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(Peter D. Lancester)

Wie beschreibt ihr Glücklichkeit und Zufriedenheit?

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Wie viel Schoenes, Helles, Heiles, wie viel Zaertliches, Versoehnendes, Herrliches vertraegt ein Roman?

 

Je nach Genre sehr viel.

Bei den historischen Liebesromanen ist das sehr viel. Ich lese das ab und zu ganz gern, ist so richtig was zum Träumen.

 

Und: Wie stellt ihr euch solchen harten Aufgaben, wie meistert ihr sie, wo sind eure Schwierigkeiten, was gelingt euch gut?

 

Es gelingt mir so gut, dass mir schon öfter "Kitsch-Alarm" an manche Stellen dran geschrieben wurde. ;D

Hart finde ich das gar nicht, im Gegenteil, das ist wie beim Lesen, wenn Held und Heldin erst seitenweise Abenteuer bestehen mussten und dann endlich einander in die Arme sinken können, dann passt das einfach.

Oder sie gerade ein schreckliches Erlebnis hatte und er sie tröstet und ablenkt. Oder umgekehrt, kommt halt auf den Text an ;)

 

LG

Maren

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Also, ich habe das Problem, dass Du, Christa nicht hast.

 

Gerade da, wo es um "Mittelmaessiges" geht.

 

Mir ist z.B. gerade aufgefallen, dass ich werde beschreiben muessen, wie zwei einander kuessen. Und wie sie das schoen finden.

 

Daran ist ja nun nichts Besonderes.

Ich koennte das ja auch weglassen (und kann mir vorstellen, dass viele dazu raten wuerden). Ich finde das aber nicht richtig. Kuesse oder Folterszenen - ich finde, ich kann nur weglassen, was fuer die Entwicklung von Figuren und Handlung ohne Bedeutung ist. (Und ich wuerde ganz gewiss als allerletztes einen Kuss als reines Beiwerk beschreiben.)

 

Wenn ich's weglasse, weil ich's nicht schreiben kann, obwohl es einen Wendepunkt darstellt (z.B. eine wenig laessliche Suende ist, z.B. als Initialzuendung fungiert, z.B. eine Aenderung im Verhalten der Figuren markiert), bin ich - finde ich - ebenso der "feige Autor", wie der, der sich die Folterszene schenkt.

 

Am einfachsten erscheint mir, irgendetwas Haessliches oder Komisches dazu zu erfinden. Der Typ koennte zum Beispiel Mundgeruch oder fettige Haare haben, oder ein Pferd koennte furzen.

 

Das kann man machen, ohne Frage. Das mit dem Pferd hab ich mal ausprobiert und finde das Ergebnis recht nett. Nur darf ich mir dabei nichts vormachen: Ich bin dabei immer noch der feige Autor. Der, der sich vor der Wahrheit drueckt.

 

Ich kann das ganze Ding auch pathetisch ueberhoehen, mit Bedeutung stopfen und aufbauschen, sexuell uebersteigern.

Ich bin dann nur immer noch der feige Autor, habe ausserdem eine dramaturgisch wie stilistisch misslungene (und hoechstwahrscheinlich unlesbare) Szene im Roman - und mich um die Chance gebracht, etwas zu schildern, wie es ist und wie es in meine Geschichte gehoert.

 

Ich behaupte: Es gehoert Mut dazu, zwei sich kuessen zu lassen, nur kuessen, und dabei gluecklich sein zu lassen, nur gluecklich, fuer eine sehr kleine Weile, und wenn man den Mut aufbringt - dann muss man's auch noch koennen.

So, dass es glaubhaft und unaufdringlich und vorstellbar und beruehrend geraet. Und kitschfrei. Und originell. Und ...

 

Wie geht's euch?

 

Alles Liebe von Charlie

(Christa Recht gebend: die "boesen Threads" scheinen deutlich begehrter.)

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Nochmal ich:

 

Mir ist noch was eingefallen. Ein Gefühl von Glück kann man auch über Dialoge vermitteln. In meinem letzten Roman gibt es einen Dialog über die Unendlichkeit der Liebe, das heißt über den Dialog Tullia d' Aragonas, er findet auf einer Insel der Lagune statt. Mit der Umgebung und den beiden Menschen, die ihn führen:

da habe ich mich glücklich gefühlt! Und nochmal: es ist das Leichteste, was ich mir vorstellen kann, es geschieht einfach.

Nachher gucke ich mir Wieland Backes "Was ist Glück?" an, vielleicht regt mich das zu weiteren Glücksmomenten an. :s17

 

Christa

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(Peter_Dobrovka)

Inzwischen habe ich mich weiterentwickelt und möchte sagen, daß es auch hier wichtig ist, Klischees zu vermeiden. Hier wohl noch wichtiger als sonstwo, denn man rutscht schneller als man denkt in die Kitschfalle.

 

Und mein Eingangszitat ist eventuell noch wichtig: Solange es einem Menschen in seinem Alltag gut geht, ist er sich dessen nicht bewußt und empfindet kein besonderes Glück oder Dankbarkeit. Man ist als Autor daher gezwungen, hier den Alltag zu beschreiben und sich bezüglich Schilderungen von Zufriedenheit und der Reflexion des eigenen Schicksals zurückzuhalten.

 

Anders verhält es sich mit außergewöhnlichen Ereignissen. Man empfindet Glück sozusagen dann, wenn sich die Situation verbessert. Wenn man etwas bekommt, das man zuvor nicht hatte.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Ah, hier sammeln sich interessante Dinge an!

 

Mir ist z.B. gerade aufgefallen, dass ich werde beschreiben muessen, wie zwei einander kuessen. Und wie sie das schoen finden.

 

Daran ist ja nun nichts Besonderes.

Ich koennte das ja auch weglassen (und kann mir vorstellen, dass viele dazu raten wuerden). Ich finde das aber nicht richtig. Kuesse oder Folterszenen - ich finde, ich kann nur weglassen, was fuer die Entwicklung von Figuren und Handlung ohne Bedeutung ist. (Und ich wuerde ganz gewiss als allerletztes einen Kuss als reines Beiwerk beschreiben.)

 

Wenn ich's weglasse, weil ich's nicht schreiben kann, obwohl es einen Wendepunkt darstellt (z.B. eine wenig laessliche Suende ist, z.B. als Initialzuendung fungiert, z.B. eine Aenderung im Verhalten der Figuren markiert), bin ich - finde ich - ebenso der "feige Autor", wie der, der sich die Folterszene schenkt.

d'accord.

 

Am einfachsten erscheint mir, irgendetwas Haessliches oder Komisches dazu zu erfinden. Der Typ koennte zum Beispiel Mundgeruch oder fettige Haare haben, oder ein Pferd koennte furzen.

 

Das kann man machen, ohne Frage. Das mit dem Pferd hab ich mal ausprobiert und finde das Ergebnis recht nett. Nur darf ich mir dabei nichts vormachen: Ich bin dabei immer noch der feige Autor. Der, der sich vor der Wahrheit drueckt.

In der Tat, gut erkannt. Vor allem aber hast du aus dem Kuss, der Harmonie und Glück repräsentieren sollte, eine Parodie gemacht. Eine Farce. Der Furz lenkt ab vom Kitsch, bringt jedoch ein Element des Lächerlichen und Unwürdigen herein, das absolut nicht erwünscht ist.

 

Ich kann das ganze Ding auch pathetisch ueberhoehen, mit Bedeutung stopfen und aufbauschen, sexuell uebersteigern.

Ich bin dann nur immer noch der feige Autor, habe ausserdem eine dramaturgisch wie stilistisch misslungene (und hoechstwahrscheinlich unlesbare) Szene im Roman - und mich um die Chance gebracht, etwas zu schildern, wie es ist und wie es in meine Geschichte gehoert.

Dezenter Widerspruch: Bei der pathetischen Überhöhung kann man nicht mehr von Feigheit sprechen. Mißraten ist das Ergebnis zwar ebenfalls, aber die Angst (die Feigheit) ist die Angst vor dem Kitschigen und Peinlichen. Und wenn man Pathos reinbringt, tut man genau das, wovor man Angst hat.

 

Ich behaupte: Es gehoert Mut dazu, zwei sich kuessen zu lassen, nur kuessen, und dabei gluecklich sein zu lassen, nur gluecklich, fuer eine sehr kleine Weile, und wenn man den Mut aufbringt - dann muss man's auch noch koennen.

So, dass es glaubhaft und unaufdringlich und vorstellbar und beruehrend geraet. Und kitschfrei. Und originell. Und ...

Ähnlich wie beim Klischee stelle ich die Frage, ob selbst Erlebtes Kitsch sein kann.

Außerdem stelle ich noch die Frage, ob man sich nicht unnötig selbst überfordert, wenn man so viele Voraussetzungen zugleich erfüllen will. Ich störe mich da insbesondere am "originell". Ein Kuss muß doch, um Himmels Willen, nicht originell sein!

 

Ich denke Folgendes: In dieser Kussszene gibt es mehrere Ebenen. Einmal die der Handlung und einmal die der Reflexion - und den Rest kriege' ma später.

Die Reflexion kann man weglassen, wenn auch sonst im Roman keine Reflexionen stattfinden. Dann wird es eine reine Beschreibung, was nicht schwer sein dürfte, aber ich halte es für nicht erstrebenswert, die literarische Dimension zu kappen.

Wenn ich an meine Gedanken denke, die ich bei einem Kuss habe oder gar bei meinem ersten verliebten Kuss hatte, dann sind diese tatsächlich irgendwie kitschig. ("Ich bin so glücklich" / "Möge dieser Augenblick ewig währen" etc.) Kitsch kann also durchaus AUTHENTISCH sein!! Je nach Situation oder Frau denke ich auch schon mal an völlig andere Sachen wie den nächsten Abgabetermin oder an den Film, den ich gucken will, wenn ich wieder zu Hause bin, aber das ist dann keine Reflexion von Glück. Will sagen: Solche Situationen/Gedanken gibt es auch, aber nicht von diesen handelt dieser Thread.

 

Ich lehne mich mal ein wenig aus dem Fenster und behaupte: Wer kein Glück im Leben erfahren hat; wer immer vorwiegend das Negative sah oder sein Glück nicht hinnehmen und genießen konnte, wird ein Problem haben, solche glücklichen Szenen zu schreiben. Ein verdammtes Problem. Denn entweder wird das Glück nicht fühlbar sein, oder wenn doch, wird es auf den Autor kitschig wirken und deswegen ungeschrieben bleiben.

 

Wer gut schreiben will, muß seine Gefühle zulassen können. Im Guten wie im Bösen.

 

Peter

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Indem ich meine Protas aufrufe und deren Leben mit dem Meinem vergleiche.

Ich schreibe HR. Glück ist machmal nur ein Lächeln, von einer unerwarteten Stelle. :s17 Wenn man im Supermarkt jemanden vorlässt, selbst am Postschalter vorgelassen wird.

Alles was einem passiert, eine heitere Sicht schafft.

Alles was einen nicht umbringt.

Und noch ein bisschen mehr.

 

LG

Dagmar

Das Beste beim Diktieren ist, dass man Worte verwenden kann, von denen man keine Ahnung hat, wie sie geschrieben werden.

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Indem ich meine Protas aufrufe und deren Leben mit dem Meinem vergleiche.

Ich schreibe HR. Glück ist machmal nur ein Lächeln, von einer unerwarteten Stelle.  :s17 Wenn man im Supermarkt jemanden vorlässt, selbst am Postschalter vorgelassen wird.

Alles was einem passiert, eine heitere Sicht schafft.

Alles was einen nicht umbringt.

Und noch ein bisschen mehr.

 

LG

Dagmar  

 

Hi allezusammen,

 

scheint ja schon ein uralt Thema zu sein. Hoffe, der Mod. hat es inzwischen gelöst.

 

Aber es gibt einen uralt Trick.

 

Der Prot. der Gefühle ausdrücken will/muss tut das am Besten selbst. Diese ganze Beschreiberei bringt den Leser nicht wirklich "ran"

 

In der "Ich-Form" ist das kein Problem

In der dritten Person auch nicht...indem man den, der etwas "darstellen" muss/möchte...mal kurz aus dem Geschehen für sich selbst sprechen lässt in "..." natürlich.

Das hemmt den Lesefluss in keiner Weise. Im Gegenteil. Der Leser wartet geradezu auf die nächsten Gedanken des Prot.

Hie kann man sehr gut mit dem Spannungsbogen spielen.

 

Probierts einfach mal. Es klappt

 

euer hef

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Probierts einfach mal. Es klappt

Ob das das ganze Lösung für Charlies Problem ist? :-/

 

Bleiben wir mal beim Thema Kuss. Jeder, der mehr als eine Person in seinem Leben geküsst hat, weiß, wie unterschiedlich Küsse sein können. Dazu kommt noch als entscheidender Faktor alles, was Du bisher über Deinen Küsser weißt. Dein Tom hat sicher feuchter geküsst als mein Andrej, so kraftstrotzend wie der war! Es gibt stürmische Küsse, zögernde, besitzergreifende, schüchterne, überrumpelnde - muss ich ja gar nicht alles aufzählen. Was ich sagen möchte: gerade an solchen Stellen kann man doch noch mal richtig schön alles zeigen, was man über seine Leutchen weiß. Und dann muss das überhaupt nicht klischeehaft werden.

 

Liebe Grüße

Uschi

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AngelikaL - Laura Albers

Beim Küssen kommt es auch ganz entscheidend darauf an, ob es "nur" der erste Kuss zwischen zwei Menschen ist oder für einen von beiden der allererste Kuss überhaupt. Wenn man schon mal richtig geküsst wurde, ist es nicht mehr ganz neu, auch wenn der/die Partner/in wechselt. Dann ist es wohl schon ziemlich interessant - und m.E. nicht ganz vermeidbar - dass man vergleicht. Dieses Vergleichen gehört wiederum sicher nicht in einen Roman hinein; jedenfalls nicht in jede Art von Roman.

 

Ansonsten beschreibe ich die stille Art von Glück, indem sich meine Protagonisten z.B. einfach hinsetzen und die Ruhe genießen, obwohl sie gerade noch irgend etwas dringendes erledigen oder herausfinden wollten - vielleicht nicht "obwohl", sondern gerade weil. Sie nehmen sich kurzerhand eine Auszeit, weil sie gerade feststellen, wie gut es sich anfühlt, dort an Ort und Stelle ein wenig zu verharren.

 

Zu diesen bewusst erlebten, stillen Glücksmomenten gehört es allerdings auch, dass eine Art von Gefahr, eine Bedrohung, eben noch da war und auch jederzeit wieder auftreten kann. Trotz Glück und Zufriedenheit "schwingt" die Kehrseite jederzeit mit.

 

Große Glücksmomente erzähle ich auch eher mit kleinen Gesten als mit Freudensprüngen. Vielleicht, weil meine Leute eher ein wenig introvertiert sind.

 

Liebe Grüße,

Angelika

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(Wat fuer'n Tom meinste denn? TOM SEYMOUR? Au weia, Uschi, das ist doch der, dem ich das furzende Pferd ans Bein gebunden hab - solche Himmelsmacht von Kuesserei ist anders doch wirklich nicht zu ertragen.)

 

Peter stellt eine - fuer mich - hochinteressante und immer mal wieder auftauchende Frage:

 

Kann "echt Erlebtes" Kitsch sein?

 

Ich denke:

 

Erlebtes natuerlich nicht.

Weder Kuesse noch Veilchen noch Katzenkinder oder Nachtigallen sind Kitsch.

 

Aber leider:

 

Die Tatsache, dass man selbst "ganz in echt" gekuesst, am Veilchen gerochen, ein Katzenkind aufgezogen und der Nachtigall gelauscht hat, bewahrt einen leider noch lange nicht davor, selbiges "ganz in unecht" - und ganz in kitschig - darzustellen.

 

Und gerade da, wo der Ruehrungsknopf nahe sitzt, wo ein Element tausendmal zur abgeschmackten Darstellung missbraucht worden ist, wird der Grat zur Wanderung zwischen "echt erlebt" und "unecht verkitscht" ganz schmal.

 

Ich bin uebrigens (leider) auf derselben Ebene ueberhaupt nicht Deiner (Peters) Ansicht, dass einer der Glueck erleben und annehmen kann, dieses auch darzustellen vermag, der negative Ablehner hingegen nicht. Im Gegenteil (leider): Vermutlich faellt es dem, der gegen Gluecksraeusche gefeit ist, der sich weder des Oefteren besoffen gekuesst noch betoert der Nachtigall gelauscht hat, leichter, die zum praezisen, authentischen Schreiben noetige Distanz zum geschilderten Geschehen aufzubringen.

 

Ich bin ein hoffnungsloser Fall.

Setz mich des Nachts an den Solent, lass Nachtigallen schlagen - und wenn dann auch noch gekuesst wird, glueht mir nicht nur der Kopf vor glueckseligen Kirchenliedvokabeln.

 

Nur leider:

Das Lied bleibt besser ungesungen.

Schon wenn man's seinem Liebhaber an den Kopf knallt und der nicht zufaellig begeisterter Hedwig-Kurz-Malheur-Leser ist (solche kuess ich nicht), ersaeuft das Glueck (das ja durchaus zumeist ein kraeftiges, vitales Gefuehl ist) im Kitschsumpf.

 

Die eigenen Gefuehle, Schmerz wie Glueck, garantieren m.E. keineswegs eine authentische oder auch nur ertraegliche Darstellung.

Viel eher scheint mir diese Moeglichkeit gegeben, wenn es mir gelingt, mich selbst ganz rauszuziehen, mich - mit meinem Gluecksrausch, aber auch mich mit meinen Kitschaengsten und meiner Sehnsucht nach furzenden Pferden - an den Rand zu stellen und zum Beobachter zu werden. Es gibt kein Patentrezept, aber der leuchtende Wegweiser in die richtige Richtung heisst fuer mich: NICHT WERTEN. (Ich verweise dazu auch auf den ausgezeichneten Beitrag von Lisa im "Acting"-Thread von Thomas) Nicht benennen, was wir ahnen, sondern das, was wir sehen,riechen, tasten, hoeren, schmecken.

 

Das bedeutet fuer mich konkret:

 

Nenne einen Kuss einen Kuss (wenn's einer ist) und nicht Pferdefurz.

Nenne braunes Haar braunes Haar (wenn's eine Rolle spielt) und nicht kackfarbenes Gestruepp (vor Rustikalkitsch sei besonders gewarnt.)

Nenne Naesse Naesse, nicht Sumpf oder Meer der Leidenschaft, nenne alles, was dir nennenswert erscheint, beim Namen, bebildere es nicht, sondern vertraue der Benennung.

 

Aber nenne Glueck nicht Glueck.

 

Herzliche Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Moin Charlie,

 

du kannst vielleicht Fragen stellen ...

 

Nun schreibst du ja von Schönem, und nicht vom Glück. Ich denke, dass Glück und Trauer zu intim sind, als dass sie in einen Unterhaltungsroman passen würden.

 

Das Schöne zu beschreiben finde ich absolut schwierig, weil ich dabei immer den Erwartungshintergrund des Lesers beachten muss.

 

Wenn nach tagelanger Verfolgung im Morgengrauen der Wolf auf der Lichtung auftaucht, das Gewehr kracht und Meister Isegrimm tödlich getroffen in dei Knie geht, das ist für manch einen Jäger etwas Schönes und Helles.

 

Wenn im historischen Roman der Landstreicher, dem man irgend etwas in die Schuhe schieben konnte, am Galgen baumelt und zuckt, bevor seinLlebenslicht erlöscht, so war das für die Menschen dieser Zeit auch etwas Schönes, sie feierten danach meistens noch ein fröhliches Fest.

 

Aber ich schreibe ja nicht speziell für Jäger oder für Leute, die im zwölften oder vierzehnten Jahrhundert gelebt haben.

 

Also muss ich mich mit dem Erwartungshintergrund der heutigen (Durchschnitts)Leser auseinandersetzen. Ich denke, man könnte dabei empirisch vorgehen, und die in diesem Thread schon angeführten Beispiele sind sicher nicht weit weg von der Mehrheit. Ein Kätzchen, das sich in die Halsbeuge schmiegt, ein feuchter (oder leidenschaftlicher) Kuss, das dürfte Konsens sein. Ob es mir gefällt oder nicht!

 

Aber bitte nicht das Glück der jungen Frau, die bei 170 Zentimetern Größe jetzt endlich weniger als vierzig Kilo wiegt, und auch nicht das Glück des Managers, der durch die Entlassung von 60.000 Menschen sein Gehalt für dieses Jahr verdoppelt hat.

 

Ich muss mich also nicht fragen "was macht Menschen glücklich, was empfinden sie als schön?" sondern "was glauben meine Leser, was Menschen glücklich machen würde?" Und damit wären wir wieder bei den Regeln fürs Genre. Das unterscheidet sich dann natürlich. Schreibe ich Romance, HR, SF, Chik-Lit oder etwas für Männer?

 

Wenn ich das herausgefunden habe, muss ich es nur umgekehrt auch für das Dunkle, Hässliche suchen, und die beiden Teile sorgfältig gegeneinander abwägen.

 

Manch einer mag dann auch noch Graues, 'Langweiliges' (manche Leute nennen das 'Leben') hineinbringen, aber offenbar nicht zu viel, sonst flopt das Buch.

 

So kommt man, denke ich, auf allgemein gültige Regeln für das eigene Schreiben.

 

Ernüchterte Grüße

 

HW

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In der Tat' date=' gut erkannt. Vor allem aber hast du aus dem Kuss, der Harmonie und Glück repräsentieren sollte, eine Parodie gemacht. Eine Farce. Der Furz lenkt ab vom Kitsch, bringt jedoch ein Element des Lächerlichen und Unwürdigen herein, das absolut nicht erwünscht ist.[/quote']

 

Ja, damit wird das "Pathetische" des Kusses ins Lächerliche gezogen.

 

Ich kann das ganze Ding auch pathetisch ueberhoehen, mit Bedeutung stopfen und aufbauschen, sexuell uebersteigern.

Ich bin dann nur immer noch der feige Autor, habe ausserdem eine dramaturgisch wie stilistisch misslungene (und hoechstwahrscheinlich unlesbare) Szene im Roman - und mich um die Chance gebracht, etwas zu schildern, wie es ist und wie es in meine Geschichte gehoert.

 

Peter:

Dezenter Widerspruch: Bei der pathetischen Überhöhung kann man nicht mehr von Feigheit sprechen. Mißraten ist das Ergebnis zwar ebenfalls, aber die Angst (die Feigheit) ist die Angst vor dem Kitschigen und Peinlichen. Und wenn man Pathos reinbringt, tut man genau das, wovor man Angst hat.

 

Ähnlich wie beim Klischee stelle ich die Frage, ob selbst Erlebtes Kitsch sein kann.

Außerdem stelle ich noch die Frage, ob man sich nicht unnötig selbst überfordert, wenn man so viele Voraussetzungen zugleich erfüllen will. Ich störe mich da insbesondere am "originell". Ein Kuss muß doch, um Himmels Willen, nicht originell sein!

 

Ich lehne mich auch ein wenig aus dem Fenster und sage: ja, selbst Erlebtes aufzuschreiben klingt manchmal kitschig. Das hat mir eine Lektorin von Klett-Cotta vor Jahren anlässlich einer Liebesszene in meinem ersten Roman gesagt. Da war ich erst mal enttäuscht, habe aber ungemein viel daraus gelernt. Zum Beispiel auch gesehen, dass die Liebesszenen bei Ken Follet kitschig sind.

 

Ich lehne mich mal ein wenig aus dem Fenster und behaupte: Wer kein Glück im Leben erfahren hat; wer immer vorwiegend das Negative sah oder sein Glück nicht hinnehmen und genießen konnte, wird ein Problem haben, solche glücklichen Szenen zu schreiben. Ein verdammtes Problem. Denn entweder wird das Glück nicht fühlbar sein, oder wenn doch, wird es auf den Autor kitschig wirken und deswegen ungeschrieben bleiben.

 

Und eben auch auf den Leser kitschig wirken, du schreibst das, was ich denke.

 

Wer gut schreiben will, muß seine Gefühle zulassen können. Im Guten wie im Bösen.

 

Zulassen reicht nicht. Sie müssen reifen und auch noch so gefiltert werden, dass

sie ein Gefühl des Glücks auch im Leser erzeugen.

 

Christa

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(Peter_Dobrovka)

Hm, Charlie. Ich bin teilweise versucht, dir zuzustimmen, und teilweise wieder nicht.

 

Betrachten wir Glück und Freude vielleicht am besten so wie andere Themen auch: Metaphern sind erlaubt, Wertungen sind erlaubt, alles ist erlaubt - einzig achtgeben muß man (meiner Meinung nach) darauf, daß es nicht lächerlich wirkt.

Die Angst vor der Lächerlichkeit ist eine ähnliche wie die Angst vor allen anderen Dingen, die man schreiben soll: Man hat Angst, daß auf einen selbst grinsend mit dem Finger gezeigt wird.

Jemand, der die Welt eher zynisch sieht, wird dieses Gefühl der Peinlichkeit schneller und intensiver haben und sich deshalb selbst zensieren.

Jemand, der zu seinen romantischen Gefühlen nicht steht, wird sich ebenfalls selbst zensieren.

Was du, Charlie, unter Umständen unerträglich findest, finden andere vielleicht einfach nur schön und herzerweichend. Das liegt im Auge des Betrachters.

 

Was mir schon lange aufgefallen ist, daß man sehr viel mehr Mut braucht, seine positiven Gefühle heraushängen zu lassen als seine negativen. Man wird plötzlich sehr verletzlich. Für Männer noch viel problematischer als für Frauen. Zu schwärmen, sich zu begeistern, romantisch zu träumen waren ohnehin schon immer feminine Dinge, und in den letzten Jahrzehnten ist unsere Gesellschaft dahingehend evolutioniert, daß auch die Frauen immer abgeklärter und härter werden. Ja, auch zynischer.

 

Die großen Meister der Romantik sind für mich - man glaubt es kaum - die Amerikaner. Sie sind auch die Meister des Kitsches. Die Hollywood-Filme, besonders die klassischen, triefen teilweise vor Romantik und "Taschentuch-Szenen". Wir bodenständigeren Europäer belächeln dies als Kitsch, doch wer hat nicht selbst schon insgeheim bei manchen dieser Machwerke ein Kribbeln in den Tränendrüsen gespürt?

Auch Amerika ist vom Trend zum Zynismus nicht ausgenommen, die Schmachtfetzen werden seltener, die modernen Protagonisten sind - auch wenn die Liebesszene selten fehlt - tough and rough.

 

Also, wenn jemand zu positiven Gefühlen nicht stehen kann oder nicht stehen will, den kann und soll man auch nicht umerziehen. Da müssen andere Lösungen her. Und eine Lösung, die mir gerade eben einfällt und die ich ganz unbewußt wohl auch schon verwendet habe, ohne mir dessen bewußt zu sein, ist die Perspektive der Erlebers.

Ist die Figur, aus deren Perspektive ich das Erlebte schildere, ein nüchternes oder gar zynisches Wesen, muß die Schilderung des Glückes sachlich und trocken erfolgen.

Ist die Figur romantisch veranlagt und für Kitsch anfällig, wird sie auch kitschige Gedanken haben. Und auch wenn der Autor selbst anders denkt und in ihm dieser Kitsch peinliche Gefühle auslöst, schuldet er sie der Authentizität. Er schuldet sie ohne wenn und aber.

 

Damit dieses Posting nicht zu lang wird, mach ich hier einen Schnitt und gehe auf deine einzelnen Äußerungen im nächsten ein.

 

Peter

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Betrachten wir Glück und Freude vielleicht am besten so wie andere Themen auch: Metaphern sind erlaubt, Wertungen sind erlaubt, alles ist erlaubt - einzig achtgeben muß man (meiner Meinung nach) darauf, daß es nicht lächerlich wirkt.

 

Nur eine rasche Anmerkung: Ich finde nicht dass wir hier zu einem Konsens kommen muessen, wie "wir es am besten betrachten".

Ich betrachte es nicht so wie Du, sondern moechte mich der Wertungen ganz und weitgehend auch der Metaphern (es sei denn, es gibt keinen besseren Weg) enthalten. (Und Angst vor Laecherlichkeit ist fuer mich auch nur einer von mehreren Teilaspekten)

Du moechtest beides zulassen.

 

Lass uns einfach mit zwei unterschiedlichen Ansichten selig werden.

 

Alles Liebe von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Warum muss man Glück überhaupt schildern? Strahlt das nicht von allein durch, wenn man die äußeren Umstände beschrieben hat?

Charlie ging es aber jetzt um einen Kuß, wenn ich das richtig verstanden habe. Da würde mich auch mal interessieren wie man den beschreiben kann, ohne in Kitsch zu verfallen, oder allzu nüchtern zu bleiben, so dass das Glück nicht durchscheint.

Es wäre schön, wenn dazu ein paar Vorschläge kämen.

 

LG

Joy

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Warum muss man Glück überhaupt schildern? Strahlt das nicht von allein durch, wenn man die äußeren Umstände beschrieben hat?

 

Tja.

 

So koennt' man vermutlich das, was ich meine, auch ausdruecken ...

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ich bin da etwas irritiert.

 

Macht es nicht den Schreiber aus, die ganz eigene Art das Glück dem Leser zu vermitteln?

 

Gruß Renate

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(Peter_Dobrovka)

Kurze Zwischennotiz: Meine Protagonistin Eva ist jemand mit einer latenten romantischen Ader, die sie jedoch zugunsten von Coolness verdrängt, wenn sie hochkommt. Das äußert sich im Roman daran, daß für einen kurzen Moment Kitsch aufblitzt, sie ihn dann aber selber abwürgt. Außerdem hat sie einen Hang zum Erröten, was sie haßt wie sonstwas.

Ich suche mal kurz zwei Stellen heraus:

und weitere, ähnlich gekleidete Gestalten kamen hervor. Auch sie trugen Panzerplatten, ihre Helme erinnerten jedoch eher an die von spanischen Konquistadoren des 16. Jahrhunderts. Es waren insgesamt zehn Soldaten, oder wie auch immer ihre Bezeichnung lauten mochte. Sie alle waren zwischen eins siebzig und eins achtzig groß – bis auf einen, der sie alle überragte: Ein Hüne von fast zwei Metern mit blonden Bartstoppeln im Gesicht.

„Na toll“, sagte Eva, „die Karnevalsbrigade ist auch schon eingetroffen.“ Dabei sah sie sich den Hünen besonders genau an. Er besaß eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Ritter aus ihren Phantasien, und als sie sich darüber klar wurde, mußte sie über die Absurdität des Ganzen lächeln. Im selben Augenblick blickte der Hüne zu ihr zurück – und lächelte ebenfalls. Eva fühlte das unselige Erröten, stellte ihr Lächeln sofort ab und setzte einen strengen Gesichtsausdruck auf.

 

Zeitsprung. Jahre später. (Die Textstelle ist trotz Auslassungen etwas lang geworden, sorry)

Der Hüne war unrasiert und trug ein rot-schwarz-kariertes Holzfällerhemd. Als er Eva sah, wirkte er überrascht: „Oh, du bist es. Ich dachte, daß es Friedrich wär.“

„Wär’s dir denn lieber, er wäre es?“ fragte Eva.

Ander lächelte. „Nein, komm rein.“ Er berührte sie wie zufällig  am Oberarm, sie wiederum griff reflexartig nach seiner Hand – und hielt sie fest.

Kleinigkeiten.

Es war der Wohnung anzumerken, daß sie ein Provisorium darstellte. […]

[…]

„Da du es sagst, erinnere ich mich an Wichtiges: Bitte helfe mir: Ich wollte in diese Dusche gehen, aber das Wasser ist so heiß, daß es meine Haut verbrennt.“

Er zeigte ihr die Duschkabine. Der Wasserhebel war ein ultramoderner einarmiger Mechanismus: Nach oben und unten wurde der Wasserfluß reguliert, und zur Seite heiß oder kalt. Eva mußte grinsen, als sie daran dachte, daß Ander diesen im Grunde genommen sehr einfachen Mechanismus nicht durchschaut hatte.

„Ich zeig’s dir“, sagte sie.

„Gut, ich gehe schon mal rein.“ Ander zog sein Hemd aus und lockerte seinen Gürtel.

Eva stockte für einen Moment der Atem. Ander bemerkte dies und zögerte. „Entschuldige, ich vergesse immer, daß die Ankleidung bei euch eine andere Bedeutung hat als bei uns.“

Jetzt oder nie …

Eva holte tief Luft, nahm all ihren Mut zusammen, dann zog sie ihren schwarzen Pullover aus, unter welchem sie nichts trug. Sie war dabei so aufgeregt, daß sie sich beinahe verhedderte.

Sie wollte noch etwas Witziges sagen, um die Situation aufzulockern. Etwas in der Art, daß sie sich dann eben ihrem Gast anpassen würde. Doch ihre Stimme verließ sie, und so gab sie nur ein wundersames Krächzen von sich, das sie mit einem Lächeln zu überspielen versuchte. Doch auch das geriet nur zu einer grinsenden Fratze.

Zur Krönung röteten sich ihre Wangen, und sie senkte den Blick und kreuzte die Arme über die Brüste, um sie zu bedecken. Dabei wollte sie das alles überhaupt nicht tun, es schien wie von selbst abzulaufen.

Mann, bin ich scheiße. So ein peinlicher Auftritt …

Sie blinzelte nach oben. Ander sah sie unverhohlen an.

Boden, öffne dich und nimm mich auf – aber Beeilung, bitte!

Dann begann er zu lächeln und strich ihr mit einem Finger über die Wange.

Ja! Ja! Ja!

Sie schloß die Augen und reckte das Kinn vor. Plötzlich spürte sie seine Lippen auf den ihren.

Jetzt endlich gehorchten ihr auch ihre Arme, und sie schlang sie fest um Anders harten, breiten Oberkörper. Das war es, das hatte sie gewollt! Jetzt würde etwas passieren, so oder so.

Nach einem ausgiebigen Kuß löste sich Ander unerwartet aus ihrer Umklammerung und blickte sie ernst an.

„Eva, du mußt mir etwas versprechen!“

„Hm? Was denn?“

„Du mußt mir dein Wort geben, daß du niemandem von uns erzählst. Auch nicht deinem Vater und nicht deiner Mutter.“

„Du liebe Güte, wenn’s weiter nichts ist!“, meinte Eva. „Das geht die Alten ja wohl sowieso nichts an.“

 

Eine halbe Stunde lang küßten und liebkosten sie sich unter dem Regen aus lauwarmem Wasser, danach war der Weg von der Dusche bis zum Bett nicht weit. Sie verschwendeten keinen Gedanken an das Abtrocknen und ließen sich naß in die Laken fallen.

Evas Erfahrung auf diesem Gebiet lag nun schon fast vier Jahre zurück, und sie konnte sich kaum noch an etwas erinnern, außer an das schwitzende Gesicht ihres damals drei Jahre älteren Freundes, das dicht über dem ihren geschwebt hatte. Sie hatte seinen Atem spüren können, und seltsamerweise war ihr sein Geruch nach Zigaretten, Minze und schlechten Zähnen viel deutlicher in Erinnerung geblieben als das Gefühl zwischen ihren Schenkeln.

Ihre Beziehung war kurzlebig gewesen, hatte strenggenommen lediglich Evas Neugier und Ehrgeiz befriedigt, „es“ hinter sich zu bringen. Sie hatten insgesamt dreimal miteinander geschlafen, dann war es Eva zu dumm geworden.

In der Zeit, in der sie mit Karina zusammen gewesen war, hatte es zwar vereinzelt einige Verehrer gegeben, aber Eva hatte sie nicht an sich herangelassen. Sie waren alle sehr nett gewesen, aber sie hatte einfach kein Interesse verspürt, herumzuliegen und zu warten, bis der andere mit ihr fertig war.

Wie sich nun zeigte, hatte sie all die Jahre in einem folgenschweren Irrtum gelebt. „Es“ konnte sehr viel mehr sein, als nur ein schwitzendes Gesicht, das einen penetranten Geruch verströmte. Da waren Gefühle möglich – am ganzen Körper! Unbeschreibliche Gefühle!

Und Ander wußte sehr genau, wo er Eva berühren mußte, um diese Gefühle in ihr auszulösen …

Als er in sie eindrang, verspürte sie für einen kurzen Moment ein bisher nie dagewesenes Glücksgefühl. Er war ein ganz klein wenig grob, aber Eva gefiel das. Es gefiel ihr sogar so sehr, daß sie von ihm verlangte, „noch härter“ zuzustoßen – was Ander denn auch bereitwillig tat.

 

So, neben einem Haufen anderer Sachen, die "man" ja nicht machen sollte, habe ich das Glück hier Glück genannt. Und? Ist es schlimm? Kitschig?

Gut, die Szene ist aufgrund der kleinen Störelemente nicht lupenrein von Glück durchwoben, aber so was hab ich auch auf Lager. Und ich werd euch nicht damit verschonen, hähä.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)
Warum muss man Glück überhaupt schildern? Strahlt das nicht von allein durch, wenn man die äußeren Umstände beschrieben hat?

Tja.

So koennt' man vermutlich das, was ich meine, auch ausdruecken ...

Von meiner Seite aus ein dickes fettes Nein auf die Frage.

Jemand, dessen äußere Umstände glänzend sind, kann dennoch unglücklich sein.

Jemand, der in miserablen Umständen sein Leben fristet, kann dennoch glücklich sein.

 

Richtig ist, daß man das nicht schildern muss. Man kann die Innenansichten der Protagonisten komplett weglassen. Das ist eine Geschmackssache. Ich selbst empfinde solche Romane dann immer als steril, andere sehen darin den einzigen wahren Weg zum literarischen Gipfel.

Ein bissel blöd ist es aber schon, wenn man selektiv nur das Glück wegläßt.

 

Peter

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Mit "aeussere Umstaende" waren hier m.E. Handlungen, Sinneseindruecke etc. gemeint, also Aussensicht statt Innensicht, Beobachtung statt Wertung.

 

Wenn ich das falsch verstanden habe, gebe ich Dir Recht.

 

Und das, was ich hier ueber Glueck geschrieben hab, gilt fuer mich nicht selektiv.

 

Auch der Wertungen:

 

"Fritz war traurig".

 

"Frieda litt."

 

"Die Angst ergriff Hansi"

 

wuerde ich mich sehr gern grundsaetzlich enthalten.

 

Wenn ich denn koennte ...

 

Alles Liebe von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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(Peter_Dobrovka)

Ich lehne mich auch ein wenig aus dem Fenster und sage: ja, selbst Erlebtes aufzuschreiben klingt manchmal kitschig. Das hat mir eine Lektorin von Klett-Cotta vor Jahren anlässlich einer Liebesszene in meinem ersten Roman gesagt. Da war ich erst mal enttäuscht, habe aber ungemein viel daraus gelernt. Zum Beispiel auch gesehen, dass die Liebesszenen bei Ken Follet kitschig sind.

Der ist ja auch Amerikaner. ;D

Ich bleib mal vorerst dabei: Die Gedanken der Figur müssen zur Figur passen.

Es könnte sich ein Dissens entwickeln, indem manche auf dem Standpunkt stehen werden, daß die Gedanken der Figur zur Erwartungshaltung der Leser passen müssen. Das ist dann eine Entscheidung, die der Autor treffen muß, zwischen Authentizität und dem berühmten "unwürdigen Zugeständnis" an die Zielgruppe.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Auch der Wertungen:

 

"Fritz war traurig".

 

"Frieda litt."

 

"Die Angst ergriff Hansi"

 

wuerde ich mich sehr gern grundsaetzlich enthalten.

Ketzerische Frage: WARUM eigentlich?

Ich ahne deine Antwort, und ich weiß auch schon genau, was ich auf sie antworten werde, aber ich warte sie erst mal ab.

 

Peter

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Peter, das, was ich fuer den Leser tun moechte, ist, ihm die Figur so nahe wie moeglich zu ruecken. (Achtung: Dass gerade ich einer bin, dem das gelingt, habe ich NICHT NICHT NICHT gesagt. Ich rede nur ueber meine persoenliche Meinung bezueglich der Wege, die dahinfuehren.)

Ich moecht' keine Knoepfe am Leser druecken, sondern ihm etwas zeigen.

 

Wo ich der Leser bin, scheuchen mich Saetze a la "Hansi haette vor Glueck die Welt umarmen koennen" oder "das Glueck ueberwaeltigte Fredi" meilenweit von Hans und Fredi weg, weil mir etwas aufgedraengt wird, weil ich nichts sehen darf.

Ich moecht' gern sehen und selbst ueberwaeltigt sein:

"Oh! Er ist ja gluecklich." oder

"Ach - sie kuessen sich ja."

 

Ich moecht nicht, dass der Autor mir einfloesst, dass das schoen ist.

Ich moecht's schoen finden.

 

Alles Liebe von Charlie.

 

Edit: Das war als Antwort auf Dein letztes Posting nicht gedacht, sondern hat sich mit diesem ueberschnitten. Als Teilantwort taugt es aber zufaellig recht gut, also lass ich's erst einmal dabei.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Peter,

ich meinte damit: Da ist eine Szene (Liebesroman als Beispiel) in der das Pärchen nach Irrungen und Wirrungen und vielleicht auch nach Sex (muss nicht unbedingt sein, ich erfinde jetzt mal einfach nur schnell eine Szene) zusammen im Bett liegt. Innenansichten der ein oder anderen Figur wird beschrieben. Aber nicht mit: "Sie war glücklich". Sondern sie streichelt, vielleicht auch ganz ohne Gedanken, über seine Brust, niemand spricht, nichts sonst passiert in der Szene, sie ist ruhig und stimmungsvoll, no words needed.

Das strahlt doch von ganz allein Friede, Wärme, Glück aus, oder? Warum sich manche Autoren dann noch die Mühe machen das Glück wörtlich hervorzuheben, ist mir ein Rätsel und tötet auch den Moment des Glücks, den ich doch schon ganz von selbst spüren kann.

 

LG

Joy

 

Nachtrag: "Die Angst ergriff Hansi". Hier ist es dasselbe. Wie kann man diese Angst SPÜREN, wenn das so beschrieben wird? Dann weiß ich nur, dass Hansi Angst hat. Basta. Und was mache ich jetzt damit? Viel lieber möchte ich doch diese Angst selber spüren. Dazu gehört aber etwas mehr, als nur das Statement, dass Hansi Angst hat.

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(Peter_Dobrovka)

Wer gut schreiben will, muß seine Gefühle zulassen können. Im Guten wie im Bösen.

Zulassen reicht nicht. Sie müssen reifen und auch noch so gefiltert werden, dass

sie ein Gefühl des Glücks auch im Leser erzeugen.

Hm.

Sehe ich gar nicht so.

Das Gefühl des Glücks der Figur muß greifbar sein, muß nach-fühlbar sein, aber im Leser müssen wir gar nichts auslösen. Mal davon abgesehen, daß ich gar nicht wüßte, wie man das machen sollte. Der Leser ist doch keine Gefühlsorgel, auf der wir spielen.

Auch wenn ich mich selbst als Leser vorstelle, kann ich mir keine Szene vorstellen, die bei mir Glücksgefühle auslösen könnte. Es geht im Buch schließlich nicht um mich.

 

Peter

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