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Andrea S.

Gefühle wecken

Empfohlene Beiträge

Ich bin ja leider ein geborener Feind aller Schreibratgeber, deshalb kann ich keinen empfehlen, aber sehr gut ist Petras Rat, auf sich selbst zu hören. Wir alle verfügen in unserem Alltagsleben über eine große Bandbreite von Ausdrucksmöglichkeiten.

 

Die können wir selbstverständlich in das geschriebene Wort umsetzten.

Und das nicht nur im Dialog, auch in beschreibenden oder auktorialen Passagen.

 

Auch Wolfhards Vorschläge sind sehr brauchbar.

Bei wirklich großen, aufwühlenden Ereignissen ist manchmal ein kurzes Statement viel dramatischer, als ausschweifende szenische Darstellung.

Wenn die Welt um die Heldin oder den Helden zusammenbricht, wenn der Kühlschrank versagt, das Finanzamt mit Steuerprüfung droht, der Mann fremdgegangen ist und der Herbststurm das Dach abzudecken droht - wenn alles das drastisch geschildert wird - und dann endet die Szene mit den Worten: "Und Clara lachte."

Das zeigt ziemlich gut, wes Geistes Kind sie ist.

 

Oder eine besinnliche, ja fast heitere Stimmung, alles scheint in schönster Harmonie, aber Clara kniet neben ihrem eben überfahrenden Hündchen.

Sie weinte.

Das zeigt auch die tiefe Trauer, die sie fühlt.

 

Gut, das kann man auch nicht immer machen, aber es ist eine der vielen Möglichkeiten, Gefühle zu wecken, ohne sie explizit darzustellen, ohne große Innensicht.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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wenn man seine Figuren sehr gut kennt, dann schreibt man bei einiger Übung vermutlich automatisch in der jeweiligen Situation in der passenden Sprache.

So denke ich es mir auch. Zumindest für meinen Teil kann ich dazu auch sagen: seine Figuren kennen und lieben. Dann hat man gute Chancen, dass der Leser sie auch lieben wird, ihre Gefühle nachvollziehen kann.

 

Die Sprache, der Stil muss für mich zur Person passen - auch insgesamt zur Geschichte, glaubwürdig im Ganzen, nicht in einzelnen Situationen plötzlich aus der Werkezugkiste ein Instrument herausgeholt und angewendet.

 

Aber geht es euch nicht auch so: es ergibt sich eben, den Stil, die Sprache für die und die Person zu finden, wenn man sie und ihre Geschichte, ihre Hintergründe kennt, sich ihr zuwendet und - aus gutem Grund - ja viel Zeit im Kopf mit ihr verbringt.

 

Ich vergesse da schnell die angelesenen Ratschläge. Und wenn es läuft und stimmt und passt, dann kann ich schlecht denken: oh, hier sollte ich aufpassen, sollte  ich nicht mit Gegensätzen arbeiten, um den Gefühlswechsel deutlich zu machen? Gut, beim Überarbeiten (meine Lieblingsbeschäftigung) ist das schon was anderes.  Die genannten Punkte von Wolfhard finde ich auch sehr nützlich.

Und Susann, danke für die Ratgebertips.

 

Wenn es nicht so gut läuft - Stau im Weiterschreiben - kann ich mir gut weiterhelfen, indem ich eine weitere knifflige "Gefühlsszene" (die sind nun mal oft knifflig, deshalb schreiben wir wohl so fleißig in diesen Thread) vorausschreibe, mich einschreibe, die Wirkung überlege. Oder ich suche mir eine geplante Passage, auf die ich mich schon freue, da ich mir bereits gut vorstellen kann, wie sie "sitzt".

Oft tut es gut, sich auf das bereits genannte "Alltagsverhalten" zu konzentrieren, nach dem finde ich wirklich wichtigen Grundsatz: Nicht erklären - zeigen!

 

Liebe Grüße

Bea

"Wer nicht weiß, in welchen Hafen er will, für den ist kein Wind der richtige." Seneca

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Der beste Schreibratgeber-Autor (meines Erachtens nach) für dieses Thema ist Sol Stein.

Ich persönlich finde, dass man als Autor eines nicht vergessen darf:

Man IST die Figur, die man gerade schreibt. Je mehr man sich in sie hinein versetzt und das dort Entdeckte hinschreibt, desto gefühlsstärker wird die Figur. Der Leser ist ein Voyeur. Er zieht den größten Genuss aus dem, was sonst keiner sehen kann. Der Autor hat die Aufgabe, seelische Abgründe ebenso wie Hochstimmungen aufzudecken und dem Leser zu gestatten, diese in der Figur zu sehen. Etwas, was die Figur im Roman vor den anderen Figuren zu verbergen versucht - der Leser darf es wissen! Er soll es sogar wissen. Dann erst ist live dabei, IN der Figur, zu jeder Zeit. Die Figur kann und soll ihm nichts verheimlichen. Im Gegenteil, sie ist ein offenes Buch für ihn.

Dadurch entsteht von ganz allein die gewünschte Figurennähe und Gefühle werden geweckt. Weil ein Mensch gern "mitfühlt", und wenn der Autor dem Leser nichts liefert, mit dem er mitfühlen könnte, dann spricht man vom "handlungsgetriebenen Roman".  :s22

 

LG

Joy

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Joy hat recht, Sol Stein ist State of the art, und auch Elizabeth Georges Wort für Wort ist sehr lesenswert. Und natürlich ist auch Andrea Schacht ein guter Ratgeber, obwohl die Ratgeber gar nicht mag ;-).

 

Für die Figurenentwicklung sehr hilfreich ist Sol Steins "Write Pro". Das ist ein Programm, das den Autor solange mit blöden Fragen zu seiner Figur nervt, bis er aus Verzweiflung wirklich in sie hineinkriecht ;-).

 

Das Programm gibt es hier:

(Link ungültig)

 

eine Besprechung hier:

(Link ungültig)

 

Hans Peter

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Nach unserer Diskussion habe ich zu Hause meine bereits leicht vom Staub überzogenen Schreibratgeber in die Hand genommen und durchgeblättert.

Sol Stein war dabei und auch das Buch von Frey - Wie man einen verdammt guten Roman schreibt, Teil II - . Eine Aussage ist mir dabei aufgefallen, lautet sinngemäß etwa so: Der Leser will nicht zum Denken angeregt werden, er will fühlen.

 

mlG

Christine

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Hallo ihr Lieben,

 

also ein besonderes Schema habe ich ebenfalls nicht, außer, dass ich versuche, meine Figuren zu verstehen, nachzuempfinden, was in ihnen vorgeht. Für mich ist dann auch der Dialog wichtig. Vieles kann man im Dialog ausdrücken.

 

Im Folgenden ein kleines Beispiel. Der Herr ist unbeschadet nach vielen Jahren vom Kreuzzug zurückgekehrt. Der Sohn der alten Bäuerin nicht. Lange Zeit hat sie den Herrn gehasst, dafür, dass er ihren Sohn mitgenommen hat. Am Ende verzeiht sie ihm:

 

Elena sah auf ihre Füße.

„Vielleicht habe ich Euch Unrecht getan“, sagte sie verlegen, „denn sicher hattet Ihr damals Recht, meinen Bennot mitzunehmen. Irgendjemand musste ja gegen die Heiden kämpfen, oder?“ Sie sah mich mit feuchten Augen an. „Er hat Euch doch geholfen, das Grab des Heilands zu befreien, ist es nicht so, Herr? Er ist für Gott gestorben, mein Bennot, nicht wahr?“ Jetzt schluchzte sie so herzzerreißend, dass ich meine Arme um sie legte. Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich brachte kein Wort hervor. „Sagt mir, Senher“, flehte sie klagend, „dass er ehrenvoll gestorben ist und dass Gott ihn zum Lohn in sein Himmel-reich genommen hat.“

„Ja, Elena“, raunte ich ihr heiser zu. „Er ist ehrenvoll gefallen. Vor den Mauern Jerusalems. Und nun sitzt er an Gottes Seite.“

Elena glaubte meinen tröstenden Worten. Sie schnäuzte sich an ihrem Rock. Dann lächelte sie zaghaft und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

„Danke für diese Kunde, Herr“, sagte sie und es kam mir vor, als stünde sie ein wenig aufrechter. „Mein Bennot hat sich für Jesus Christus geopfert. Deshalb will ich nicht klagen.“ Sie drückte meinen Arm. „Und ich bin sehr froh, Senher, dass der Herrgott Euch das Leben erhalten hat, dass Ihr wieder unter uns weilt. Dafür habe ich mich heute in der Kirche bedankt.“

Sie lächelte noch einmal zaghaft und wanderte dann erhobenen Hauptes zu ihrer Hütte am Dorfrand. Ich biss mir auf die Lippen. Möge Gott mir verzeihen, dachte ich, denn ich schämte mich für meine Lüge. Aber wie hätte ich sagen können, dass ihr Bennot eines unwürdigen Todes gestorben war, im eigenen Unrat verreckt, verscharrt in einem Massengrab, ohne Salbung und ohne Kreuz, als eines der vielen Opfer der Seuche vor den Toren Antiochias. Ein Tod ohne Sinn und Be-deutung, für den allein ich die Verantwortung trug.

 

Ich glaube, es sagt etwas über beide Figuren aus.

Im allgemeinen finde ich es aber schwer, ein Rezept zu geben.

 

Liebe Grüße

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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„Vielleicht habe ich Euch Unrecht getan“, sagte sie verlegen, „denn sicher hattet Ihr damals Recht, meinen Bennot mitzunehmen. Irgendjemand musste ja gegen die Heiden kämpfen, oder?“ Sie sah mich mit feuchten Augen an. „Er hat Euch doch geholfen, das Grab des Heilands zu befreien, ist es nicht so, Herr? Er ist für Gott gestorben, mein Bennot, nicht wahr?“ Jetzt schluchzte sie so herzzerreißend, dass ich meine Arme um sie legte. Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich brachte kein Wort hervor. „Sagt mir, Senher“, flehte sie klagend, „dass er ehrenvoll gestorben ist und dass Gott ihn zum Lohn in sein Himmel-reich genommen hat.“

Bei mir weckt so eine Schilderung keine Gefühle. sagte sie *verlegen*, sah mich *mit feuchten Augen* an, schluchzte sie *herzzereißend*, flehten sie *klagend* wären für mich Behauptungen des Autors, die mich aus dem Dialog herausreißen.

 

Eher kommen die Gefühle durch den Dialog heraus und natürlich durch den letzten Absatz. Ich würde diese ganzen Einschübe um die Behauptungen erleichtern und den Dialog für sich wirken lassen.

 

Hans Peter

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Wo er recht hat, hatter recht - die Inquit-Formeln stören mich auch.

 

Dialoge sollten durch den Ihnhalt des Gesprochenen leben, nicht durch die Beschreibung der Tonlage, Gesten und Gefühle der Sprechenden.

 

Aber das ist auch schon wieder Textkritik.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Aber das ist auch schon wieder Textkritik.

Da landen wir unweigerlich bei dem Thema. Weil es keine abstrakte Methode gibt, mit der man Gefühle wecken könnte, die immer, überall und bei jedem Autor funktioniert. Gleiches beim Thema nebenan, bei der Ortsbeschreibung.

 

Es gibt eine Reihe von Werkzeugen, es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie mans machen kann - und wies schiefgehen kann. Aber die kann man nur am konkreten Text zeigen.

 

Inquit Formeln, die Gefühle behaupten, stören mich und verhindern diese Gefühle. Sprich "sagte sie verlegen" schlägt die Verlegenheit tot, die im Dialog aufscheint.

 

Hans Peter

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Wo er recht hat' date=' hatter recht - die Inquit-Formeln stören mich auch.[/quote']

Na ja, ein schlechtes Beispiel ist ja auch eine Demonstration! :s22

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Es gibt eine Reihe von Werkzeugen, es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie mans machen kann - und wies schiefgehen kann. Aber die kann man nur am konkreten Text zeigen.

 

Was nur wieder heißt, dass es Werkzeuge gibt, und dass man sie wie im Schlaf beherrschen muss, damit sie richtig eingesetzt sind.

 

Besser noch - als Werkzeuge haben die Ratgeberschreiber Methoden definiert, die Autoren intuitiv anwenden - die Henne war vor dem Ei.

Weshalb ich ja immer dazu tendiere, in sich selbst hineinzuhorchen und sich nicht von Vorschriften und Regeln einengen zu lassen, die auch nur auf bestehende Texte aufgestülpt sind.

 

Gerade was Gefühle anbelangt, glaube ich noch immer, dass man sie am besten darstellt, wenn man sich selbst beobachtet. Es gibt Menschen, die behaupten von sich: "Ich bin unglücklich", andere drücken es durch Übersprungshandlungen aus, andere werden wortkarg, und noch andere beginnen, sich selbst zu verstümmeln.

Es gibt Menschen, die von sich sagen, dass sie glücklich sind, andere zünden einfach Kerzen an, wieder andere bekommen Schluckauf vor Lachen oder fallen fremden Menschen auf der Straße um den Hals.

 

Sowohl für Wortlosigkeit wie für Überschwang gibt es sprachliche Ausdrucksformen, mit denen man die Gefühle darstellen kann. Das ist die gestalterische Aufgabe des Sprachkünstlers, sprich Autors.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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