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Andrea S.

Gut und Böse

Empfohlene Beiträge

Die Idee zu dieser Kultur aber muss einem oder mehreren Führern der Gemeinschaft entsprungen sein und wird, durch kollektive Gehirnwäsche (Melanie???), den Mitgliedern schmackhaft gemacht.

 

Ich weiß nicht, ob es kollektive "Gehirnwäsche" wirklich gibt, aber kollektive Begeisterung für eine Idee, die sich dann verselbstständigt und Wege geht, die man ursprünglich nicht wollte, gibt es in jedem Fall.

 

Aus irgendeinem Grund gibt es in unserer fiktiven Welt nur Hühner und Kannibalen. Kannibalen gibt es genug, Hühner anscheinend nicht. Hühner sind also wertvoller als Kannibalen. Vielleicht wollte vor Urzeiten ein Hühnerfreund sowohl die Hühner schützen als auch die Rentenkassen entlasten, indem er dieses Gesetzt erließ.

 

Ich finde übrigens nicht, dass man Alte und Schwache zu Suppenfleisch verarbeiten mit Judenprogromen und Hexenverbrennung vergleichen kann, denn Juden und Hexen gehörten nicht zur gleichen Gruppe. Bei den Regeln der Kannibalen hingegen wird es irgendwann jeden treffen. Jeder wird irgendwann mal alt und ist dann "Futter". Diese Gesellschaft kann also nur so funktionieren, dass die Alten und Schwachen einverstanden sind, oder aber es müsste schon lange einen Bürgerkrieg geben. Deshalb erlebe ich es noch nicht mal als böse, wenn die so funktionieren. Irgendwann sagt Oma dann: "Jungs, nächsten Sonntag kocht ihr mich nach diesem Rezept, alles klar?" Wenn man an die Diskussionen um aktive Sterbehilfe denkt, wäre das doch noch nicht mal so weit hergeholt, oder? Und es kann ja sehr empathisch sein, wenn Oma sich opfert, damit die Kinder und Enkel satt werden. Vielleicht wollte unser Rebell seine geliebte Oma nicht essen und hat sich deshalb an den Hühnern vergriffen. Aber er verstieß gegen die Regeln und Oma wurde nun sehr böse, von wegen, weil sie ihm vielleicht nicht gut genug oder gar zu zäh war? Ist also das Hühnerschlachten deshalb eine böse Tat, weil unser Grillfreund damit seiner Oma nicht die notwendige Achtung zollt und dafür sorgt, dass sie weiter der Rentenkasse zur Last fällt?

 

Gruß, Melanie

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"Derartige Menschen sind innerhalb der Gesellschaft ebenso gefährlich, wie es Löwen mitten in der Normandie wären ... diese Kreaturen brauchen ihren Fraß, sie verschlingen alltägliche Menschen und weiden die Geldsäcke der Dummköpfe leer. [ ... ] Sie besitzen eine ungeheure Macht über zarte Seelen, sie locken sie an sich und zermalmen sie. Das ist groß, das ist schön in seiner Art, wie die farbenprächtige Giftpflanze, die die Kinder im Wald berückt, es ist die Poesie des Bösen. Menschen wie sie sollten in Höhlen wohnen und nie hervorkommen."

Honoré de Balzac, "Glanz und Elend der Kurtisanen"

 

Der, auf den das zutrifft, würde sicher sehr hoch in der Psychopathie-Checkliste scoren.

 

Gruß, Melanie

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Also, wenn das sozialverträgliche Frühableben unter den Kannibalen hier nicht als so dramatisch böse angesehen wird, muss ich die Regeln der Kolonie offensichtlich ändern.

 

Nicht die Alten und Schwachen, sondern die Erstgeburten kommen in den Suppentopf.

Und alle mit einem BMI größer als 24.

 

Die einen können sich noch nicht einverstanden erklären, die anderen werden es sicher nicht.

 

Ist das jetzt böse genug für die Kannibalen?

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Nein, ist es nicht. Es bleibt ein und dasselbe Volk, alle wachsen mit diesen Regeln auf. Es ist normal. Warum sollte rebelliert werden? Wer einen BMI von 24 hat, muss eben aufpassen, um nicht dicker zu werden. Und wenn es die Erstgeborenen trifft - na und, dann plant man das eben ein. An einem dicken Säugling ist immer noch mehr dran als an einem Hähnchen.

 

Diese Regeln sind erkennbar und berechenbar. Schlimmer wäre es, wenn jeden Sonntag ein Führer willkürlich, und völlig unberechenbar entscheidet, wer heute in den Topf kommt. Dann wird das Regime böse, weil sich keiner mehr auf irgendetwas verlassen kann und in steter Angst leben muss. Unter diesen Aspekten ist das Hühnerschlachten dann eine rebellische Heldentat, weil es die Angst nimmt - letztendlich sagt es nichts anderes aus als: "Wir müssen keine Kannibalen sein, wir können auch was anderes essen, wir müssen keine Angst mehr haben."

 

Gruß, Melanie

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Hallo Andrea,

 

du kannst nicht einfach an den Regeln drehen, um die Gruppe böse zu machen. ;) Das ist dann nicht mehr realistisch oder nachvollziehbar. Denn Regeln einer sozialen Gruppe haben immer ihre eigene Logik und damit Berechtigung. Meist hat es mit Überleben der Gruppe zu tun. Hier ein paar Beispiele, die zu deinen Kanibalen passen:

 

- Indianer haben Uralte und Schwache ausgesetzt, ja diese selbst haben die Gruppe verlassen und sind in die Wildnis gewandert, um den Tod zu suchen. Das war, um das Wenige an Nahrung und Wärme für die Gesunden und Lebensfähigen zu erhalten.

- Kannibalen haben sich nicht von Menschfleisch ernährt, sondern dies ist eine rituelle Handlung, um die Stärke des erschlagenen Feindes in sich aufzunehmen. Die Kelten haben die Köpfe ihrer erschlagenen Feinde an die Hütte gehängt und die Germanen haben aus den Schädelschalen ihrer Feinde getrunken, um ihre eigene Stärke zu fördern. Daher kommt das Wort "Skol!"

- Selbst die Todesrituale der Azteken hatten einen Sinn. Auch hier waren es Kriegsgefangene. Das hielt die unterworfenen Völker in Ehrfucht und Schrecken vor den Azteken. Außerdem durften die Geopferten zu den Göttern aufsteigen und wurden so geehrt.

- Germanen verbrannten ihre toten Führer auf ihren Schiffen, wobei nicht selten die Ehefrau mit ins Feuer sprang und in jedem Fall ein paar Sklaven und Diener, um ihren Herrn nach Valhalla zu folgen.

 

Und so weiter. Alle diese Regeln sind nicht Ausdruck des Bösen. Sie haben eine Berechtigung im Kontext der Betroffenen und werden von den Mitgliedern der Gruppe begrüßt und mitgetragen.

 

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Sehe ich auch so. Aus Sicht der Kannibalen sind Frühgeburten-Rouladen oder Rentner-Filets ja so normal wie Chicken-Crossies auf der Erde. Und ja: Böse wird das erst aus Sicht eines anderen kulturellen Hintergrundes, der Kannibalismus verdammt, oder eben, weil jemand durch einen rebellischen Akt aufzeigt: Es geht auch anders.

 

Dazu als Beispiel den Film "Flucht ins 23. Jahrhundert" mit Michael York nach dem Sci-Fi-Roman "Logans Run": Die Menschen leben in Städten wegen vergifteter Atmosphäre unter Glaskuppeln, und gegen die Überbevölkerung werden Bewohner am Tag ihres 30. Geburtstages in rituellen Akten ausgeknippst, was für alle total normal ist. Erst, als ein Cop auf der Jagd nach Rebellen, die dem Ritualtod entkommen wollen, begreift: Man gaukelt uns nur vor, dass die Welt draußen noch unbewohnbar ist und niemand älter werden kann als 30 und das auch beweist, wendet sich sich das Blatt und die kulturelle Sichtweise ändert sich und damit auch die Sicht auf Gut und Böse. Vorher war "Kuppel verlassen" böse und sich der "Erneuerung" entziehen noch schlimmer, der rebellische Akt verkehrt diese Regeln diametral ins Gegenteil.

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Dazu als Beispiel den Film "Flucht ins 23. Jahrhundert" mit Michael York nach dem Sci-Fi-Roman "Logans Run": Die Menschen leben in Städten wegen vergifteter Atmosphäre unter Glaskuppeln, und gegen die Überbevölkerung werden Bewohner am Tag ihres 30. Geburtstages in rituellen Akten ausgeknippst, was für alle total normal ist. Erst, als ein Cop auf der Jagd nach Rebellen, die  dem Ritualtod entkommen wollen, begreift: Man gaukelt uns nur vor, dass die Welt draußen noch unbewohnbar ist und niemand älter werden kann als 30 und das auch beweist, wendet sich sich das Blatt und die kulturelle Sichtweise ändert sich und damit auch die Sicht auf Gut und Böse. Vorher war "Kuppel verlassen" böse und sich der "Erneuerung" entziehen noch schlimmer, der rebellische Akt verkehrt diese Regeln diametral ins Gegenteil.

 

Wobei dabei die Regeln schon vom Computer gebrochen wurden, als Logan, der erst 26 war, auf 30 vorgespult wurde, um zum Läufer zu werden und man ihm die vier Jahre nicht wiedergeben wollte. Also ist ihm da Unrecht widerfahren. Wäre er ganz normal 30 geworden, hätte er sich "erneuern" lassen.

 

Gruß, Melanie

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Joah, so ist das mit Computerfehlern in der Bürokratie eben ;-)

 

Logan ist etwas Böses passiert: Ein Regelverstoß, ein Unrecht, das für ihn ein Kick ist, das Regelsystem anzuzweifeln und den rebellischen Akt vorzubereiten. Wobei das erst wirklich böse wäre, wenn der Computer ihn wissentlich und mutwillig vorgespult hat bzw. das bürokratische System es hinter verschlossenen Türen streng geheim beschlossen hat und damit die gesellschaftlichen Regeln bricht und die Öffentlichkeit belügt. Und mächtig böse wird es, wenn das auf Initiative eines Präsidenten geschieht, der eine individuelle perverse Freude daran empfindet, Leute töten zu lassen und damit gegen einige Basis-Tugenden des Guten verstößt, Aufrichtigkeit, Gemeinsinn und Wahrhaftigkeit zum Beispiel.

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Vielleicht kann man es auch so sagen: Regeln geben Sicherheit, wenn sie durchschaubar sind. Wenn ein Staat bestimmte Regeln hat und man weiß, dass einem nichts passiert, wenn man sie einhält, ist es im Grunde egal, wie sie sind. Sie werden mitgetragen. Wenn die Regeln aber willkürlich verändert werden und keiner mehr weiß, woran er ist, entsteht Furcht - die Sicherheit geht verloren. Für Menschen außerhalb der Gesellschaft passiert das häufiger, sei es das Kräuterweiblein, das zur Hexe erklärt wird, oder aber der Jude, der nichts dafür kann, dass er zufällig in diese Glaubenswelt geboren wurde. Wobei im MA der Jude ja auch eine gewisse Sicherheit in seiner eigenen Welt hatte und ihr deshalb treu blieb. Und als das nicht mehr möglich war, gab es zwei Alternativen: Konvertieren, um weiterhin die Sicherheit der Gemeinschaft zu haben, oder Flucht, um weiterhin die Sicherheit des Glaubens zu haben, aber um den Preis, aus der Gesellschaft, in der man bisher lebte, verschwinden zu müssen. Die Regeln waren aber erkennbar und deshalb berechenbar.

 

Gruß, Melanie

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Joah, so ist das mit Computerfehlern in der Bürokratie eben ;-)

 

Logan ist etwas Böses passiert: Ein Regelverstoß, ein Unrecht, das für ihn ein Kick ist, das Regelsystem anzuzweifeln und den rebellischen Akt vorzubereiten. Wobei das erst wirklich böse wäre, wenn der Computer ihn wissentlich und mutwillig vorgespult hat bzw. das bürokratische System es hinter verschlossenen Türen streng geheim beschlossen hat und damit die gesellschaftlichen Regeln bricht und die Öffentlichkeit belügt. Und mächtig böse wird es, wenn das auf Initiative eines Präsidenten geschieht, der eine individuelle perverse Freude daran empfindet, Leute töten zu lassen und damit gegen einige Basis-Tugenden des Guten verstößt, Aufrichtigkeit, Gemeinsinn  und Wahrhaftigkeit zum Beispiel.

 

Es war ja kein Computer-Fehler, sondern man zwang ihn dazu, zum Läufer zu werden, damit er die Verstecke der anderen Läufer finden konnte. Eine bessere Motivation, als um sein Leben zu rennen, gab es ja nicht. Das ist zwar logisch, aber auch ganz schön fies ;).

 

Gruß, Melanie

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Denn Regeln einer sozialen Gruppe haben immer ihre eigene Logik und damit Berechtigung. Meist hat es mit Überleben der Gruppe zu tun.

 

Bisher ist es nicht gelungen, DAS "Böse" zu spezifizieren. Vermutlich ist es wie Ulf schreibt im Kontext mit den Regeln einer Gesellschaft zu erklären. Böse ist derjenige, der von den Regeln ausgeschlossen ist oder der die Regeln durchbricht. Im Dritten Reich waren die Juden "böse", sie wurden dämonisiert, die meisten Deutschen glaubten daran. Sprachgebrauch, angepasste Literatur, Strafmaßnahmen und Verhalten der Machthaber und ihres Gefolges waren auf der "guten" Seite. Ein Mord an einem Juden galt als etwas Positives, die Notwehr eines Juden jedoch wurde als Mord verfolgt. Nur wenige brachen die Tabus, und wenn, gehörten sie ab diesem Zeitpunkt mit zu den sogenannten Bösen, die das Überleben der Nazi-Gruppe bedrohten.

Alle totalitären (bösen) Regimes bauen ein Feindbild auf, um das eigene System bzw. ihre Macht zu festigen.

Für mich sind die Verantwortlichen des Holocaust, die Roten Khmer und Mugabe BÖSE. Literarische Figuren, die dieses Böse verkörpern, lassen mich schaudern, ich leide beim Lesen mit den Opfern. Auch der Päderast, der sich an seinen Opfern vergeht, ist für mich BÖSE. Ich will, dass er bestraft wird und dann empfinde ich Genugtuung.

 

Der Begriff des absolut Bösen ist für mich trotzdem nicht fassbar. Ich war im Film "Der Vorleser". Hanna war BÖSE, sie war Aufseherin im KZ, hat es zugelassen, dass 300 Frauen und Kinder in einem verschlossenen Raum verbrannten. Sie hat den minderjährigen Michael "zur Unzucht" verführt, der später unter den Folgen litt. Und doch gelang es dem Regisseur wie schon vorher dem Autor, dass ich Mitleid mit Hanna empfand.

Ich kann es eher vom anderen Ende her beschreiben: Wenn ich mich beim Lesen eines Buches oder Anschauen eines Films mit den Opfern identifiziere, mir ihr schlimmes Schicksal nahe geht, mich nicht einschlafen lässt, weiß ich für mich, was BÖSE bedeutet.

 

Gertraude

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Wenn ich mich beim Lesen eines Buches oder Anschauen eines Films mit den Opfern identifiziere' date=' mir ihr schlimmes Schicksal nahe geht, mich nicht einschlafen lässt, weiß ich für mich, was BÖSE bedeutet.[/quote']

 

Und damit die Seele wieder Ruhe finden kann, muss der Böse bestraft werden. Wenn er nicht bestraft wird oder in der gesichtslosen Masse untergeht, bleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit zurück.

Allerdings - und das ist m.E. besonders spannend - sinkt der Wunsch nach Strafe für den Bösewicht, wenn er Reue zeigt. Wenn er wirklich unter dem leidet, was er getan hat und nach Vergebung sucht (nach echter Vergebung, nicht so was Vorgeschobenes wie z.B. im Gerichtssaal, wenn ein Straftäter sagt, es tue ihm leid, damit die Strafe niedriger ausfällt). Wenn deutlich wird, dass er sich ändern will und wird, sozusagen vom Saulus zum Paulus.

 

Gruß, Melanie

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Hm, jagut, Logans Run hab ich nicht mehr so voll drauf... ;D

 

Es haben ja nun Heerscharen von Philosophen über die Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg verschiedenen Annäherungen an den Begriff des Bösen gefunden, was es irgendwie nicht leichter macht, aber ich glaube, wirklich spezifizieren lässt es sich in einer Allgemeinformel nicht, Gertraude. Vielleicht ist es am Ende sogar nur ein nötiger Parameter, um individuell das Gute zu bemessen – frei nach Kants Kategorischem Imperativ: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

 

Meyers Lexikon sagt: "Böse das, der ontologisch und metaphysisch dem Guten entgegengesetzte Seinsbereich; in ethischer Bedeutung das als moralisch negativ beurteilte Verhalten und das ihm zugrunde liegende Wollen, sofern dabei seine Verwerflichkeit bewusst ist." Insofern ist der Vorsatz, willentlich und bewusst etwas Verwerfliches zu tun, grundsätzlich etwas Böses.

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Insofern ist der Vorsatz' date=' willentlich und bewusst etwas Verwerfliches zu tun, grundsätzlich etwas Böses.[/quote']

 

Wenn wir es dann philosophisch weiterbetrachten, kommen wir an den Punkt, wo wir feststellen, dass Gott auch gar nicht "gut" oder gar "lieb" ist. Zumindest nicht in der alttestamentarischen Form. Da ist er ein Egoist, dem man zu gehorchen hat und der unbedingt angebetet werden will. Wer es nicht tut, wird erst aus dem Paradies vertrieben und später mit der Sintflut ertränkt. Außerdem verlangt er unmoralische Dinge, z.B. von Abraham, seinen Sohn zu opfern (dass er es nachher doch nicht will, sondern nur den Gehorsam prüfen wollte, macht es nicht besser, Abraham wusste es ja nicht und mir kann keiner sagen, dass er aus Liebe zu Gott handelte, sondern m.E. schlichtweg aus Angst).

Außerdem wettet Gott mit dem Teufel um Hiobs Gottesliebe (wie fies ist das eigentlich?) und später, im neuen Testament, zeigt auch Jesus ganz schöne Impulsdurchbrüche, wenn er im Tempel die Stände der Händler umwirft. Möglicherweise hat er damit die Existenz vom armen Schmuel vernichtet, dessen Waren nun kaputt gingen und dessen Familie hungern musste ...

 

Es stellt sich wiederholt die Frage nach dem absolut Bösen, aber gibt es eigentlich das absolut Gute?

 

Gruß, Melanie

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Vielleicht sollten wir Gott rauslassen, sonst wird's noch komplizierter. Nach dem Motto, wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er das Böse existieren? Denn das macht ihn entweder nicht allmächtig oder selbst böse. :s22

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Uups. Ich schätze, es gibt noch doppelt so viele Auffassung über den Hintergrund des Sündenfalls wie metaphysische Überlegungen zum Bösen an sich. Religion würde ich auch rauslassen – allenfalls mit dem Schlenker, dass das Böse auch in jeder Glaubensrichtung etwas essenziell Vorhandenes ist.

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Wodurch mal wieder deutlich wird, wie grundlegend dieses Thema ist. Wenn es also nichts Böses gäbe, hätte man es zumindest für die Literatur erfinden müssen, um damit spielen zu können und es in all seinen Schattierungen auszuloten.

 

Und um wieder zum Hähnchenfreund unter den Kannibalen zurückzukommen: Kann es sein, dass wir die Regeln der Kannibalen so schnell akzeptieren und darin nichts grundsätzlich Böses sehen, weil Regeln, die für ein effizientes Miteinander sorgen, wertneutral sind? Ja, weil sie gerade Böses verhindern? Oder Taten, die bei anderen Kulturen als böse gelten, neutralisieren?

 

Die Regeln unserer Gesellschaft besagen, dass man niemanden töten soll. Aber gleichzeitig bilden wir Menschen aus, die genau das zu ihrem Beruf machen - Menschen töten. Und sie sind gesellschaftlich akzeptiert, sei es als MEK-Mitglied, das im Fall der Fälle einen finalen Rettungsschuss ansetzt, oder als Bundeswehrsoldaten. Ja mehr noch: Wir zwingen unsere jungen Männer dazu, sich der Musterung zu stellen - und wer nicht töten will, darf nicht einfach nach Hause gehen, sondern muss dafür im Altenheim oder sonstwo arbeiten. Weil es die Regeln so verlangen. Und wer sich dem entzieht, begeht eine Straftat. Also könnte jemand, der niemandem etwas Böses tun will, auch bei uns plötzlich zum "Bösen" mutieren.

 

Gruß, Melanie

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Meine Güte, da macht man einen Sonntagsspaziergang, und hier explodiert ein Thread ...

 

Also, ausschlaggebend für mich, diese Diskussion zu beginnen, war die "Welt aus Regeln", die ein Autor sich schafft, um darin das Gute und das Böse (grob gesagt) zu verankern.

 

Dazu habe ich das Hühnerfresser-Szenario entworfen, das seine Pflicht m.E. regt ordentlich erfüllt hat.

 

Was für mich derzeit der Stand der Dinge ist, will ich mal zusammenfassen:

 

Um einen Bösen im Roman glaubhaft zu konstruieren, gibt es drei Basis-Typen:

 

- der pathologisch Böse, dem es völlig an Empathie gebricht, der nicht therapierbar ist und anschließend entsorgt werden muss.

- der Dumm-Böse, der gar nicht weiß, dass seine Taten grausam und vernichtend sind, sondern in seiner kleinen, selbstgemachten Erbsenzählerwelt auch noch für gut und richtig empfindet. Was der Autor mit ihm macht - bei mir fndet er immer sein wohlverdientes Ende.

- Der Schurke mit dem goldenen Herzen, der zwar Böses will, doch Gutes schafft und in der Lage ist, Reue zu zeigen. Eine faszinierende, gelegentlich charismatische Gestalt, die der Leser symathisch findet und daher Gnade finden muss.

 

Und nun wenden wir uns doch tatsächlich mal den Guten zu.

 

Ist der Gute in meiner Kannibalenwelt nicht der, der die Alten und Schwachen vor dem Verzehr schützen will und damit neue Gesetze einbringt, damit sie menschenwürdig gepflegt werden?

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ist der Gute in meiner Kannibalenwelt nicht der' date=' der die Alten und Schwachen vor dem Verzehr schützen will und damit neue Gesetze einbringt, damit sie menschenwürdig gepflegt werden?[/quote']

 

Hmm, ist er das wirklich? Würde es nicht gaaanz viele Kannibalen (alte wie junge) geben, die schreien: "Halt, das ist nicht o.k., das ist menschenunwürdig, so vor sich hinzusiechen, anstatt noch einmal seinem Leben und Sterben einen Sinn zu geben?"

 

Ansonsten ist die Grundaufteilung der Bösewichte, die du oben anführst schon mal sehr brauchbar, wobei man sicher bei Typ 2 und 3 noch weitere Untereinheiten einführen kann. Und zudem fehlt noch der typisch Dissoziale, klassisches Beispiel wären die "Panzerknacker", die zwar keine Psychopathen sind und durchaus sympathische Züge haben, aber sich trotzdem immer wieder über Dagoberts Geldspeicher hermachen. Also der Bösewicht, der es aus Bequemlichkeit tut, weil klauen einfacher ist, als mit anständiger Arbeit sein Geld zu verdienen (zumindest glaubt er das).

 

@Andrea

Was Typ 2 angeht: Die meisten Intelligenzgeminderten, die Straftaten begehen, sind nicht so fies wie das "Lämmchen" Angelika ;) , sondern noch "erziehbar".

 

Gruß, Melanie

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Will der "Gute" (der für den Leser dann wohl die Symphathielast zu tragen hat)  die Alten und Schwachen vor dem Verzehr schützen und damit neue Gesetze zur Menschenwürde einbringen... läuft er m.E. neben der Spur.

Gefällt vielleicht den Lesern als Identifikation.

Aber dann fällt er in eigenen Reihen der Kritik, wenn nicht sogar plötzlichen Ende einer einsamen Rebellion anheim. Wenn man es alle Recht machen mag...

Unser Hühnerhirte braucht einen Kessel.

Da hinein:

Charisma,

Furchtlosigkeit,

jugendlicher Enthusiasmus (Oder altersbedingte Erfahrung)

Mindestens ein unanfechtbarer - gesellschaftspolitischer- Grund für sein Handeln, sowie ein persönlicher Konflikt.

Und unser Guter braucht mindestens ein gleichgeartetes Individuum (außer dem Huhn), das seine Auffassung teil. Nicht sofort vielleicht. Und vorzugsweise nicht gleichgeschlechtlich.

 

Experiment?

Die "Guten" atmen durch... und erhängen unter Tränen und lautem Klagen - und für die Kanibalen gut sichtbar- die alten Hühner. Möglicherweise gibt es das eine, das vom Mut verlassen bettelt und mit den Füßen zappelt.

(Die Guten wirken mitleidslos)

Hinter der Hecke aber lotsen sie das Junggefieder in die Freiheit.

Und nun?  ;D

 

LG

Dagmar

Das Beste beim Diktieren ist, dass man Worte verwenden kann, von denen man keine Ahnung hat, wie sie geschrieben werden.

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Ihr mögt den Retter der Alten und Schwachen nicht, ich merk's schon (und fühle mich ganz alt und schwach).

 

Ich habe ein wenig provoziert, denn wenn der wirklich Böse der empathie- und mitleidslose Kannibale ist, dann muss doch er Gute Mitgefühl für die Alten und Schwachen - also die Opfer der Gesellschaft haben.

 

Und für viele andere auch. Ein Umkehrschluss: Ist der Gutmensch der Gute, weil er mitfühlt?

Oder braucht er noch etwas darüber hinaus?

 

Denn

Charisma,

Furchtlosigkeit,

jugendlicher Enthusiasmus (Oder altersbedingte Erfahrung)

Das hat auch der Schurke.

 

Andrea

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Meine Meinung kurz gesagt - ja, der Gute ist der Gute, weil er mitfühlt und empathiefähig ist. Das sind dann auch die Knackpunkte, an denen der Böse zum Guten werden kann - wenn er plötzlich seine Empathie zum Zuge kommen lässt. Oder umgekehrt, wenn der Gute den absolut Grundbösen am Schluss erledigt, geht jede Empathie verloren, weil er den Bösewicht nur noch als solchen, aber nicht mehr als Menschen sieht, so dass er getötet werden muss.

 

Gruß, Melanie

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Entschuldigt, wenn ich das so sage, aber die Diskussion ist mir zu sehr um intellektuelle Definitionen bemüht. Denn die kann man je nachdem so oder so drehen. Es ist nicht eine Frage der Regeln und der Verletzung solcher. Das ist zu mathematisch, wenn ihr den Ausdruck entschuldigt. Daher auch die Diskussion darüber, was geschieht, wenn man die Regeln ändert. Dreht sich dann alles auf den Kopf. Nein!

 

Das menschliche Empfinden von Gut und Böse hat zuerst einmal etwas mit Ur-Instinkten zu tun. Deshalb hatte ich vorher davon gesprochen, dass die Regeln einer Gruppe meist um die Sicherheit der Gruppe entstanden sind. Beispiel: Der Territorialinstinkt. Jeder Mensch/Familie/Gruppe hat diesen sehr stark ausgeprägt. Dies ist "meine Hütte", "mein Reich", "mein Vorgarten". Jemand, der ohne meine Erlaubnis in "meinen Vorgarten" pinkelt, ist automatisch mein Feind, den es zu vertreiben gilt. Und will er mir mein Haus stehlen (Eskalation), dann greife ich zur Waffe.

 

Umgekehrt ist der, der mir hilft, meine Jagdgründe zu verteidigen, ein Guter. Das ist natürlich nur ein Instinkt unter vielen, die ineinandergreifen und auch mal miteinander in Konflikt geraten. Besonders, wenn mein Prokreationsinstinkt mit dem Besitzerstolz des Nachbarn in die Quere kommt. Klassischer Dreierkonflikt.  ;)

 

Ohne zuviel Nachdenken mit Regeln zu vertun, meine ich, ist es nützlicher, die menschliche Ur-Natur zu verstehen, denn viele dieser Regeln leiten sich davon ab und das Grundverständnis, was Gut oder Böse ist, basiert darauf. Die Regeln können durch einen Diktator oder eine herrschende Schicht vorübergehend verändert werden, aber sie bemühen sich, trotzdem dafür Erklärungen zu finden, die dem natürlichen Empfinden entgegenkommen. Der Diktator verwendet viel Mühe darauf, durch Schauprozesse die Farce eines Rechtsstaats (Gerechtigkeit) aufrechtzuerhalten, usw.

 

Also, der Mensch kann Gut und Böse vielleicht nicht so leicht und immer präzise definieren, aber er fühlt es, wenn es ihm gegenübersteht. Und das hat mit Instinkten zu tun.

 

So glaube ich zumindest. Was meint ihr?

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Allerdings widersprechen sich Empathie und Instinkt nicht. Wenn also, um bei dem Beispiel des Revierkampfes zu bleiben, ein Nachbar angegriffen wird, und der andere ihm hilft, dadurch als zum "Guten" wird, ist die Frage, warum er das tut. Rein theoretisch könnte es ihm ja auch egal sein, wenn sein Nachbar ausgeraubt wird. Aber durch Empathie und Mitfühlen macht der andere sich klar: "He, wenn ich jetzt nicht eingreife, kann ich der Nächste sein."

 

Das ist dann der Unterschied zwischen einem Rudel und einer Herde. Im Rudel wird füreinander eingestanden, in der Herde schützt man sich einzig durch die große Menge.

 

Gruß, Melanie

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