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eva v.

starke hauptfiguren

Empfohlene Beiträge

hallo,

 

an anderer stelle wurde die frage angeschnitten, wie romanfiguren beschaffen sein müssen, um den leser "mitzuziehen", d. h. welche aspekte führen dazu, dass er zur identifikation einlädt.

 

meine frage bezieht sich in erster linie auf den/die protagonisten.

 

welche grundsätze/regeln seht oder beachtet ihr beim lesen/schreiben? was macht für euch den protagonisten zu einer starken identifikationsfigur?

 

über anregungen und ideen freut sich

eva v.

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Liebe Eva,

meine Antwort fällt da ganz klar aus: Ich finde, eine Hauptperson muss nicht unbedingt sympathisch sein, aber eine spannende Persönlichkeit - und das wiederum ist jemand, der sehr vielschichtig und widersprüchlich ist!

 

Ich habe von vielen Lesern meines Buches zwar auch zu hören bekommen, dass sie sich mit meinen Protagonisten nicht identifizieren konnten, eben weil sie oft extrem unsympathisch agieren - andere aber wieder fanden genau das toll: dass ich nämlich "ehrlich" schreiben würde.

 

So habe ich es mir beibehalten: Meine Protagonisten haben immer ihre dunklen, abgründigen Seiten, agieren nicht vorhersehbar und sind zugleich aber auch "stark" - d.h., sie kämpfen um ihr eigenes Lebens, auch wenn's mal schief geht, anstatt nur "Opfer" zu sein.

Ich denke, das lässt sich nicht für alle Genres so sagen - aber sicher für meines: die historischen Romane.

und auch bei einem Krimi finde ich es immer toll, wenn der Komissar nebebei noch Depressionen hat oder nicht vom Rauchen wegkommt, anstatt ein glatter Held zu sein.

 

Liebe Grüße,

Julia

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Hallo Eva,

 

ich sehe es wie Julia. Zu ergänzen hätte ich noch, daß Hauptfiguren verletzliche Seiten haben sollten. Ich denke, damit identifizieren sich Leser auch sehr stark.

 

Liebe Grüße

Anna

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Liebe Eva!

 

Die klassische Identifikationsfigur wird erst mal vom Schicksal gebeutelt, hat aber genug Potenzial um am Ende als Sieger dazustehen. Das Modell gibt es in so vielen Variationen, dass es schon fast ein Klischee ist, aber ein Klischee, das funktioniert.

 

Wobei das Schlüsselwort m.E. "Potenzial" ist. Ein Protagonist darf duchaus ein Weichei sein, aber irgendwann muss er über dieses Stadium hinauswachsen. Es muss etwas in ihm, respektive ihr stecken.

Wenn man neue Bekanntschaften macht, welche hinterlassen langfristigen Eindruck? Meist sind das doch

- Menschen mit Humor

- mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, Interessen, etc.

- Menschen, die das was sie tun, mit Leidenschaft tun

- Gegen-den-Strom-Schwimmer

- kluge, in sich ruhende, unerschütterliche Typen

- und zu guter Letzt auch außergewöhnliche A****-Löcher.

 

Ich denke mir, wenn man mehrere Stunden mit einer Romanfigur verbringen soll, dann muss sie mindestens so interessant sein wie jemand, mit dem man Lust hätte auf einen 20-Minuten-Kaffee zu gehen.

Wobei ich es nicht schlimm finde, wenn der Protagonist zu Anfang des Romans nichts davon erfüllt, er aber sofort in soviel Unbill gestürzt wird, dass eine Entwicklung praktisch unausweichlich ist.

 

Liebe Grüße

Ursula

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hallo,

 

zur ergänzung meiner frage möchte ich den dramaturgischen aspekt ansprechen. was macht den protagonisten, mal abgesehen von seinem charakter, zur identifikationsfigur?

 

was haltet ihr von der dramaturgischen regel:

 

der protagonist darf nicht passiv bleiben. er muss handeln. ?

 

lg,

eva v.

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Liebe Leute,

ich möchte Ursulas Zeitangabe egoistisch erweitern: Ich muss es mit dieser Figur Tag und Nacht über Monate aushalten. Sie darf also mich nicht langweilen, muss mich reizen, all ihre Facetten auskundschaften zu wollen. Sie muss Mensch sein, nicht Abziehbild.

 

Für die Außenwirkung ist mir Authentizität wichtig, ein vielschichtiger Charakter, lebensecht... aber in allem auch immer ein Stück größer als das Leben, weil man sich mit grauem Alltag nicht identifiziert. Will sagen: Wenn die Figur Mist baut, dann richtig und nicht halb, wenn sie traurig ist, dann richtig und nicht ein bißchen.

 

Ich verwende viel Zeit auf die Psychologie meiner Figur und Emotionsarbeit. Die Psychologie brauche ich, um Emotionen hervorzurufen. Identifikation läuft über Emotionen. Je authentischer die wirken, je genauer der Leser ein "dejá vu" dabei hat, desto stärker identifiziert er sich. Je extremer man es macht, desto mehr polarisiert man Leser.

(Sehr erleuchtend waren z.B. bzgl. meines ersten Romans über eine geschiedene Frau zwei Absagen von ca. 30jährigen Lektorinnen, die richtig böse waren, dass die Protagonistin ihren Ex nicht einfach abmurkste...)

 

Ich erlebe übrigens das Gleiche wie Julia. Nicht alle Leser wollen den inneren Lebenswelten meiner Figuren folgen, andere wieder erinnern sich dabei an eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Ich denke, das liegt daran, dass einige Leser sehr starke Erwartungen auf die Verhaltensweise der Figuren übertragen und enttäuscht werden, wenn ein Protagonist gegen den Strich gebürstet ist.

 

Deshalb kann ich mir gut vorstellen, dass auch bei reinen Klischeefiguren das Taschentuch gezückt wird - wie man jedoch diese Tränen beim Leser hervorlockt, ist mir ein Rätsel.

 

Schönes Wochenende!

Petra

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Irgendetwas besonderes muss die Figur auf alle Fälle haben. Viel zu nette, farblose Gestalten, de sich nicht verändern, können niemanden fesseln.

Der Leser fühlt sich doch immer von Figuren angezogen, die sich vom Gewohnten abheben - außergewöhnlich, wild, unnachgiebig, exzentrisch... sie müssen ja nicht offensichtliche Helden sein, ihre besondere Eigenschaft kann auch im Verborgenen schlummern und erst nach und nach ans Tageslicht kommen.

Eine Identifikation hängt bei mir als Leser davon ab, was der Protagonist will - und natürlich, Eva hat recht, was er dafür tut. Für seine Ziele, seine Leidenschaften und seine Sehnsüchte. Je eher ich seinen Traum verstehen kann, desto mehr fiebere ich mit, wenn er darum kämpft, ihn zu erreichen. Und je größer das Ziel ist, je mehr Hindernisse sich in seinen Weg stellen, um so besser.

 

Liebe Grüße

Chrissi    :D

 

Bei Droemer Knaur im März 2012:  Mondherz &&Meine neue Website

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Liebe Eva,

noch mal zu Deiner ergänzenden Frage:

Ich finde, dass es die Hauptperson sein muss, die die Handlung vorantreibt, wenngleich sie diese nicht immer unter Kontrolle hat.

Sprich: Der/die Protagonist/in ist der/diejenige, die Sachen "tut", auch wenn diese - eben weil ihr oft der Blick aufs Ganze fehlt - unvollkommen, fehlerhaft etc. sind.

 

Ich denke auch, dass es in jedem Buch auch mal so sein muss, dass der Protagonist scheitert bzw. etwas wirklich schief läuft - und er in seiner ganze Schwäche gezeigt wird. Erst dadurch bzw. wenn er sich da "raus arbeitet" zeigt sich dann seine eigentliche Stärke.

 

LG,

Julia

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Ich finde das Thema und Eure verschiedenen Aspekte sehr interessant.

Das, was Julia angeschnitten hat, bringt uns zum viel zitierten "mittleren Charakter", oder?

Dem kann ich mich unbedingt anschliessen.

Ich frage mich aber:

Bis wann ist ein Charakter "mittel"?

 

Julia hat geschrieben, ihre Figuren handelten - auch nach Ansicht der Leser - "unsympathisch".

 

Das ist ja aber fuer verschiedene Leser auch unterschiedlich definiert.

 

Ich zum Beispiel kann auch einen Moerder (Raskolnikow) und einen Verraeter (Pablo/"Wem die Stunde schlaegt") nicht nur "sympathisch" finden, sondern mich stark mit ihnen identifizieren. Auch im Sinne eines Wiedererkennungseffektes (Fuer wie wichtig haltet ihr eigentlich den? Ist, dass ich mich - im Sinne des aristotelischen "Nachahmens" - in der Figur erkenne nicht wichtiger, als dass ich sie "mag"?).

Ein anderer Leser kann vielleicht auch eine Person moegen/verstehen/sich mit ihr identifizieren, die sehr selbstmitleidig oder weinerlich agiert - was ich wiederum nicht kann.

 

Damit wollte ich sagen: Schon bei der Sympathie-Frage wird es schwierig. Was duerfen Hauptfiguren und was duerfen sie nicht?

 

Sind fuer euch selbst eigentlich eure Hauptfiguren grundsaetzlich eure Lieblingsfiguren? Plant ihr sie so, dass sie fuer euch selbst umfangreiche Identifikationsmoeglichkeiten bieten? Habt ihr selbst schon Figuren geschaffen, fuer die ihr euch richtig begeistern konntet - so wie man sich das von den Lesern wuenscht?

 

Viele Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ein guter Prota nach meinem Geschmack

- ist weiblich

- sieht supergeil aus

- ist Spezialistin für Nahkampf

- kann mit verschiedensten Raumschiffen umgehen

- leidet unter Kindheitstraumata

- ist unsicher

- hat psychologische Probleme

- ist immer auf der Kippe

- ist arrogant

- brüllt gerne andere Menschen an

- hat Verbündete, aber keine Freunde

- lässt ausser beim Sex niemanden an sich heran

- ist hochgradig antisozial

- hält nichts von Demokratie

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Hallo,

 

wie muss die Hauptfigur sein? An einer anderen Stelle hier im Forum steht folgender Satz von mir

Mir ist es lieber, eine Figur springt mir aus dem Buch mit "Ich bin..." entgegen, als wenn der Autor versucht mir "Er" mit "Gestatten Sie, dass ich ihnen 'Er' vorstelle." nahe bringen will. Da könnte ich manchmal dem Autor antworten: "Nein, ich gestatte nicht, ich lese nämlich gerade ihr Buch!"

Ich möchte als Leser, bevor die Handlung in Schwung kommt und die Hauptfigur im Zusammenhang mit andern zu agieren beginnt, ein ganz konkretes Bild von der Figur im Kopf haben, denn nur dann kann ich einschätzen, ob die Handlung glaubwürdig ist. Dabei ist es uninteressant, ob ich die Figur sympatisch finde oder nicht. Letztendlich muss sich die Figur bis zum Ende verändert haben, egal in welche Richtung. Ansonsten ist die Figur nie in Wechselwirkung mit den anderen getreten, wobei für es mich nicht wichtig ist, ob die Veränderungen der Figur von ihr selbst ausgingen oder durch Wirkung von außen entstanden sind.

 

Beim Schreiben fällt mir auf, dass mindestens 99% der Personen aus meinem persönlichen Umfeld (Familie, Freunde, Bekannte, Kollegen usw.) für eine literarische Person nicht in Frage kommen, obwohl jede dieser Personen seine eigene Individualität hat und eigentlich unverwechselbar ist. Ich glaube aber nicht, dass sie in der Lage sind, eine ganze Geschichte zu tragen. Aus diesem Grund gehe ich als Leser auch immer davon aus, dass der Autor seine Figuren erfindet und sie aus seiner Fantasie mittels des Buches in meine übertragen will.

 

Wenn er es gut macht, kaufe ich das nächste Buch von ihm.

 

Viele Grüße und ein schönes Wochenende Dietmar

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hallo,

 

danke für eure spannenden und interessanten anworten!

 

ja, man möchte ein konkretes bild von der hauptfigur im kopf haben, wie dietmar sagt. wie sie beschaffen ist, welche handlung glaubwürdig und zu der figur passend in szene gesetzt werden kann.

 

auch die innere gebrochenheit, die rocker da (ein bisschen flapsig  :) ) aufgezeigt hat, ist ein wesentlicher aspekt. wie bei julia dürfen sie ruhig auch mal einen tick unsympathisch sein, weil sie das echter macht.

 

dass die hauptfigur diejenige ist, die handlung und geschichte vorantreibt, so wie julia es hervorgehoben hat, sehe ich persönlich als enorm wichtigen aspekt.

 

genauso habe ich es auch gelernt: der protagonist darf innerhalb der geschichte nicht zum spielball anderer kräfte werden, und wird er es - vorübergehend - doch, darf sich die geschichte nicht ständig darum drehen, sondern eben darum, wie er sich davon befreit und zu diesem zweck agiert. er muss, wie ursula es auf den punkt bringt, das potenzial zum sieger haben. auch wenn er am ende vielleicht als tragischer held scheitert.

 

wichtig natürlich auch, wie chrissi sagt, dass die figur sich entwickeln muss. die überwindung von problemen reicht dafür nicht aus, es müssen auch innere konflikte gelöst werden, eine wunde geheilt werden.

 

authentisch soll die hauptfigur sein und emotionen hervorrufen (petra), verletzlich, mit abgründigen seiten (anna und julia). ja, so wünscht sich jeder leser und jeder autor eine starke hauptfigur!

 

charlie, deine frage danach, ob unsere hauptfiguren eigentlich auch zugleich unsere lieblingsfiguren sind, ist wunderbar. sie bringt mich gleich auf den nächsten wichtigen dramaturgischen aspekt betr. die hauptfigur einer geschichte:

 

woher wissen wir eigentlich, welches unsere hauptfigur ist? was unterscheidet sie denn von den nebenfiguren? was macht sie wichtiger als die anderen?

 

auf eure antworten gespannt,

eva v.

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woher wissen wir eigentlich, welches unsere hauptfigur ist? was unterscheidet sie denn von den nebenfiguren? was macht sie wichtiger als die anderen?

 

 

Und wie verhindern wir, dass andere Figuren sich in den Vordergrund draengen?

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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Hallo ihr,

 

ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die Diskussion etwas zu kleinteilig empfinde. Im Detail gibt es natürlich viele tausend Gründe und Elemente, die einen Charakter interessant machen können, und zwar Protagonisten sowie auch Antagonisten. Als Leser möchte man sich identifizieren, aber man möchte auch mal schockiert werden, man bewundert Stärken aber man liebt eigentlich auch die Schwächen, usw.

Eine bestmögliche Identifikation mit den Protagonisten hängt meiner Ansicht nach viel weniger mit den Details des Charakters oder gar des Aussehens zusammen, sondern mit viel grundlegenderen Prinzipien.

Es gibt solche Gesetzmäßigkeiten dafür, wie Protagonisten beschaffen sein sollten, wie sie "funktionieren".

 

1: Ein Charakter muss sich im Buch entwickeln. Sprich: die Geschehnisse müssen etwas in ihm verändern (im positiven oder negativen Sinn), der Charakter muss am Ende des Romans anders da stehen, als zu Beginn. Das sollte man von Anfang an einplanen. Dies sind Hauptpersonen, sie ermöglichen eine Identifikation – allerdings muss die Entwicklung logisch nachvollziehbar sein.

 

2: Ein Charakter, der sich nicht im Verlauf des Buches entwickelt, ist entweder der klassische Komische Charakter (der ewige Trottel, gern genommen als "Side Kick", als Katalysator für den "Comic Relief") oder der Tragische Charakter (der nichts dazulernt, der ins Verderben stürzt, usw.). Ein Charakter, der sich nicht entwickelt, erscheint im Roman entweder blass oder übernatürlich – je nachdem, wie es ausgearbeitet wird. Aber er lässt durch seine "Unwirklichkeit" nur schwer eine Identifikation zu, daher ist dies häufig den Nebenpersonen vorbehalten oder Serien-Helden in Trivialliteratur (der strahlende Raumfahrerheld, der hardboiled Detective, etc.). Anders herum ist auch zu beobachten: wenn sich auch alle Nebenpersonen ständig weiterentwickeln, bekommt der Roman eine "Überlast an Realitätsnähe" und kann verwirrend oder "künstlerisch" verkrampft wirken. Schlimmstenfalls wird es "Literatur" ;)

 

3: Charaktere, mit denen sich der Leser identifizieren soll, müssen in ihren Eigenschaften intensiver dargestellt werden, als normale Menschen. Diese Form des Überbetonens von Eigenschaften erleichtert das Wiedererkennen für den Leser und hebt die Charaktere über das Normalmaß des Alltäglichen heraus. Niemand möchte Geschichten über Leute von Nebenan lesen, die sich so benehmen, wie die Leute von Nebenan. Ich erzähle auch niemandem etwas von meinem Nachbarn, wenn er sich nicht außergewöhnlich verhält. Das bedeutet, die Charaktere im Roman sind schlauer, dümmer, stärker, schwächer, schlagfertiger, tumber, lustiger, trauriger, hässlicher, schöner, als normale Menschen. Ebenso wie ihre Dialoge natürlich gewitzter, bedrohlicher, hinterhältiger und sinnreicher sind, als das im wahren Leben vorkommt. Deswegen lesen wir Geschichten: weil sie interessant sind, nicht weil sie exakt genauso sind, wie das Leben um uns herum. Es kommt natürlich auf die Dosis an – wie immer, das ist eine Frage des Gespürs.

 

4: Charaktere, mit denen sich Leser identifizieren sollen, müssen stets entsprechend ihrer "maximalen Handlungskapazität" agieren. Das bedeutet, ihr Verhalten entspricht konsequent und kausal ihrem Charakter und der Situation. Leser nehmen es einem schlauen Charakter übel, wenn er plötzlich aus purer Dummheit etwas übersieht, oder wenn ein dümmlicher Charakter in einer entscheidenden Situation plötzlich so schlau ist, die Klappe zu halten. Im wahren Leben passiert das natürlich ständig, aber diese Fälle, die unterhalb ihrer maximalen dramatischen Kapazität bleiben, taugen nun mal auch nicht für spannende Geschichten.

Ketzerisch gesagt: das Argument "wie kann Robin Hood es bloß schaffen, mit einem Pfeil, einen anderen zu spalten?" lässt sich mit "Wenn es nicht so wäre, wäre es ja die Geschichte nicht wert gewesen" jederzeit entkräften. Ein Robin Hood, der im entscheidenden Moment daneben schießt, erlebt eine tragische Katastrophe, der Held ist in diesem Augenblick zerstört. Das darf nicht "aus Versehen" passieren, bloß weil man meint "im wahren Leben kann man ja auch mal danebenschießen, es klappt nun mal nicht alles". Um die Katastrophe aufzufangen muss sich entweder herausstellen, dass es nicht das Verschulden des Helden war (eine Manipulation des Pfeils durch den Widersacher, oder bei Lady Marian fluppte plötzlich eine Brust aus dem Korsett) oder aber der Held muss etwas aus diesem Versagen lernen (hier wieder: Entwicklung!, zum Beispiel, dass es nicht sinnvoll ist, immer der Beste sein zu wollen, o.ä.)

 

Dies sind aus meiner Sicht ein paar einfache Grundregeln für gute Charaktere. Natürlich habe ich die Weisheit genauso wenig mit Löffeln gefressen, wie viele andere hier auch; diese Regeln sind alles andere als neu, ich habe das auch irgendwo zum ersten Mal so oder so ähnlich gelesen und dann versucht, es erst beim Lesen anderer Romane zu überprüfen und es dann beim Schreiben selbst nachzuvollziehen.

Die Ausführungen sind sicherlich auch nicht allumfassend, aber vielleicht helfen sie dem ein oder anderen hier, die Charakterfrage ein bisschen aus der Distanz zu betrachten und das große Bild im Auge zu behalten und gegebenenfalls zu justieren.

Wie immer gilt, solche Regeln sind nicht in Stein gemeißelt, aber es hilft ungemein, sie zu kennen, und sie nicht "aus Versehen" zu missachten, sondern wenn, dann mit wirklich guten Gründen – und mit noch mehr handwerklichem Geschick.

 

Gruß,

 

Andreas

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Liebe Leute,

 

@Andreas: Kann ich alles unterschreiben, du widersprichst uns "Kleinteilern" nicht ;-) Aber: Was du schreibst, versuch ich außer auf absolute Nebenfiguren wirklich auf mein gesamtes Romanpersonal umzusetzen. Je nebensächlicher eien Figur, desto weniger groß ist der Zwang zur Veränderung, aber die Hauptfiguren... da habe ich das schon gerne bei allen.

 

woher wissen wir eigentlich, welches unsere hauptfigur ist? was unterscheidet sie denn von den nebenfiguren? was macht sie wichtiger als die anderen?

Gute Frage. Ich habe nämlich manchmal heimliche Hauptfiguren für mich... da ich in Ich-Perspektive erzähle, drängt sich gerne die Person in den Vordergrund, die meine Protagonistin am wichtigsten findet.

Hab ich eine Antwort? Vielleicht: Die Hauptfigur entwickelt sich am stärksten, macht die größte Wandlung durch und an ihrem Charakter hängt und bewegt sich die ganze Geschichte.

 

@Charlie: Wie verhindern? Da hab ich kein Patentrezept. Als mir das gerade passiert ist, hat mein Verstand mir obige Antwort gesagt und ich habe mir kurz an die Stirn geschlagen, bin zurück gekehrt. Ich habe aber auch durchgespielt, wie sich der Roman verändern würde, wenn ich die Dränglerin zur Hauptfigur machen würde. Wenn letzteres einen ungeheuren Aufwand bedeutet und den Plot sehr verändert, hat die Dränglerin kein Recht, sich groß zu machen... Ist es umgekehrt, habe ich mich in der Protagonistin getäuscht. Ich bleibe da gerne offen.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich denke, man kann den Hauptoberüberchefprota dadurch von anderen, teilweise auch wichtigen Charakteren ganz einfach mengenmäßig ermitteln. Er taucht einfach auf mehr Seiten des Buches auf, als die anderen.

Davon abgesehen, fängt zumindest mein MS mit der Protagonistin an und hört mit ihrem Ende auch auf. Okay, wenn sich andere Figuren in den Vordergrund drängeln, wechsel ich die Perspektive und widme ihnen ganze Kapitel und Abschnitte. Ich bleibe teilweise sogar in ihrer Perspektive, wenn die Prota dabei ist. So kann der Leser die Prota auch mal von aussen erleben.

Aber letztendlich sorge ich dafür, dass meine Oberprota immer der wichtigste Charakter bleibt, selbst wenn sie über 100 oder mehr Seiten nicht mitspielt. Alle anderen Figuren arbeiten ja für oder gegen sie, insofern schwebt sie immer über dem Geschehen und es bleibt ihre Geschichte.

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Aber letztendlich sorge ich dafür, dass meine Oberprota immer der wichtigste Charakter bleibt, selbst wenn sie über 100 oder mehr Seiten nicht mitspielt. Alle anderen Figuren arbeiten ja für oder gegen sie, insofern schwebt sie immer über dem Geschehen und es bleibt ihre Geschichte.

 

Diesen von Dir genannten Aspekt finde ich sehr wichtig.

Er gehoert unbedingt auf die (imaginaere) Liste.

Andreas' Ausfuehrungen ueber die Entwicklung von Protagonisten (und ueber die, die sich nicht oder nur wenig entwickeln bzw. fuer deren Entwicklung kein Platz ist) leuchten mir ein - wenn das, was Du ansprichst, unterstrichen dabei steht.

Es ist die Geschichte des Protagonisten, die erzaehlt werden soll.

 

Ich zumindest muss mir das sehr oft ins Gedaechtnis zurueck rufen, um kein "froehliches Geschichtenbuechlein" draus zu machen.

 

Schoenen Abend wuenscht

Charlie.

 

P.S.: Andreas, deins ueber die Nachbarn fand ich koestlich und - fuer mich - richtig. Deshalb stelle ich mir diese Bridget-Jones-Buecher so langweilig vor (wobei ich jetzt eingestehe, dass ich die nicht gelesen habe, die nur aus Erzaehlungen anderer NICHT-Fans kenne und daher voellig falsch liegen kann), weil ich denke, wenn ich im Plauderton etwas ueber die Gewichtsprobleme, die abgebrochenen Fingernaegel oder den Schokoladenkonsum meiner Nachbarin wissen wollte, dann koennte ich ja bei der klingeln.

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Noch eine Ergänzung zur Frage, was eine Hauptfigur von den Nebenfiguren unterscheidet:

 

Ich finde, dass das von Roman zu Roman verschieden sein kann.

 

Manche Bücher sind so konzipiert, dass sie mehrere starke Charaktere haben und weniger das Handeln des einzelnen, sondern das Beziehungsgeflecht dieser Personen die Geschichte vorantreibt. Da kann es auch mal vorkommen, dass man mit einem Protagonisten anfängt und dessen Leben beschreibt, in späteren Kapiteln zunehmend andere Personen reinnimmt. (Natürlich muss man da aufpassen, dass sich die Handlung nicht zerfranst.) Ich denke, das geschieht v.a. auch bei den Büchern, bei denen aus unterschiedlicher Perspektive erzählt wird (z.B. wenn der Leser zwischendurch den Mörder begleitet und deswegen gegenüber dem Kommissar, der noch im Dunkeln tappt, einen Wissensvorsprung hat.)

 

Dann gibt es Bücher, die sehr stark an einem Protagonisten orientiert sind (häufig auch in Ich-Form geschrieben). Da sind die Nebenpersonen dadurch erkennbar, dass ihr Leben bzw. ihre Taten/Entwicklungen nur im Bezug zum einen Protagonisten erzählt werden, aber nicht unabhängig von ihm. Wenn man das konsequent durchzieht, hat der Leser nie mehr Wissen als eben dieser Hauptprotagonist. Er erlebt die Handlung durch dessen Augen.

 

Wie immer man sich entscheidet - ich finde, man muss es sich vor einem Roman gut überlegen, aus welcher Perspektive und mit welcher Gewichtung man herangeht. Problematisch sind Bücher, bei denen das nicht konsequent umgesetzt wird.

 

Liebe Grüße,

Julia

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@Andreas: Kann ich alles unterschreiben' date=' du widersprichst uns "Kleinteilern" nicht ;-)[/quote']

Wenn es so klang, als wollte ich widersprechen, tut es mir leid. Mir lag daran, nach den vielen, von mir als "kleinteilig" bezeichneten Hinweisen und Tipps(die durchaus alle richtig sind!), den Bogen etwas weiter aufzuspannen. Dann allzuoft verliert man sich gerade als Einsteiger in Detailfragen und -beobachtungen und verliert das große Gefüge aus den Augen. Mir fällt dabei die Diskussion darüber ein, ob man einen detaillierten Lebenslauf für seine Charaktere ausarbeiten sollte. Das ist alles schön und gut, ist in meinen Augen allerdings nachgelagert. Zunächst einmal muss das Prinzip des Charakters und wie er zu der Geschichte steht, sinnvoll sein und eine Identifikation begünstigen. Die Frage, ob man die langen oder kurzen Haare dann beschreibt oder weiß, wo der Protagonist geboren wurde und studiert hat, rettet eine Geschichte nicht, wenn das, was dieser Mensch erlebt und wie er zu der Geschichte steht, uninteressant ist.

 

Also: ich wollte niemandem widersprechen, sondern daran erinnern, dass es auf einer darüberliegenden Ebene bereits hilfreiche Richtlinien zu diesem Thema gibt. Aber vermutlich erzähle ich tatsächlich den wenigsten hier etwas neues.

 

Zu der Frage, wer die Hauptperson ist: ich denke, dass dies nur im Gesamtgefüge der Geschichte beantwortet werden kann. Die Person, die am häufigsten vorkommt, muss meiner Ansicht nach gar nicht notwendigerweise die Hauptperson sein. Zum Beispiel kann ein Roman ganz aus der Sicht eines Mannes erzählt sein, der den Spuren der Liebe seines Lebens folgt. Er kann auf diesem Weg reifen oder zugrunde gehen, er kann sie möglicherweise niemals erreichen - und doch kann in dieser Geschichte die geisterhafte Liebe eine oder gar DIE Hauptperson sein. Wer möchte widersprechen, dass zum Beispiel Rebecca im gleichnamigen Roman eine der Hauptpersonen ist? Oder - um Projekt Babylon heranzuziehen <hüstel> - hier offenbaren sich am Ende das Buches Personen zu Hauptpersonen, denen man es im Verlauf der Geschichte nicht angesehen hat. Erst im Nachhinein bemerkt man, welchen Anteil an der Geschichte sie hatten. Na gut, jetzt hab ich's verraten. ;)

 

Aber um zum Punkt zurückzukommen: es ist die Geschichte, die definiert, welche Personen eine tragende Rolle spielen.

 

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie sich Nebenpersonen in den Vordergrund drängen können. Der Autor bin immer noch ich. Von alleine passiert hier gar nichts, sondern nur durch meinen Willen und die Kausalität der Handlung und Charaktere (und wer hat die Handlung und die Charaktere entworfen? ... Ich!). Wenn also eine Nebenperson in den Vordergrund tritt, dann ist das kein Versehen, sondern dann hat das einen guten Grund. Aber es gibt dann kein "Und dann wurde XY plötzlich auch ganz wichtig für die Story", sondern entweder es ist eine Nebenhandlung (und XY bleibt also Nebenperson) oder es stellt sich heraus, dass XY bereits die ganze Zeit wichtig war (hier muss vorher "gesät" werden). Aber plötzlich per Fingerschnipp eine neue Hauptperson zurechtstricken, das halte ich für ungünstige Dramaturgie.

 

Andreas

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Eigentlich möchte ich das Thema nicht auf "starke Hauptfiguren" reduziert sehen. Es geht doch um "starke" im Sinne von (beim Leser) "wirkmächtige", "beeindruckende" Figuren.

Das kann auch eine Nebenfigur sein.

 

Davon ab: Ich habe in diesem Thread viele theoretische und handwerkliche Überlegungen gelesen, aber was hilft mir das? Gar nichts, denn ich habe noch nie einen Charakter "konstruiert".

"Meine" Figuren stehen eines Tages in der Tür und wollen angehört werden. Das kostet mich -- irgendwo habe ich es schon beschrieben -- möglicherweise einen Nachmittag oder zwei am Küchentisch bei Tee und Keksen, während dessen ich quasi nur zuhöre und Fragen stelle. Mit der Zeit gesellen sich weitere an den Tisch, wollen auch gehört werden. Daraus entwickelt die Geschichte sich.

Ich mache das nicht "bewußt" -- es ist vermutlich wie das Gehen, Lesen, Schwimmen oder Radfahren: Irgendwann in meinem Leben habe ich mal gelernt, wie das geht, ich kann mir den Vorgang sogar bewußt machen. Aber das Risiko ist hoch; denn wenn ich ihn mir bewußt machen, zerrinnt mir die Geschichte jedesmal unter den Händen, weil ich anfange zu hinterfragen, zu analysieren, nach-zudenken.

 

Lieber lasse ich sie kommen und erzählen, höre zu, stelle Fragen, benehme mich wie eine Närrin, aber zugleich fühle ich mich wunderbar ein, verliebe mich auf einer geistigen Ebene und habe am Ende jedesmal eine Handlung mit mehreren Fäden, die bis auf geringe Probleme aufgeht -- und diese geringen Probleme liegen eigentlich immer daran, daß ich noch nicht genau genug zugehört habe. Denn wenn ich eine Nachsitzung anberaume, wenn ich die Szene einfach immer wieder durchspiele (ja, meine Nachbarn halten mich für bekloppt! ;D), dann finde ich den Fehler.

 

Es kann passieren, daß ich Figuren wieder hinauskomplimentiere, weil ihre Geschichte mich nicht fesselt. Manche kehren zurück, pochen nachdrücklich auf ihr Recht, einige überzeugen mich auf Dauer sogar; andere verschwinden. Vielleicht suchen sie sich einfach einen anderen Autor. ;)

 

Hinterher kann ich sehr wohl analysieren, wer wie "funktioniert" in der Geschichte, kann im Schreibprozeß dramaturgische Anpassungen vornehmen. Die Umsetzung der Geschichte bleibt ja mir überlassen und wird sehr bewußt gestaltet.

 

Entsprechen meine Charaktere den Kriterien, die ihr angesetzt habt? Ich werde den Teufel tun herumzuanalysieren. An lebenden Figuren nehme ich keine Vivisektion vor! ;D

Ich höre mir das Feedback an und freue mich, wenn es anderen mit diesen Personen ebenso geht wie mir. Denn das bedeutet, daß ich sie gut rübergebracht habe.

Daß das nicht bei jedem Menschen funktioniert, ist mir schon klar: Jeder Mensch hat seinen eigenen Geschmack, und ganz normale psychologisch bedingte Vorlieben machen es uns unmöglich, daß wir jeden Menschen bzw. jede Figur mögen (und sei es nur aus großer Distanz).

 

Mein persönliches Credo lautet: Eine Figur, der es gelingt, mir mehrere Stunden meiner Zeit zu stehlen, ist eine starke Figur.

 

G'spinnerte Grüße,

Iris :s17

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hallo,

 

andreas, wie meist kann man deinen ausführungen kaum was hinzufügen  :s17

 

ja, wenn ein buch in der ich-form geschrieben ist, kann sich kaum ein anderer charakter in den vordergrund drängen, es ist dann nur eine person da, durch deren augen die geschichte gesehen wird. (außer in den seltenen fällen, in denen es zwei oder mehr ich-erzähler gibt oder, wie bei gabaldon, neben dem ich-erzähler noch weitere figuren, über die - ohne anwesenheit der hauptfigur - auktorial erzählt wird).

 

von meinen büchern ist ungefähr jedes 3. in der ich-form geschrieben. im vergleich zu den anderen romanen empfinde ich die arbeit daran als etwas einfacher.

 

beim erzählen aus verschiedenen perspektiven achte ich darauf, dass die hauptfigur die meisten und wichtigsten szenen hat, d. h. dass auch rein mengenmäßig aus deren perspektive am meisten gemacht und gedacht wird. sie haben daher optisch mehr raum als die anderen. ihre entscheidungen/gefühle/aktionen sind die wichtigsten für die entwicklung der geschichte.

 

die auftritte der anderen figuren sind je nach wichtigkeit darunter gestaffelt, ihre gefühle werden weniger intensiv dargestellt, ihre motive sind denen der hauptfigur im rang untergeordnet.

 

charlie, bridget jones ist kult. es ist einfach eine herrliche realsatire, ein köstlicher trash.

 

lg,

eva v.

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Kurze Nebenbemerkung an Charlie: Auch Bridget Jones spricht über ihre Gewichtsprobleme nicht wie die Frau Nachbarin, sondern es ist auch hier alles stärker gefärbt als im Alltag. Erstens ist Bridget natürlich 10 mal schusseliger als jeder normale Mensch, darüber hinaus ist die Art und Weise des Erzählens überspitzt witzig. Das kann allerdings (bei schlechten Kopie-Versuchen) tatsächlich langweilig werden: Wenn nämlich nur noch der witzige Ausdruck im Vordergrund steht (seitenweise blabla) und dahinter ein blutleeres Etwas, das eben kein Original ist. :s14

 

Liebe Grüße

Judith, die gerade erst gelernt hat, dass ein Charakter kommt und erzählt oder sich auch mal schlicht weigert, etwas zu tun, was ich "Autor" gerne von ihm hätte...

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hallo,

 

zu dem phänomen, dass charaktere, die als nebenfiguren angelegt sind, sich vordrängen oder gar im laufe der geschichte als heimliche hauptfigur entpuppen, habe ich die erfahrung gemacht, dass man sich vielleicht in einem solchen fall fragen sollte, ob man die richtige figur zum protagonisten gemacht hat. einmal habe ich mich dabei vergriffen, eine andere figur war einfach stärker, was dazu führte, dass ich einen romananfang (2 kapitel) rausgeschmissen und neu geschrieben habe.

 

in so einer situation hilft es, aus sicht der in frage stehenden figuren je eine synopsis zu erstellen und dabei zu schauen, wer mehr part hat und wie wichtig dieser jeweils für die geschichte und ihren fortgang ist.

 

auch wenn man natürlich das große ganze im auge hat, steckt oft der teufel im detail, und hier kommen nun mal profane dinge wie praktische dramaturgie, sprich schlichtes handwerk zum tragen.

 

es geht ja letztlich um die frage: ist meine hauptfigur stark und raumgreifend genug, dass ich ausgerechnet IHR durch das buch folgen will? identifiziere ich mich als leser/autor mit ihr?

 

oder doch ein stückchen mehr mit einer anderen figur, die aber leider im vergleich zu wenig part hat? hebt sich meine hauptfigur genug gegen die nebenfiguren ab? was kann ich tun, um die "richtige" figur um das entscheidende stück stärker zu machen als die anderen?

 

@iris: natürlich kommt es während des schreibens auch bei mir dazu, dass die leute aus meinen büchern "lebendig" werden und sich für mich echt anfühlen, aber dass mal eine figur schon vor der konstruktion fix und fertig zu tee und keksen bei mir auf der matte steht und sagt: he, schreib ein buch über mich - da warte ich bis heute drauf. iris, backst du deine kekse selber, und wenn ja, was tust du da rein?   :D

 

lg,

eva v.

(figurentechnisch oft leider ohne die richtigen kekse)

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Nachdem jetzt schon so gut wie alles gesagt wurde möchte ich noch anfügen, dass ich sehr flexibel bin was Protas betrifft. Ich verzeihe fast alles, das ein Autor sich einfallen lässt ohne "out of charakter" zu schreien, oder sie zu beurteilen nach zu schwach oder zu stark. Beim selber schreiben tendiere ich zu starken Figuren.

 

Aber eins müssen sie sein: Schlüssig und in sich logisch. Ich kriege nen Krampf wenn ich mal wieder lesen muss wie SIE bald vergeht vor Sehnsucht und Liebe und ER auch schon ganz wild ist, SIE sich aber unbedingt von ihm fern halten MUSS, nur weil sie eine prüde amerikanische Heldin ist, die aus völlig unlogischen Gründen gerade jetzt nicht mit ihm schlafen kann.

An dieser Stelle steige ich dann aus. Das ist einfach bekloppt, kommt aber so oder ähnlich öfter vor. Die Figuren handeln unverständlich, nur weil der Autor die Spannung etwas länger aufrecht erhalten will.

 

Das ist für mich das wichtigste. Alles andere, starke oder schwache Figuren, welche die was dazulernen oder nicht, finde ich nicht so wichtig wenn die Story gut erzählt ist. Der Schreibstil und die Logik sind mir wichtiger als diese anderen Dinge. Identifikation ist gar nicht mein Ziel, denn ich muss mich nicht mit einer zickigen Heldin identifizieren um Spaß zu haben, ich muss sie nur mögen, damit ich ihre Art ertragen kann. Auch will ich mich nicht mit einem Axtmörder identifizieren, aber er soll spannend handeln sonst interessiert er mich nicht.

 

Ich habe schon Bücher gelesen die fast keine Handlung boten und auch keine interessanten Charaktere. Trotzdem habe ich mich sehr amüsiert weil sie einfach witzig waren. Oder vom Stil her toll. Es kommt nicht immer auf die Protas an. Es kommt auf den Schreibstil an. Ach so, ich wiederhole mich bereits. Also gute Nacht dann allerseits!

 

LG

Joy

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iris' date=' backst du deine kekse selber, und wenn ja, was tust du da rein? :D[/quote']

Butter, Zucker, Mehl, gemahlene Nüsse, vielleicht ein bißchen Rum ...

 

Spaß beiseite: Ich habe diese "Symptome" schon seit meiner Kindheit. Bei den sattsam bekannten Rollenspielen war ich immer diejenige, die eine Nebenrolle hatte, aber Regie führte und dadurch Rollen "entwickelte". Wahrscheinlich ist mir der Umgang mit fiktiven Personen dabei schon sehr früh in diverse Körperflüssigkeiten übergegangen. Ich kenne es nicht anders.

Und wenn ich es anders versuche, geht es jedesmal schief, es wird der totale Krampf.

 

Stelle es dir wie Träumen vor; dabei eintwickelst du auch ganze Geschichten, auch wenn die dramaturgisch äußerst selten sinnvoll sind.

Was ich mache, ist eigentlich nichts als eine Art aktives Wachträumen.

 

Verträumte Grüße,

Iris :s17

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