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Lisa

Das Feuer - Tagebuch einer Korporalschaft von Henri Barbusse

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"Das Feuer - Tagebuch einer Korporalschaft" von Henri Barbusse

 

Kurzbeschreibung:

Anfang August 1914 meldet sich Henri Barbusse als Vierzigjähriger freiwillig zur Infanterie. Er stellt sich seinem erbittertsten Feind, dem Krieg, er will ihm ins Gesicht blicken. Im Schützengraben und im Trommelfeuer, in der Etappe und in Lazaretten wird ihm der schamlose Betrug bestätigt, der mit dem "Feld der Ehre", mit dem "Tod fürs Vaterland" getrieben wird. Er sieht die wahren Ursachen dieses Unheils, das Europa verheert: die Gewinnsucht der Finanziers und der Ehrgeiz von Militärs und Staatsmännern, und er legt das Wesen des ersten weltweiten imperialistischen Krieges bloß. Doch er nimmt ihn nicht als eine unabwendbare Geißel hin; er hat den Überwinder all des Grauens gesehen: das Volk. In dieser Tragödie, die an allen Fronten Schuldlose gegeneinander treibt, zeigt Henri Barbusse den einfachen Soldaten, der bereit ist, das heiligste seiner Güter, die Menschlichkeit, zu verteidigen. Da ist Poterloo, den eines Nachts die Deutschen verkleidet in das von ihnen besetzte Gebiet mitnehmen, damit er seine Frau und sein Kind einmal wiedersehen kann - da ist der sterbende Fremdenlegionär, der einem Kameraden, dem ein Gerichtsverfahren droht, seinen Namen schenkt - da ist der Pilot, der auf einem Feindflug zwei Gottesdienste sieht, einen auf der französischen Seite, einen auf der deutschen: hier wie dort wird Gottes Segen für den Sieg in der bevorstehenden Schlacht herabgefleht.

 

Der Roman wurde 1917 mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet und in mehr als 50 Sprachen übersetzt.

 

Angaben über den Autor:

Henri Barbusse wurde am 17. Mai 1873 in Asnières, im Departement Seine, geboren. Unmittelbar nach seinem Schulabgang erschienen seine ersten journalistischen Arbeiten im lokalen Teil des Petit Parisien und des Echo de Paris. Er arbeitet u.a. als Chefredakteur der Zeitschrift Je Sais Tout, als Mitarbeiter bei der Zeitschrift Paix und einige Jahre im Verlag Hachette ; aber er vergaß darüber nicht die Literatur. Er verfasste Gedichte, Kurzgeschichten, Romane („Les Suppliants“, „L’Enfer“) und gewann mehrere Literaturpreise.

Hier mehr zu Henri Barbusse: (Link ungültig)

 

Meine Meinung:

Das Thema dieses Buches - der erste Weltkrieg - bereitet den Leser ein wenig auf die Wucht vor, die ihn bei der Lektüre trifft. Aber nur ein wenig. Sehr eindringlich und präzise schildert Barbusse das elende Leben der einfachen Soldaten in den Schützengräben. Er beschreibt die mühevolle Schanzarbeit, die stundenlangen Märsche in der Dunkelheit, die Gefahr des Verirrens im wirren System der Gräben – die feindlichen Linien wechseln manchmal innerhalb eines Grabens - das Ausheben eines neuen Grabens unter feindlichem Beschuss, den Wahnsinn des Sturmangriffs, die bedrückende Qual des Wartens, die Kälte, den Regen, den Hunger und die unwirtlichen Quartiere, in denen die Soldaten sich ausruhen sollen.

 

Er beschreibt die Verzweiflung von Volpatte, der nach zwei Monaten Lazarette an die Front zurückkehrt und nicht über die große Zahl an Drückebergern hinwegkommt, denen er in der Etappe begegnet ist. Während sich die einen erfolgreich drücken, sterben die anderen Tag für Tag. Werden von Granaten, Schrappnelen und Sperrfeuer zerfetzt, von getroffenen Unterständen erschlagen oder ertrinken im zähen Schlamm, der vom ewigen Regen aufgeweichten Felder. Gegen Ende des Romans tappen Soldaten ohne Schuhe und Hosen über eine neblige Ebene – von ihren Kameraden gerade noch vor dem Versinken im Schlamm gerettet, der ihnen die Sachen vom Leib riss.

Ich glaubte eine Zeitlang, die schlimmste Hölle im Krieg seien die Flammen der Granaten; dann nahm ich an, es sei das Ersticken in Unterständen, die sich für ewig über uns schließen. Aber nein, die Hölle ist das Wasser.

 

Er beschreibt das Aufeinandertreffen von Frontsoldaten und Zivilbevölkerung, die Kluft, die beide Parteien unüberbrückbar trennt:„So ein Sturmangriff muss doch etwas Herrliches sein, nicht wahr? Diese unzähligen Männer, die wie zu einem Fest vorstürmen! Und die Hörner, die im Feld zum Angriff blasen: „Droben im Himmel sitzen wir dann beim Wein...“, und unsere jungen Soldaten, die niemand zurückhalten kann und die „Vive la France“ rufen oder mit einem Lächeln auf den Lippen sterben...! Ach, uns ist diese Ehre nicht vergönnt wie euch. Mein Mann ist in der Präfektur angestellt, und jetzt muss er Urlaub nehmen, um seinen Rheumatismus auszuheilen.“ So spricht eine Frau in einem Café, in das der versprengte Haufen der Korporalschaft Bertrand an einem Urlaubstag einkehrt - nach einem Sturmangriff. Und nein, kein einziger Soldat in diesem Buch stirbt mit einem Lächeln auf den Lippen. Kein einziger ruft „Vive la France“. Sie sterben lautlos, sie sterben mit einem wütenden Schrei, sie sterben mit dem Röcheln eines Kindes. Im ohrenbetäubenden Donner der Geschütze, im eintönigen Tak-Tak eines Maschinengewehrs, im Siren und Pfeifen der Granaten.

 

Aber Barbusse schildert auch die glücklichen Momente: So schenkt der Ich-Erzähler seinem Kameraden Paradis in der Zeit eines Versorgungsengpasses eine Schachtel Streichhölzer, damit dieser wenigstens rauchen kann. Paradis revanchiert sich mit einem Ei, das er in dem ausgebluteten Dorf auftreibt. Oder: Ganz zu Anfang liegt die Korporalschaft zur Erholung in einem kleinen Dorf. Es ist Sommer. Die Männer genießen die Sonne, die Stunden des Müßigtums, das reichliche Essen.

 

Und er schildert die berührenden Momente, in denen die Soldaten sich für kurze Zeit wieder in die Menschen verwandeln, die sie vor dem Krieg waren.

 

Aber vor allem schildert Barbusse aufs Eindrücklichste die Sinnlosigkeit von Krieg.

 

Barbusse entwickelt seinen Roman sehr geschickt: Er führt den Leser nach und nach an das Grauen heran und hebt sich die blutigen Szenen, den Sturmangriff bis ganz zum Schluss auf. Zuerst lernt man die Männer der Korporalschaft Bertrand in ihrem harten Alltag kennen und sie wachsen einem schnell ans Herz, so dass man ständig mit ihnen und um sie bangt.

 

Die Sprache von Barbusse ist sehr klar und der Präzision seiner Beschreibungen kann man sich nur schwer entziehen. Mehr als einmal habe ich beim Lesen tief Luft geholt. Die meiste Zeit wird im Präsens erzählt, was die Ereignisse noch unmittelbarer erscheinen lässt.

 

Mein Fazit: Ein Buch, das einen berührt, niederschlägt, nachdenklich macht und lange in einem nachhallt. Ich bin sehr froh, es gelesen zu haben.

 

Liebe Grüße

Lisa

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