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(Jan)

Historische Romane und die altbekannten Klischees

Empfohlene Beiträge

Hallo, Silvi!

 

Keine Erwähnung fand hier Diana Gabaldon' date=' vielleicht habe ich es übersehen oder ihre Bücher zählen zu den "typischen Frauenromanen".[/quote']

Auch, aber vor allem, weil ihre Bücher, wie die allermeisten "historischen Romane" aus den USA, genretechnisch eher zur Fantasy gehören. In den USA wird zwischen diesen Genres auch nicht unterschieden; das merkt man sehr deutlich daran, daß trotz aller Beteuerungen jahrelanger Nachforschungen und weiter Reisen zum Zwecke der Recherche Ergebnisse derselben eigentlich nur eine äußerst marginale Rolle spielen.

Man muß das einfach als eine andere Auffassung von Authentizität ansehen, zumal die historische Bildung in der US-Bevölkerung geradezu katastrophal ist, was auch daran liegt, daß durch flächendeckend fehlende (echte) Fremdsprachenkenntnisse die nicht-englischsprachige Forschung wenn überhaupt, dann nur durch die nicht ganz so autistische britische Forschung, also bestenfalls indirekt einfließt und "Geschichte" nur einen Bruchteil des Schulfachs "social sciences" bildet.

 

Ich war beim "Erstkontakt" z.B. geradezu fassungslos, was in den Romanen von Donna Gillespie (Mondfeuer, Mondschatten) verlagsseitig als "bestens recherchiert" angepriesen wird. Solche Bücher -- wie auch die Zeitreise-Romane und andere "historic fantasy" (z.B. von Guy Gavriel Kay u.a.) -- habe ihren Wert definitv nicht in der Schilderung einer wahrscheinlichen historischen Realität, sondern in der einer "anderen Welt", in die der Leser abtauchen kann.

Nebenbei bemerkt: Genre ist m.A.n. keine Frage der Qualität oder der "Stufe" von Literatur! Die homerische Ilias und Odyssee sowie Vergils Aeneis sind sicherlich Welt- bzw. Hochliteratur und wurden zu keiner Zeit als "realistisch" (im heutigen Sinne) aufgefaßt. Nach heutiger Genreeinteilung ordne ich sie eindeutig der Fantasy zu.

 

Es war wirklich herrlich, die Orte des Geschehens zu besuchen und festzustellen, dass sich Geschichte und Fiktion auf faszinierende Weise vermischen. So muß ein HR für mich sein.

Es mischen sich allerdings nicht Fiktion und Geschichte (im Sinne einer wahrscheinlichen historischen Realität), sondern Fiktion und die heutige (!) Umgebung mit einigen historischen Daten der schottischen bzw. schottisch-amerikanischen Geschichte.

Ich will das nicht schmälern, aber "Geschichte" ist etwas anderes.

 

Diana Gabaldon umschifft die Klippe sehr klug, indem sie die Handlung als Zeitreisen anlegt. Dadurch kann sie einen modernen Frauencharakter agieren lassen, und das Ganze ist bei allen historisch verbürgten Eckdaten soweit ins Phantastische entrückt, daß sie weitgehende Freiheit in der Darstellung der damaligen Gesellschaft hat.

Nochmal: Ich finde das völlig in Ordnung, aber "historisch" ist das keineswegs -- auch wenn ein Verlag dieses Etikett draufpappt. ;)

 

Nur damit wir uns nicht mißverstehen: Ich will keineswegs ausdrücken, daß historische Literatur per se "höherwertiger" sei oder gar belehrend sein sollte -- auf jeden Fall nicht oberlehrerhaft! ;)

Aber ein paar Eckdaten und steinalte Vorurteile (z.B. die blödsinnige Verbindung von Mittelalter und Hexenverfolgung oder Römer/Patriarchat -- Barbaren/Matriarchat) verleihen einem Roman noch lange keine Historizität.

Wie gesagt: Was heute üblicherweise im entsprechenden Regal steht, sollte besser bei Fantasy eingeordnet werden. Dem Lesegenuß tut das schließlich keinen Abbruch. Bei einem wirklich guten Roman ist mir das Genre völlig egal, solange die Handlung auf flüssige und anspruchsvolle Weise erzählt wird.

 

Fröhliche Grüße in meine alte Heimat!

Iris :s17

 

PS: Dreimal editiert! Grundgütiger, ich kann 's heut einfach nicht ... :s12

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Diana Gabaldon umschifft die Klippe sehr klug, indem sie die Handlung als Zeitreisen anlegt. Dadurch kann sie einen modernen Frauencharakter agieren lassen, und das Ganze ist bei allen historisch verbürgten Eckdaten soweit ins Phantastische entrückt, daß sie weitgehende Freiheit in der Darstellung der damaligen Gesellschaft hat.

 

Hallo Iris,

 

natürlich hast Du recht, ich habe, ehrlich gesagt, den Zeitreise- bzw. Fantasyaspekt in meinem posting außer Acht gelassen.

 

Schottland ist an und für sich schon "mystisch" genug, um den passenden Hintergrund für eine fantastische Story zu bieten. Die Menschen dort pflegen nicht nur ihre Geschichte, sondern auch ihre Sagen. Damit meine ich nicht Nessie und andere Touristenattraktionen.

 

Dem Lesegenuss tut das allerdings in der Tat keinen Abruch,  ;) sondern bietet mir das reinste Vergnügen.

 

Nachdem ich die ersten Teile gelesen hatte, habe ich auch damit angefangen, mich mit der schottischen Geschichte zu beschäftigen.

So stand ich eines Tage auf dem Schlachtfeld Culloden und war nur noch überwältigt - von Schottland.

 

Es sind eben Fakten, wie die Schlacht 1746 und der verzweifelte Versuch des letzten Stuart Erben, Bonnie Prince Charlie Schottland von der englischen Herrschaft zu befreien.

 

Das Diana Gabaldon diese Hintergründe nutzt und in einen Fantasy bzw. HR mischt, ist für mich als Leserin ein Vergnügen. Schließlich möchte ich mich unterhalten, wenn ich einen Roman lese.  ;)

 

Ich habe hier im Forum eine Diskussion über erotische Szenen gelesen und konnte sehr gut nachvollziehen, wie schwierig das für viele Autoren ist.

Auch ich verabscheue es, wenn erotische Szenen am Ende nur noch vulgär und plump sind.

Das wiederrum beherrscht D.G. außerordentlich gut.

Typisch Frauenroman? Mag sein, macht aber nichts! Mit ihrer männlichen Hauptfigur "Jamie" schaffte DG wieder mal den 100% Mann. Das kommt eben an, bei vielen Frauen.

Ich habe so einen Mann zuhause sitzen, ok, zumindest zu 85% :)

 

Was Du über die Allgemeinbildung der amerikanischen Bevölkerung schreibst, nun darüber weiß ich nicht viel. Irgendwie war ich durch diese Romane so schnell und intensiv von Schottland verzaubert, dass ich die Herkunft von Diana Gabaldon völlig aus den Augen verlor.

 

Dennoch gehöre ich sicher nicht zu den Menschen, die wirklich beurteilen können, ob ein HR nun gut recherchiert ist oder nicht. Die Eckdaten die Schlacht um Culloden betreffend stimmen, soweit ich das vorort in Erfahrung bringen konnte.

Ansonsten schlage ich gerne in "Englische Geschichte" von Leopold von Ranke nach.

 

Ich muß allerdings gestehen, dass dieses Buch meine Konzentration doch sehr fordert.

 

Vielleicht hast du ja mal Lust, meinen Schottland Reisebericht zu lesen?

 

(Link ungültig)

 

Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich hier von "historischen Romanen" über "erotische Szenen" bis "Schottland" verschiedenen Themen angesprochen habe.

 

Herzlichen Dank für Deine ausführliche Antwort.

 

Viele Grüße Silvia

Die Trevelyan Schwestern - Jetzt geht es um Liebe

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Hallo, Silvi!

 

Das Diana Gabaldon diese Hintergründe nutzt und in einen Fantasy bzw. HR mischt' date=' ist für mich als Leserin ein Vergnügen. Schließlich möchte ich mich unterhalten, wenn ich einen Roman lese. ;)[/quote']

Die Geschmäcker sind verschieden -- mir persönlich ist das zu wenig, und da meine Freizeit durch das Schreiben inzwischen beschränkt ist (Fernsehen ist schon lange nicht mehr), reicht mir Unterhaltung nicht zum Lesegenuß. Mir muß die Sprache etwas geben, die Erzählweise, die Charakterzeichnung, die Handlung, es muß mir etwas vermittelt werden über Menschen, ihr Leben ... Das kann mal spartanisch karg sein, mal opulent, mal in der Mitte -- aber es muß passen. Lesen ist für mich auch eine intellektuelle Tätigkeit.

Wenn ich bloße Unterhaltung suche, gehe ich ins Kino. :)

 

Ich habe hier im Forum eine Diskussion über erotische Szenen gelesen und konnte sehr gut nachvollziehen, wie schwierig das für viele Autoren ist.

Erotik und Homor gehören zum schwierigsten. Beide sollte Einsatz kommen, wo sie das Stück Literatur, was man gerade webt, tragen -- ansonsten gilt die Vorsichtsregel.

 

Ich muß allerdings gestehen, dass dieses Buch meine Konzentration doch sehr fordert.

Tja, für mich ist das ein Zeichen, daß ein Buch gut ist. :)

 

Danke für den Link! Ich werde da mal reinschauen. Meine Tochter (18 ) liebt Schottland und Irland -- aber Gabaldon ist nichts für sie! :)

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Noch was, Silvi!

 

Wenn du Schottland magst, dann hätte ich ein besonderes Schmankerl für dich: Dorothy Dunnetts Legendary Lymond-Chronicles.

Leider sind diese vorzüglichen Romane nicht auf Deutsch erhältlich; Klett-Cotta legt gerade eine andere Reihe von D.D. auf Deutsch neu auf, The House of Niccolò.

 

Für Schottland-Fans sind die im ausgehenden Mittelalter angesiedelten Romane der erklärten Schottin Dorothy Dunnett (1923-2001) um den extravaganten Francis Crawford of Lymond ein Hochgenuß.

Hinzu kommt noch der hervorragende Macbeth-Roman King Hereafter, der allerdings nicht mehr zu dieser Reihe gehört.

(Die Links gehen zu Amazon.de zwecks weiterer Infos. Es gibt noch eine Website, die von den deutschen "Dunnetties" betreut wird: (Link ungültig))

 

Ich kann diese Bücher wirklich nur empfehlen. Lymond gehört zu den hinreißendsten und ekzentrischsten Romanfiguren, die die englischsprachige Literatur zu bieten hat

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hallo Iris,

 

danke für die tollen Links. Ja, ich mag Schottland und nicht nur das, ich liebe es. Hätten wir keine Kinder, könnten mein Mann und ich uns durchaus vorstellen, dort zu leben.

 

Dann werde ich mich mal auf eine kulturell höhere Ebene begeben  ;)

 

War nur ein Spaß, ich werde auch in Zukunft vorrangig zum Vergnügen lesen und halte mich dabei ganz sicher nicht nur bei DG auf.

 

So zieren auch Iny Lorenz, Ulrike Schweikert, Rebecca Gable, Noah Gordon, Susanne Frank, Tolkien, Eco u.v.a. mein bescheidenes und geliebtes Bücherregal.

 

Nein, ich mache mich nicht unnötig klein (winke zu Jan), aber ich bin nun mal keine erfolgreiche Schriftstellerin.

 

Vielleicht kommt das noch.....doch was ist schon ein guter Häuptling ohne Indianer?

 

Bis dahin möchte ich weiterhin Menschen wie Dich für ihr Schaffen bewundern.

 

Ebenso fröhliche Grüße

Silvia

Die Trevelyan Schwestern - Jetzt geht es um Liebe

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Iny Lorenz lese ich seit kurzem und war sehr beeindruckt, sie hier im Forum zu finden.

"Die Wanderhure" schmückt inzwischen, neben meinen anderen Lieblingen des Genre´HR mein Regal auf einem Ehrenplatz.

In diesem Fall habe ich auch einen Erfahrungsbericht bei Ciao gechrieben, der sogar prämiert wurde:

 

(Link ungültig)

 

Also, mich macht das stolz und ich wünsche mir noch viele, viele Bücher dieser Art.

 

Mit besten Grüßen Silvia

 

Liebe Silvia,

 

ich habe deinen Bericht gelesen und sage: Danke!

Er hat mir sehr gut gefallen.

 

Die Namen, die dich etwas irritiert haben, hat es noch lange gegeben. Wahrscheinlich sind sie erst im 20. Jahrhundert völlig aus der Mode gekommen.

Ruppertus z.b. ist als Ruppert oder Rupert heute noch in Bayern in Gebrauch. Vielleicht haben wir da sogar einen Bekannten verbraten - wer weiß.

 

Aber Gheron und ich mmögen es nicht wie manch andere Autoren Namen zu benutzen, die in unserer modernen Form zu jener Zeit unserer Nachforschung zufolge nicht in Gebrauch waren.

Es mag zwar das Lesen erleichtern, zerstört aber auch ein wenig das Umfeld. Wir versuchen daher, zumindest bei den Hauptpersonen Namen zu geben, die in etwa auch heute noch in Gebrauch sind.

Liebe Grüße

Sysai

 

   

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Hallo, ihr Lieben!

 

Aber Gheron und ich mmögen es nicht wie manch andere Autoren Namen zu benutzen, die in unserer modernen Form zu jener Zeit unserer Nachforschung zufolge nicht in Gebrauch waren.

Es mag zwar das Lesen erleichtern, zerstört aber auch ein wenig das Umfeld. Wir versuchen daher, zumindest bei den Hauptpersonen Namen zu geben, die in etwa auch heute noch in Gebrauch sind.

Oje, was haben einige Leute über die Namen meiner Figuren geklagt, während andere freuen wie die Schneekönige! Man kann es nicht allen recht machen.

 

Silvi, Bewunderung hat unsereiner immer wieder gern, den im Gegensatz zu den "Großen" der Unterhaltungsbranche können wir meist noch nicht mal vom Schreiben unseren Lebensunterhalt bestreiten! Da tun Streicheleinheiten immer gut. Herzlichen Dank!

 

Fröhliche Grüße,

Iris :s17

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Hallo Sysai, hallo Iris,

 

das freut mich sehr und ehrlich gesagt, für mich gehört Ihr zu den Größen der Branche. Schließlich bin ich eine würdige Vertreterin des normalen Volkes. ::)

Eure Bücher bereiten wirklich Freude und da spreche ich wieder nicht nur für mich.

 

@Sysai, es freut mich ausgesprochen, dass Du Dir die Zeit genommen hast, meinen Bericht zu lesen. Was die alten Namen betrifft, es war ungewohnt, doch die meisten Leser meines Berichtes, mochten gerade diese Namen. Ich freue mich schon auf "Die Kastellanin", ich weiß erst seit kurzem, dass es die Fortsetzung der "Wanderhure" ist.

 

@Iris, übrigens mein ältester Sohn wird auch dieses Jahr 18 (mein Kleiner ist 10). Leider kann ich mich mit ihm nicht über Bücher unterhalten, doch Schottland hat selbst ihn fasziniert.

 

Liebe Grüße Silvia

Die Trevelyan Schwestern - Jetzt geht es um Liebe

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Hallo, Iris!

 

Mensch, stell doch solche tolle Links und Deine Empfehlungen (die ich hier jetzt bloß zufällig entdeckt hab) in "Buchkritik" ein.

 

Es ist zwar grausam für meinen Geldbeutel und  für meine ächzenden Bücherschränke - aber solche Tips hätte ich gern öfter.... gerade für historische Romane, da man bei der Schwemme besonders in den Riesenbuchhandlungen oft etwas verloren dasteht.

 

Gruß

Jan

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