ist. Es geht doch bei Spieler und Gegenspieler nicht wirklich um "gut" gegen "böse", sondern um "Figur, auf deren Schulter, in deren Kopf der Leser steckt" gegen "Figur, die etwas anderes will, als die Trägerfigur und an deren Reibung sich die Spannung auflädt".

 

Es gibt doch sicher Geschichten, wo die Verbrecher die Indentifikiationsfiguren sind und die Polizei den Gegenspieler stellt und wo man als Leser hofft, dass Recht und Gesetz verlieren und der Dieb/Betrüger/Mörder/ect... davonkommt.

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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Begriffsverwirrung: Der Antagonist ist nicht der Böse, der Protagonist nicht der Gute. 

 

Der Protagonist steht im Zentrum des Geschehens, ist der Held (proto = griechisch "der Erste"). Der Antagonist bekämpft die Ziele des Helden oder steht ihm sonst irgendwie im Wege (anti = gegen).

 

Der Protagonist kann sympathisch sein wie Schneewittchen oder (relativ) unsympathisch wie Scarlett O'Hara. Deren Antagonistin Melanie ist umgekehrt zweifelsfrei die Gute. 

 

Und natürlich darf der Antagonist gewinnen. Ana Karenina stirbt einen scheußlichen Tod. Ihr Antagonist Karenin lebt fröhlich weiter.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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