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Ulf Schiewe

Re: Pompöse Worte

Empfohlene Beiträge

Hallo zusammen,

 

ich glaube nicht, dass es hier um Denkverbote geht. Es geht auch nicht darum bestimmte Wörter zu verbieten. Es geht einfach darum zu hinterfragen, warum bestimmte Worte in bestimmten Texten wirken, wie sie wirken. Und um Hans Peters Wortwahl aufzugreifen: aufgebläht oder pompös.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Damit ist das Wort in diesem Kontext weder pompös noch genau sondern lexikalisch schlichtweg falsch und, zumindest für mich, als "ironische Brechung" nicht zu verstehen.

Natürlich ist das völliger Unfug, aber wenn ich exakt nach der Wendung "vor Lichtjahren" google, so erhalte ich 9200 Treffer. Wenn ich flexibler abfrage, so erhalte ich noch wesentlich mehr. Aber das ist nur das deutschsprachige Internet und nicht auch noch der Sprachraum außerhalb davon. Ich glaube nicht, dass die Verwender alle blöd sind, sondern vielmehr ein Bedürfnis ausleben, etwas vermeintlich triviales wie ein "Jahr" aufplustern zu müssen zu einem Super-/Hyper-/Megawort. Wenn dann sowohl bei Sender und Empfänger das Verständnis abhanden kommt, was man  tatsächlich von sich gibt, so zeigt das, wie zeitlos die Moral von des Kaisers neuen Kleidern ist.

Dieser schamanistische Gebrauch von Sprache, der den ursprünglichen Sinn eines Begriffs einem eingebildeten, aber vermeintlich bedeutungsvoller klingenden, gar magischen Blabla opfert, beschränkt sich ja nicht nur auf dieses eine Beispiel, sondern ist ziemlich weit verbreitet. Er manifestiert sich in der Verwendung von zur Not frei erfundenen, aber gern auch grottenfalschen Anglizismen mit der - weil's halt schick und scvhnittzig ist - eine Bevölkerung beharkt wird, die - man möge das nicht vergessen! - zu mehr als der Hälfte überhaupt nicht englisch versteht, noch nicht einmal ganz, ganz schlecht. (Und die andere Hälfte versteht es auch nur zu einem Fünftel oder so eingermaßen gut). Man könnte stattdessen willkürlich Fäkalbegriffe aus dem Wagiman nehmen. Merkt ja eh keiner.

Den Quantensprung habe iech erwähnt. 160000 Treffer und die FAZ titelt etwa "Der Dax - ein Quantensprung für die Börse". Was ist ein Quantensprung?  Wenn ich mich recht erinnere (das Modell ist wahrscheinlich nicht mehr zeitgemäß), tritt ein Quantensprung auf, wenn bei einem angeregten Atom ein Elektron auf eine andere Schale wechselt und dabei ein Energieteilchen (Quant) frei wird, z.B, in Form von Licht (Photon). Da springt überhaupt nichts und schon gar nicht weit (oder allenfalls subatomar)! Aber es klingt halt toller.

Ein etwas aktuelleres Beispiel ist die Krönungsmesse. Irgendwann reichte es einigen Journalisten nicht mehr, dass Kandidaten für ein politisches Amt gewählt, gekürt oder gekrönt werden. Etwa zu Zeiten der letzten US-Wahl begannen die Kandidaten der Parteien, Krönungsmessen zu feiern bzw. der politische Gegner hat sie ihnen verpatzt. Dummerweise ist eine Krönungsmesse ein Musikstück. Er ist nicht der Akt, bei dem jemand gekrönt wird. Der heißt nämlich immer noch Krönung. Dennoch breitete sich dieser Unfug aus. Ich habe ihn zuerst bei Spiegel Online getroffen, dann beim Stern, danach der Süddeutschen.

Mir ist schon klar, dass das nicht das ist, was Hans-Peter mit "pompös" im Sinn hatte. Es ist etwas anderes. Es ist Magie, es ist Voodoo. Aber als Autoren sammeln wir ja gerne neue Wörter, wodurch wir ständig in Gefahr schweben, infiziert zu werden und unsere Figuren schließlich mit dem Leichensack zur Krönungsmesse von Steinbrück zu schicken, wo wider Erwarten niemand Orgel spielt. Ich finde das persönlich beängstigender.  

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Ich fürchte, du wirst mit deiner Angst leben müssen, Karl-Heinz. Was du als Woodoo, Schamanismus oder Beharkung der Bevölkerung wahrnimmst, ist die normale Sprachentwicklung, so wie sie von jeher ihren Anfang nimmt bei einem Bildwort, dem Bedürfnis nach Ausdruck folgend, wie diese Metapher dann in Umlauf kommt, tausendfach gebraucht sich abnutzt, bis das Bild darin mehr und mehr verschwindet und zuletzt ein "normales" Wort daraus wird. Von dem alle denken, es wäre schon immer ganz normal gewesen, während gerade wieder unnötig expressive oder gar – pfui! – Fremdwörter sich einschleichen in die "normale" Sprache.

 

Was "Hammer" eigentlich bedeutet, wissen wir noch. Der "Schreck" in "Das war schrecklich schön" ist uns auch noch deutlich, auch wenn wir meist nicht mehr daran denken. Bei "toll" braucht es wohl schon die Erinnerung an die "Tollwut" oder das "Tollhaus" um die ursprüngliche Bedeutung wieder vor Sinnen zu haben. Bei "sehr" – das ist aber nun wirklich nur ein ganz normales Wörtchen, da steckt kein Bild dahinter, oder? Oder. Es bedeutete einmal "verletzt" (heute noch da in "versehrt" oder englisch "sore").

 

Ich brauche mir nur deinen ersten Absatz zu nehmen:

 

Natürlich ist das völliger Unfug, aber wenn ich exakt nach der Wendung "vor Lichtjahren" google, so erhalte ich 9200 Treffer. Wenn ich flexibler abfrage, so erhalte ich noch wesentlich mehr. Aber das ist nur das deutschsprachige Internet und nicht auch noch der Sprachraum außerhalb davon. Ich glaube nicht, dass die Verwender alle blöd sind, sondern vielmehr ein Bedürfnis ausleben, etwas vermeintlich triviales wie ein "Jahr" aufplustern zu müssen zu einem Super-/Hyper-/Megawort. Wenn dann sowohl bei Sender und Empfänger das Verständnis abhanden kommt, was man  tatsächlich von sich gibt, so zeigt das, wie zeitlos die Moral von des Kaisers neuen Kleidern ist.

 

Dann finde ich Wörter, die wie heute aus dem Englischen, früher aus anderen Sprachen eingewandert sind:

 

natürlich

exakt

googeln

flexibel

Internet

trivial

Super/Hyper/Mega

Moral

 

Und die Bildwörter (nur die ich sofort sehe, es sind sicher mehr):

 

Unfug – fügen, Fuge (lat. fuga – Flucht)

Wendung, Verwender – winden, Gewand

erhalten – halten, Halfter (ursprg. Vieh hüten)

Sprachraum

blöd – blind

Sender, Empfänger

abhanden – ab/weg von den Händen

sowohl – so gut

aufplustern (plustern – zupfen, zausen)

tatsächlich – Tat, Sache (tun – gr. theke – Kiste, Behältnis; Sache – Rechtssache, Streit)

zeitlos

 

Schönes Schlusswort: zeitlos.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Weder Phänomen noch Problem sind etwas Neues.

Spannend finde ich, dass die Mutter aller Füllworte hier noch nicht zur Sprache kam.

Tucholsky hatte mit seiner ganz privaten Wortschöpfung "nichtsdestotrotz" ja gerade den schon Anfang des 20. Jahrhunderts grassierenden Wahn der substanzfreien Textvergrößerung karrikieren wollen.

Und was geschah?

Seine Kreation fand Eingang in die deutsche Sprache, als "ernsthaftes" Wort - und noch wie vor ohne jeden Inhalt.

So lehren zumindest die einen.

Die anderen führen an, Tucholskys Urheberschaft sei nicht belegt.

Kann sein.

Beides.

Nichtsdestoweniger ändert das nichts am Ding an sich.

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Natürlich ist das völliger Unfug, aber wenn ich exakt nach der Wendung "vor Lichtjahren" google, so erhalte ich 9200 Treffer.

 

Eine so niedrige Trefferquote spricht ja bereits dafür, dass es sich um eine FALSCHE Wendung handelt.

 

Ich glaube nicht, dass die Verwender alle blöd sind, sondern vielmehr ein Bedürfnis ausleben, etwas vermeintlich triviales wie ein "Jahr" aufplustern zu müssen zu einem Super-/Hyper-/Megawort.

 

Das eine schließt ja das andere nicht aus.

Auch bzw. besonders mit Intellekt weniger gesegnete Menschen versuchen, meiner ganz persönlichen Erfahrung nach, durch Verwendung "wichtig und gebildet" klingender Wendungen von ihrer Ahnungslosigkeit abzulenken und tappen dabei oft genug von einem sprachlichen Fettnäpfchen ins nächste, dass es nur so spritzt.

Außerdem dokumentieren Google-Abfragen für mich immer wieder eins: zwischen einsamen, steil aufragenden Graten der Schwarmintelligenz dominieren tiefe, finstere Täler der Schwarmdummheit das Internet.

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Nicht nur der Kontext ist bei solchen Worten wichtig. Auch, welchen "Stallgeruch" sie haben. "Votze" hat Gossensprache. Und egal, wie du es benutzt, es wird in jedem Kontext diesen Geruch haben.

 

Aber die Leute reagieren unterschiedlich. Bestes Beispiel ist das "wortmächtig", da haben wir ja gesehen, dass die Reaktion sehr, sehr unterschiedlich ausgefallen ist.

 

Oder "wegen des Vietnamkriegs" bzw. "wegen dem Vietnamkrieg". Als ich da rumgefragt hatte (nicht nur hier), kamen sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Die einen fanden "wegen des Vietnamkriegs" blasiert, die anderen "wegen dem Vietnamkrieg" in einem Buch als nicht tolerierbare Umgangssprache.

 

Deswegen verwenden viele Leute Blähsprache, weil das in ihrem Umfeld üblich ist. Der Professor, der sich hochtrabend ausdrücken muss, damit seine Kollegen ihn ernst nehmen, kann oft nicht mehr anders und merkt gar nicht, wie seine Sprache auf Normalos wirkt: "Da will sich jemand wichtig machen". Dabei will er sich gar nicht wichtig machen, das ist seine Alltagssprache.

 

Oft ist es sehr viel einfacher, Blähsprache zu verwenden, man reiht einfach gängige Formeln aus anderen Texten zum Thema aneinander und schon hat man zwar wenig gesagt, aber viele Worte verwendet.

 

blähende Sonntagsgrüße

 

Hans Peter

 

PS: Angelika, du hast natürlich recht, dass es Gründe für die Silbe "er" gibt. Aber oft wird sie eben nur aus einem Grund benutzt: Um die Wirkung zu steigern. Ich erschauere, wenn ich meine Gefühle erfühle. Da wird nachgesalzen, weil man denkt, dann wirkt es besser. Nur leider ist diese Technik nicht unbekannt und wird schnell zum Rohrkrepierer und der Schreiber nicht mehr ernst genommen. Weil jeder denkt: ein Blähhals.

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@Angelika Jo

Angelika, ich weiß nicht, was du mir sagen willst? Ich habe nichts gegen Fremd- oder Lehnwörter. Hyper-, Super-, Mega- ergibt in Begriffen wie Hyperebene, Superleitfähigkeit oder Megatoter durchaus Sinn. Ein Mitt Romney, der sich auf seine Krönungsmesse vorbereitet, ein Tanzwettbewerb, der 20 Kilometer zurückliegt ( pardon, Lichtjahre natürlich) oder ein Aktienindex, der angeblich den Bruchteil einer Angströmeinheit springt, aber nicht. Wahrscheinlich reden wir einfach aneinander vorbei.

 

@Matthias Herbert

Eine so niedrige Trefferquote spricht ja bereits dafür, dass es sich um eine FALSCHE Wendung handelt.

Naja, ich habe ja selbst darauf hingewiesen, dass meine Abfrage nicht sehr ausgekügelt war. "Vor Lichjahren" erfasst z.B. nicht "nach Lichtjahren", "Lichtjahre zurückliegend" oder "vor - wie mir deucht - Lichtjahren" etc., also Treffer, die wir vernünftigerweise mitzählen müssten (und die wir dann wieder um alle Verwendungen, die nur ein bisschen sinnvoll erscheinen, bereinigen müssten), die aber dennoch keine Aussage erlaubten über die Häufigkeit in der gesprochenen Sprache.

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@Angelika Jo

Angelika, ich weiß nicht, was du mir sagen willst?  

 

Ich wollte dir sagen, dass Wörter neue Bedeutungen annehmen können, dass das, was gestern noch als falsch galt, heute als Selbstverständlichkeit genommen wird. Dass das im Prinzip das Geburtsprinzip fast aller Wörter ist. Dass man also nicht davon ausgehen kann und sollte, dass alles, was gerade eine neue Bedeutung annimmt, sich aufplustern oder irgendwas zerblähen will.

 

Dass du nichts gegen Fremdwörter im allgemeinen hast, hab ich schon verstanden. Dass die Anglizismen "grottenfalsch" sind, hab ich aber auch gelesen. Da herrscht halt nun das gleiche Prinzip. Nach deiner Sicht der Dinge müssten sich die alten Griechen im Grabe umdrehen, weil wir Verbrecher aus ihrer schönen, handlichen Theken-Kiste so was Abstraktes wie "Tat" haben werden lassen. Weißt du, wie es den deutschen Entlehnungen woanders geht? Fast immer ändern sie ihre Bedeutung. Auf einem "Butterbrot" liegt in Russland keine Butter, sondern möglicherweise Kaviar, von den Verfremdungen, die ein Wiener Schnitzel in Mailand ertragen muss, gar nicht zu reden.

 

So ist es halt. Ich kann auch nicht mehr, als das hier zu sagen. Wenn wer weiter darauf bestehen will, dass sich immer nur alle mit falsch gebrauchten Wörtern aufblähen wollen, bitte sehr.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Dass die Anglizismen "grottenfalsch" sind' date=' hab ich aber auch gelesen.[/quote']

Nicht DIE allgemein, sondern nur spezielle, etwa wenn die DB beschließt, ihre Schalter zu unser aller besserem Verständnis in Counter umzubenennen. Der Informationsgewinn ist ja womöglich immens. Aber ich verstehe langsam, warum es dich nicht stört, wenn aus Entfernungen Zeitangaben werden und Nachrichten in einer Sprache verfasst werden, für deren Verständnis es von Vorteil ist, die Gedankenwelt und den individuellen Sprachgebrauch des Verfassers zu kennen.      

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Ich glaube, wir zerfransen uns hier, und inzwischen geht es um mindestens drei verschiedene Dinge.

 

Karl-Heinz, du führst Beispiele aus dem journalistischen Bereich an. Ich finde auch, Journalisten sollten so genau wie möglich sein und keinen unnötigen Quatsch schreiben. Gerade der SPIEGEL bietet einen großen Fundus, da rollen sich mir auch oft die Zehennägel.

 

Aber: literarische Texte sind etwas ganz anderes. Ich finde, da geht das Sprachgefühl, der Ton, die Stimmung vor. Denn ein "falsches" Wort kann im Kontext genau das richtige sein. Das ist wie, wenn ein Maler einen gelben Himmel malt oder den Schatten in die falsche Richtung: eigentlich falsch, aber im Zusammenhang richtig, weil es der Absicht des Künstlers entspricht.

Wenn man zu bemüht ist, "richtig" zu schreiben, passiert das, was Charlie geschrieben hat: Der Text verhungert.

 

Um bei den Lichtjahren zu bleiben:

Ein Journalist, der schreibt: "Es ist Lichtjahre her, dass die Parteien sich an einen Tisch setzten", hat keine Ahnung, wovon er redet.

 

Ein Schriftsteller, der schreibt: "Der große Tag schien noch Lichtjahre entfernt zu sein" hat jedes Recht, dieses Wort zu wählen, wenn es ihm passend erscheint.

 

Hans-Peter, du beziehst dich eher auf Gemeinplätze und Worthülsen, die quasi automatisch in z. B. Rezensionen auftauchen. Das sind für mich Wörter, die so abgenutzt sind, dass keiner mehr darüber nachdenkt, was sie eigentlich bedeuten, sie werden reflexhaft verwendet, weil der Verfasser zu faul ist, sich was Besseres auszudenken (man wird ja nach Zeilen bezahlt, nicht nach Stunden ;-)). Das kann pompös werden, wenn mit Superlativen geworfen wird, da bin ich ganz deiner Ansicht.

 

Sprach-Voodoo ist meiner Meinung nach, wenn mit vielen oder komplizierten Worten wenig gesagt oder die eigentliche bzw. nicht vorhandene Aussage verschleiert werden soll. Darunter fallen Euphemismen, überflüssige Fremdwörter und Angliszismen, Worthülsen und eine allgemein überkomplizierte Ausdrucksweise (nichtsdestotrotz).

Es hat aber für mich nichts zu tun mit einer lebendigen Sprache, die Bedeutungsverschiebungen, Neologismen etc. aufnimmt und so den Wortschatz erweitert und bereichert. Wie arm wäre unsere Sprache ohne diese Beweglichkeit.

 

So, ich geh jetzt Schnitzel mit Pommes essen!

 

Mascha

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Hans-Peter, du beziehst dich eher auf Gemeinplätze und Worthülsen, die quasi automatisch in z. B. Rezensionen auftauchen. Das sind für mich Wörter, die so abgenutzt sind, dass keiner mehr darüber nachdenkt, was sie eigentlich bedeuten, sie werden reflexhaft verwendet, weil der Verfasser zu faul ist, sich was Besseres auszudenken (man wird ja nach Zeilen bezahlt, nicht nach Stunden ;-)). Das kann pompös werden, wenn mit Superlativen geworfen wird, da bin ich ganz deiner Ansicht.

 

Sprach-Voodoo ist meiner Meinung nach, wenn mit vielen oder komplizierten Worten wenig gesagt oder die eigentliche bzw. nicht vorhandene Aussage verschleiert werden soll. Darunter fallen Euphemismen, überflüssige Fremdwörter und Angliszismen, Worthülsen und eine allgemein überkomplizierte Ausdrucksweise (nichtsdestotrotz).

Richtig, aber der Übergang ist fließend. Sprachhülsen werden oft übernommen, können aber auch dazu dienen, viel Inhalt vorzutäuschen, wo nur wenig in der Packung drin ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein Wort neu ist und noch keiner recht weiß, was es bedeutet und es einfach vornehm und gelehrt klingt.

 

Diese Wörter haben aber einen anderen Verlauf als die üblichen neuen Wörter, die immer wieder entstehen, als Lehnwörter übernommen werden, etc. Solche Wörter, die Eindruck schinden sollen, werden sehr schnell beliebt, aber ebenso schnell versinken sie wieder in der Versenkung, sobald alle merken, dass da viel Lärm um nichts gemacht wird.

 

Oder sie verlieren den Schmelz des neuen, des Wichtigmachens und werden zu ganz gewöhnlichen Wörtern, die ihre Bedeutung haben, aber nicht viel taugen, um Eindruck zu schinden.

 

"Das ist ja Lichtjahre weit weg" ist zwar deutlich länger als "Das ist weit weg", aber Eindruck schinden kann man damit nicht, vornehm klingt es auch nicht und die Zeiten, in denen man damit Gelehrsamkeit demonstrieren konnte, sind Lichtjahre weit entfernt ;-).

 

Das Wort zeigt aber noch was. Der erste Satz mit den Lichtjahren ist zwar deutlich länger als der zweite, obwohl er inhaltlich nicht mehr aussagt. Dennoch bedeutet er möglicherweise mehr, weil er zwar nicht mehr über die Entfernung aussagt, dafür aber etwas über den Sprecher, der damit, je nach Kontext, ausdrücken könnte:

"Boah, da fahren wir heute nicht mehr hin."

"Da willst du hinziehen, in diese gottverlassene Gegend?"

"..."

 

Womit wir, Angelika, wieder beim Kontext angelangt wären ;-).

 

Herzliche Grüße

 

Hans Peter, der die untergehende Sonne genießt, die direkt um die Ecke ist, nämlich nur 8 Lichtminuten entfernt.

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(Peter_Dobrovka)

Pompöse Worte können im Übrigen ganz hervorragend als unterhaltsames, ja sogar humoristisches Stilmittel eingesetzt werden.

Wobei sich die Zielgruppe einengt auf jene, die diese Worte zu verstehen in der Lage sind.

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