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KarinG

Oliven zum Frühstück - Eine Reise durch die Türkei

Empfohlene Beiträge

Nach freundlicher Aufforderung durch einen Forums-Titan :) betrete ich diese Heilige Halle, um euch mein Buch vorzustellen. Einzelheiten findet ihr auf meinr Homepage.

 

Hier eine Textprobe - leider sind die im Buch kursiv geschriebenen türkischen Wörter und Schriftzeichen nicht übertragbar.

Sophie - begleitet von zwei Kennerinnen des Landes - entdeckt die Heimat ihres türkischen Schwiegersohns. Sie ist fasziniert von Land und Leuten - und von einem betagten Sammeltaxi. Dieser Dolmusch (bedeutet "voll geworden, voll besetzt") wird für sie "irgendwie lebendig" ...

 

Mit klappernder Karosserie zuckelt der alte dolmuþ den steinigen Weg bergan zum nächsten Dorf. Er ächzt und stöhnt, er ist nicht mehr der Jüngste. Ein Glück, dass sein Motor noch so gut läuft! Sein Chef, der flotte dolmuþçu Halil, ist heute besonders gut gelaunt, fährt schneidiger als gewöhnlich, pfeift ein paar schräge Töne aus einem neuen Schlager, schaut öfter als sonst in den Rückspiegel und streicht immer wieder seinen býyýk glatt, den prachtvollen Schnauzbart des stolzen türkischen Mannes. Er scherzt mit den Fahrgästen, nimmt mit großer Geste ihre kleinen Geldscheine entgegen und manchen gibt er sogar ein Ticket.

Halils gute Laune ist ansteckend und das alte Vehikel lässt den Motor zufrieden brummen. Heute ist er wirklich dolmuþ, voll geworden, fast könnte man sagen, er ist hýncahýnç, brechend voll. Und nicht nur die längst bekannten Alis, Mustafas, Hasans und Turguts und die Fatmas, Ayþes und Lales sind an Bord - nein, Fremde haben sich in diese Gegend verirrt, was leider viel zu selten vorkommt, obwohl doch die Landschaft so schön ist hier oben in den Bergen. Vier Fremde: ein blasser junger Mann mit wunderbar derben Schnürschuhen und drei Frauen, nicht mehr ganz jung, aber doch iyi kalmýþ, gut erhalten. Die Lustige mit den verschmitzten braunen Augen und den vielen Löckchen, die aussehen wie Kohle und Asche, redet wie ein Wasserfall.

Auch die zweite hat auffallende Haare, rotes Gold, so was sieht man selten. Schade, dass sie diese Pracht in so einen strengen Knoten gezwungen hat, aber immerhin versteckt sie ihr Haar nicht unter einem Kopftuch wie die Frauen hier in dieser ländlichen Gegend. Die Rothaarige sagt fast nichts, hört auch den anderen nicht aufmerksam zu. Wo mag sie mit ihren Gedanken sein? Sie ist zu ernst, würde sie ein bisschen lachen, wäre sie sicher ganz hübsch.

Die Dritte - was die alles wissen will, sie hat noch nie in einem dolmuþ gesessen, gibt's denn so was? Die drei Frauen sind okul arkadaþlarý, Schulfreundinnen. Na, es dürfte aber eine Weile her sein, seit sie die Tafel abgewischt haben. Der junge Mann gehört nicht zu ihnen, das merkt man sofort, obwohl sie alle miteinander reden in - Donnerwetter! - türkischer und englischer Sprache.

Englisch. Der alte Dolmusch kennt sich aus, in seiner Jugend, als er noch seine ersten fabrikneuen Reifen hatte, ist er in einer großen Stadt feinere Strecken gefahren als diese staubige Piste. Nein, heute ist sie nicht staubig, schließlich hat es heftig geregnet, dafür spritzen ihn die frechen Pfützen schadenfroh voll. Aber die Sonne lacht schon wieder und auf dem Rückweg werden die nassen Ungeheuer verschwunden sein.

Damals in der Stadt waren täglich Fremde eingestiegen, die in allen möglichen Sprachen der Welt redeten. In seinen mittleren Jahren hat der Dolmusch Dienst in der Nähe einer antiken Ruinenstadt gemacht. Auch da waren Fremde gekommen, hatten dem þoför ein paar große Scheine in die Hand gedrückt - dann war er schon mit zwei, drei, vier oder fünf Fahrgästen dolmuþ. Die Fremden sind in den historischen Trümmern herumgeklettert, er hat mit seinem þoför geduldig draußen gewartet, meistens haben sie beide ein Nickerchen gemacht. Seltsame Menschen, diese Fremden. Fast immer waren sie ganz verzückt von der Besichtigung zurückgekommen und hatten gefragt, wie weit es bis zur nächsten antiken Stadt sei. Seit dieser Zeit ist der alte dolmuþ polyglott.

Der junge Engländer will ganz langsam, yavaþ yavaþ, durchs Land reisen, zu Fuß, mit Bus oder dolmuþ, und am liebsten würde er bis zum Van-See wandern, aber so ganz allein ist es wohl doch zu gefährlich - leider. Sein Kollege, Reisegefährte und Dolmetscher, ein Kurde, der seit Jahren in England lebt, ist krank geworden und musste nach London zurückfliegen.

Die Dame mit den lustigen Löckchen nickt betrübt: "It's terrible, aber der Osten ist im Augenblick wohl nicht ungefährlich für Einzelreisende. Und wenn Sie die Sprache kaum verstehen ... " Sie selbst habe diese Gebiete mit ihrer rothaarigen Begleiterin bereits in früheren Jahren bereist und würde auch jetzt überallhin fahren, aber ihre Freundinnen ...

Ob sie denn als Frauen so allein unterwegs keine Angst hätten, will der junge Mann wissen. Ein bisschen schon, sagen alle drei. Oder eigentlich doch nicht, Angst sei das falsche Wort, aber passieren könne immer was. Dieser alte Dolmusch beispielsweise sehe gefährlich unstabil aus.

Empört heult der dolmuþ auf. Warum müssen Frauen immer nur das Äußere so wichtig nehmen, gewiss, sein Lack ist stumpf, die Polster der Sitze sind zerschlissen, aber der Motor ist in Ordnung, auch die Reifen haben noch genug Profil. Der flotte Halil ist ein tüchtiger Mechaniker, ein guter Chauffeur, der beste, den der dolmuþ in seinem langen Leben als otomobil kennen gelernt hat. Halil hätte ihm auch längst eine funkelnagelneue Windschutzscheibe eingesetzt, aber das Geld langt nicht hinten und nicht vorn. Benzin, Reparaturen, Steuern, Versicherungen, Zigaretten - da muss die Scheibe noch warten, auch wenn es eine Schande ist, mit einem Klebeband im Gesicht herumzufahren. Aber so groß ist der Sprung nun auch wieder nicht, bisher ist er der Polizei nicht aufgefallen.

Was sind das für süße Töne, die Neugierige beginnt tatsächlich, ein Loblied auf ihn zu singen: Wenn es in Deutschland auch solche Sammeltaxis gäbe ... Deutsche, drum der komische Akzent der Frauen. Sammeltaxi - ein ungemütliches Wort für dolmuþ. Fahren in Deutschland keine dolmuþlar, gibt es dort nicht alles, ist Deutschland nicht so was wie das Paradies, wie die Leute immer erzählen? Ein Paradies ohne dolmuþ - da stimmt was nicht. Aha, in Deutschland, Almanya'da, gibt's Busse, Taxis und Straßenbahnen - was ist das denn? -, die fahren aber zu selten, halten nur an festen Punkten, lassen niemanden zwischendurch ein- und aussteigen, auch wenn sie direkt an seinem Haus vorbeifahren. Welche Arroganz, selbst die schicken türkischen otobüsler sind nicht so stur. Was machen die armen Menschen in Deutschland nur ohne dolmuþ? Ach so, die meisten haben eigene Autos. Na, da muss was los sein!

Eine unterhaltsame Fahrt heute. Die Lustige spricht tatsächlich mit dem dicken Ali, der sonst den Mund nicht aufmacht. Warum er auf seinem Futtersack sitzt, will sie wissen. Damit er ihn beim Aussteigen nicht vergisst, antwortet das Schlitzohr.

Jetzt kommen Schulkinder. Halil schafft Platz für die Kleinen, fünf Mädchen, drei Buben - sechs, sieben, acht, altý, yedi, sekiz - alle da. Taschen, Körbe und Säcke auf der letzten Bank müssen übereinander gestapelt werden. In der zweiten Reihe ist noch was frei, auch die Fremden rücken zusammen. Einen Lärm machen die Kinder heute wieder, da wird sogar die schweigsame Rothaarige munter. Und sie lacht, na, warum nicht gleich, es steht ihr. Sie redet mit den Gören, fragt, wie es in der Schule war. "Çok güzel, sehr schön!" Diese kleinen Schwindler. Nun reden alle drei Frauen mit den Kindern und auch der junge Mann will was wissen. Diese Fremden immer mit ihrer Neugier, was ist an den Kleinen nur so interessant. Wie brav sie heute sind, jetzt fangen auch sie noch an, Fragen zu stellen: Woher kommt ihr, wie heißt ihr, habt ihr auch Kinder - was, schon so große? Wo habt ihr Türkisch gelernt? Jetzt singen sie doch tatsächlich ein Lied für die Fremden. Da steigen die ersten schon wieder aus und winken, winken ...

"Halil, achte auf die Straße!" Warnend lässt der kleine Bus den Motor aufheulen: "Dreh dich nicht so oft um. Diese Frauen sind viel zu alt für dich."

Die jungen Männer hier, diese Nichtsnutze, yaramazlar ... Bieten den fremden Damen Zigaretten an, das ist ... Ayýp ist das. Allaha þükür, die Damen lehnen ab. Jetzt reden wirklich alle durcheinander, nur die alte Erksin starrt mal wieder böse vor sich hin, macht die Augen zu. Diese Scheinheilige, als ob sie schlafen könnte bei dem Geschnatter.

Die fremden Frauen wollen tatsächlich bis zum vorletzten Dorf mitfahren. Was wollen sie dort nur, in dem Nest ist doch nichts los, da gibt's nicht mal eine pansiyon. Was hat die Lustige da in der Hand, eine Adresse? Eine Freundin will sie besuchen, hier, am Ende der Welt - wenn das mal stimmt.

Wie soll die Freundin heißen, Hülya, Hülya Yýldýz? Yýldýz heißen viele. Aha, sie ist mit Mustafa Yýldýz verheiratet. Ist der nicht nach Ankara gezogen, als seine Mutter im Frühjahr gestorben ist?

"Halil, Halil, pass auf!" Verzweifelt lässt der kleine Bus seinen Motor aufheulen: "Warum drehst du dich um, Halil, dikkat, Vorsicht! Die Straße... Ýmdat, Hilfe! Halil, denk an mein Alter, ich verliere das Gleichgewicht ... Ýmdat!"

 

LG Karin

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Glückwunsch zum Buch - und zur kürzlichen Erwähnung in der Kultursendung (war es ARD?)!

 

Dennoch muss ich rügen: BOD Publikationen sind in diesem Bereich eigentlich nicht erwünscht ... das bleibt also bitte eine Ausnahme! :s08

 

Gruß,

 

Andreas

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Hallo Andreas,

ich bin mir der Sünde durchaus bewusst. Keine Regel ohne Ausnahme :D - vielleicht tröstet es dich, dass die Erstauflage in einem "normalen" türkischen Verlag erschienen ist.

 

Ich verstehe die Vorurteile gegen Bod & Co. durchaus. Eine Qualitätsauswahl gibt es da nicht. Doch wenn ich sehe, was sogenannte seriöse Verlage alles auf den Markt bringen ::) ... Und bedenke bitte, dass auch unsere Leser :s13 so verschieden sind wie wir Autoren. Sie verlangen Triviales, Banales, Katastrophales - und manche sogar "hohe" Literatur.

 

LG Karin

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Hallo Karin,

 

viel Erfolg und vielleicht auch einen "richtigen" deutschen Verlag wünsche ich dir. Das Thema würde nämlich prima zur übernächsten Buchmesse passen. Da ist, wenn ich mich nicht irre, die Türkei das Schwerpunktland.

 

Viele Grüße,

Editha

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Danke für die guten Wünsche, liebe Editha.

Die Türkei war als Schwerpunktland schon mal im Gespräch. Ob es diesmal klappt? "Allah bilir ... Gott weiß es", wie Türken sagen, die das Wort Allah oft ebenso "beiläufig" verwenden wie die westliche Welt das Wort Gott ;)

 

LG Karin

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