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AndreasE

Gute Literatur: Welche Bedingungen braucht sie?

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Was sagt denn Meister AndreasE zu all dem, der uns schließlich das Thema eingebrockt hat?

 

Was muss deiner Meinung nach der Kultusminister tun, Andreas, um mehr gute Literatur zu stimulieren?

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Hallo Daniela,

 

Also: Finde bessere Unterscheidungskriterien, um mich zu überzeugen![/]

 

Die Frage ist, ob ich dich wirklich überzeugen sollte oder muss, und ob ich das kann oder möchte.

Denn Literaturtheorie ist immer beschreibend, nie definierend: Somit ergibt sich auch immer die Unschärfe in der Betrachtung, die immer durch die Meinungen des Betrachters entsteht und sich daraus ergibt. Ergänzend ist es sogar so, dass Literaturtheorie letztlich immer auf dem Geschmack fußt- weil Ideologie oder andere Konstrukte letztlich immer den Vorteil haben immer schon die Antwort zu kennen und den Nachtteil nicht mehr die Entscheidung anhand von verschiedenen Kriterien abwägen zu müssen. Das ist aber nicht hilfreich, wenn es um komplexe Entscheidungen geht, die letztlich in der Abwägung immer Geschmack sind. (Weshalb es auch keine 99 Goldenen Regeln für einen Bestseller geben kann).

Deshalb gibt es immer einen breiten Spektrum von Grauzonen, je nachdem welche Kriterien man abwägt, und wie man beim komplizierten Bereich der Literatur zu einem begründeten Resultat kommt- übrigens ist es auch deshalb schwierig bestimmte Texte einzuordnen, und was noch witziger ist: Letztlich hängt es von den Kriterien ab, ob ein Text mal Paradebeispiel, mal Randtext, mal Grauzone ist, oder gar nicht dazugehört.

 

Nehmen wir mal als Beispiel Effi Briest:

Theodor Fontane hat bei diesem Roman die Frauenfiguren wie Effi Briest reichlich dünn gezeichnet, wie z.B. Ruth Klüger recht eindrucksvoll einmal belegt hat. Gleichzeitig erarbeitet er am Beispiel der jungen Frau und der Seitensprungthematik (siehe von Flaubert bis Tolstoi) ein Sittengemälde seiner Zeit. Gerade zu prototypisch für die Romane von Thomas Mann und anderen wichtigen Autoren des nächsten Jahrhunderts ist besonders die Erzählperspektive, in der ein älterer Mann sich genüßlich schnurrbärtelnd die Geschichte erzählt. Dies offenbart gewisse Männlichkeitskonzepte des Deutschen Kaiserreichs, und über diese Erfahrung hinaus auch ein Bild über eine Frauenperspektive aus Sicht des Mannes. Interessant ist z.B. auch die Verwendung japanischer Mythen oder die Symbolik von Reise und Aufbruch. Stilistisch meisterlich ist z.B. dieser Roman in der realistischen Erzählweise, die u.a. durch Fontane prägend wird und zu einem ersten und frühen Höhepunkt geführt wird. Und ganz interessant: letztlich ist es das Gefühl der ennuie, also der Langeweile, die Effi Briest zum Ehebruch bringt, siehe auch Mmd. Bovary, was letztlich ein danach in der deutschen Literatur ein wiederkehrendes Motiv in der Liebes- oder Ehebruchdarstellung wird.

Und noch ein Geheimnis dieses Textes: Einige Elemente dieses Textes werden seitdem nahezu unablässig zitiert, bis heute.

Wenn man nun allein diese Kriterien für einen Text zusammenstellt, komme ich auf sieben oder acht, wenn ich stärker untergliedere sogar auf mehr.

 

Betrachte ich zum Vergleich Gottfried Benn, dann werde ich, weil die Texte so unterschiedlich sind, sieben oder acht weitere Kriterien finden, sowie eine Handvoll der oben genannten Kriterien. Nehme ich noch Hemingway dazu, oder Steinbeck, dann finden sich einige Kriterien wieder, weitere Kriterien kommen hinzu.

 

Fasse ich das alles zusammen, dann gibt es ein, zwei Kriterien, die sich in fast allen Texten finden lassen, vier, fünf, die die meisten Texte besitzen, und ungefähr 200 Kriterien, die sich finden lassen. Dabei gibt es einige Kriterien, die alleine hinreichend für die Textgattung sind, die meisten Kriterien sind erst in der Kombination hinreichend- während es Ausschlusskriterien gibt, die sofort einen Text herauswerfen. Die Mitgliedschaft ist also immer im Zweifel, der Rauswurf nicht.

 

Eines der sich wiederholenden Kriterien (die fast immer vorhanden sind) sind die Fragen, dazu kommt dann meist bestimmte stilistische Kriterien wie Sprachgefühl und Sprachryhthmus, ergänzend meist auch Verweise (aber nicht häufig), dagegen ist es mal Hochsprache, mal Umgangssprache, mal Botschaft, mal nicht- wobei es immer von der Ausführung abhängt usw.

 

Letztlich ist es aber immer eine Geschmackssache: Weil jeder Mensch ein anderes Gewicht auf bestimmte Kriterien legt- oder diese komplett leugnet, weil er nicht glaubt, dass es den Unterschied gibt. Aber das bedeutet nicht, dass es diese Unterscheidung gibt oder nicht, sondern zeigt nur, von wo man beobachtet. Und es ist sehr davon abhängig, wie ein Geschmack "geschult" wird, ob auf diese Kriterien oder anders- was auch keine Wertung enthält.

Das alles hat dir jetzt nicht sonderlich geholfen, weil es immer noch keine scharfen Kriterien gibt. Und weil ich sogar zugebe, dass es Geschmackssache ist- wobei Geschmack für mich ein sehr scharfes, begründbares Kriterium ist. Im übrigen halte ich die Gegenmeinung, sofern sie gut begründet ist, für genauso richtig oder falsch wie meine Meinung- was aber nicht bedeutet, dass dies meinen Geschmack verändern würde.

 

Also anders gesagt: Ich kann deine Frage so nicht beantworten, weil der Geschmack dir offensichtlich als Begründung nicht reicht- und habe sie dennoch beantwortet. Ich habe die Vielfalt angedeutet und Beispiele genannt, die letztlich aber je nach Geschmack völlig unterschiedlich gewertet werden können.

Letztlich halte ich Theodor Fontane übrigens für gnadenlos überschätzt, weil er all das erfüllt, was ich oben geschrieben habe: Aber der Text ist insgesamt zu schnürrbärtelnd, hat schwache Figuren (vor allem die weiblichen Schablonenfiguren), ist zwar meisterlich realistisch- und gleichzeitig ist er so phantasielos und absichtlich auf ein damaliges Tabu geschrieben, dass ihm etwas wichtiges fehlt: Leben. Der Text ist heute einfach weitgehend Tod und wird nur durch die Fontaneverehrung immer wieder belebt. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht E-Literatur ist. Sondern nur, dass er mir persönlich nicht gefällt, was wieder Geschmack ist, aber eine andere Richtung.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo Thomas,

das ist alles sehr schwer zu verstehen.

 

Die Beispiele, die du als Kriterien heranziehst, sind das Kriterien, um zu entscheiden, ob es sich um Hoch-Literatur handelt? Mir erscheinen sie einfach als beschreibende Merkmale. Eine Reise-Aufbruch-Symbolik, z.B., gibt es oft, kommt bei mir auch vor. Das heißt, wenn ich das habe und ein paar mehr und um Gotteswillen kein Ausschlusskriterium (was auch immer das sein mag --- ich wage mich vor: Happy End?) dann bin ich Hoch-Literatur-Schaffender?

 

Am Besten denke ich nicht mehr daran, sonst kann ich keine Zeile mehr schreiben.

 

Ich bin sicher, viele schlaue Leute machen sich solche Gedanken. Wie Kunstkritiker, die Gemälde zu Tode analysieren. Ich garantiere dir, der Maler hat sich nie solche Gedanken gemacht.

 

Schlussendlich, wie du schon sagst, entscheidet der Geschmack. Gefällt mir das Bild, das Buch, der Film. Geschmack ist unterschiedlich, dennoch gibt es immer einen gewissen Konsens in der Masse (meinetwegen einer gebildeten Masse) und die Frage ist dann, bleibt dieser Konsens über längere Zeiträume (Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte) bestehen.

 

Du hast sicher in vielem Recht, dennoch behagt mir eine platte Kategorisierung in E- und U nicht. Ich bleibe dabei, dass Shakespeare unterhalten wollte, mal mit Lachen, mal mit Weinen ... und dabei Unvergängliches geschaffen hat.

 

Gruß

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Noch etwas, Thomas,

 

du hattest "Romeo und Julia" erwähnt und dass dieses Drama eigentlich vom Konflikt der beiden Familien handelt, bei dem die Liebe der beiden keine Chance hat. Also die Betrachtung eines gesellschaftlichen Problems, das durch die Liebesgeschichte zum Ausdruck gebracht wird, wobei also die Liebesgeschichte nur Mittel ist. Dies sei ein Zeichn von E-Literatur.

 

Dem möchte ich vehement widersprechen.

 

Was den Zuschauer interessiert und berührt, ist nicht der Familienkonflikt. Es kommt zum Beispiel überhaupt nicht zum Ausdruck, um was es dabei geht. Nein, Es ist die tragische Love Story, um die es geht. Der Familienstreit bildet nur den Hintergrund. Als guter Dramaturg weiß Mr. S., dass eine gute Story Konflikt braucht. Und bei zwei Liebenden, die sich so schnell finden, gibt es keinen. Der Kontrahent ist also der Familienzwist, der den Konflikt erzeugt. Er ist das Kunstmittel. Auch der zornige Prinz ist nur Kunstgriff.

 

Die Struktur ist meisterlich. Sofort werden wir mit dem Hintergrundsthema konfrontiert. Die Situation also. Die Hauptfiguren werden getrennt vorgestellt und dann der erste Wendepunkt ... sie begegnen und verlieben sich. Man spürt schon das Drama, da sie aus feindlichen Lagern stammen. Das Plot entwickelt sich und verdichtet sich, treibt in Richtung Krise, man ahnt die Aussichtslosigkeit, dann tötet Romeo den Neffen der anderen Familie. Krise. Da die Familien sich nun nicht mehr versöhnen können (es hat ja einen Toten gegeben, Ruf nach Rache), treibt nun die Auflösung in Richtung Tragödie, die durch ein fatales Missverständnis zustande kommt (etwas unwahrscheinlich diese doppelte Giftmischerei, aber was soll's, der Zuschauer verzeiht) und sie hauchen romantisch ihr Leben aus. Tonnen von Kleenex, erschütternde Gefühle, Vorhang.

 

E-Literatur? Ich sage Unterhaltung vom Feinsten! Hollywood lässt grüßen. Man kann es nicht besser machen. Auch in tausend Jahren werden wir über Romeo und Julia weinen.

 

Gruß

Ulf

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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(Bitte keine Diskussionen darüber' date=' was denn nun gute und nicht so gute Literatur überhaupt ist, wie man sie definiert, eingrenzt, ausgrenzt, ob man den Begriff überhaupt verwenden darf/soll/kann/muss, auch nicht über Sinn und Unsinn der E/U-Unterscheidung und was der unergiebigen und längst bis zur Erschöpfung aller Beteiligten durchgehechelten Fragen mehr sind. ;D )[/quote']

Dieser "Diskussion" kann man wohl leider nicht entrinnen. Ich finde es jammerschade, dass die bloße Erwähnung des Begriffs Literatur immer wieder anscheinend automatisch den ganzen Rattenschwanz an Qualitäts-Anatomie nach sich zieht.

Es tut mir leid; aber dafür habe ich weder Zeit noch Energie, da lese ich lieber ein gutes Buch. Immer mit Bleistift (gelernt ist gelernt); aber nicht mit Sezierbesteck.

Ich schlage vor, gute Literatur zu fördern, indem man sie zertifiziert.

 

Barbara - kopfschüttelnd

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Ich schlage vor' date=' gute Literatur zu fördern, indem man sie zertifiziert.[/quote']

Das gibt es bereits, in Brüssel wird an einer EU-Vorlage über Literatur und Literaturderivate gearbeitet. Damit gibt es in Zukunft auch nicht mehr E oder U Literatur, sondern nur noch EU Literatur ;D.

 

Spaß beiseite: Die Diskussion über E und U läuft immer gleich: Mit Versuchen, das eine oder andere zu definieren und dann zeigt sich, dass die Definitionen nicht greifen.

 

Thomas, du hast dir viel Mühe gemacht mit Effie Briest, aber solche Elemente lassen sich auch bei guten U-Schriftstellern finden - wogegen sie bei schlechten E-Autoren eher selten sind. Du beschreibst IMHO, was ein gutes Buch ausmacht. Dass es eben nicht nur gelesen und vergessen wird, sondern Themen anspricht, verschiedene Ebenen besitzt, etc.

 

Trotzdem weiß jeder, was E und was U ist. Offenbar gibt es beides, obwohl es sich der Definition entzieht, die Übergänge fliessend sind und sich haufenweise nachweisen lässt, wie sie sich gegenseitig beeinflusst haben.

 

Ich bin mittlerweile zur Auffassung gekommen, dass E einfach ein Genre ist wie andere auch.

 

Das geht einher mit der Diskussion, die wir jüngst hatten oder noch haben: Text -> Buch. Der Ritterschlag in der Literatur besteht einzig aus der Veröffentlichung. In fast allen von Dir als Vergleich herangezogenen Bereichen sieht das anders aus.

Eben! Deshalb halte ich das für ein zentrales Problem. Weil jeder sofort veröffentlicht werden, weil jeder behauptet, "Wenn weniger schreiben würden, wäre das besser".

 

Hans Peter

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(Bitte keine Diskussionen darüber' date=' was denn nun gute und nicht so gute Literatur überhaupt ist, wie man sie definiert, eingrenzt, ausgrenzt, ob man den Begriff überhaupt verwenden darf/soll/kann/muss, auch nicht über Sinn und Unsinn der E/U-Unterscheidung und was der unergiebigen und längst bis zur Erschöpfung aller Beteiligten durchgehechelten Fragen mehr sind.  ;D )[/quote']

Dieser "Diskussion" kann man wohl leider nicht entrinnen. Ich finde es jammerschade, dass die bloße Erwähnung des Begriffs Literatur immer wieder anscheinend automatisch den ganzen Rattenschwanz an Qualitäts-Anatomie nach sich zieht.

Aber das liegt doch in der Frage begründet! Lest euch die Titelzeile des Threads durch: "Gute Literatur: Welche Bedingungen braucht sie?".

Genauso könnte man nach "Bedingungen für ein Gutes Fahrzeug" fragen. Da wird einer "Ein schnelles Flugzeug! Wir brauchen billigeres Kerosin!", und jemand anderes "Ein sparsames Fahrrad! Wir sollten Radwege bauen!" antworten.

 

Die Frage lässt sich nur beantworten, indem zugleich "Gute Literatur" definiert wird - vom Fragesteller oder vom Beantworter. Ebenso, wie man bei einer Anforderungsanalyse Messkriterien für die Zielerreichung aufstellen muss. Deswegen sind die Messkriterien von "Gut" ebenso wie die von "Literatur" festzulegen. Sonst bleiben alle Antworten ambivalent und unspezifisch. Wir werden nur immer an einander vorbei reden.

 

Da "Gute Literatur" selbstverständlich nicht global und allgemeingültig zu definieren ist, habe ich in meiner Antwort erläutert, auf welche Art von "Guter Literatur" ich mich dabei beziehe. Und Lösungsvorschläge genannt, um dieser Definition gerecht zu werden.

Dass es sich dabei nur um meine Definition handelt, sollte klar sein, und dass die Definition keinen Anspruch auf Korrektheit, Vollständigkeit, Unumstößlichkeit oder Allgemeingültigkeit erhebt, sollte aus meiner Antwort auch klar werden.

 

@Daniela, ich antworte dir hier nicht im Detail, weil deine Fragen nicht in diesen Thread hier gehören. Dazu bräuchten wir einen eigenen Thread - in den übrigens auch Thomas' Antworten gehören.

 

Gruß,

 

Andreas

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Akademische Diskussion, mit Verlaub. "Gute" Literatur ist diejenige, die gekauft wird. Die Abstimmung findet an der Kasse der Buchhändler statt. Was Leser mögen, das erwerben sie auch, und was sie nicht mögen, das eben nicht. Letzteres erringt Achtungserfolge, wenn Buchpreise verliehen werden oder die FAZ lobpreisend bespricht, aber letztlich sind das Randerscheinungen. Literatur ist Kulturgut und Produkt zugleich. Meyers "Als wir träumten" bewegt sich in einem Zwischenraum, wird derzeit vergleichsweise häufig gekauft, weil es durch diverse Aktivitäten bekannt(er) geworden ist, aber dieser Effekt wird sich vermutlich schnell wieder schleifen, wobei ich Meyer der U-Literatur zuordnen würde. Es dürfte schwerfallen, das Abstimmungsverhalten der Leser nachhaltig durch irgendwelche Aktivitäten nachhaltig zu beeinflussen. Da kann man Stipendien und Preise ausloben bis zum Erbrechen; an den Kassen werden sich langfristig weiterhin Popromane, Hosenrollen-HRe, SF, F und Liebesromane stapeln. Der Durchschnittsleser, der drei Bücher pro Jahr kauft, aber das Gros der Buchkäufer darstellt, wird sein Kaufverhalten nicht dadurch ändern, dass Kulturchauvinismus betrieben oder sogar organisiert wird. Wir schreiben für Buchkäufer, nicht für das Feuilleton. Und wie wir das tun, das ist belanglos, weil die Ergebnisse zählen. Welchen Erfolg die haben (werden), regelt der Markt, und das ist absolut in Ordnung so. Die Bedingungen, die gute Literatur braucht? Hier sind sie: Risikofreudige(re) Verlage, viel Glück und die Fähigkeit, das Kaufverhalten der Leser zu antizipieren. Um ehrlich zu sein, ich möchte meine schriftstellerische Tätigkeit nicht subventioniert oder gefördert sehen. Dadurch würde sie sich erstens in einer Weise orientieren müssen, die mir nicht behagt, und ich hätte zweitens das Gefühl, etwas mit ungewissem Ausgang auf Kosten anderer zu tun. Zudem lässt sich Kreativität nicht herbeizwingen. Von einem Autor, der einen genialen Roman geschrieben hat, ist nicht mit Sicherheit anzunehmen, dass ihm das auch ein zweites Mal gelingt.

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Akademische Diskussion' date=' mit Verlaub. "Gute" Literatur ist diejenige, die gekauft wird. [/quote']

 

Hallo Tom,

 

mit Verlaub, aber bei diesem Definitions-Statement sträuben sich mir, so pauschal, wie du es sagst, einfach die Haare. Ich nehme an, dass du es ironisch meinst. Ich finde "Traumschiff" einfach scheiße und Rosamunde Pilcher auch. So was sollte man hier ab und zu auch mal sagen dürfen.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Hallo, Jueb.

 

Das war nicht nur ironisch gemeint. ;) Man mag Pilcher, von Kürthy, Herman, Roche, Gier, Gerritsen, Link, Kerkeling und all die anderen Kandidaten, die regelmäßig (von Kerkeling mal abgesehen, aber dieses grottige Buch ist ein Thema für sich) die Bestenlisten beherrschen, durchaus scheiße finden, aber das ändert nichts daran, dass diese Autoren offenbar das Leserinteresse besser zu befriedigen in der Lage sind als die anderen, die sich eben nicht auch nur ansatzweise so gut verkaufen. Die Leute lesen diese Bücher ja nicht, weil es nichts anderes gibt, sondern weil sie genau das lesen wollen. Die Fürdenpoolkäufer entscheiden, was in den Bestsellerlisten landet und was nicht. Diejenigen Titel, die nicht in den Top 100 stehen, verkaufen sich allesamt mit großem Abstand schlechter als jene, die dort zu finden sind. Und das lässt eben auch den Umkehrschluss zu - die einen Bücher sind gut, die anderen weniger. Wohlgemerkt, aus der Sicht der Masse! Das aber ist auch die Sicht der Publikumsverlage. Bücher sind Produkte. Eines, das die Nachfrage befriedigt, ist ein gutes, das andere ein weniger gutes. Mag sein, dass dieserart bahnbrechende Ideen am Leservolk vorbeigehen, aber sich das schönzureden ändert auch nichts daran, dass der Mainstream das Kulturgeschehen beherrscht. Der Versuch, dies zu durchbrechen, ist zum Scheitern verurteilt. Ausnahmen bestätigen die Regel.

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Börsenvereinsvorsteher Gottfried Honnefelder hat etwas zu unserem Thema gesagt:

 

(Link ungültig)

 

und zwar, dass sich der Buchmarkt immer mehr auftrennen werde in einen Massenmarkt und einen Qualitätsmarkt.

 

Wobei ich hinzufügen möchte: Die Kunden sind vermutlich meist dieselben. Denn die gleichen, die meist Mainstream kaufen, kaufen auch immer mal wieder Grass, etc..

 

Und echauffieren sich über den Kommerz, der die Buchkultur verfallen liesse. Wenn alle, die sowas sagen, nur Qualität kaufen würden (oder das, was sie dafür halten), sähe unsere Bestsellerliste ganz schön anders aus.

 

Hans Peter

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Mal genommen, es bestünde wirklich Konsens darüber, dass ein Buch dann "gut" ist, wenn es möglichst viele Leser erreicht und ergo auf der Bestsellerliste landet - selbst dann ist doch auch einem literaturwissenschaftlich unbescholtenen Betrachter relativ schnell klar, dass "gut" nicht gleich "gut" ist.

Ich z.B. habe Ildiko von Kürthy immer gern und schmunzelnd gelesen und finde, dass sie das, was sie schreibt, sehr gut macht. Dennoch hat ein Kürthy-Roman eine andere Qualität als beispielsweise ein Daniel Kehlmann. Obwohl beides Bestseller sind.

Auch die von Thomas angeführten Bücher von Follett und Eco sind beides Weltbestseller - nach obigem Kriterium also sehr gute Bücher. Trotzdem spielen sie in unterschiedlichen Ligen. Man kann diese Ligen durchaus nebeneinander stehen lassen, anstatt sie gegeneinander auszuspielen oder eine strikte Werthierarchie festzulegen - aber die Unterschiede schlichtweg zu leugnen, halte ich für unsinnig und dumm.

Aus der Tatsache, dass es unglaublich schwierig, unglaublich kontrovers, unglaublich heikel und manchmal unglaublich frustrierend ist, Bücher hinsichtlich unterschiedlicher Kategorien zu bewerten, einfach abzuleiten, dass es eh egal sei, weil am Ende sowieso die Masse entscheidet, ist in meinen Augen reine Bequemlichkeit.

Liebe Grüße,

Julia

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Was muss deiner Meinung nach der Kultusminister tun' date=' Andreas, um mehr gute Literatur zu stimulieren?[/quote']

 

Den Gedanken, den ich aus dieser Diskussion mitnehme, ist tatsächlich der, dass man, so man etwas (von außen!) für die Literatur tun will, dies höchstens erreicht, indem man etwas für das Lesen tut. "Gute Leser" (was immer das heißt) sind der Humus, aus dem gute Schriftsteller erwachsen können. Nicht müssen.

 

Mir geht es wie Tom: Ich möchte auch nicht subventioniert werden. Was mir meine Bücher einbringen, soll aus den Geldbeuteln interessierter Leser kommen - das ist in meinen Augen die einzig gesunde Situation, zumindest für die Art Bücher, die ich schreibe.

 

Die Autoren, deren Werke "wichtig", aber nicht kommerziell genug sind - ungeachtet der Diskussion, ob die Literaturwissenschaft mir das Unterscheiden in E und U erlaubt, tue ich es und gehe davon aus, dass es Literatur gibt, die neue sprachliche und/oder erzählerische Möglichkeiten erforscht/schafft/auslotet, deren Landgewinne dann vom Rest der Literatur dankbar verwendet werden (erstere: E, letztere: U) -, so wäre meines Erachtens zu wünschen, dass auch deren "Förderung" durch Verlage erfolgt, nicht durch den Staat, was allerdings voraussetzte, dass die Verleger risikofreudig genug dazu sind - und es sich zu sein erlauben können - (mal abgesehen davon, dass sie imstande sein müssen, derlei auch zu beurteilen) und mit ihrer Tätigkeit eben nicht nur Profit anstreben. Was ja zumindest mal so gewesen sein soll und "Mischkalkulation" hieß, die es einem Verlag dann auch erlaubte, sich mit ein, zwei Lyrikern zu schmücken, die mit ihren Verkaufszahlen nie in den vierstelligen Bereich kamen.

 

Das "Jedes-Buch-sein-eigenes-Profitcenter"-Denken, das in letzter Zeit um sich greifen soll, wie man so hört, erscheint mir jedenfalls - abgesehen davon, dass es gottlob nicht funktioniert  (nach wie vor gibt es Überraschungserfolge und -flops) - als kontraproduktiv für das Entstehen guter Literatur.

 

Viele begeisterte Leser also als Quintessenz. Und das Bild von "je breiter die Basis, desto höher die Spitze".

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Plausibel. Der Kandidat erhält 100 Gummipunkte. ;)

 

Nee, im Ernst. Schön zusammengefasst. Ich fände es auch schade, wenn über das reine Vermarktungsdenken keine "anderen" Bücher mehr entstehen würden, auch wenn ich nicht anstrebe, so etwas zu schreiben.

Und Leseförderung ist dringend notwendig. In anderen Ländern ist Kinderbetreuung übrigens ein Studium ... nicht bloßes [zynismusmode] Bastelstunde leiten und Ausmalen [/zynismusmode]

Liebe Grüße, Susanne

 

"Books! The best weapons in the world!" (The Doctor)

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In anderen Ländern ist Kinderbetreuung übrigens ein Studium ... nicht bloßes [zynismusmode] Bastelstunde leiten und Ausmalen [/zynismusmode]

 

Ist für mich kein Qualitätsmerkmal. Aus etwas ein Studium zu machen heißt meiner Wahrnehmung nach im Regelfall, dass der Stoff akademisch abhebt, viel Theorie und Sekundärliteratur entsteht und der Praxisbezug verschwindet.

 

Ich würde das also erst mal sehen wollen. Ob da nicht am Ende Leute rauskommen, die ein hübsches Diplom, aber noch nie was mit Kindern zu tun gehabt haben. :s21

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Ist für mich kein Qualitätsmerkmal. Aus etwas ein Studium zu machen heißt meiner Wahrnehmung nach im Regelfall' date=' dass der Stoff akademisch abhebt, viel Theorie und Sekundärliteratur entsteht und der Praxisbezug verschwindet.[/quote']

Das ist auch meine Befürchtungen. Kindergärtnerinnen tun nämlich durchaus was in Richtung Phantasie, Vorlesen und erzählen. Ich habe sogar den Eindruck, mehr als die meisten Lehrer ;-).

 

Hans Peter

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...und sie werden leider Gottes ganz übel dafür bezahlt.

Zumindest in dieser Hinsicht würde sich das Studium bzw. der Verweis auf akademische Ausbildung lohnen - um endlich gerechte Gehaltsforderungen durchzusetzen.

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