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Plotten ohne Plot

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Ich muss 16 gewesen sein, als ich ein Hörspiel von Simenon hörte, an das ich mich noch heute sehr gut erinnern kann. Vor wenigen Wochen habe ich das dazugehörige Buch zufällig entdeckt. Und wieder hat es mich in den Bann geschlagen.

 

Dabei hatte es gar keinen aufregenden plot. Ein Mann in einer Kleinstadt in Amerika will unbedingt in den Country Klub. Einmal wurde er bereits abgelehnt. Heute Abend ist eine neue Sitzung. Ein Freund von ihm ist Bürge, und hat ihm versichert dass alles glatt gehen wird. Doch wieder wird er abgelehnt.

 

Er trinkt keinen Alkohol, er raucht nicht, ist in den lokalen Vereinen tätig, nicht in leitender Position, dafür derjenige der die Arbeit macht.

 

Seine Mutter flieht aus einem Pflegeheim. Sie ist Alkoholikerin. Jetzt hat er Angst dass sie in der Kleinstadt auftaucht.

 

Die Geschichte wird ruhig erzählt, der Autor bewertet sie nicht, macht keine Kommentare, karg, von einer inneren Logik der Person wird die Geschichte voran getrieben.

 

Simenon ist in seine Figur hinein gekrochen, lässt sie einfach voran gehen, am Schluss stirbt die Mutter, der Mann besäuft sich zum ersten Mal, er erfährt, dass sein Freund immer der war, der die entscheidende Nein Stimme abgegeben hat.

 

Geschrieben wurde das Buch vor fünfzig Jahren. Lesen kann man es immer noch, vermutlich, weil der Autor so wenig bewertet, einfach seine Figur marschieren lässt. Das passiert auch in anderen Romanen. "Die schwarze Kugel" heißt es.

 

Simenon hat diese Romane meist sehr schnell geschrieben, zwei Wochen, dann waren sie fertig. Aber sie sind enorm lehrreich. Nämlich, wie man aus Figuren eine Geschichte entwickeln kann, das heißt, eigentlich wird nicht die Geschichte entwickelt, sondern die Figur geht einfach ihren Weg. Manchmal ins verderben, manchmal kehrt sie zurück, das einzige gemeinsame dieser Bücher ist: die Figur ist das einzige bestimmende.

 

AndreasE hat das in seinem Beitrag in dem Buch "Erst lesen. Dann schreiben" schon beschrieben. Aber anlässlich der Diskussion wie man Figuren entwickelt, wollte ich das hier einfach nochmal aufgreifen.

 

Hans Peter

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Ich kann das völlig nachvollziehen, da ich auch der Meinung bin, dass viele Plot-Elemente sich aus der Figur selbst ergeben. Je besser ich die Figur erarbeite und verinnerliche, umso klarer wird die Plot-Entwicklung. Sowohl, was das Entwickeln kreativer Ideen betrifft, wie auch die Tatsache, dass gewisse Plot-Alternativen einfach wegfallen, weil sie mit der Figur nicht harmonieren würden.

Spannend wird es, wenn man eine ganze Reihe solcher Figuren hat, die ebenfalls gut herausgearbeitet sind, und die nun interagieren. Das bringt neue Plotvarianten und schließt andere widerum aus. Dieses Geflecht von unterschiedlichen Zielen und Beziehungen ergeben auch schöne psychologische Plotanteile. Äußere Handlung versus innere, emotionale Entwicklung.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Christine Spindler

Dieses Vorgehen kenne und liebe ich. Allerdings benutze ich es nicht, um einen Roman zu verfassen, sondern um mich warmzuschreiben, meine Figuren kennenzlernen und ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sie "ineinandergreifen".

 

Sonnige Grüße

Christine

Hört mal rein in meinen Podcast: https://anchor.fm/tinazang

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Für mich klingt das wie nach Hause kommen ...

 

Mit dem Problem habe ich mich in letzter Zeit immer wieder beschäftigt, denn ich fange mit Plots leider nicht viel an, sie nehmen mir selbst die Spannung. So bald ich zu genau weiß, was passiert, verliere ich die Freude am Schreiben.

Nachdem sich das zumindest in "Handwerk-des-Schreibens"-Zeiten eher unprofessionell anfühlt, habe ich mich bemüht, es anders zu machen. Bisher ist es mir nicht gelungen, ich habe eher meine Einstellung dazu verändert. Vor allem auch, weil ich so einen Widerwillen gegen meine eigenen Geschichten entwickle, wenn ich sie zu sehr fest mache.

Ich sehe meine Kreativität mittlerweile wieder ein bisschen wie einen scheuen Vogel, der davon fliegt, wenn man ihn einsperren will.

Und das, obwohl ich Handwerk beim Schreiben für sehr wichtig halte.

Ich erlebe mich also ein bisschen wie einen Fotografen, der mit einer möglichst guten Ausrüstung auf der Lauer liegt und Fotos von einem Vogel schießt, der macht, was er will. Wenn man nicht den Zwang hat, ihn Purzelbäume schlagen zu lassen, ist das eine schöne Aufgabe. :)

 

Deswegen war der Workshop zur Figurentwicklung in Oberursel für mich auch ein Aha-Erlebnis.

 

Liebe Grüße,

Saskia

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Ein bisschen geht es mir wie Saskia. Obwohl ich glaube, eine längere Geschichte ohne Plot nicht sauber hinzukriegen, belastet mich das Korsett zur Zeit recht stark. Bei jedem Wort, das ich schreibe, schiele ich aufs Ende: Passt das jetzt auch wirklich dazu? Vielleicht genügt tatsächlich eine Prämisse und dann lässt man seine Figuren laufen. Die werden ihren Weg schon finden. ;D

Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht annähernd die Qualität eines Simenon habe.

 

Der Workshop mit hpr hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Figuren zu entwickeln, die leben. Es war ein außerordentliches Aha-Erlebnis :s20, wie sich z. B. die unbekannte und für mich anfangs uninteressante "Heilige" während des Workshops nach und nach zu einem Menschen entwickelte mit Charakter. Jetzt bin ich neugierig auf die Geschichte.

 

Danke hpr!

 

LG Gertraude

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Da hier im öffentlichen Bereich eine solche Behauptung aufgestellt wird, möchte ich dazu einmal trocken bemerken, das man unter "Plot" die Handlung einer Geschichte versteht.

 

Plotten ohne Plot, Handlungsplanung ohne Handlung - tatsächlich?

 

Man kann natürlich die Handlung eines Romans aus Figuren oder Themen, Konflikten oder Genrevorgaben entwickeln, das bleibt jedem selbst überlassen. Ebenso der Detaillierungsgrad.

 

Schreiben ohne Handlungsplan ist unprofessionell.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Plotten ohne Plot, Handlungsplanung ohne Handlung - tatsächlich?

Natürlich haben auch Simenons Romane eine Handlung - aber der Plot hat nicht die Bedeutung wie bei anderen Romanen, was sich daran zeigt, dass die Schilderung dessen, was passiert, meist nur bedingt interessant scheint.

 

Diese Bücher leben durch die Figuren und in der Regel sind Protagonist und Antagonist die gleiche Figur. Nicht der Freund dessen, der in den Country-Club will, ist der Gegenspieler, sondern er selbst. Weswegen die Methode vor allem dort funktioniert, wo es eben nicht primär um äußere Ereignisse geht.

 

Und es funktioniert nur, wenn man seinen Helden und dessen Probleme sehr, sehr gut kennt und bereit ist ihm zu folgen. Selbst dann, wenn er auf den Abgrund zutaumelt. Wer als Autor dann das Rote Kreuz vorbeischickt, hat schon verloren.

 

Schreiben ohne Handlungsplan ist unprofessionell.

 

Na, na, Simenon mit 400 Büchern, einer Auflage von 500 Millionen und Übersetzungen in 60 Sprachen, kann man wohl nicht als unprofessionell bezeichnen ;-).

 

Es ist eine Methode, keine Königsweg zum tollen Roman. Wie alle Methoden funktioniert sie nicht überall und bei jedem Autor. Und vor allem ist sie untauglich als faule Ausrede, weil man sich die Arbeit sparen will.

 

Hans Peter

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Dazu muss man noch sagen, dass es figurenorientierte und handlungsorientierte Plots gibt. Trotzdem sind beides Plots. Denn auch die figurenorientierten erzählen eine Geschichte, eine Handlung. Sonst wären sie zusammenhanglose Tagebucheinträge. Oder hab ich hier was falsch verstanden? Auch wenn man "die Figuren einfach ihren eigenen Weg gehen läßt", so ist man sich doch am Anfang im Klaren darüber WAS man erzählen will. Jedenfalls sollte man das sein, siehe was Anna gesagt hat.

 

LG

Joy

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Dazu muss man noch sagen' date=' dass es figurenorientierte und handlungsorientierte Plots gibt. Trotzdem sind beides Plots. Denn auch die figurenorientierten erzählen eine Geschichte[/quote']

Klar hat auch Simenon Geschichten erzählt. Mir geht es nicht darum, die Existenz eines Plots zu leugnen - aber es gibt durchaus verschiedene Möglichkeiten, diese zu entwickeln.

 

Soweit ich weiß - AndreasE kann da sicher mehr sagen - war Simenons Methode die Figurenentwicklung. Er wußte, welche Figuren er erzählen wollte. Das wußte er weit besser, als die meisten Autoren.

 

Aber hat nicht vor der Niederschrift einen Plotplan gemacht. Natürlich lässt sich nachträglich ein Plot beschreiben, auch Plotpoint I und II gibt es.

 

Aber der Plot (jedenfalls nicht die äußere Handlung) ist nicht das, was den Leser in den Text zieht. Insofern steht die "Planung" der Figur vor der Geschichte, nicht die Planung der Handlung. Wobei ich nicht weiß, ob Simenon diese Planung unbewußt in Bildern oder bewußt geplant hat.

 

Hans Peter

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Da ich auch nicht weiß, wie es Simenons Kopf zugegangen ist, bezieht sich meine Bemerkung nicht auf ihn, sondern auf die Aussage, dass seine Geschichten keinen Plot haben, ergo man keinen braucht, um gute Geschichten zu schreiben.

 

Natürlich kann man die Figur in den Mittelpunkt eines Romans stellen. Und natürlich kann man über deren Entwicklung schreiben.

Dann haben wir einen "Entwicklungsroman" dessen Plot (Handlung) sich an der inneren und äußeren Entwicklung des Helden orientiert.

Das enthebt NICHT der Planung, wie er von A nach B, also von einer Entwicklungsstufe zur anderen kommt.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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sondern auf die Aussage, dass seine Geschichten keinen Plot haben, ergo man keinen braucht, um gute Geschichten zu schreiben.

Ich habe nicht behauptet, dass Simenons Geschichten keinen Plot haben. Ich habe gesagt, dass er seine Figuren entwickeln hat, und dann in zwei Wochen einen Roman schrieb. Und der Plot, wenn man ihn aufschreibt, eher langweilig erscheint und auch erst beim Schreiben entstand.

 

Woher kam der Plot? Ich weiß es nicht, ich kann es nur vermuten. Vermutlich aus der Figur, die Beschäftigung mit einer Figur setzt (genau wie Tarotkarten) unser Unbewußtes in Gang und das findet oft bessere Lösungen als bewußte Überlegungen - vorausgesetzt, es gibt Kristallisationspunkte. In diesem Falle wäre es die Figur.

 

Aber das ist jetzt Spekulation.

 

Das enthebt NICHT der Planung, wie er von A nach B, also von einer Entwicklungsstufe zur anderen kommt.

Erstaunlicherweise hat es viele Autoren dieser Planung enthoben. Zumindest der bewußten Planung.

 

Das klingt verrückt, ich weiß, aber auch Stephen King hat diese Methode. Wobei bei ihm zumindest ein vages Ziel existiert, auf das er hin schreibt.

 

Die Beschäftigung mit einer Figur jedenfalls kann bei manchen Autoren und manchen Geschichten eine Menge Plotarbeit sparen, manchmal sogar die ganze.

 

Und so entstandene Geschichten unterscheiden sich durchaus von anderen, behaupte ich jetzt mal frech. Nicht im Sinne von besser-schlechter, sondern im Sinne von "anders".

 

Hans Peter

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Vor einem möchte ich noch warnen, weil es ein sehr beliebter Fehler ist.

 

Einfach zu sagen: Siehste mal, ich muss nicht plotten, Simenon hats auch nicht getan. Also die Methode quasi aus Faulheit wählen.

 

Sie verlangt nämlich bezüglich der Figuren sehr viel mehr als andere Methoden. Mit anderen Methoden kommt man vielleicht mit Durchschnitt aus, hier scheiterst du damit garantiert. Da muss die Figur lebendig sein, in allen Schattierungen, ihr müsst sie besser kennen als euren Ehepartner, wissen, wo ihr Schatten ist, in sie hineinkriechen.

 

@Joy: Ich mag auch lieber Bücher, die den Leser durch die Figuren fesseln. Aber wenn ich mir Klappentexte und Vorankündigungen ansehe, sind die Verlage da wohl mehrheitlich anderer Meinung ;-).

 

Hans Peter

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Ich glaube auch, dass eine exakte Figurenentwicklung, wenn es um eine Charakterentwicklung als Plot gehen soll, vieles von der Arbeit des eigentlichen Plottens abnimmt. Aber ich glaube, man plottet trotzdem, allerdings im Unbewussten, weil man sich mit der Figur und ihrer Entwicklung beschäftigt. Wenn ich also eine Figur entwerfe und versuche, sie mit all ihren Facetten näher kennenzulernen, zu erfahren, wie sie zu dem wurde, was sie ist, dann habe ich schon die Hälfte des Plots - die Vergangenheit. Und wenn ich eine gewisse Entwicklung beschreiben will, ganz gleich, wohin die führt, und sei es nur die Neugier, diese Figur zu begleiten, dann habe ich den nächsten Plot in der Fantasie, nämlich den nächsten Schritt, den die Figur tun muss. Möglicherweise ist das Plotten eben etappenweiser, es gibt einen Start, eine Mitte und ein Ziel.

 

Gruß, Melanie

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Ich habe mal nach Simenon gegoogelt. Erstaunlich was man da alles erfährt - und was nicht: Seine Arbeitsmethode scheint kaum einen interessiert zu haben.

 

Allerdings bemoserte die Zeit 1976:

Die Handlung nimmt — obwohl es sich um Kriminalromane handelt — nur einen kleinen Platz ein, ist oftmals nichts als Vorwand.

(Link ungültig)

 

Da hat sie recht, auch wenn der Redakteur offenbar nur die maigret Romane kannte.

 

Aber um mal zurück zum ursprünglichen Thema zu kommen: Simenons Nicht-Maigret romane lohnen sich auf jeden Fall, um zu erleben, wie ein Autor seiner Figur folgt, ohne wenn und Aber.

 

Hans Peter

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Die Beschäftigung mit einer Figur jedenfalls kann bei manchen Autoren und manchen Geschichten eine Menge Plotarbeit sparen, manchmal sogar die ganze.

 

Und so entstandene Geschichten unterscheiden sich durchaus von anderen, behaupte ich jetzt mal frech. Nicht im Sinne von besser-schlechter, sondern im Sinne von "anders".

 

Plotarbeit ist Planungsarbeit.

Weil ganz einfach Plot Handlung heißt. (Allerdings nicht Ääkschon.)

 

Ich spreche nicht von dem Unterschied von figuren- und handlungsorientierter Geschichte. Beide aber haben einen Verlauf, der vom Anfang zum Ende führt.

Beide haben unterschiedlichen Schwerpunkte.

 

Aber Figurenentwicklung kann Handlungsplanung nicht ersetzen, weil auch eine Figur handeln muss. Oder wir befinden uns im experimentellen Bereich der Literatur, die möglicherweise auch zu unerwarteten Ergebnissen führen wird.

 

Richtig ist, das ausschließlich auf äußerer Handlung beruhende Geschichten auch nicht wirklich überzeugen (Dan Brown mal beiseite, es gibt immer Ausnahmen) und die Figuren sauber entwickelt werden müssen, damit sie keine Pappkameraden bleiben. Sicher kann man mit der Beschäftigung mit den Figuren durch Kreativitätstechniken eine Menge Ideen entwickeln.

 

Aber von der "Plotarbeit" befreit das nicht.

 

Dasselbe gilt auch für die kreativen Impulse, die man etwa durch die zitierten Tarotkarten für den Handlungsverlauf und die Interaktion der Figuren erhalten kann. Auch sie ersetzen nicht die rein handwerkliche Planung eines Romans.

 

Ich reibe mich an Deinem Thread-Titel, Hans-Peter. Und auch an dem o.g. Zitat. Nichts kann einem Autor das Planen seines Romans ersparen.

In welchem Detaillierungsgrad auch immer.

Ansonsten sind wir, wie Joy schon ganz richtig sagt, im Tagebuchmodus.

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Plotten ohne Plot ist natürlich Blödsinn und ein Roman ohne Handlung ebenfalls.

 

Oft hat man bei der Planung jedoch Tendenz, sich mächtig auf das Plot zu konzentrieren und darüber die Figuren nur anzuskizzieren und ungenügend auszuarbeiten. Das führt dazu, dass nicht nur die Figuren schwach sind, sondern auch das Plot darunter leidet. Aus eigener Erfahrung habe ich festgestellt, dass die Extra-Mühe bei der Figurenentwicklung sich dann sehr positiv in Form von mehr lebensechten und variierten Plotideen auszahlt. Die unterschiedlichen Einstellungen und Motivationen der interagierenden Figuren führen zu viel interessanteren und vielschichtigeren Plots. Auch die werden dann bei mir ebenfalls minutiös geplant. Nur, ohne einen intensive Figurenentwicklung wäre ich auf vieles nicht gekommen. Insofern treiben die Figuren zu einem nicht unerheblichen Teil das Plot.

 

LG

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Naja, Plotten heißt doch auch bloß: "Was passiert als nächstes?" Und bei figurengetriebenen Geschichten heißt die Frage dann eben: "Was tut die Figur als nächstes?" Da sehe ich keinen großen Unterschied.

 

Ich schreibe mal so, mal so - Rabenzeit ist ein Gerüst, innerhalb dessen sich die Figuren bewegen, während Einhornzauber fast ausschließlich aus der Handlung der Figuren ergeben hat und ich immer nur am Anfang ungefähr wusste, wie das Ende aussehen sollte. Funktioniert beides - meiner Meinung nach.

 

Gruß

 

Astrid

Meine Homepage

 

Rabenzeit 1 gibt's als E-book und gedruckt bei Amazon. :)

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... wie man aus Figuren eine Geschichte entwickeln kann, das heißt, eigentlich wird nicht die Geschichte entwickelt, sondern die Figur geht einfach ihren Weg. Manchmal ins verderben, manchmal kehrt sie zurück, das einzige gemeinsame dieser Bücher ist: die Figur ist das einzige bestimmende.
 

 

Woher will man wissen, ob dem wirklich so war? So zu schreiben, dass es aussieht als ginge die Figur einfach ihren Weg, ist auch eine Kunst. Aber der Autor wird sicher gewusst haben WAS er eigentlich erzählen will. Und allein das ist schon plotten.

Dass die Figur das einzig Bestimmende ist, ist ja nichts Ungewöhnliches. Das ist eben ein figurenbezogener Roman.

Ich verstehe glaub ich nicht so ganz, weshalb du davon ausgehst Hans Peter, dass der Autor sich einfach hingesetzt hat und irgendwas schrieb, und am Ende war es zufällig ein Roman. ;) Ich bin sicher auch da steckte Planung dahinter. Zumindest vom Gerüst her. Und alles zwischendrin kann man ja durchaus "laufen lassen", ich denke das machen wir alle sowieso zu einem bestimmten Grad. Bis auf diejenigen unter uns, die sogar einen Szenenplan vorher aufstellen. Ansonsten sehe ich daran irgendwie gar nichts Neues.

Kannst du das vielleicht ein bisschen deutlicher machen? Wieso war das "plotten ohne Plot"?

 

LG

Joy

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Hallo,

 

Noch mal zum Ausgangspunkt. Wenn ich simenon und Dan Brown nebeneinander lege, fällt sofort ein grundlegender Unterschied auf.

 

Illuminati kann ich über den Plot beschreiben. Über den Helden brauche ich nicht mehr als seinen Namen angeben, über die Heldin reicht, dass sie in Shorts sexy ausschaut. Damit kann ich jedem einen Eindruck über das Buch vermitteln. 10 Prozent Figuren, 90 Prozent plot. Wenn ich den Helden gegen einen anderen austauschen würde, ginge das ohne Probleme.

 

Die schwarze Kugel: natürlich kann ich auch hier den Plot schildern. Damit könnte ich aber niemanden einen Eindruck von dem Buch geben.90 Prozent Figur, 10 Prozent plot machen die Wirkung des Buches aus. Hier könnte ich durchaus plot Elemente herausnehmen und ersetzen, ohne dass das am Buch etwas ändern würde. Die Reaktion des Helden auf die Ereignisse ist das Wichtige. Der plot folgert aus dem Helden. Auch den Zeitredakteur fiel auf, dass die Handlung eigentlich eher unwichtig war.

 

Natürlich hat Illuminati Figuren, natürlich hat die schwarze Kugel einen Plot. Aber die Gewichtung ist eine völlig andere.

 

Beide Bücher sind natürlich extrem. Die meisten Romane liegen irgendwo dazwischen.

 

Simenon ist in seine Figuren hinein gekrochen, das zumindest ist sicher. Er hat die Bücher sehr schnell geschrieben, zwei bis drei Wochen. Das fertige Produkt erweckt den Eindruck, dass er seiner Figur gefolgt ist. Wie Astrid schrieb: " was tut[oder denkt] die Figur als Nächstes? " bestimmt das Buch. Es deutet nichts darauf hin, dass er vor dem Schreiben einen irgendwie gearteten Plot Plan hatte, wohl aber eine ausgearbeitete Figur. Das fertige Produkt hat natürlich einen Plot, wird aber durch die Figur bestimmt. Vermutlich hat er das, was andere in zwei Abschnitten tun (plotten und schreiben) auf einmal gemacht. Da er derartig schnell schrieb, hat er wohl auch nicht die Übersicht verloren, etwas, das den meisten passiert, die seine Arbeitsweise kopieren.

 

Ähnliches gilt sicher auch für Steven King. Allerdings gibt der sich etwas mehr Zeit für seinen Roman, ich glaube drei Monate, aber auch er betont, dass er beim Schreiben dran bleiben muss.

 

Sicher eine sehr extreme Arbeitsweise. Es spricht auch nichts dagegen, in die Figur hinein zu kriechen, und dann aus ihr erst einmal einen Plot zu entwickeln, bevor man mit dem Schreiben anfängt.

 

Aber ganz ohne Zweifel gibt es Leute, die es ohne das tun. Was natürlich nicht heißt, dass jeder so arbeiten kann. Simenon war sicher in seiner Arbeitsweise extrem, an einem Ende der Skala der möglichen Autorenarbeitsweisen positioniert.

 

Natürlich gehen auch Simenons Figuren nicht einfach beliebig ihren Weg. Ganz im Gegenteil. Die Geschichte bekommt ihren Sog dadurch, dass sie so unabänderlich erscheinen, "so muss es sein"-Eindruck. Er folgt den inneren Konflikten seiner Figur, die kennt er sehr genau, ob bewusst oder unbewusst weiß ich natürlich nicht.

 

Natürlich ist auch das eine Planung: in seine Figur hinein zu kriechen. Aber es ist natürlich auch etwas anderes, als einen Plot, eine Szenenfolge zu entwerfen.

 

Was mir aber auf jeden Fall wichtig war: Wie eine gekonnte Figuren Entwicklung den Leser in Bann schlagen kann, auch wenn der plot für sich alleine genommen alles andere als aufregend ist.

 

Jemand will unbedingt in den Country Klub, wird aber nicht aufgenommen. Gott, wen interessiert das schon.

 

Hans Peter

 

PS: das die Überschrift ein Widerspruch in sich ist, ist klar und war beabsichtigt.

 

PPS: verzeiht die vielen Schreibfehler, ich habe einen Tennis Arm, und das Diktierprogramm erkennt nicht alles.

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Was mir aber auf jeden Fall wichtig war: Wie eine gekonnte Figuren Entwicklung den Leser in Bann schlagen kann, auch wenn der plot für sich alleine genommen alles andere als aufregend ist.

 

Gott, dann sag das doch gleich! ;) Das ist natürlich ein sehr interessantes Thema und sollte jeden hier interessieren. Gerade in der Unterhaltungsliteratur bleiben gekonnte Figuren und deren Entwicklung ja sehr oft auf der Strecke. Wenn man sich aber mit Lesern unterhält, stellt man fest, dass genau diese (gut entwickelten Figuren) Bücher am längsten im Gedächtnis bleiben und am meisten berühren.

 

Gibt es ein "Rezept" für eine gute Figurenentwicklung? ;)

 

LG

Joy

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Ich bin immer wieder höchst erstaunt zu lesen, dass viele die Figuren so nebenbei beim Schreiben entstehen lassen. Oder dass es genüge, eine vage Plotidee zu haben, der Rest kommt dann schon.

 

Natürlich gibt es unterschiedliche Herangehensweisen und ich habe auch gelesen, wie Stephen King arbeitet. Das geht bei einer gewissen Art von Romanen, aber nicht durchgängig, so meine ich wenigstens. Beim Historischen schon gar nicht.

 

Für mich ist das so wie ein Programmierer, der ohne Plan anfängt zu entwickeln. Nach 'ner Weile merkt er, das ist Spaghetti-Code voller Bugs, den keiner mehr entziffern oder warten kann. Jede Erfahrung sagt, erstmal 30-40% der Zeit auf Planung, Konzeptentwicklung und Design zu verwenden, bevor eine einzige Zeile Code geschrieben wird.

Kann man sich ein Haus vorstellen, dass ohne Blaupausen oder statische Berechnung gebaut wird? Mehr als eine wackelige Hütte kann es kaum werden. Das ist so, als könnte man es gar nicht abwarten, endlich loszulaufen ... die Richtung überlegen wir uns dann unterwegs! ;D

 

Vielleicht hat Simenon so geschrieben. Vielleicht auch nicht. Irgendwie bezweifle ich das.

 

Figurenentwicklung betrifft alles, was einen Menschen ausmacht und ihn geformt hat. Leider bin ich nicht in der Lage, das alles so im Kopf zu jonglieren. Ich muss es mir aufschreiben. Teil meiner Blaupause.

 

Ja, liebe Joy, auch einen Szenenplan.

Der ist mir sogar noch wichtiger, als die Kapitel. Kapitel kommen erst zum Schluss heraus, wenn ich Szenen zusammenlege und irgendwo den Kapitelschlussstrich ziehe. Szenen sind für mich das Wichtigste. Wenn die Frau dem Ehemann von 20 Jahren sagt: "Ich verlasse dich!". Das ist eine Schlüsselszene, vielleicht ein "Plotpoint". Um diese baue ich andere. Das wird dann der zweite Teil der Blaupause. Der dritte Teil ist das Ergebnis von Recherche und wie sie eingebaut wird.

 

Was allerdings wahr ist, gute Figuren liefern Ideen für den Plot (wie ich schon weiter oben gesagt habe), und je mehr ich mich mit ihnen beschäftige, je einfacher und variierter wird das Plotten. So geht es mir jedenfalls.

 

Wie gesagt, ich staune über alle, die das alles aus dem Bauch raus können. :-?

Natürlich ist diese ganze Planerei auch eine Quälerei, denn man will doch schon so gern loslegen. Aber je mehr ich es tue, um so mehr merke ich, wie es sich auszahlt.

 

Liebe Grüße

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Ich bin immer wieder höchst erstaunt zu lesen' date=' dass viele die Figuren so nebenbei beim Schreiben entstehen lassen. Oder dass es genüge, eine vage Plotidee zu haben, der Rest kommt dann schon.[/quote']

Ganz so vage ist es ja meist nicht. Entweder hat jemand eine Idee, wo etwas hinführen könnte (Stephen King) oder eine Figur, aus der er etwas entwickelt (Simenon).

 

Da entwickelt sich dann auch viel beim Schreiben. Mancher macht es im Kopf, mancher auf dem Papier, da gibt es viel und die Inkubationszeit wird gerne übersehen. Die Zeit, in der es im Hirn brodelt, bis dich irgendwann was so fasziniert, dass du es schreiben musst.

 

Was ich sagen wollte, war ja nur, dass du dir mit der Figurenentwicklung viel Zeit beim Plotten sparen kannst, bei manchen Autoren sogar diese Zeit direkt mit dem Schreiben verquickt ist.

 

Natürlich gibt es auch die genau gegenteilige Form, Leute eben, die alles (sogar die Länge der Szenen in Worten) vorher plotten. Ich wollte keine "So und nur so"-Methode vorstellen.

 

Da muss auch jeder selbst probieren, wie er am besten schreibt. Simenon hat ja zehn Jahre an unzähligen Heftchenromanen unter anderem Namen geübt, bis er so fit war, dass er das konnte, was er dann konnte.

 

Lionne schreibt gerade eine Doktorarbeit darüber, wie Autoren ihre Ideen finden, hat ja auch hier viele interviewt. Das wird sicher noch mehr Ergebnisse zeitigen.

 

Hans Peter

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Simenon hat ja zehn Jahre an unzähligen Heftchenromanen unter anderem Namen geübt' date=' bis er so fit war, dass er das konnte, was er dann konnte.[/quote']

 

Wer das macht und gut kann, der weiß natürlich, wie er mit Versatzstücken zu jonglieren hat. Da ist der Plotplan (wie die Sportler sagen) in die "variable Verfügbarkeit" übergegangen.

Oder in "Fleisch und Blut".

 

Aber er hat geplant, das bedeutet das. Und sich dabei verstärkt den Figuren gewidmet.

 

@Ulf: Ich komme aus dem Projekt-Controlling, ich weiß, was Du meinst :)

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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