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Inge

Feuer brennt nicht - Ralf Rothmann

Empfohlene Beiträge

„Feuer brennt nicht“ von Ralf Rothmann, erschienen im Suhrkamp Verlag.

 

Es ist der erste Roman des Autors, den ich gelesen habe und den ich erst mit diesem Buch entdeckte. [[ Und: Es ist kein Krimi.;-) ]]

 

Ralf Rothmann beschreibt in diesem Buch das Leben eines Schriftstellers namens Wolf. Ralf – Wolf? Beide sind Autoren. Da liegt die Frage nahe: Wie viel Autor steckt in der Romanfigur? Aber diese Frage ist müßig: Wolf mag ich nicht. Ralf Rothmann kenne ich nicht persönlich.

 

Wolf ist also Autor, lebt in Berlin (genauer im Osten der Stadt, also ehemaligem DDR-Gebiet) und steht laut Klappentexten und Rezensionen zwischen zwei Frauen. Das kann ich nicht finden. Er hat zwar eine langjährige Lebenspartnerin, Alina und eine Geliebte, Charlotte. Aber er steht nicht in dem Spannungsfeld, sich für eine der beiden entscheiden zu müssen. Er nimmt einfach beide und ab und an einen One-Night-Stand und wenn das nicht reicht, dann geht er in den Puff. Alina gibt sich großzügig und Charlotte will Wolf nicht für immer - nur alle vierzehn Tage. Wo ist das Dilemma?

 

Sex wird in diesem Buch ausführlich, bis hin zu grauen Schamlippen, beschrieben. Hätte einerseits vielleicht nicht unbedingt sein müssen, andererseits entlarvt das die Romanfigur Wolf ganz prächtig.

 

Anfangs weiß Alina, die seit zwanzige Jahren an seiner Seite ausharrt – warum, das wird eigentlich nie geklärt, man kann es als Leser nur ahnen – nichts von Charlotte. Doch während eines Parisurlaubs fragt Alina und erfährt die Wahrheit. Wolf beichtet, ist erleichtert, braucht er doch nun nicht mehr heimlich tun, nachdem Alina die Geliebte großmütig akzeptiert. Doch sie leidet unter der Situation. Wolf bemerkt das, was ihn aber nicht daran hindert weiter alles zu wollen und zu nehmen. Arschloch, habe ich laut in die Stille meines Zimmers gesagt, als Wolf zu Charlotte geht, ohne sich von Alina zu verabschieden, die weinend in ihrem Arbeitszimmer sitzt. Er sieht das als Rücksichtsnahme. Ich denke, er hat keine Ahnung, wer da in diesem Zimmer sitzt und weint.

 

Wolf ist ein sich permanent bespiegelnder Egozentriker, der Alinas Liebe und Hingabe, wie selbstverständlich nimmt, ebenso wie Charlottes Bereitwilligkeit, seine Bedürfnisse zu befriedigen, die allerdings auch ihre sind. Sie gibt ihm viel und er sagt, dass sie nicht geben kann. Diesem Satz folgt ein kurzer Monolog, in dem Charlotte Wolf erklärt, was sie ihm gibt! Davon hätte ich gerne mehr gehabt. Wolf stößt so gut wie nie auf Widerstand.

 

 

[[ Achtung: Folgender Absatz verrät das Ende des Romans - den also bitte nicht lesen, wenn man das vorab nicht wissen will ]]

Auf das, in mehreren Rezensionen, als überraschend, angekündigte Ende, habe ich gewartet. Als es dann kam – ich ahnte es ohnehin schon – war ich enttäuscht. Alina, todkrank, bringt sich um. Mir hätte es besser gefallen, wenn sie sich – ebenso still, wie sie sich zu ihrem Selbstmordort begibt – aus Wolfs Leben davon gemacht hätte. Lebend!

 

Was mir an dem Roman – der eher eine sehr lange Erzählung ist – gefallen hat, ist Rothmanns präzise Sprache. Mit wenigen Worten bringt er Stimmungen und Personen auf den Punkt. Ebenso gefällt mir, dass ich mir mein ganz persönliches Bild von Wolf und Alina und ihrer Beziehung machen darf. Der Autor schreibt es mir nicht vor. Ich bin sicher, Männer werden das Buch anders lesen als Frauen und auch manche Frau wird es anders lesen als ich.

 

Gegen Ende taucht eine wunderbare weibliche Nebenfigur auf, Gerda, die steinalte Tante von Wolfs Frisöse. Es entspinnt sich ein schöner Dialog in diesem, an Dialogen armen Buch.

 

„Wissen Sie, was unter dem ersten Brief meines späteren Mannes stand? >Ich liebe Dich für immer. Heil Hitler, Dein Kurt.< Drollig, oder? Das war so ein Super-Schneidiger; möchte nicht wissen, was der so alles verbockt hat damals. Und dreißig Jahre, vier Kinder und zwei Fehlgeburten später, nachdem er sich mit seiner neuen Flamme an die polnische Ostsee verdrückt hatte, hieß es dann >Ich hoffe, wir bleiben trotzdem Freunde. Mit sozialistischen Grüßen, Dein oller K.< Das zur Weltgeschichte.“

 

Das also, sagt Tante Gerda.

Geschichte in wenigen Zeilen komprimiert und viel Freiraum zwischen den Zeilen für die eigenen Vorstellungskraft.

 

Plötzlich taucht da am Ende eine sehr lebendige Figur auf und macht mir dadurch deutlich, was mir in dem Roman - den ich eigentlich als lange Erzählung empfunden habe - fehlt. Von diesen Figuren und Dialogen hätte ich gerne mehr gehabt.

 

Mein Fazit: Ein tolles Buch, das durch eine genaue Beobachtungsgabe und sehr präzise Sprache besticht.

 

Edit: Spoilerverweis eingefügt. Danke, Lisa für den Tipp.

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Liebe Inge,

als Rothmann- Fan habe ich sofort deine Rezension gelesen. Und mich sehr gefreut, dass du ihn hier vorstellst, weil ich sehr neugierig auf sein neues Buch bin.

 

Diese Passage über die überraschende Auflösung in deiner Rezension finde ich etwas unglücklich, da du mir das Ende bereits verrätst. Vielleicht kannst du das nachträglich spoilern, damit man da als noch Nichtgelesenhabender rechtzeitig gewarnt wird?

 

Liebe Grüße

Lisa

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Hallo Lisa,

 

danke für Deinen Hinweis. Spoilerwarnung ist nun eingefügt und dabei fiel mir auf, dass Du das von mir verratene Ende zitierst und nun alle, die den Absatz in meiner Besprechung, aufgrund der jetzt eingefügten Warnung, umschiffen doch schiffbrüchig werden, wenn sie Deinen Beitrag lesen. Vielleicht löschst du das Zitat?

 

LG

Inge

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