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TobiasL

Nebenan ein Mädchen (Stefan Kiesbye)

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Manchmal gehen Bücher seltsame Umwege. Nach seinem Studium verschlug es Stefan Kiesbye von Berlin in die USA, wo er heute mit seiner Frau in Los Angeles lebt. In den USA erschien auch 2004 sein literarisches Debüt "Next Door Lived A Girl". Erst jetzt - Ende 2008 - fand diese großartige Novelle Dank des Jens Seeling Verlages den Weg auf den deutschen Büchermarkt. Der Autor hat seine Novelle aus dem Amerikanischen selbst übersetzt.

 

Worum geht es?

 

Es ist Sommer, irgendwann Mitte/Ende der 70er Jahre. Moritz und seine Freunde leben in der norddeutschen Kleinstadt Egse. Sie nennen sich "Dachse", und wenn sie nicht von den älteren "Füchsen" drangsaliert werden, spielen sie die harmlosen Spiele, die alle Kinder spielen. Noch ist ihnen die Welt der Erwachsenen fremd, aber genau in diese Welt werden sie im Laufe des Sommers immer schneller hinein gezogen. Dabei verlieren sie mehr als nur ihre kindliche Unschuld, sie erfahren wie das ist mit der Gewalt und wie schmerzhaft das mit der Liebe ist und das Freundschaften schnell enden können. Doch zuvor "finden" sie ein zurückgebliebenes Mädchens ...

 

All das schildert Stefan Kiesbye aus der Sicht des vierzehnjährigen Moritz. In einfachen, oft kurzen Sätzen zeichnet er das Bild einer Kindheit, die im Schrecken zu Ende geht. Und vielleicht nie eine Kindheit gewesen ist. Moritz und seine Freunde fahren nachts mit dem Rad durch die Stadt und ihre Eltern kümmert das nicht wirklich. Der Mief der 60er Jahre liegt noch schwer in Schlafzimmern, auch wenn man offen ist für frivole Saunapartys mit befreundeten Elternpaaren. Moritz und seine Freunde lesen de Sade, Fanny Hill und Schwedische Sexmagazine, sie onanieren voreinander, aber wenn sie ein Mädchen küssen wollen, dann wissen sie nicht, wie das geht. All das beschreibt Kiesbye in kurzen, oftmals nur ein oder zwei Seiten langen Kapiteln (die auch im Titel kurz sind, z.B. Unser Vorort, Die Bunker, Fahrt, Die Baracke). Er erweist sich dabei als ganz großer Meister des Weglassens. Ein Nebensatz von ihm zeigt oft mehr, als andere Autoren in langen Absätzen zu sagen versuchen. In kurzen, präzisen Bildern fern jeglichen Moralisierens und Bewertens lässt Kiesbye Egse auf eine düstere Weise lebendig werden. Auch ist es gerade diese emotionslose Sachlichkeit, die die Novelle so ungemein aufwühlend macht. Man ist allein gelassen mit dem, was Moritz über sich erzählt, und damit ist man allein mit sich. Und vielleicht erinnert man sich während des Lesens daran, dass man solche Kinder wie Moritz kennt. Und dass man solche Erwachsenen wie Herrn Henne kennt. Und irgendwie kennt man auch Egse. Und so ist man auf der letzten Seite der Novelle vielleicht froh, dass man selbst ganz anders erwachsen geworden ist.

 

"Nebenan ein Mädchen" von Stefan Kiesbye ist ein dünnes Buch (gerade mal 112 Seiten) von verdammt großem Gewicht!

"If it sounds like writing, I rewrite it." (Elmore Leonard)

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Stephanie Schuster

Ich hole den Thread vom letzten Jahr wieder nach oben, danke Tobias, ich wusste doch, dass dieses Buch hier schon mal vorgestellt wurde  :)

 

Gerade als Taschenbuch (mit 204 Seiten, fast doppelt soviel wie das HC) erschienen und unbedingt empfehlenswert:

 

Stefan Kiesebye "Nebenan ein Mädchen"

 

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Klappentext:

Wer fürchtet sie nicht, die dunklen Geheimnisse, die sich hinter den verschlossenen Türen einer friedlichen Kleinstadtidylle verbergen? Immer wieder schockieren uns die unfassbaren Verbrechen, die unter der Oberfläche lauern. Stefan Kiesbye gelingt mit "Nebenan ein Mädchen" das Kunststück, ein solch düsteres Szenario in große Literatur umzusetzen.

 

Meine Meinung:

Wie ein Schulaufsatz kommt es daher, und entfaltet durch diese Direktheit der Sprache eine Sogwirkung, die Brutales wie Feinfühliges ohne Unterschied in der Satzlänge nebeneinander stellt. Ich war sofort drin in dieser norddeutschen Kleinstadt-Welt und erst so poetische Bilder, wie im Zimmer roch es müde, ließen mich innehalten. Hier schreibt natürlich kein Schüler, sondern ein Schriftsteller, der jedes Wort sehr bewusst setzt, eine grausame Kette von Ereignissen hinstellt, als stünden abgetragene Schuhe und neue nebeneinander. Die schweigende, verdrängende Kriegsgeneration, die ihre Kinder missbraucht und sich wundert, dass sie Gewalt als Spiel und als Antwort sehen.

Ein Buch zum Wiederlesen, ein Muss für Krimiautoren, ein Knaller.  

 

Ein Interview mit dem Autor gibt es hier:

(Link ungültig)

 

Liebe Grüße

Rebecca

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Wenn die Hauptfigur 14 ist, ist das Buch auch Jugendlichen dieses Alters zu empfehlen?

Derzeit in Schreibpause... mit immer wieder Versuchen, dieses Sumpfloch zu verlassen

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