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Andrea S.

Gefühle wecken

Empfohlene Beiträge

Wer das für mich sehr gut geschafft hat, war Sparks in seinem Buch "Notebook" (mir fällt der deutsche Titel nicht ein).

 

Da wurde beschrieben, auch detailiert, aber ich habe es nicht als aufgesetzt, aufgezwungen empfunden weil es schlicht war. Nicht durch Adjektive triefend.

 

Allerdings - kennt man ein Buch von ihm, kennt man alle.

 

LG

 

Ulli

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Hier ist der Fettnapf, in den ich jetzt springe - und mir erlaube, eine andere Meinung dazu zu haben - genau diese zu intensive szenische Beschreibung des Menschelns empfinde ich als Bevormundung, wenn ich es lese.

Ob Innensicht oder Aussensicht, allzu detaillierte Darstellungen führen bei mir dazu, dass ich mich von den Figuren distanziere.

Finde ich auch. Viel hilft viel, der Satz stimmt beim Schreiben nicht. Da reicht oft eine Sache, um die Person zu charakterisieren.

 

Allerdings hat beim "atmen unter Wasser" diese Wiederholungen eine dramaturgische Funktion: Die Mutter "hängt" in ihrer Trauer fest, egal was Vater und Sohn versuchen.

 

Hans Peter

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Ich sehe keinen Fettnapf, Anna. Wir moegen ueber das Beispiel unterschiedlicher Meinung sein, die Forderung, die Du stellst, stelle ich aber genauso.

In Lisas Roman ist fuer mich das Mass genau richtig gehalten, darin divergieren wir - doch jedes sich aufdraengende Zuviel fuehrt bei mir zum selben Effekt, den Du auch beschreibst: Ich distanziere mich, ich schalte mich aus, mich tangiert nicht mehr, was den Figuren geschieht.

 

Sie duerfen nicht: Bitte lieb mich, bitte hab Mitleid, bitte fuerchte dich mit mir, sagen.

 

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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@Anna

Ich sehe auch keinen Fettnapf. 8-), nur verschiedene Lesermeinungen. Ich mag solch intensive, szenische Beschreibungen, empfinde sie nicht als Manipulation. Keiner schreibt mir vor, wie ich sie zu lesen habe. Allerdings werde ich gezwungen, genau hinzusehen.

Deswegen bin ich der Meinung, dass man solche expliziten Stellen sparsam und vorzugsweise bei den ganz großen Gefühlen einsetzen sollte. Würden alle Gefühle der Figur auf diese Art und Weise gezeigt, verginge mir vermutlich die Lust, ständig alles unter der Lupe anzusehen.

Wie immer gilt wohl einzig das rechte Maß der Dinge. Leider ist das keine empirisch beweisbare Einheit, sondern liegt wie immer im Auge des Betrachters.

*soifz*

 

LG

Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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Ein kurzer Einwurf, weil ich Lisas Schreiben ganz gut kenne. Ihr Roman ist - meine persönliche Einschätzung! - das Psychogramm einer aus dem Lot geratenen Familie. Gewissermaßen ein Kammerspiel -  die rein äußerliche Handlung ist hingegen stark zurück gedrängt. Dass Lisa hier und das aus gutem Grund ganz nah mit der Lupe rangeht, an das (Alltags)-Verhalten ihrer traumatisierten Figuren und es auch quasi minuziös "aufzeichnet" ist konsequenter Teil ihres Konzepts und ergibt sich aus ihrem Thema.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Hallo zusammen,

 

es gibt mehrere unterschiedliche Verfahren um "Gefühle zu wecken", die recht unterschiedliche Bedingungen und Kriterien haben, gleichzeitig aber oft verbunden sind.

 

1.) Projektion: Der Leser erkennt sich in einer Figur wieder.Eine Figur wird als Projektionsfläche gestaltet, was in sich bedingt, dass sie ein wenig farblos bleibt. Im Prinzip handelt sie so, wie die Leser es erwarten- Wissensvorsprung der Leser- aber einige Ereignisse stellen sich ihr in den Weg. Meist ist diese Figur unbeschädigt oder nur leicht beschädigt, weil sie sonst für eine Projektion nicht taugt, da viele Leser sich in solche Figuren nicht projizieren können.

 

2.) Einfühlen: Der Leser wird mit einer ausgestalteten Figur und ihrem Gefühlsleben (und restlichen Leben) zusammengeführtt. die sich zumeist an einer klassischen Heldenfigur orientieren, aber meist mehr oder minder beschädigt sind (teilweise ohne größere Folgen). Im Prinzip handelt es sich um eine Person, die man gerne kennenlernen möchte, weil sie interessant ist, angenehme Charakterzüge hat (witzig, hoffnungsvoll, energisch,...) und eigentlich ein homo fiktus, also ein Figur besser als ein Mensch ist.

 

3.) Auseinandersetzen: Der Leser wird mit einer Figur und ihrem Gefühlsleben konfrontiert, die von seinem eigenen Leben abweicht bzw. teilweise stark abweicht. Über die Neugier wird der Leser dann auf die Lesereise eingeladen unter dem Versprechen: So etwas erlebt diese Figur und du darfst sie dabei beobachten. Auch diese Figuren sind meist klare homo fiktus Gestalten, dürfen aber alle möglichen Eigenschaften haben und durchaus Schurken sein.

 

4.) Ablehnung: Der Leser wird mit einer Figur konfrontiert, die er eigentlich nicht mag und Standpunkte vertritt, die er nicht teilt. Aber etwas an der Figur ist faszinierend und gleichzeitig ablehnungswürdig, was während der Geschichte variiert, und der Leser wird über Neugier, Einfühlung/ Projektion in andere Figuren, und Ablehnung in die Geschichte gezogen.

 

Bei allen diesen Figuren ist es möglich Gefühle zu wecken, aber die Frage ist immer, welche und mit welchem Zweck? Zudem verlangt jede der vier Figurentypen eine andere Annäherung an die Figur und da oft mehrere Figuren dieser Art, in unterschiedlichen Rollen und unterschiedlichen Richtungen in einem Roman auftreten, ist es schwierig das generell zu beantworten.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Interessante Diskussion. Ich würde an dieser Stelle gerne noch einen anderen Text als Beispiel nennen, einen Text, den viele von uns auszugsweise kennen gelernt haben: Vom Atmen unter Wasser, Textausschnitt: Die Trauer der Mutter.

Während der gesamten Diskussion dachte ich genau daran. Ich erinnere mich gut an Lisas Lesung in Oberursel. Ich war beeindruckt, wie treffend bildhaft sie sich ausdrückt. Sie kann das. Punkt.

...und genau das ist der "Casus Knacktus".

Texte, die gewollt davon wimmeln, in denen nichts geschildert, alles nur noch gezeigt wird, langweilen auf Dauer. Wenn es um Gefühle geht, ist das Pathos nicht weit weg, deshalb hoffe ich, nie das in die Jahre gekommene Sprichwort zu vergessen: "In der Beschränkung liegt der Meister!"

 

Ich finde keinen Fettnapf, Anna. Vielleicht habe ich ihn übersehen, weil ich jetzt drin stehe? ;)

 

Gertraude

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Bei allen diesen Figuren ist es möglich Gefühle zu wecken' date=' aber die Frage ist immer, welche und mit welchem Zweck? Zudem verlangt jede der vier Figurentypen eine andere Annäherung an die Figur und da oft mehrere Figuren dieser Art, in unterschiedlichen Rollen und unterschiedlichen Richtungen in einem Roman auftreten, ist es schwierig das generell zu beantworten. [/quote']

 

Die Unterteilung in die vier Typen gefällt mir zwar, gibt aber, wie Du ganz richtig sagst, keine Antwort - es ist m.E. nur eine Unterscheidung der Tiefenplanung der Figur.

 

Die Projektionsfigur bleibt oberflächlich, die "klassische Heldenfigur" arbeitet mit bekannten Reaktionsmustern, die Gefühlsabweichler mit unbekannten/fremden Reaktion, der faszinierende Widerling mit bekannten, aber tabuisierten Gefühlen.

Schön und gut, aber ich wollte thematisieren, mit welchen Mitteln man - übergreifend zu diesen Typisierungen - dem Leser Empathie entlockt.

 

Eben weil das keine leichte Angelegenheit ist und ich finde durchaus zum Nachdenken anregen sollte. Übrigens über Geschmacksgrenzen hinaus, auch meinen eigenen.

In einem Psychogramm mag das breit angelegte Gefühlsszenario seine Berechtigung haben, aber in vielen, vermutlich weit mehr handlungsorientierten Geschichten sollte man weitere Möglichkeiten zum Einsatz bringen, um Leser zum Mitfiebern zu überreden.

 

Und wenn es das goldige Lumpenmädchen mit dem Hundewelpen im Arm ist.

 

Da:

Auf einem Tisch stand ein großer Rosenstrauß, von dem der eine Duft stammte. Auf dem geblümten Bettüberwurf aber lag ein großes, rosafarbenes Samtkissen, und auf dem wiederum ruhte eine schlanke, cremefarbene Katze mit dunklem Gesicht. Aus dieser braunen Maske musterten mich strahlend blaue Augen abschätzend.

Ich schluckte.

Heilige Bastet, war die schön!

„Komm raus da, Schisserchen. Die Alte ist weg, auf Männerfang.“

„W …was?“

„Meine Menschenfrau. Eine ziemliche Schnepfe, wenn du mich fragst.“

„Schnepfe. Aha.“

Ich kam ganz vorsichtig aus meinem Versteck und begutachtete die Umgebung. Auch die Schöne war von ihrem Kissen gesprungen und kam nun auf mich zu.

Ich fluchtbereit.

Nur wohin?

„Du bist ja putzig“, sagte sie und blieb vor mir sitzen.

Putzig?

„Ich hab noch nie einen so kleinen Kater gesehen.“

Ach so. Na gut, dann richte ich mich eben mal ein bisschen auf.

„Ich … ich bin genauso groß wie du.“

„Stimmt, wenn man es genau nimmt. Wie heißt du?“

„Meine Menschenfrau ruft mich Pantoufle. Wegen dem hier“, ich zeigte meine weißen Pfoten vor.

Die Katze kicherte.

„Ach ja?“

Ich weiß, ich weiß, ich bin ein Pantoffelheld. Aber muss man mir das immer gleich so unter die Nase reiben?

„Und wie heißt du?“, fragte ich aufsässiger, als ich wollte.

„Lilibeth. Jedenfalls ruft mich die Schnepfe Adèle so.“

 

:)

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hallo ihr Lieben,

 

vieles von dem, was ihr hier beispielhaft angeführt habt, lässt sich wohl auf den "Show, don't tell!"-Nenner bringen.

 

Der Thread passt sehr schön, weil ich gerade ein Buch lese, bei dem ich mich relativ schnell gefragt habe, weshalb mir die Figuren eigentlich so dermaßen egal sind.

Ich habe auch eine Antwort gefunden: Der Autor hat sich nicht die Mühe gemacht, mir deren Gefühlswelt nahezubringen. Man erfährt in Ansätzen, dass da jemand verliebt ist, und dass jemand anders eifersüchtig ist. Aber es steht ein Ereignis im Vordergrund, nicht die Figur(en). Um das Ereignis herum ist eine relativ umfangreiche Protagonistentruppe drapiert. Von den meisten Personen erfährt man wenig bis gar nichts und von der Hauptperson auch nur das Nötigste. Man mag sagen, okay, da war zu wenig Platz auf den paar Seiten, aber dann hätte der Autor etwas anderes kürzen müssen. Es darf nicht dazu führen, dass die Figuren vernachlässigt werden.

Ich hingegen liebe Bücher, in denen ich in die Gefühlswelt der Hauptfigur tief eintauchen kann. Ich erfahre gerne beiläufig, was zu bestimmten Zeiten in deren Leben passiert ist, was sie mögen und was nicht. Wenn Figuren entstehen, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich sie kenne, als wären sie "echt", dann hat das funktioniert.

Vielleicht muss man hin und wieder weniger gelungene Bücher lesen, damit einem wieder klar wird, was man selbst gerne anders machen möchte ;-)

 

Liebe Grüße

Petra

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Schön und gut' date=' aber ich wollte thematisieren, mit welchen Mitteln man - übergreifend zu diesen Typisierungen - dem Leser Empathie entlockt.[/quote']

Ich glaube nicht, dass das so geht, weil die Leser so unterschiedlich sind. Was den einen zu Tränen rührt, lässt den anderen kalt.

 

Und ein Motiv, das mich beim ersten Lesen zu Tränen gerührt oder zum Lachen gebracht hat, bringt mich beim 5. oder 10. oder 25. Mal zum Gähnen - aber welches Buch mein erstes war, dafür kann kein Autor, das ist Zufall. (Klassiker und allgemein bekannte Bestseller vielleicht ausgenommen, aber da werden wohl schon die Verlage einen Riegel vorschieben.)

 

Allenfalls lässt sich vielleicht herausfinden, was das Mitfühlen ziemlich sicher verhindert. :s22

 

Auf einem Tisch stand ein großer Rosenstrauß, von dem der eine Duft stammte. Auf dem geblümten Bettüberwurf aber lag ein großes, rosafarbenes Samtkissen, und auf dem wiederum ruhte eine schlanke, cremefarbene Karte mit dunklem Gesicht.

Katze?

Man gräbt keine goldenen Halsbänder aus dem Boden. (John Vorhaus "Handwerk Humor")

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Nachdem nun mein Buch hier mehrfach erwähnt wurde – worüber ich mich sehr freue – spüre ich die unausgesprochene Erwartung, dass ich nun mal sage, wie ich es schaffe die Gefühle meiner Figuren zum Leser zu transportieren ohne sie zu behaupten.

 

Ganz ehrlich: So richtig klar ist mir das nicht. Ich habe dafür keinen Handwerkskasten, aus dem ich je nach Bedarf das passende Werkzeug hole.

 

Für mich ist es wichtig, meine Figuren gut zu kennen. Wenn ich in jeder Situation weiß, wie sie denken, handeln und fühlen, dann ist das schon „die halbe Miete“, dann schreibt sich das beinahe von allein.

 

Außerdem arbeite ich gern mit Bildern, die zur Emotion meiner Figur passen. Um beim Beispiel Agnes zu bleiben. Sie ist ins neue Haus gezogen, will die Vergangenheit und den Verlust ihres Mannes und Kindes vergessen. Aber die neue Nachbarin klingelt und fragt, ob Agnes bei der Suche nach dem seit Stunden verschwundenen Jakob helfen kann. „Die Frage hallte in ihrem Schädel nach wie in einem Fahrstuhlschacht.“ Dieses Bild transportiert Agnes’ Gefühl.

 

Und dann ist mir selbst bei meiner „Schreibe“ aufgefallen, dass ich den Stil dem Gefühl anpasse. Das ist jetzt schwierig zu erklären. Vielleicht ein Beispiel: Der Held meiner Geschichte hat ein sehr distanziertes und schwieriges Verhältnis zu seinem Vater. Einmal beschreibe ich in einer zusammenfassenden Szene einige Urlaubstage, die beide gemeinsam verbracht haben. Beide achteten auf Distanz, wahrten eine unausgesprochene Demarkationslinie. Als ich den Text las, wurde mir klar, dass ich das auch sehr distanziert geschrieben habe. Knapp, sachlich, kühl.

 

LG

Inge

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Das Katzen-Dialog-Beispiel finde ich sehr treffend dafür, wie die Handlung die Tiefe der Figur des erzählenden Katers beschreibt und dadurch zum Mitfühlen anregt, gerade durch die Lücken, die bleiben.

Der Dialog reicht schon, um dem Leser klar zu machen, wo das Problem des Katers ist. Ängstlich, etwas zu klein, angeschlagenes Selbstwertgefühl, aber durchdrungen von dem Wunsch, das zu ändern und ausgestattet mit genügend Stärke, um es schaffen zu können, weil er sich dem Gegenüber stellt und nicht flieht. Zudem verfügt er über Humor, mit dem er sich der zunächst entwertenden Situation durch die Rassekatze, die ihn zu klein nennt, entzieht. In mir als Leserin erweckt es sofort Anteilnahme und Neugier, wie er diese Situation wohl meistern wird.

 

Gruß, Melanie

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Der Thread passt sehr schön, weil ich gerade ein Buch lese, bei dem ich mich relativ schnell gefragt habe, weshalb mir die Figuren eigentlich so dermaßen egal sind.

Ich habe auch eine Antwort gefunden: Der Autor hat sich nicht die Mühe gemacht, mir deren Gefühlswelt nahezubringen. Man erfährt in Ansätzen, dass da jemand verliebt ist, und dass jemand anders eifersüchtig ist. Aber es steht ein Ereignis im Vordergrund, nicht die Figur(en). Um das Ereignis herum ist eine relativ umfangreiche Protagonistentruppe drapiert.

 

Da hatten wir ein ziemlich ähnliches Erlebnis - ja, vor allem große Truppenaufgebote sind Empathie-Killer. Eine gesichtslose, vor sich hin agierende Masse, und schon kommt mich auch das Gähnen an.

Das mindeste sind unterscheidbare Wiedererkennungsmerkmale, und darunter nicht nur Äußerlichkeiten, sondern auch bestimmte charakteristische Reaktionen, die wiederum sich an den Gefühlen und Einstellungen orientieren.

 

Und dann ist mir selbst bei meiner „Schreibe“ aufgefallen, dass ich den Stil dem Gefühl anpasse. Das ist jetzt schwierig zu erklären. Vielleicht ein Beispiel: Der Held meiner Geschichte hat ein sehr distanziertes und schwieriges Verhältnis zu seinem Vater. Einmal beschreibe ich in einer zusammenfassenden Szene einige Urlaubstage, die beide gemeinsam verbracht haben. Beide achteten auf Distanz, wahrten eine unausgesprochene Demarkationslinie. Als ich den Text las, wurde mir klar, dass ich das auch sehr distanziert geschrieben habe. Knapp, sachlich, kühl.

 

DAS scheint mir auch ein ganz wichtiges Merkmal zu sein. Die Sprache, der gewählte Stil (darauf wollte ich ja von Anfang an hinaus  ;)) ist ein Mittel, um Gefühl an den Leser zu bringen.

Mal kühl, mal zornig, mal zärtlich, mal verträumt, mal ängstlich, mal nüchtern ...

Und das nicht nur im Dialog.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ich könnte auch nicht erklären, wie man es macht. Aber zwei Beispiele fallen mir ein. In beiden Büchern verschlägt es einen Ritter in islamische Gefangenschaft. In dem einen wird geschildert, wie er sich eingewöhnen muss (natürlich mit jeder Menge Schwierigkeiten). Man sieht ihn heimlich beten, und man erfährt z.B. zwischen den Zeilen, auf welchem Weg er überhaupt das Kreuzkettchen, das er dazu in den Händen hält, retten konnte.

 

Der andere Roman macht einen Schnitt, die ganze Eingewöhnungszeit wird nicht geschildert, und darüber, ob er seinen Glauben ausüben kann, und wenn nicht, wie er damit umgeht, wird kein Wort verloren. Das Hauptaugenmerk liegt auf abenteuerlichen Ereignissen.

 

Den einen Roman hab ich verschlungen. Den anderen nur mit Mühe zuende gelesen. An den einen Helden denk ich heut noch. Von dem andern weiß ich nicht mal mehr, wie er hieß.

 

Sabine

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DAS scheint mir auch ein ganz wichtiges Merkmal zu sein. Die Sprache, der gewählte Stil (darauf wollte ich ja von Anfang an hinaus  ;)) ist ein Mittel, um Gefühl an den Leser zu bringen.

Mal kühl, mal zornig, mal zärtlich, mal verträumt, mal ängstlich, mal nüchtern ...

Das hieße ja, dass es *den* Stil nicht gibt, der Gefühle weckt. Sondern dass der Stil zu Figuren und GEschichte passen muss?

 

Hans Peter

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Ich finde Inges Erklaerung in jeder Hinsicht sehr nuetzlich, und ich glaube, sie ist noch viel bedenkenswerter, als sie auf den ersten Blick scheint.

 

Inge schreibt: Sie hat kein bestimmtes Werkzeug, sondern legt Wert darauf, ihre Figuren sehr gut zu kennen.

Das scheint mir, so einfach es klingt, eine ganz zentrale Mahnung, die ich des Oefteren mal mehr als gut gebrauchen kann. Ich arbeite derzeit an meinem ersten Sachbuch und bemerke wieder und wieder, wie viel lockerer, kuehner, selbstbewusster ich damit umgehe.

Weil sich mir diese Aufgabe nicht stellt, sondern ich anwenden kann, was ich schliesslich gelernt habe und was ich mir auch zutraue.

Zwar handelt mein Sachbuch auch von einem Menschen, aber es erschafft ihn nicht.

Das ist das ganz grosse Ding im Roman fuer mich: Menschen schaffen, Menschen menschlich abbilden.

Da tappen womoeglich viele von uns - ich jedenfalls - so sehr im angstbesetzten Raum, dass sie sich dringlich einen Werkzeugkasten mit einfacher Gebrauchsanweisung wuenschen.

Inges Beitrag ruft in Erinnerung: Den Gebrauchsanweisungskasten gibt's nicht. Den kann man nur zur flachen Oberflaechengestaltung benutzen, die - wie wenn ein Kind mit einer Schablone malt - beim ersten Mal noch eindrucksvoll wirken mag, aber - Beate bestaetigt das durch ihre Leseerfahrung - in Windeseile abgenutzt ist.

Wir schreiben ueber Menschen. Und die muss ich als Autor gut kennen, sagt Inge. Ich habe ja Inge gerade fuer die Leserunde interviewt und fand auch dabei ihre Hinweise zur Figurengestaltung bedenkenswert: In sich selbst den Figuren nachspueren, pruefen, wie weit kann ich selbst mit ihnen mitgehen?

Inge schreibt Krimis.

Ich hoffe mal, sie wird nicht demnaechst wegen eines Kapitalverbrechens verhaftet.

Aber diesen Fundus, den Tuempel, in dem wir mal wuehlen koennen, haben wir ja alle in uns. Haben vermutlich noch nie gemordet. Aber haben womoeglich schon mal gehasst.

Wie weit da jeder gehen kann (denn das tut ja weh und ist entsetzlich anstrengend), muss er natuerlich selbst entscheiden und ausloten, von Fall zu Fall. Ich glaube aber, dass das den Gefuehlen von Romanfiguren einen sehr soliden Unterbau gibt: Wenn wir uns Zeit nehmen, sie kennenzulernen, wenn wir uns die Muehe machen, sie und viele ihrer potentiellen Vorbilder zu beobachten, wenn wir den Mut haben, aus unseren eigenen Untiefen fuer sie zu schoepfen.

 

Und dann sagt Inge noch etwas ueber den Wechsel des Stils, die Wahl der angemessenen stilistischen Mittel, das ich mit "viele Register ziehen ueben", zusammenfassen moechte. Wenn ich mein stilistisches Repertoire laufend trainiere, beim viel Lesen und beim ein bisschen Schreiben, aber beides taeglich, wenn ich zudem stilistische Wendigkeit nicht als Spirenzchen a la gelaeufige Gurgel betrachte, sondern als Ausbau meines Transportmittelparks - um so viel wie moeglich von meinen Figuren zu meinen Lesern zu transportieren,

dann verliere ich vielleicht irgendwann ein bisschen von der vielen Angst und dem grossen Wunsch nach dem Werkzeugkasten.

Und trau mich

zu schreiben.

Ueber Menschen.

 

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Wenn ich das haargenau aufschreibe, lasse ich doch dem Leser keinen Raum für den eigenen Film im Kopf, oder?

 

Skizzieren heißt ja nicht dies genau so in einem fertigen Text zu verwenden.

Wenn ich "alle" Nuancen kenne, dann kann ich auswählen. Dann bleibt genügend Freiraum für den Leser mit seinem Kopfkino.

Fabrizius&&Alle sagten das geht nicht, dann kam einer, der wusste das nicht und hats gemacht
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@Charlie: Na, was ist denn das Kästchen mit den Stilmitteln anderes, als der Werkzeugkasten des Autors?

 

Wenn man in der Figur seinen eigenen Gefühlen nachspürt, verleiht man diesen Gefühlen auch in seiner eigenen, gefühlsdiktierten Sprache Ausdruck.

 

Je eloquenter der Autor ist, desto breiter kann er seine eigenen Empfindungen ausdrücken, je mehr im Werkzeugkasten "Stilmittel" drin ist, desto mehr Möglichkeiten bestehen, damit angemessen zu arbeiten.

 

Dass man seine Figuren kennen muss, ist die Grundvoraussetzung - man muss ihnen aber auch Sprache in den Mund und um sie herum legen.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Dass man seine Figuren kennen muss, ist die Grundvoraussetzung - man muss ihnen aber auch Sprache in den Mund und um sie herum legen.

 

Und vielleicht noch was, was zu all den Vorschlägen in Sachen Reduktion, Nicht-alles-schreiben dazugehört: Eine gewisse Kenntnis davon, wie banal meistens gerade das ist, was sich in der Literatur so oft eines Riesenrespekts erfreuen kann: Liebe und Tod. Da wird mit Naturkatastrophenmetaphorik hantiert: Vulkane brechen aus, Geysire schießen hoch, die Welt stürzt ein ...

 

Was innen ist - die Gefühle - die dem Leser nahegebracht werden wollen - das zeigt sich halt auch nur außen. Und wenn sich da ein tieftrauriger Mensch zwischendrin auch mal am Schienbein kratzen muss, bin ich, glaub ich, eher dabei, als wenn er immerzu seufzt und schluchzt.

 

Ich hab nochmal nachgesehen bei Tolstoi. Wie stirbt Ana Karenina?

 

Sie wollte sich unter den ersten Wagen werfen, dessen Mitte jetzt an ihr vorbeikam; aber die rote Reisetasche, die sie vom Arme abnehmen wollte, hielt sie auf und nun war es schon zu spät: die Mitte des Wagens war bereits an ihr vorüber. Sie musste auf den nächsten Wagen warten. Ein Gefühl gleich jenem, das sie empfand, wenn sie beim Baden ins Wasser steigen wollte, bemächtigte sich ihrer..."

 

Unglaublich - so ein simples Ding wie eine Reisetasche - das muss man sich mal trauen!

 

Angelika

 

P.S. Deshalb geht es auch so nahe, wenn Lisa gerade das - wie jueb schreibt - "Alltagsverhalten" ihrer Figuren zeichnet.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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DAS scheint mir auch ein ganz wichtiges Merkmal zu sein. Die Sprache, der gewählte Stil (darauf wollte ich ja von Anfang an hinaus  ;)) ist ein Mittel, um Gefühl an den Leser zu bringen.

Mal kühl, mal zornig, mal zärtlich, mal verträumt, mal ängstlich, mal nüchtern ...

Und das nicht nur im Dialog.

 

Frage? Wie kann man das lernen, üben?

Kennt Ihr Literatur, Ratgeber, die darauf eingehen. Ich habe einiges an Schreibratgebern gelesen, aber so konkret ist da kein Werk darauf eingegangen. Ja, Figuren sind wichtig, Charaktere sind wichtig, sicher, das wissen wir. Aber den Stil seinen Figuren anpassen, zu wechseln, mal verträumt, ängstlich, nüchtern, darauf bin ich bisher in meinen Ratgebern nicht gestoßen. Toll wäre so ein Vergleich, ein kurzer Text ohne und ein kurzer Text mit Gefühl, damit man den Unterschied so richtig spüren kann.

 

mlG

Christine

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Hallo Christine,

 

wenn man seine Figuren sehr gut kennt, dann schreibt man bei einiger Übung vermutlich automatisch in der jeweiligen Situation in der passenden Sprache. Überlege doch mal, wie du beispielsweise auf Leute reagierst, die dich verletzt haben, und von denen du dir wünschst, sie mögen so schnell wie möglich verschwinden, ohne, dass du ihnen das explizit sagen willst. Du wirst sicher ziemlich einsilbig.

Bei einer guten Freundin redselig, machst Scherze, benutzt umgabgssprachliche Wörter. Auf einem Amt wirst du diese Wörter vermutlich weglassen, ebenso auf einem offiziellen Empfang, wo du unsicher bist und nur das Nötigste sprichst.

Also: Beobachte dich und andere. Hör genau hin. Und schreibe, schreibe, schreibe...

 

Einen Schreibratgeber, in dem Beispiele sind, wie du sie dir wünschst, kann ich aus dem Stegreif nicht nennen,, denn dann müsste ich die alle nochmal lesen ;-) Bin nämlich sehr vergesslich und hab da lange nicht reingesehen.

 

Lieben Gruß

Petra

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Ich finde Inges Erklaerung in jeder Hinsicht sehr nuetzlich, und ich glaube, sie ist noch viel bedenkenswerter, als sie auf den ersten Blick scheint.

 

Inge schreibt: Sie hat kein bestimmtes Werkzeug, sondern legt Wert darauf, ihre Figuren sehr gut zu kennen.

 

Da tappen womoeglich viele von uns - ich jedenfalls - so sehr im angstbesetzten Raum, dass sie sich dringlich einen Werkzeugkasten mit einfacher Gebrauchsanweisung wuenschen.

Inges Beitrag ruft in Erinnerung: Den Gebrauchsanweisungskasten gibt's nicht.

 

Dass jemand eine Schwierigkeit intuitiv und auch noch großartig löst, bedeutet nicht, dass es keinen Werkzeugkasten gibt.

Vielleicht ist auch das Bild des Werkzeugkastens das falsche, weil es uns zu Schubladen, Kästchen und Fächern hinführt. Und einfach ist es bestimmt nicht, sonst würden wir hier nicht diskutieren.

 

Vielleicht sollten wir den Werkzeugkasten nicht weiter suchen, sondern statt dessen nach Leitlinien, Schwerpunkten und ähnlichem schauen. Hier im thread sind schon einige davon versammelt.

 

Ich füge gern noch drei hinzu, von denen mir die erste einfiel, als Angelika die Reisetasche erwähnte.

Je größer die Gefühle, desto spärlicher die Mittel (bis hin in eine Banalität in einer Beobachtung)

Je größer die Gefühle, desto wichtiger das Gegengewicht (Gefühlschaos im Widerstreit mit der Disziplin einer strengen Erziehung oder so etwas)

Je größer die Gefühle, desto schneller in einen Vergleich, der es dann ermöglich das Gefühl aus der Distanz und ein wenig verfremdet zu beschreiben.

 

Auch wenn das jetzt es so klingen mag, es sollen keine festen Regeln sein, aber Relativieren ist immer eine Methode Großes klein und Kleines groß zu machen. Die Methoden dazu sind vielfältig

 

Wolfhard

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Hallo Christine,

 

Frage? Wie kann man das lernen, üben?

Kennt Ihr Literatur, Ratgeber, die darauf eingehen. Ich habe einiges an Schreibratgebern gelesen, aber so konkret ist da kein Werk darauf eingegangen. Ja, Figuren sind wichtig, Charaktere sind wichtig, sicher, das wissen wir. Aber den Stil seinen Figuren anpassen, zu wechseln, mal verträumt, ängstlich, nüchtern, darauf bin ich bisher in meinen Ratgebern nicht gestoßen. Toll wäre so ein Vergleich, ein kurzer Text ohne und ein kurzer Text mit Gefühl, damit man den Unterschied so richtig spüren kann.

 

Schau mal in diesem: Elizabeth George, Wort für Wort oder die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben.

Das 9. Kapitel lautet: 'Erzählersprache: Es kommt auf die Haltung an.'

Sie bringt auch viele Textbeispiele und das Kapitel 8 'Wo es eine Erzählperspektive gibt, gibt es auch eine Erzählersprache', geht auch in die Richtung.

 

Gruß Susann

 

P.S.: Außerdem immer hilfreich: Reclam Literaturwissen, Wie interpretiert man einen Roman? (Da steht einiges über den Erzählvorgang und solche Dinge wie 'Erlebte Rede' und 'Innerer Monolog', usw.)

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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