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Die Angst vor dem Kitsch und die Mauer im Kopf

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"... und da sank sie in seine Arme" (möglichst noch mit tiefem Seufzer) hat für mich sowas von "schwaches Weibchen sinkt an starke Männerbrust"' date=' das ist für mich schon sehr kitschig.[/quote']

Warum? Weil es für den Mann anstrengend wird ;D ?

In diesem Kontext bedeutet Kitsch also, sich an alten Moralvorstellungen entlang zu hangeln, die heute nicht mehr erwünscht sind? Werden damit Klassiker zu Kitsch?

 

Gruß, Melanie

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Könnte auch aus einem flotten Frauenroman sein und lustig gemeint! Dann ist es nicht die Spur kitschig, sondern parodiert Kitsch.

Natürlich kommt es auf den Kontext an. Aber sagen wir mal, es sei das romantische Hinsinken gemeint, in die Arme des Geliebten. Dann wirkt es durchaus kitschig.

 

Nicht nur in Klassikern durfte die Protagonistin schwach sein und an die Brust des Helden sinken. ;) Das ist heute nicht anders in Liebesromanen oder Dark Romance. Nur mimt die Heldin heute die starke Frau und gibt nicht zu, eigentlich total schwach und panisch zu sein im Angesicht von Gefahr. ;)

 

LG

Martina

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In diesem Kontext bedeutet Kitsch also' date=' sich an alten Moralvorstellungen entlang zu hangeln, die heute nicht mehr erwünscht sind? Werden damit Klassiker zu Kitsch?[/quote']

Das ist eine gute Frage. Ich habe kürzlich mal wieder Schillers "Die Räuber" zur Hand genommen, und der Pathos ist teilweise unerträglich. Den "Werther" habe ich nicht gelesen, aber soll ja für unsere Verhältnisse auch schon kaum noch lesbar sein. Dass ein gewisser Kulturwandel Einfluss auf unser Kitsch-Verständnis hat, ist sicher nicht von der Hand zu weisen.

 

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Nur mimt die Heldin heute die starke Frau und gibt nicht zu, eigentlich total schwach und panisch zu sein im Angesicht von Gefahr. ;)

 

LG

Martina

 

 

Da verhält sie sich wie ein Mann. Helden geben es auch nicht zu, wenn sie Schiss haben. ;D

 

Das mit den Klassikern ist ein interessanter Aspekt. Vielleicht waren diese Formulierungen damals noch originell, doch wurden sie so häufig nachgeahmt, dass sie heutzutage abgedroschen wirken. Unser Verständnis der Geschlechterrollen hat sich natürlich auch geändert.

Das "in die Arme Sinken" einer schwachen Frau bei einem starken Mann ist kitschig, das gebe ich zu. Doch könnte es Gründe geben, warum die Heldin gerade besonders geschwächt ist und deshalb sinkt. Sie muss nicht unbedingt das schwache Weibchen sein, ist nur einmal besonders trostbedürftig, was ja auch der Mann manchmal sein darf.

Oder nehmen wir folgende Situation: der Mann liegt schon auf dem Sofa, die Frau sitzt neben ihm. Sie besprechen Beziehungsprobleme, versöhnen sich und dann "sinkt" die Frau in seine Arme. In einer solchen Situation scheint es mir einfach das Gesetz der Schwerkraft. ::)

Daher finde ich die Formulierung nicht immer kitschig, auch nicht in Liebesszenen.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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Ich sag doch immer, das ist Geschmackssache! ;)

In einem solchen Fall, Celia, würde ich aber andere Worte wählen. Sie könnte sich auch einfach an ihn anlehnen, oder er legt einen Arm um sie und drückt sie an sich. Es muss ja nicht unbedingt das Nackenbeißer-behaftete "sinken" sein. ;)

 

LG

Martina

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Ich finde es überhaupt nicht kitschig, in jemandens Arme zu sinken. Klar, man könnte auch sagen, dass sie ihre Arme um ihn schlang. Aber gerade das Verb "sinken" hat so viel Aussage. Ich versinke in einen Traum. Ich versinke in Erinnerungen. Ich versinke in seine Arme.

 

Mit "kleinem Frauchen", die ihrem Macho in die Arme sinkt, hat das nichts zu tun. Man schreibt doch nicht für LeserInnen, die sexistisch denken. Wer verliebt ist, WILL versinken. In den Armen des Geliebten, seinen Gedanken, seinem Duft. Das ist so und daran kann ich nichts Kitschiges erkennen. Mit Schwerkraft hat das nichts zu tun. Versinken kann man auch in jemandens Armen, wenn man einen Kopf größer ist als er.

 

Wo genau sich die Grenze zwischen kitschig und nicht kitschig befindet, liegt im Auge des Betrachters, und natürlich auch dem des Autors. Irgendwie kommt mir ein Kitsch-um-jeden-Preis-vermeiden-wollen sehr gewollt vor. Wenn ich spontan kitschig schreibe, warum sollte ich mir das unbedingt abgewöhnen? Das ist so, als sei man homosexuell und versuchte, diese "Unart" loszuwerden.

 

Es ist alles gut und schön, dass "man" nicht kitschig schreibt, aber wenn es so so aus einem herauskommt, sollte man es ruhig zulassen und abwarten, was der Lektor dazu sagt.

 

Liebe Grüße,  :)

 

Bettina

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Das mit den Klassikern ist ein interessanter Aspekt. Vielleicht waren diese Formulierungen damals noch originell, doch wurden sie so häufig nachgeahmt, dass sie heutzutage abgedroschen wirken.

 

Aber genau das hatten wir schon in einem anderen Thread zum Thema Klischee - nämlich wenn eine ursprünglich originelle Idee so oft abgekupfert wurde, dass sie nicht mehr originell ist, sondern plötzlich alle Zauberer lange, weiße Bärte haben, die Ritter alle edel sind etc. Das ist nicht die Definition von Kitsch, weil Kitsch ja bedeutet, Gefühle werden nicht wirklich erzeugt, sondern es wird nur versucht und nicht erreicht, so dass der Leser sich eher peinlich berührt fühlt, statt angerührt.

Das wiederum kann natürlich auch bei Klischees passieren, aber Klischees wiederum können auch anrühren - wenn der Kontext passt.

 

Gruß, Melanie

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Ich finde es überhaupt nicht kitschig, in jemandens Arme zu sinken. Klar, man könnte auch sagen, dass sie ihre Arme um ihn schlang. Aber gerade das Verb "sinken" hat so viel Aussage. Ich versinke in einen Traum. Ich versinke in Erinnerungen. Ich versinke in seine Arme.

 

Mit "kleinem Frauchen", die ihrem Macho in die Arme sinkt, hat das nichts zu tun. Man schreibt doch nicht für LeserInnen, die sexistisch denken. Wer verliebt ist, WILL versinken. In den Armen des Geliebten, seinen Gedanken, seinem Duft. Das ist so und daran kann ich nichts Kitschiges erkennen. Mit Schwerkraft hat das nichts zu tun. Versinken kann man auch in jemandens Armen, wenn man einen Kopf größer ist als er.

Interessant, wie das unterschiedlich gewertet wird.

Bettina, du hast eben wunderbar die Wirkungsweise dieses "Buttons" beschrieben. Das Wort "sinken" in diesem Zusammenhang stößt Assoziationen an, wie das Loslassen, das Eintauchen, das sich treiben lassen, das sich schönen Gefühlen hingeben. Und das kann man natürlich am besten in einer Zone der Sicherheit und Geborgenheit ... den Armen des Geliebten.

 

Mit einem Satz (nein, mit einem Wort) werden also alle diese Dinge suggeriert, wenn es sich doch tatsächlich um einen physischen Akt handelt, nämlich Frauchen begibt sich in seine Arme. Und da ich dann doch eher physisch denke, was passiert, wenn sie sich wirklich sinken lässt (hat sie schwache Knie? Kann er sie halten?) und das macht es dann unwirklich, ja lächerlich für mich.

 

Besser wäre es, wenn man den physischen vom emotionalen Inhalt trennt. Man kann genauso schreiben "Sie spürte seine Arme um sich und es gab ihr ein Gefühl von ..." oder so ähnlich. Nagel mich jetzt nicht am genauen Wortlaut fest. Dann würde ich aber nicht diesen Lachreiz kriegen und könnte als Leser die Gefühle eindeutiger nachempfinden.

 

In sofern kann ein Satz, der gut gemeint ist, tatsächlich aber das Gefühl, das vermittelt werden soll, schon im Ansatz erschlagen. Das ist die negative Wirkung, die Kitsch für mich oft hat. Und das muss nicht sein. Der schnelle Gebrauch eines solchen Satzes ist ein "short cut", der aber nach hinten losgehen kann. Mit ein bisschen mehr Mühe kann man das aber vermeiden.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Hi Ulf,

wobei wir wieder beim Thema sind, ob man das unbedingt vermeiden muss, wenn man für eine Zielgruppe schreibt, die GERNE in solchen Assoziationen schwelgt und diese andere Umschreibung als zu nüchtern betrachten würde.

Hier kommt wieder ins Spiel - für wen schreibe ich?

Offenbar kann man unmöglich für "alle" schreiben.

 

LG

Martina

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Das ist natürlich wahr. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich wollte gesagt haben' date=' dass ich es fuer hochproblematisch und potentiell gefaehrlich halte, Autoren grundsaetzlich zu raten: Schreib ruhig Kitsch, die Leute moegen das.[/quote']

Dass Kitsch sich generell besser verkauft oder die Leute das immer lieber mögen, halte ich sowieso für ein Gerücht. Ich kenne jede Menge kitschiger Texte, die keine Sau interessiert, die niemand drucken und erst recht keiner lesen wird. Auch Kitsch schreiben will gelernt sein.

 

Aber einem Autor, der zu distanziert, zu kühl schreibt (und vielleicht auch etwas angst vor Gefühlen, insbesondere bei seinen FIguren hat), kann man durchaus raten: Geh etwas näher an deine Personen, gönne ihnen mehr Gefühle. Und das kann durchaus verkaufsfördernd sein.

 

Hans Peter

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Übrigens gibt es gegen Kitsch zwei Mittel.

 

Das eine, das am häufigsten ausgewählte, heißt: Streichen.

 

Das andere heißt: Graben. Tiefer graben. Unter den behaupteten, den falschen, den kitschigen Gefühlen finden sich nämlich oft die echten, die Perlen. Nicht die Gefühle sind das Problem - sondern die unechten.

 

Hans Peter

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Das andere heißt: Graben. Tiefer graben. Unter den behaupteten, den falschen, den kitschigen Gefühlen finden sich nämlich oft die echten, die Perlen. Nicht die Gefühle sind das Problem - sondern die unechten.

 

Aber wenn dann die echten zutage treten, kann das den Plot zermangeln, weil dann die ganze Geschichte plötzlich eine völlig andere Richtung einschlagen dürfte.

 

Wenn also die - sagen wir - kitschigen Muttergefühle umschlagen in eine kritische, möglicherweise glaubhaftere Wahrnehmung des Sprösslings, dann ist die auf die zuvor oberflächliche behauptete Mutterprämisse aufgebaute Handlung auf einmal völlig unglaubwürdig.

 

Ih wage mal den Ansatz, dass man schon bei der Planung der Story darauf achten muss, auf welcher Art von Gefühlsdarstellung man aufbauen will. Gelegentliche Kitschausrutscher im Text sind wirklich nicht schlimm und können leicht repariert werden, ein kitschiger Ansatz aber führt notgedrungen zu einer Ballung derartiger Formulierungen und Szenen und damit zu grottigen Texten.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Je länger ich hier in dem Thread mitlese, umso mehr bekomme ich das Gefühl, dass Problem mit "Kitsch" liegt nicht zuletzt in der diffusen Vorstellung bzw. der nicht vorhandenen objektivierbaren Definition dessen, was Kitsch eigentlich ist. Denn wenn man alles als Kitsch ansieht, was einen selbst irgendwie stört, ist es natürlich ebenso nachvollziehbar wie auch verständlich, dass man als Autor krampfhaft alles zu vermeiden versucht, was Kitsch ist ;D

 Kitsch definiert als "Gefühle werden nicht wirklich erzeugt" ... damit verliert sich die Diskussion auch in Beliebigkeit. Denn das Erzeugen von Gefühlen ist ja kein Bestandteil des Textes, sondern ein Element der Text-Leser-Wechselwirkung. Damit wäre Kitsch dann gar nix mehr, was in einem Text stecken könnte, sondern entstünde letztlich nur noch in der Wahrnehmung des Lesers.

 Was letztlich insgesamt bedeuten würde, dass niemals ein Autor Kitsch schreiben würde, außer er beschließt willentlich, sich zu brechen und etwas zu schreiben, was er für schlecht hält, weil er glaubt, es würde dem Publikum gefallen. Da frage ich mich, was für ein Sinn eine Kategorie hat, die man am Text selbst gar nicht mehr erkennen kann, sondern für die man den Autor fragen muss - oder dem Autor etwas unterstellen muss, wenn man sie seinem Text oder seiner Formulierung zuschreibt?

 Insofern finde ich persönlich immer noch jene formalistischen Definitionen hilfreich, die ich im Studium kennengelernt hatte. Da hatte "Kitsch" erst mal nichts mit Gefühl zu tun, sondern wurde einfach als "Fehlen von Widersprüchen" definiert. Man mag sich darüber streiten, wie umfassend solche Definition das beschreiben, was man als Kitsch empfindet - aber interessanterweise habe ich die oben genannte Definition in der Folgezeit als sehr hilfreich empfunden und tatsächlich meist wiedererkannt, auf Postkarten mit "kitschigem" Sonnenuntergang wie auch bei kitschigen, weil ungetrübten und kontextfreien Gefühlen in Geschichten. Die einfache, formale Definition hilft mir auch, Kitsch von Klischee u.a. zu unterscheiden, und Kitsch in Texten festzustellen, nüchtern und nachprüfbar und auch dem Autor vermittelbar, ohne dabei persönlich zu werden und Gefühle anzusprechen - die ja bei allen Beteiligten auch sehr schnell und unkitschig erregt werden können, wenn man jemandem erzählen will, sein Text wäre voll von "unechtem Gefühl" ;)

 

Ich fürchte, über die "einzig wahre" formale Definition von "Kitsch" kann man auch lange diskutieren - aber ich denke, eine solche formalistische, durch reine Textanalyse prüfbare Vorstellung davon, was Kitsch eigentlich ist, wäre die wesentliche Voraussetzung, um sowohl unerwünschten Kitsch aus seinen Texten herauszuhalten, ohne dabei zu verkrampfen und überzukompensieren; wie auch eine Voraussetzung, um verallgemeinerbar, nachvollziehbar und mit Distanz zu Befindlichkeiten darüber zu diskutieren.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Je länger ich hier in dem Thread mitlese, umso mehr bekomme ich das Gefühl, dass Problem mit "Kitsch" liegt nicht zuletzt in der diffusen Vorstellung bzw. der nicht vorhandenen objektivierbaren Definition dessen, was Kitsch eigentlich ist.
Da dürftest du Recht haben.

 

Insofern finde ich persönlich immer noch jene formalistischen Definitionen hilfreich, die ich im Studium kennengelernt hatte. Da hatte "Kitsch" erst mal nichts mit Gefühl zu tun, sondern wurde einfach als "Fehlen von Widersprüchen" definiert.

Zwar fehlen dem, was ich Kitsch nennen würde, auch oft Widersprüche, aber ich kenne jede Menge Texte, die ich nicht als Kitsch bezeichnen würde. Belanglose Texte zeichnen sich in der Regel durch Fehlen von Widersprüchen aus, sind aber meiner Meinung nach nicht kitschig.

 

Und Bildzeitungsartikel mangelt es meist nicht an Widersprüchen, wenn diese auch oft behauptet werden, trotzdem halte ich viele davon für kitschig ;-). Und Marlitt und CO. wären damit endgültig dem Kitsch-Vorwurf entronnen.

 

Die einfache, formale Definition hilft mir auch, Kitsch von Klischee u.a. zu unterscheiden, und Kitsch in Texten festzustellen, nüchtern und nachprüfbar
Ganz so nachprüfbar ist das auch nicht, denn was heißt das Fehlen von WIdersprüchen? Auch das kann schnell dazu führen, dass unterschiedliche Leute unterschiedliche Texte "als ohne Widerspruch" empfinden.

 

Natürlich hast du recht, eine Definition sollte sich darauf stützten, was im Text steht, nicht darauf, was Leser vielleicht, vielleicht aber auch nicht da hinein interpretieren.

 

@Andrea:

Aber wenn dann die echten zutage treten, kann das den Plot zermangeln, weil dann die ganze Geschichte plötzlich eine völlig andere Richtung einschlagen dürfte.
Das ist ein Risiko, das dir immer passieren kann ;-). Da bleibt dann die Frage, wie schwerwiegend sind die Textmängel und muss man da alles völlig ändern.

 

Wenn also die - sagen wir - kitschigen Muttergefühle umschlagen in eine kritische, möglicherweise glaubhaftere Wahrnehmung des Sprösslings, dann ist die auf die zuvor oberflächliche behauptete Mutterprämisse aufgebaute Handlung auf einmal völlig unglaubwürdig.

Kannst du das etwas konkreter ausführen? SO allgemein sehe ich den Widerspruch nicht, weil kitschige Muttergefühle in der Realität nicht gerade selten sind - insofern auch in Texten vorkommen können. Aber wenn sie nur so dastehen (der Autor und der Text die kitschigen Gefühle also teilen vom Anfang bis zum Ende) kann es durchaus auch eine Entwicklung sein, dass hin und wieder eben die anderen aufblitzen.

 

Hans Peter

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Na, nehmen wir an, jemand schreibt einen Roman über das hart arbeitende Mütterlein, dass sie bis zur Selbstaufgabe für ihre ungeratene Brut aufopfert, selbst schlimmte Verfehlungen mit ihrer mütterlichen Liebe verzeiht und heilt, mit ihrer eigenen Hände Arbeit ...

 

Hast de Milch zujedeckt,

uns Bonbons zujesteckt

un Zeitungen ausjetragen -

hast die Hemden jezählt

und Kartoffeln jeschält ...

alles mit deine Hände.

Tucholsky

 

also mit ihrer Hände Arbeit krumm und buckelig geschafft und immer ein gottgefälliges Leben gefürt hat - dann ist das eine Erbauungs- und Kitsch- Geschichte.

 

Nimmst Du da nur an einer Stelle den Kitsch raus und setzt mütterliche Wut, Überdruss und Frustation ein, wie sie eben im wahren Leben vorkommen, veränderst Du den gesamten Plot. @Spinner: dann kommt nämlich der Widerspruch auf.

 

Vielleicht wird dann sogar eine interessante Geschichte draus, aber dann muss jede Kitschformulierung raus.

 

(Übrigend ist das ein erfundenes Beispiel und übertrieben.)

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Zwar fehlen dem, was ich Kitsch nennen würde, auch oft Widersprüche, aber ich kenne jede Menge Texte, die ich nicht als Kitsch bezeichnen würde. Belanglose Texte zeichnen sich in der Regel durch Fehlen von Widersprüchen aus, sind aber meiner Meinung nach nicht kitschig.

Und Bildzeitungsartikel mangelt es meist nicht an Widersprüchen, ...

Die Frage wäre natürlich schon, ob das "Fehlen von Widersprüchen" als hinreichende Bedingung für Kitsch schon ausreicht ... Aber bei den Textstellen, die überhaupt unter Kitschverdacht geraten, habe ich es oft als sehr nützliches Kriterium bestätigt gefunden. Oft tut man sich ja schwer, eine Definition für etwas zu finden, die auch alle Fälle abdeckt, für die man sie ohnehin nicht braucht - ich würde immer sagen, wenn man ein Kriterium für die echten Zweifelsfälle hat, reicht das für die Praxis meist ;)

 

Im Einzelfall kann man natürlich an den Textbeispielen prüfen, wie relevant die Definition für die gestellt Frage ist. Der Vorteil einer formalen Definition ist allerdings: Man hat etwas, was man prüfen kann; man versteht, was der andere sagt, und redet nicht so oft aneinander vorbei.

Ganz so nachprüfbar ist das auch nicht' date=' denn was heißt das Fehlen von WIdersprüchen? Auch das kann schnell dazu führen, dass unterschiedliche Leute unterschiedliche Texte "als ohne Widerspruch" empfinden.[/quote']Man kann immer noch unterschiedlicher Meinung sein. Aber man hat falsifizierbare Aussagen - denn wer dann einen Text verteidigen will, kann konkret "Widersprüche" aufzeigen ... und wer eine andere Vorstellung von "Widersprüchen" hat, muss dann auch konkret gegen diesen Einwand anargumentieren.

 Fakt ist: Formale Definitionen taugen wenig, das Gegenüber von geliebten Geschmacksurteilen abzubringen. Und Literatur hat immer viel mit Geschmack zu tun. Das hat ja nicht mal bei dem literaturwissenschaftlichen Hauptseminar zu "Unterhaltungsliteratur" geklappt, aus dem ich meinen Fundus an "formalen Definitionen" mitgenommen habe - der Dozent selbst wurde immer wieder dabei ertappt, wie er Dinge als "trivial", "kitschig" etc. bezeichnete und dabei gegen seine eigenen Definitionen verstieß ;D Mitunter sind unterschiedliche Wertungen desselben Sachverhalts ein Problem, oft aber auch, dass Literatur nun mal eine emotionale Sache ist und Diskutanten irgendwann aus der sachlichen Diskussion aussteigen, weil die Ergebnisse ihnen schlicht nicht gefallen.

 Trotzdem konnte man plötzlich über diese Dinge reden, ohne zu streiten - wenn man ein wenig Nachsicht miteinbrachte und es einfach akzeptierte, wenn jemand anfing, an einer Lieblingsmeinung zu klammern. Aber dazwischen konnte man oft genug auch trotzdem Ergebnisse erzielen oder überzeugen. Das Wesentliche sowohl bei der wissenschaftlichen Arbeit wie auch bei gelungener Kommunikation ist ja nicht, dass automatisch alle immer und in jeder Frage zu denselben Schlussfolgerung gelangen. Wichtiger ist erst mal, dass alle miteinander reden können und nicht aneinander vorbei. Was halt prinzipiell nicht möglich ist, solange jeder unter Kitsch was anderes versteht oder nur vage ein Gefühl damit asoziiert.

 

Wo genau die Definition vom "Fehlen von Widersprüchen" ansetzt, hätte ich jetzt noch an Beispielen erläutern können, um es von deinen "Bildzeitungs"-Einwänden abzugrenzen. Aber ich denke, Andrea hat den Punkt schon getroffen, der damit gemeint war.

 Eine Grauzone entsteht natürlich dadurch, dass durch diese Definition kein scharfes +/- Kitsch entsteht, sondern eine Abstufung von Kitsch: Etwas ist nicht einfach kitschig oder nicht, sondern manches ist kitschiger als anderes, und das Gegenteil von Kitsch ist zunehmende Komplexität in den emotionalen Botschaften. Und da man kaum in jedem Detail des Buches auch noch einen Widerspruch einbauen kann, sagt diese Definition auch implizit, dass es unmöglich ist, so zu schreiben, dass überhaupt nichts mehr enthalten ist, was nicht irgendjemand als Kitsch ansehen könnte.

 Ich halte das allerdings nicht für eine Schwäche der Definition, sondern ganz im Gegenteil für einen Vorzug: Die Abstufung von Kitsch nimmt Schärfe aus dem Diskurs, weil nicht jeder zu den "Bösen" gehört, der irgendwo etwas Nachsicht zu "ein wenig Kitsch" zeigt; es hindert einen selbst daran, im Kampf gegen den Kitsch zu verkrampfen, weil man sich bewusst ist, damit gegen einen Grenzwert anzukämpfen, den man ohnehin nie erreichen kann. Und man blickt mehr auf das Gesamtbild, darauf, was genau nun eigentlich kitschig ist: Die ganze Geschichte, die Darstellung einer Beziehung darin, eine einzelne Szene, ein Bild ... Und verabsolutiert nicht mehr den Kitsch oder Nichtkitsch an einer Stelle in seiner Bedeutung für das ganze Werk.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Ich finde diese Kitschdiskussion sehr fesselnd.

 

Also ich würde mich selbst als höchst kitschgefährdet einstufen, da ich persönlich Sachen mag, die oft als Kitsch abgestempelt werden: Ich mag Bilder von Engeln, Elfen, Feen, Einhörnern, Drachen und Dämonen. Ich lese am liebsten Bücher, mit Happy End. Ich habe in meiner Jugend Barbara Cartland Romane Kistenweise verschlungen und Karl May gelesen, sogar seine frömmelnden Altbände vom Reich des Silbernen Löwen (oder so ähnlich), den Bericht über seine echte Amerikareise als Autor usw, daneben habe ich von meiner Freundin alle Heimatheftromane ihrer Mutter ausgeliehen und gelesen, in diesem Alter (so um die 14) kam mir das gar nicht kitschig vor, sondern hat mich richtig mitgerissen.

 

Was man als Kitsch empfindet ändert sich nach meiner persönlichen Einschätzung im Lauf des Lebens, je mehr man liest, je mehr Lebenserfahrung man mit echten Gefühlen sammelt, desto eher langweilt man sich bei abgenutzten Darstellungen, die nicht mit dem eigenen Erleben zusammenpassen.

 

Ich selbst werde leicht rot im Gesicht, wenn ich mich aufrege oder in Verlegenheit gerate. Als ich jedoch so ein Erröten einer Prota zuschrieb bekam ich von Testleserinnen (die deutlich jünger sind als ich) zu hören, dass heute keine Frau mehr so rasch rot wird wie meine Prota....

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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Nimmst Du da nur an einer Stelle den Kitsch raus und setzt mütterliche Wut, Überdruss und Frustation ein, wie sie eben im wahren Leben vorkommen, veränderst Du den gesamten Plot.

 

 

Da widerspreche ich - denn bei dem von dir geschilderten Beispiel handelt es sich ja bei der Beschreibung der Muttergefühle nicht um Kitsch, sondern um eine Art der Abwehr, wie die Mutter mit ihrer Mutterrolle und den Frustrationen umgeht. Und ist eine psychodynamische Abwehr - nämlich Frust und Wut abzuspalten, indem man die Verkehrung ins Gegenteil vornimmt - Verzärtelung und Behütung, Kitsch? Ich finde nicht, denn das kann ein sehr stimmiges Bild sein. Die Mutter mag kitschig rüberkommen, aber nicht, weil der Autor "geschlampt" hat, sondern weil es in das stimmige, psychodynamische Bild genau dieser Mutter passt. Und der Leser wird, wenn es richtig angefangen ist, auch die Wut spüren - aber nicht in der Mutter, sondern in der Gegenübertragung bei sich selbst, weil er eben auf diese Mutter wütend wird.

 

Gruß, Melanie

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Die Mutter mag kitschig rüberkommen' date=' aber nicht, weil der Autor "geschlampt" hat, sondern weil es in das stimmige, psychodynamische Bild genau dieser Mutter passt.[/quote']Ich würde nicht mal sagen, dass Kitsch und Realismus ein Widerspruch sein müssen. Der "kitschige" Sonnenuntergang auf der Postkarte kann ja durchaus auch ein echtes Foto sein ... für das halt nur ein Ausschnitt und ein Augenblick gewählt wurde, wo keine Wolke stört, alle Farben harmonisch sind und auch sonst nichts zu sehen ist, was eine andere Nuance ins Bild bringen könnte. Die Darstellung der Mutter wird halt kitschig, auch wenn tatsächlich nur Verhaltensweisen gezeigt werden, die auch eine reale Mutter an den Tag legen könnte. Der Kitsch entsteht dann durch den gezeigten Ausschnitt dieser Mutter und ihres Verhaltens, in dem alles fehlt, was nicht zu "mütterlich" passt.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Na, nehmen wir an, jemand schreibt einen Roman über das hart arbeitende Mütterlein, dass sie bis zur Selbstaufgabe für ihre ungeratene Brut aufopfert, selbst schlimmte Verfehlungen mit ihrer mütterlichen Liebe verzeiht und heilt, mit ihrer eigenen Hände Arbeit ...

Ja, das wäre Kitsch, wenn das alles so an der Oberfläche bleibt. Aber wer würde das Lesen? Die Mutter steht morgens früh auf, schmiert Brote, eilt zur Fabrik, um das Geld für die Kinder zu verdienen, eilt zurück, putzt Wohnung, macht Abendessen, etc. pp.

 

Nur das allein ist zwar Kitsch - aber langweilig. Was anderes wäre es, wenn da ein Mann als Säufer auftauchte, der immer gewalttätiger würde und irgendwann schlägt er sie krankenhausreif und dann bringt er sie um.

 

Oder die Kinder sind undankbar. Oder die Mutter rastet irgendwann aus, weil die Kinder sich hinten und vorne bedienen lassen.

 

Das könnte immer noch Kitsch sein (muss nicht), wäre aber zumindest spannend - oder könnte es sein.

 

Nimmst Du da nur an einer Stelle den Kitsch raus und setzt mütterliche Wut, Überdruss und Frustation ein, wie sie eben im wahren Leben vorkommen, veränderst Du den gesamten Plot.

Das ist richtig - wäre aber auch dringend angeraten, wolltest du die Story verkaufen.

 

(Übrigend ist das ein erfundenes Beispiel und übertrieben.)

Schau dich mal bei DKZV Büchern um - da findest du sicher gleichwertiges. So übertrieben ist das auch wieder nicht.

 

Hans Peter

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Die Frage wäre natürlich schon' date=' ob das "Fehlen von Widersprüchen" als hinreichende Bedingung für Kitsch schon ausreicht ... Aber bei den Textstellen, die überhaupt unter Kitschverdacht geraten, habe ich es oft als sehr nützliches Kriterium bestätigt gefunden.[/quote']Für Kitsch, der niemand interessiert, stimmt das. Aber wenn du Heftchen- oder andere Romane schreiben willst, egal, wie kitschig und seicht, irgendwo musst du einen Konflikt und Gefühle haben. Du kannst sie an den Haaren herbeiziehen, süßlich schildern, unecht, was du willst. Aber ganz glatt geht nicht.

 

Ein wunderschöner junger Mann und ein wunderhübsches junges Mädchen verlieben sich. Wenn sie sich auf der zweiten Seite kriegen und fortan leben sie glücklich und zufrieden, wäre das zwar auch Kitsch, aber einer der Sorte, die niemand liest.

 

Zumindest die Eltern sollten also dagegen sein.

 

Oft tut man sich ja schwer, eine Definition für etwas zu finden, die auch alle Fälle abdeckt, für die man sie ohnehin nicht braucht - ich würde immer sagen, wenn man ein Kriterium für die echten Zweifelsfälle hat, reicht das für die Praxis meist ;)
Da hast du zwar recht - aber in diesem Fall würde die Definition soviel ausschließen, dass sie nichtssagend wird, weil sie nur noch auf Bücher zutrifft, die nun wirklich keiner mehr lesen will.

 

Im Einzelfall kann man natürlich an den Textbeispielen prüfen, wie relevant die Definition für die gestellt Frage ist. Der Vorteil einer formalen Definition ist allerdings: Man hat etwas, was man prüfen kann; man versteht, was der andere sagt, und redet nicht so oft aneinander vorbei.

Da hast du völlig recht.

 

Man kann immer noch unterschiedlicher Meinung sein. Aber man hat falsifizierbare Aussagen - denn wer dann einen Text verteidigen will, kann konkret "Widersprüche" aufzeigen ... und wer eine andere Vorstellung von "Widersprüchen" hat, muss dann auch konkret gegen diesen Einwand anargumentieren.
Na ja, das trifft auch für die Definition "falsche Gefühle" oder "behauptete Gefühle" zu. Da müsstest du auch argumentieren, warum die Gefühle der in brennender Liebe schmachtenden echt sind. Oder vom Autor behauptet.

 

 

Trotzdem konnte man plötzlich über diese Dinge reden, ohne zu streiten - wenn man ein wenig Nachsicht miteinbrachte und es einfach akzeptierte, wenn jemand anfing, an einer Lieblingsmeinung zu klammern. Aber dazwischen konnte man oft genug auch trotzdem Ergebnisse erzielen oder überzeugen. Das Wesentliche sowohl bei der wissenschaftlichen Arbeit wie auch bei gelungener Kommunikation ist ja nicht, dass automatisch alle immer und in jeder Frage zu denselben Schlussfolgerung gelangen. Wichtiger ist erst mal, dass alle miteinander reden können und nicht aneinander vorbei. Was halt prinzipiell nicht möglich ist, solange jeder unter Kitsch was anderes versteht oder nur vage ein Gefühl damit asoziiert.

Auch richtig - aber das Problem ist, dass es durchaus etwas gibt, das Leute mit Kitsch bezeichnen und etwas anderes, das sie mit "Klischee" bezeichnen. Die beiden Dinge gibt es und auch wenn es im konkreten Fall sehr große Unterschiede darüber gibt, ob das Buch XX darunter fällt oder nicht.

 

Eine formale Definition muss ja wenigstens ungefähr dem entsprechen, was in der Alltagssprache darunter verstanden wird, sonst nützt sie im Alltag nix (auch wenn sie in der Wissenschaft durchaus nutzbar sein kann).

 

Aber ich denke, Andrea hat den Punkt schon getroffen, der damit gemeint war.
Richtig, aber da fallen dann eben nur DKZVler drunter.

 

Eine Grauzone entsteht natürlich dadurch, dass durch diese Definition kein scharfes +/- Kitsch entsteht, sondern eine Abstufung von Kitsch:

Das halte ich für selbstverständlich - Ein Buch ist nicht entweder Kitsch oder gar kein Kitsch, sondern da gibt es kitschige Dinge drin, mal mehr, mal weniger und im Idealfall gar keine.

 

 

das Gegenteil von Kitsch ist zunehmende Komplexität in den emotionalen Botschaften.
Sicher richtig, dass Kitsch meist nicht sehr komplex ist.

 

 Ich halte das allerdings nicht für eine Schwäche der Definition, sondern ganz im Gegenteil für einen Vorzug: Die Abstufung von Kitsch nimmt Schärfe aus dem Diskurs,
Da wären wir wieder bei dem Ausgangspunkt, dass Kitsch eine Mauer bilden kann. Eben dann, wenn es absolut gesetzt wird und unbedingt zu vermeiden ist.

 

Und man blickt mehr auf das Gesamtbild, darauf, was genau nun eigentlich kitschig ist: Die ganze Geschichte, die Darstellung einer Beziehung darin, eine einzelne Szene, ein Bild ... Und verabsolutiert nicht mehr den Kitsch oder Nichtkitsch an einer Stelle in seiner Bedeutung für das ganze Werk.

DAS unterschreibe ich dir sofort. Denn das ist genau das Problem, wenn du Texte verbessern willst: Da helfen dir absolute Urteile rein gar nichts. Da geht es darum: Wo ist ein Problem und wie kann ich es lösen.

 

Hans Peter

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Richtig, aber da fallen dann eben nur DKZVler drunter ...

Das halte ich für selbstverständlich - Ein Buch ist nicht entweder Kitsch oder gar kein Kitsch, sondern da gibt es kitschige Dinge drin, mal mehr, mal weniger und im Idealfall gar keine.

Ich füge hier mal die beiden Zitate aneinander, weil dein zweites Zitat die Antwort auf dein erstes ist - Ich will deinem Einwand mit den DKZVlern nicht folgen, aber du hast vermutlich Recht, dass es einem Buch nicht gut täte, wenn außer dem von Andrea genannten Beispiel nichts anderes darin geschähe. Aber es wäre durchaus ein Buch mit einem Konflikt denkbar, in dem neben anderen Geschehnissen die Mutterfigur und ihr Auftreten dennoch genau so eindimensional ... und kitschig beschrieben würden. Denn das "Fehlen von Widersprüchen" wäre als Definition nur dann zu ausschließend und nichtssagend, wenn jedes Buch entweder als Ganzes komplett und durchgehend kitschig sein müsste oder gar nicht.

 Aber, wie du schon gesagt hast: Das nur kitschige Buch gibt es wohl genauso wenig wie das in allen Details unmöglich als kitschig zu empfindende Buch. Und für die Eingrenzung kitschiger Elemente in einem Buch umreißt die obige Definition ziemlich oft genau das, was man konsensfähig in der Alltagssprache als "Kitsch" empfindet. Wenn auch nicht unbedingt alles, was einzelne Personen als Kitsch empfinden können - oder was Leute als Kitsch empfinden, die Kitsch und Klischee verwechseln. Denn zur Abgrenzung dieser beiden Erscheinungen taugt die Definition auch recht gut :)

 Das "in die Arme sinken" beispielsweise an sich wäre demzufolge kein Kitsch ... was auch ziemlich genau meinem "Alltagsverständnis" des Begriffs entspräche. Denn Kitsch könnte nach der Definition nur im Rahmen eines Gesamtkontexts entstehen, der Raum für Komplexität lässt: Nicht das "in die Arme sinken", ein Kuss, ein Anschmachten an sich wäre kitschig, sondern nur die Art, wie es geschieht oder in den Text eingebettet wird, könnte es sein. Das in die Arme sinken an die Starke Heldenbrust, während ringsum bunte Blütenblätter fallen und Vögelein Liebeslieder singen - das beispielsweise könnte man als kitschig bezeichnen, weil alles in der Darstellung dann auf den einen Effekt hin ausgerichtet wäre.

Ein Happy End, bei dem nicht nur Held und Heldin einander bekommen, sondern schließlich auch noch der Bösewicht geläutert ist, die Wunden geheilt und alle Nebenfiguren gleichermaßen glücklich werden - das würde ich kitschig nennen, weil alles, was vorher im Buch geschah, auf die Harmonie der letzten Szene hin ausgerichtet wird, ohne dass irgendein dem widersprechender Ton aus der Gesamtkomposition an dieser Stelle erhalten bliebe.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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P.S.:

... das hart arbeitende Mütterlein' date=' dass sie bis zur Selbstaufgabe aufopfert, ...[/quote']

(Übrigend ist das ein erfundenes Beispiel und übertrieben.)

Schau dich mal bei DKZV Büchern um ...

Wenn ich mir das jetzt noch mal durch den Kopf gehen lasse, stelle ich fest, dass dieses Beispiel genau den Inhalt der Jahr für Jahr in unserem kostenlosen Wochen-Werbeblatt erscheinenden Weihnachtsgeschichte wiedergibt. :o Der Gedanke, dass der Verleger für das Erscheinen bezahlt wird, könnte möglicherweise diese Persistenz des schlechten Geschmacks erklären ...

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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