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Einundzwanzigster Juli

Empfohlene Beiträge

Noch ein Buch über das dritte Reich, wieder eine Doku-Fiction? Muss das sein?

 

Müssen muss es nicht, aber dieses Buch zeigt all dem gängigen Nazi-Kitsch, wie man es macht:

 

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und es ist eine Hommage an eine leider vergessene große Fliegerin:

Melitta Schenk Gräfin von Stauffenberg, die Schwägerin des Hitler- Attentäters, Halbjüdin und so gut, dass die Luftwaffe sie dennoch beschäftigte. Warum ist Hanna Reitsch, die 150% Nazi, immer noch bekannt, aber die zweite große Fliegerin aus der Zeit vergessen?

 

Hans Peter

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Hallo, Hans Peter!

 

Gerade eben bin ich bei "Lizzynet" auf dieses Buch gestoßen und habe überlegt, ob es sich wohl lohnt, es zu lesen.

 

Dann fand ich deine Besprechung hier und nun ist klar: Ich werde es mir zulegen.

 

Vielen Dank für die Entscheidungshilfe ;),

Christine

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Jetzt habe ich das Buch "Einundzwanzigster Juli" von Anne C. Voorhoeve durchgelesen.

Und ich kann Alan Posener in seiner negativen Kritik über das Buch nur voll zustimmen. Posener hat in allen Punkten recht.

 

Hpr schrieb in seiner begeisterten Amazon-Rezension: "Noch einen Roman über das Dritte Reich? Noch eine Doku-Fiction? Eigentlich brauchen wir das nicht. Wenn, ja wenn diese Geschichte nicht so faszinierend, so authentisch geschildert wäre."

 

Ich kann überhaupt nichts Faszinierendes oder Authentisches an diesem Roman finden – im Gegenteil.

Hier handelt es sich in der Tat um "pädagogisch bemühte Erbauungsliteratur", mit farblosen Protagonisten, mit farblos beliebigen Dialogen, mit einer steif erzählten Geschichte ohne jegliche Dramaturgie, uninteressant, flach, platt, ohne jeglichen nachvollziehbaren und vor allem notwendigen Hintergrund.

 

Alan Posener findet die Idee an sich bestechend, "das Schicksal der Stauffenbergs durch die Augen einer jungen Anhängerin des Regimes berichten zu lassen, die durch die Tat ihres Verwandten in einen Zwiespalt zwischen Familienloyalität und Regimetreue gerät". Doch die Autorin hätte "Fritzis Überzeugungen, ihre Liebe zum 'Führer' und zum Vaterland, ihren Hass gegen die Juden und die anderen Feinde des deutschen Volkes, überzeugend und nachvollziehbar darstellen müssen."

 

Genau das aber hat Anne C. Voorhoeve NICHT getan, nicht einmal in Ansätzen.

Der Leser erfährt nichts darüber, wie Fritzis Liebe zu Herrn Hitler und Nazi-Deutschland aussieht, wie ihre Judenfeindschaft sich darstellt, wie ihr Leben als nationalsozialistisches Mädel verlief und wie und was sie da bisher geprägt hat.

Es wird immer mal wieder ein bisschen pubertärer Zickenkrieg zwischen ihr und ihrer Mutter geschildert und ganz zum Schluss des Buches gesteht Fritzi noch, dass sie mit einer Freundin einen Fremdarbeiter denunzierte, der daraufhin von den deutschen Dorfbewohnern erst halb tot geschlagen und dann aufgehängt wird.

 

Das Buch hätte ein guter Entwicklungsroman werden können, der den Lesern zeigt, wie Fritzi, eine überzeugte Nazi-Anhängerin, durch die Auseinandersetzung mit dem Stauffenberg-Attentat und der anschließenden Sippenhaft einen neuen Weg einschlägt, weg von den Nazis.

Doch alles dies fehlt komplett im Buch.

Auch über das frühere Leben und die teilweise innere Verbundenheit zum Nationalsozialismus der Stauffenberg-Gruppe erfährt der Leser nichts. An einigen Stellen liest man Sätze wie, Hitler hätte Verbrechen begangen.

 

Besonders haarsträubend fand ich die Quintessenz des Buches – Seite 338, kurz vor Ende des Buches, nachdem die "Omama" Fritzis Bekenntnis über die Denunziation des Fremdarbeiters gehört hat.

Zitat:

Omamas plötzlicher, heftiger Ausbruch: "Wie ich hasse, was dieser Hitler aus uns gemacht hat!"

 

Bei dem Satz hat es mir schier die Sprache verschlagen. Das ist wahrlich ein toller Trick: Keiner der Nazis hat schuld – Hitler hat schuld, denn er hat die armen Deutschen alle verführt und schlecht gemacht und verdorben.

 

Nur noch kopfschüttelnd – Elisabeth

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Erstaunlich, dass es oft die genau gleiche Wahrnehmung eines Buches ist, die bei unterschiedlichen Menschen dann zu unterschiedlichen Urteilen über ein Buch führt. Das zeigte sich schon bei LeCarres Marionetten.

 

Der Zickenkrieg zwischen Frizzi und ihrer Mutter hat mich auch genervt - aber ich fand genau das sehr gut an dem Buch. Da waren nicht alle einer Meinung, nicht die "Guten" immer rücksichtsvoll, mitfühlend, wie das sonst sehr gerne in Romanen über das dritte Reich passiert. Solche "Abweichungen" werden selten geschildert, sind leider aber realistisch (Ruth Klüger schildert das sehr nachvollziehbar in ihrer Biografie, Hilsenrath hat das auch getan).

 

Frizzies Liebe zum Führer ist nicht nachvollziehbar geschildert, auch das richtig. Aber so eindeutig existiert sie auch gar nicht. Weshalb ich es sehr schade gefunden hätte, daraus eine der üblichen Geschichten zu machen - ich bin begeisterte Nazi und entwickle mich zum Gegenteil.

 

Die Geschmäcker sind verschieden, ganz sicher. Aber oft sind es gerade die gleichen Dinge, die der eine in der Geschichte vermisst und der andere gar nicht drinhaben möchte, die dann zu unterschiedlichen Urteilen führen.

 

Hans Peter

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Soeben habe ich eine E-Mail von der Autorin, Anne Voorhoeve, erhalten.

 

Sie bittet mich darum, darauf hinzuweisen, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist und dadurch der Eindruck geweckt werden könnte, dass in dem Roman die Nazis - und die Deutschen generell - von ihrer Schuld am Nationalsozialismus freigesprochen werden sollten.

 

Aus diesem Grund bittet sie mich, den Satz durch das komplette Zitat zu ergänzen:

 

"Omamas plötzlicher, heftiger Ausbruch: "Wie ich hasse, was dieser Hitler aus uns gemacht hat!"

 

Aus uns, ruft sie, die Liebe. Denn sie sind mir ja zugetan, sie sind meine Familie und sie sagen, womit zu rechnen war: Du bist nicht schuld, du konntest es doch nicht wissen!

 

Nichts, was ich mir selbst nicht wieder und wieder einzureden versucht habe. Aber schützt das Fehlen einer Absicht vor Schuld? Macht das Aussprechen einer Schuld sie wieder gut? Muss dem Aussprechen nicht eine Tat folgen?

 

Wenn sie ehrlich wären, würden sie etwas anderes zu mir sagen als: Arme Fritzi, du konntest es nicht wissen."

 

Gruß,

 

Andreas

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Sie bittet mich darum, darauf hinzuweisen, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen ist und dadurch der Eindruck geweckt werden könnte, dass in dem Roman die Nazis - und die Deutschen generell - von ihrer Schuld am Nationalsozialismus freigesprochen werden sollten.

 

Aus diesem Grund bittet sie mich, den Satz durch das komplette Zitat zu ergänzen:

Wobei man hinzufügen muss, dass das die Aussage einer der Figuren ist. Und diese Meinung auch bei den Anhängern des Hitler-Attentats durchaus verbreitet war - das waren tapfere Männer und sie haben ihren Irrtum eingesehen, aber viele davon waren keine Demokraten und hatten erst recht nicht die Distanz, die wir heute haben.

 

Weswegen Poseners "bemühte Deutschlehrerin" vielleicht doch nützlich sein könnte in solchen Fällen. Weil das Buch durchaus vom gängigen Schema abweicht, ist eine Diskussion darüber bei jugendlichen Lesern sicher nicht falsch.

 

Wäre der Roman der Entwicklungsroman, den Posener gerne gelesen hätte, wäre er mehr in den üblichen Gleisen verlaufen. Gut möglich, dass ich ihn dann als "bemüht" kritisiert hätte - denn diese Form von Büchern gibt es mittlerweile genügend.

 

Hans Peter

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Lieber Hans Peter,

 

jetzt will ich auch mal ganz vorsichtig etwas anmerken: Das Zitat ist die Aussage einer der Figuren, ganz klar. Aber es ist eben NICHT die Quintessenz des Buches.

 

Was die unterschiedliche Wahrnehmung desselben Buches durch unterschiedliche Leser betrifft, stimme ich dir aus vollem Herzen zu - bei mir war es z.B. das Buch "Die Frau des Zeitreisenden", das ich absolut genial finde und mehrfach verschenkt habe. Und dann? Keine einzige der Beschenkten mochte es! Ich konnte es nicht fassen.

 

Dabei bin ich selbst immer mehr Anhängerin der Theorie, dass Person, Hintergrund und Intention des Autor ab dem Augenblick, in dem er sein Buch aus der Hand gibt, keine Rolle mehr spielen. Wichtig ist dann nur noch der Leser mit seinem Hintergrund, seinen Leseerfahrungen und -erwartungen, seiner "selektiven Wahrnehmung" des Buches und seiner Figuren. Und so macht man dann als Autorin die merkwürdige Erfahrung, am selben Tag, an dem Alan Posener in der "Welt" mein Buch verriss, von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur dafür ausgezeichnet zu werden, und während Elisabeth hier ihrer Abscheu Luft machte, wurde "Einundzwanzigster Juli" im Rundfunk als eins der "Besten 7 Bücher für junge Leser" vorgestellt. Diese Juroren und Kritiker haben also kein Brett vorm Kopf, sondern das Buch einfach anders gelesen.

 

Vielleicht kann man es dabei belassen: Die Kritiker sind sich uneins. Das ist aus meiner Sicht auch vollkommen in Ordnung. Nicht in Ordnung finde ich, eine einzelne Aussage aus dem Sinnzusammenhang zu lösen und als "Quintessenz" von 350 Seiten zu behaupten, um dem Buch (und damit auch der Kollegin) Nazi-Apologetik vorhalten zu können.

 

Im Übrigen will ich hier mal eine Lanze für die "bemühten Deutschlehrerinnen" brechen: Ich wünschte, ich hätte als Jugendliche eine solche gehabt! Mein eigener Deutschlehrer hat lustlos und ohne spürbares Engagement sein vermutlich fünfzehn Jahre zuvor ausgearbeitetes Programm abgespult, und erst in der Oberstufe im Englisch-Leistungskurs habe ich entdeckt, dass es auch anders geht.

 

Und last but not least ein wirklich tief empfundenes Dankeschön, dass Du mein Buch hier so entschieden verteidigt hast, und auch an Nina für ihre "Solidaritätsaktion"!  :-*

 

Viele Grüße von Anne

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Hallo Anne –

 

Bücher werden natürlich unterschiedlich wahrgenommen, da sind wir uns alle einig. Was den einen zu Begeisterungsstürmen hinreißt, langweilt den anderen. Das ist in allen Künsten so – und das ist auch gut so.

 

Dein Wort "Abscheu" empfinde ich allerdings als etwas zu groß geraten, aber – seis drum …

 

Leider habe ich aus privaten Gründen im Augenblick kaum Zeit für eine gute Diskussion – aber trotzdem noch so viel zu deinem Posting:

Obwohl nach dem Satz der Großmutter einige kurze weitere Absätze folgen (wie sie hier von Andreas bereits gebracht wurden), bleibt es für mich genau bei dem Eindruck der Quintessenz, wie ich sie beschrieb.

 

Die nachfolgenden Absätze wirkten gleich beim ersten Lesen auf mich wie der pädagogische Appell an die zukünftigen Deutschlehrer, die mit diesem Buch umgehen – deshalb las ich die Seite mehrere Male, weil ich dir, der Autorin, da nichts unterstellen wollte.

 

Doch vom Eindruck her änderte sich da auch im Nachhinein nichts mehr bei mir – vor allem auch deshalb nicht, weil der Satz der Großmutter ja durch den Kontext der vorher erzählten Geschichte bestätigt wird (uff, komplizierter Satz).

 

Noch etwas – ich selbst kenne bei meinen Büchern sehr gut Pro- und Contra-Reaktionen in der Leserschaft, und wirklich gestört hat mich das noch nie.

Eigentlich ist es doch nicht das Schlechteste …

 

Schöne Grüße – Elisabeth

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Hallo Elisabeth,

 

danke für deine Antwort! Wollen wir es einfach dabei bewenden lassen? Vermutlich haben wir auch im Blick auf Zitate und Quintessenzen einfach eine unterschiedliche Wahrnehmung.

 

Was die Deutschlehrer als Zielgruppe betrifft, wird übrigens nur eins meiner Bücher ("Lilly unter den Linden", Thema DDR) klassensatzweise bestellt. Die anderen beiden sind schlicht zu dick ("Liverpool Street" hat im Taschenbuch 564 Seiten) und waren von mir selbst auch nie für den Unterrichtszweck gedacht. Das schließt nicht aus, dass sie von Einzelnen schon von der Thematik her in dieser Schublade gesucht und gefunden werden, aber in einem Pädagogenforum findet man zu "Einundzwanzigster Juli" auch diesen Hinweis: "Als Klassenlektüre wenig geeignet".

 

Frohes Schaffen und beste Grüße von Anne

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