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Prämisse - was ist das?

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Inzwischen denke ich mir, dass Thriller sich von "verdammt guten Romanen" dadurch unterscheiden, dass es dabei um eine andere Art von Krise oder Konflikt geht - und deshalb die Prämissen-Frage nicht passt.

 

Dazu habe ich gerade noch mal eine Kritik in der Allgemeinen Deutschen Sonntagszeitung zum Da Vinci Code gelesen. Die Prämissen eines Thrillers, so sinniert der Verfasser, bestünden in den Bausteinen, die so gut funktionierten wie ein Auto oder wie ein Lego-Bauwerk.

 

@AndreasE.: Dann formuliere ich es für mich jetzt mal so: Alles, was ich schreibe, ist ein Wurf nach der Prämisse, nach dem Eigentlichen der Geschichte hin.

 

Grüße

 

Christa

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Kann es sein, dass deshalb die Frey'sche Idee von der Prämisse so kontrovers gesehen wird, weil sie - abgesehen von dem begrifflichen Überschneidungswirrwarr mit der Logik, danke Werner, -  b e i d e s  sein will: "Die Moral von der Geschicht'" oder Botschaft oder Kern, wie immer man will  u n d  der rote Faden, das eher werkzeuglich zu sehende Diktat, das der Autor sich selbst gegenüber erlässt: Verzettel dich nicht, bleib dran, der Held darf jetzt nicht noch kurz auf die Toilette gehen, um dort einem herrlichen Gedanken nachzuhängen, sondern muss endlich die Pistole nehmen und schießen.

 

Als letzteres finde ich "die Prämisse" oder wie immer man es nennen will, hilfreich für alle, die wie ich sonst seitenweise herumeiern würden.

 

Für die erste Vorstellung nehme ich in der Tat an, dass sich in jeder Geschichte eine Moral finden lässt, die man auch, wenn man will aufs Klobigste herunterhacken kann, so dass dann gerade die differenzierte Sichtweise, für die der Autor viel Mühe aufgewendet hat, verloren geht. Ana Karenina und Prämisse? Vermutlich so: "Wer die Ehe bricht, wird scheitern und muss sterben." Ja, es läuft schon auf den Tod auf den Schienen hinaus bei Tolstoi und zwar mit einer gewissen Notwendigkeit. Allerdings ohne erkennbare Parteinahme des Autors für die in seiner Gesellschaft gelebte und recht harte Moral. Bei den bei Frey ausgiebig vorgestellten Prämissen ist unerkennbar, ob die Geschichte sich mit der in ihr vorgetragenen Botschaft überhaupt gemein machen will neutral dazu steht oder Partei für eine Gegenmoral ergreift.

 

Die Prämisse von Romeo und Julia ist: Verbotene Liebe führt zu Unglück.

 

Die Umkehrung ist dagegen kaum vorstellbar: Dass Shakespeare erst mal zufrieden seine Prämisse geordnet hat, um sich dann auf die Suche nach Romeo und Julia zu machen.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Irgendwie sträubt sich in mir etwas, Shakespeare auf eine solche, fast möchte ich sagen banale Prämisse zu reduzieren. Trifft man nicht eher den Kern, wenn man sagt, Shakespeare ging es um die Schwierigkeit oder gar Unmöglichkeit zwei sich widerstreitende Prinzipien zu vereinen?

 

Die bedingungslose Loyalität zum eignen Clan (Blutsbande) und die frei gewählte Liebe.

 

Herzlichst

jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Plots ohne Prämissen gibt es sicher' date=' das sind dann meiner subjektiven Meinung nach Bücher mit unbefriedigendem Ende.[/quote']

 

Ich weiß, du hast "meine subjektive Meinung" gesagt, trotzdem möchte ich dazu gerne etwas los werden:

 

Nimmt man z.B. die Prämisse "Verbotene Liebe führt zum Tod". Alles, was ich demnach im Plot bräuchte, wäre eine irgendwie verbotene Liebe und einen oder mehrere tote Protas am Ende, um einen befriedigenden Schluss zu schaffen. Aber ist das Ende eines Romans nicht immer so befriedigend, wie der Weg, der im Laufe der Handlung letztlich dahin geführt hat? Und da wären wir wieder beim Plot ... So eine Prämisse kann ich mir immer irgendwie beweisen (in dem Fall könnte ich einen Prota zum Schluss einfach von einer Straßenbahn überfahren lassen und schon wäre sie bewiesen). Aber der Kontext muss stimmen und dafür ist mir persönlich eine Prämisse einfach zu wenig.

 

Was ich allerdings tatsächlich glaube - und das ist ja hier schon ein paar mal gefallen - ist, dass eine Prämisse womöglich in jedem Roman/Plotentwurf vorhanden ist. Aber eben unterbewusst.

 

Das "herumeiern", wie Angelika Jo es genannt hat, kann ich für mich nur vermeiden, wenn ich meinen Handlungsablauf samt Biografien meiner Protas stehen habe, bevor ich zu schreiben beginne. Ich brauche es so ausführlich, denn nur dann kann ich beurteilen, welche Szenen/Abschnitte/Dialoge für den Verlauf der Handlung nicht wichtig sind. Mein Handlungsablauf ist für mich dann wohl so eine Art Monster-Prämisse ;D

 

Frei nach der Prämisse: Posten führt zum Gruß

jetzt Liebe Grüße von

Brigitte

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Das "herumeiern", wie Angelika Jo es genannt hat, kann ich für mich nur vermeiden, wenn ich meinen Handlungsablauf samt Biografien meiner Protas stehen habe, bevor ich zu schreiben beginne. Ich brauche es so ausführlich, denn nur dann kann ich beurteilen, welche Szenen/Abschnitte/Dialoge für den Verlauf der Handlung nicht wichtig sind. Mein Handlungsablauf ist für mich dann wohl so eine Art Monster-Prämisse  ;D

 

Das beispielsweie lernen wir gerade in unserer Plot-Arbeitsguppe - Herumeiern vermeidet man ausschließlich durch Planung, nicht durch Prämisse.

 

Komplexe Probleme (huhu Lionne) löst man nicht durch knackige Sprüche, sondern dadurch, dass man viele Facetten durchdenkt. Dann, und nur dann kommt man zu einem befriedigenden Schluss des Romans, in dem alle Handlungsstränge glaubhaft verknüpft sind.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hallo,

 

irgendwie versteh ich das nicht so ganz. Ich denke gerade an den Thriller Ohne ein Wort, den ich gerade gelesen habe. Eine Frau hat als Kind etwas Schlimmes erlebt (ihre Eltern waren auf einmal weg und kehrten nie wieder), und jetzt, als Erwachsene, passieren auf einmal seltsame Dinge und im Verlauf des Buchs deckt sie auf, was damals passiert ist.

Ist da irgendwo eine Prämisse?

 

Oder EISFIEBER von Ken Follett: Terroristen stehlen einen Virus, eine Sicherheitsexpertin verhindert das Schlimmste.

Wo sollte da eine Prämisse sein?

 

Irgendwie verstehe ich das alles noch nicht so richtig.

 

lg

Sandra

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Hallo  Brigitte

 

Die Wege sind das Ziel, und die kumulieren am Ende, wenn die Fäden zusammengeführt werden und einer davon ist ein roter Faden, den ICH Prämisse nenne. Ich wurschtel den nicht am Ende dazwischen, der ist von Anfang an da, zieht sich durch alle Handlungsebenen und bestimmt die Handlung, die Plots, und nur wenn ich vorher weiß, wo die Geschichte landen soll, dann erreiche ich auch diesen Punkt, dieses Ende und nicht irgendeines der möglichen Enden. In Deinem Beispiel führt der Zufall zum Tod und der passt nicht zu der von dir gewählten Prämisse.

 

Hallo Anna,

 

vielleicht reden wir ja grandios aneinander vorbei. Ich bin ja auch Planerin, wie du, knüpfe viele Fäden und habe dabei eben einen besonders im Auge, da ich die Erfahrung gemacht habe, wenn ich den links liegen lasse, dann lande ich irgendwo im Knuddelmuddel.

 

LG

Inge

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Hallo, Sandra.

 

Ist da irgendwo eine Prämisse?

 

Genau das ist die Krux. Man könnte mehrere formulieren, wie zum Beispiel: Die naheliegende Antwort ist niemals die richtige. Oder: Es war immer derjenige, von dem man es am wenigsten vermutet hat. Viele andere - auch dezidiertere - wären möglich. Aber eigentlich ist das belanglos. "Ohne ein Wort" erzählt eine mehr oder minder spannende Geschichte, bei der es ausschließlich darum geht, die Spannung bis zur Auflösung aufrechtzuhalten und den Leser schließlich - allerdings in halbwegs nachvollziehbarer Form - zu überraschen. Es geht um das Wie, nicht um das Was. Figuren und Setting sind prinzipiell austauschbar.

 

Solche Vorgaben oder dramaturgischen Musts gelten erstens nicht immer und zweitens so gut wie nie in der propagierten Form. "Verbrechen lohnt sich nicht" ist die Prämisse eines Gutteils aller Krimis. Jemand begeht ein Verbrechen und wird schließlich erwischt. Das Gute siegt über das Böse. Die Gesellschaft ist intakt. Auf unsere Polizei ist Verlass. Undsoweiter. Manch eine "Prämisse" ist immanent und muss nicht formuliert werden, und sie ist sicherlich nicht das Ziel, auf das ein Autor hinarbeiten muss. Geschichten haben einen Anfang und ein Ende. Das Ende beendet die Geschichte, was weniger tautologisch ist, als es sich anhört. Wir erzählen immer von Entwicklungen. Was wird aus meinen Figuren - und warum? Wie erzähle ich das in nachvollziehbarer, glaubhafter, spannender Form? Das sind die entscheidenden Fragen. Man kann sie nennen, wie man will, aber man sollte sich keineswegs einen formalisierten Fragebogen zurechtlegen und abarbeiten, bevor man beginnt. Manches entwickelt sich aus dem erwünschten Eigenleben der Figuren. Manches muss verworfen werden.

 

Eine gute Geschichte gut erzählen, das ist alles. Die meisten Botschaften ergeben sich von selbst, häufig auch unbewusst. Und wenn nicht, dann eben nicht.

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Hallo Inge,

 

roter Faden und Prämisse sind meiner Ansicht nach zwei vollkommen verschiedene Dinge. Eine Prämisse (nach Frey) muss am Ende bewiesen werden, einen roten Faden beweise ich nicht. Er zieht sich als Orientierung durch die ganze Geschichte.

Er hilft mir, auch da Ordnung zu halten, wo mir als Autor eine Prämisse unbrauchbar erscheint. Das ist z. B. oft bei Thrillern der Fall (Hallo Sandra!). Hier bietet sich das Thema (freigesetzter Virus) als roter Faden an. Und am Ende muss die sich steigernde Katastrophe bewältigt sein und nicht eine Prämisse bewiesen.

 

LG

Klaus

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Also ich werde hier jetzt nicht weiter verteidigen, dass ich mit Prämissen arbeite - ich denke, ich habe Hans Peters Frage beantwortet - und wende mich dem dritten Dühnfort-Krimi zu, dessen Prämisse ich inzwischen kenne.

 

LG

Inge

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Irgendwie sträubt sich in mir etwas, Shakespeare auf eine solche, fast möchte ich sagen banale Prämisse zu reduzieren.

 

Du hast ja Recht, jueb. Aber du weißt auch, dass Frey so was tatsächlich hinschreibt. Ich darf mal zitieren:

 

"Prämisse aus Le Carrés Spion der aus der Kälte kam: ERKENNTNIS FÜHRT ZUM SELBSTMORD

 

Nabokovs Lolita beweist: GROSSE LIEBE FÜHRT ZUM TOD

 

Flauberts Madame Bovary beweist: VERBOTENE LIEBE FÜHRT ZUM TOD"

 

Frey, Wie man einen verdammt usw. p. 75f

 

Das  k a n n  gar nicht als einfache Handlungsanweisung gemeint sein, sonst kämen ja immer die gleichen Geschichten raus. Dass damit die Botschaft von Nabokov, Flaubert oder Shakespeare richtig gefasst ist, darf von mir aus auch ruhig bezweifelt werden. Da halte ich es wie jueb eher mit der klassischen Variante vom Kampf zweier Prinzipien, dem das Individuum zum Opfer fällt.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Und das BÖSE IST IMMER UND ÜBERALL

 

@Inge: auch wenn Du Dich zurückziehst, was ich verstehen kann, weil Du die einzige bist, die die Prämisse verteidigt - ja, es ist gut möglich, dass wir dasselbe meinen, es aber mit unterschiedlichen Worten ausdrücken.

 

Soviel zur Kunst der Sprachbeherrschung.

 

Könnten wir uns darauf einigen, dass man ein konkretes Ziel haben sollte, wenn man sich an ein derart komplexes Gebilde wie einen Roman wagt?

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Das beispielsweie lernen wir gerade in unserer Plot-Arbeitsguppe - Herumeiern vermeidet man ausschließlich durch Planung' date=' nicht durch Prämisse.[/quote']

Also jetzt muss ich doch Frey und co verteidigen.

 

Alle diese Kurzformeln, egal ob Freys Prämisse oder Fields, ob "ich schreibe auf das Ende zu und das muss ich kennen" (King/Field) oder ob Pitch, all die sind Grobraster. Sozusagen eine Deutschlandkarte im Maßstab 1 : 5.000.000. Da kann man sehen, dass man von München nach Berlin besser über Nürnberg fährt statt über Bremen.

 

Da kann man nicht sehen, ob man über Oberammergau oder besser über Unterammergau oder besser gar nicht ammergaut, denn das ist da nicht gewiß.

 

Ganz anders eine Szenenplanung. Das ist eine Straßenkarte im Maßstab 1:200.000. Da steht jedes Dorf drin. Bei großen Strecken verliert man hier manchmal die Übersicht.

 

Jedes dieser Mittel hat seine Bedeutung. Das eine kann man nicht gegen das andere ausspielen. Beide können helfen, nicht herumzueiern. Garantieren können sie es aber nicht. Ich habe gerade einen Szenenplan, der schlagend beweist, dass solche Feinpläne auch durchaus Gefahren bergen können.

 

Nicht, dass ich was gegen Szenenpläne und Storyboards habe, ganz im Gegenteil. Die meisten Autoren (vor allem die nicht veröffentlichten) wissen davon leider nichts.

 

Nur sind solche Kurzformeln - Pitch, Prämisse, etc. - zwar immer Vereinfachungen, sollen das ja auch sein, aber gerade Vereinfachungen können oft helfen, die Struktur zu erkennen. Und es *gibt* nun mal Leute, denen nützt Freys Prämissen beim Planen. Andere können damit nichts anfangen.

 

Hans Peter

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Ich darf mal zitieren:

 

Nabokovs Lolita beweist: GROSSE LIEBE FÜHRT ZUM TOD

 

Flauberts Madame Bovary beweist: VERBOTENE LIEBE FÜHRT ZUM TOD"

 

Frey, Wie man einen verdammt usw. p. 75f

 

Angelika

 

 

Danke, Angelika, dass du Frey zitierst. Er ist ja einer der Urheber des Prämissen-Gedankens, um den es in diesem Thread geht.

 

Und du greifst gerade den Kern heraus, der mich bei Frey stört.

Warum BEWEIST Nabokovs Lolita: Große Liebe führt zum Tod?

Ich finde, Rosamunde Pilchers xy BEWEIST: Große Liebe führt zum Glück.  ;D

Sie BEWEIST also genau das Gegenteil. Ja, was denn nun?

 

Meinem Empfinden nach ist hier sprachlich etwas schief - was möglicherweise zu der allgemeinen Verwirrung beiträgt.

Weiß jemand, was er im Original geschreiben hat?

 

LG

Klaus

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Heute denke ich' date=' es ist eher verheerend, wenn man als Autor beim Schreiben schon mitdenkt, wie man es mal interpretiert haben will. [/quote']

Auch wenn es vom Thema wegführt, das ist ganz wichtig. Die Interpretation ist die eine Sache, eine Geschichte schreiben eine andere. Leider lernen wir im Deutschunterricht nur die eine Sache. Und ich wette, 80% der Deutschlehrer ahnen nicht mal, dass das Schreiben was ganz, ganz anderes ist. 80% der Leute, die schreiben, ahnen das nicht, behaupte ich jetzt mal frech, weil ich soviele Texte gelesen habe, in denen die Interpretation steht statt der Geschichte.

 

Wer einen guten Auto-Test schreiben kann, wird mit der gleichen Technik noch lange kein Auto konstruieren können.

 

Hans Peter

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Irgendwie sträubt sich in mir etwas' date=' Shakespeare auf eine solche, fast möchte ich sagen banale Prämisse zu reduzieren.[/quote']

 

Du hast ja Recht, jueb. Aber du weißt auch, dass Frey so was tatsächlich hinschreibt. Ich darf mal zitieren:

 

"Prämisse aus Le Carrés Spion der aus der Kälte kam: ERKENNTNIS FÜHRT ZUM SELBSTMORD

Vorsicht, es geht ja nicht darum, Shakespeare oder sonst wen darauf zu reduzieren. Wer in einer Rezension zum Spion, der aus der Kälte kam, schreibt: ERKENNTNIS FÜHRT ZUM SELBSTMORD, der macht sich lächerlich.

 

Es geht ja um einen griffigen Satz, den man sich über den Computer hängt und jeden Morgen vor dem Schreiben anschaut, und ob diese Technik hilft. Mir hilft sie nicht. Einer ganzen Reihe anderer auch nicht. Aber es gibt Leute, denen sie hilft. Und wenn sie das tut, ist es völlig egal, wie albern der Satz ist.

 

Nur ist bei frey das Problem, das er oft wie MRR argumentiert. Nur mit Prämisse kommt man weiter! Nur Romane unter 200 Seiten sind gute Romane! Autoren lesen höchst ungern Bücher anderer Autoren!

 

Alles Sätze, die manchmal stimmen (manch Buch wäre wirklich besser, wenn es auf 200 Seiten gekürzt worden wäre), aber eben nur manchmal.

 

Übrigens hat Frey, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, mit einer Prämisse einen durchschlagenden Erfolg gehabt: "Nur autobiografische Drogengeschichten führen zum Erfolg."

 

Als er "Tausend kleine Scherben" als autobiografisch deklarierte, wurde es ein voller Erfolg und er wurde sehr gelobt. Leider war's nicht ganz so autobiografisch ...

 

Hans Peter

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Hallo Anna,

 

genau, die Unwägbarkeiten der Kommunikation.

 

Mich hat inzwischen das Gefühl beschlichen, dass in der Tat eine ebenso grandiose Begriffsverwirrung herrscht und jeder unter Prämisse etwas anderes versteht.

 

Abschließend nochmals zusammengefasst, was ich in meinen Postings zum Ausdruck bringen wollte – und vorausgeschickt: Ich habe weder ein Studium in Germanistik, Literaturwissenschaften oder dergleichen.

 

Für mich ist die Prämisse eine Art Subtext , die Botschaft, die der Leser sich mitnehmen kann oder nicht. Und die lege ich an eine Kontrollleine – das ist dann der rote Faden. Beispiel: In meinem ersten Roman lautet die Prämisse „Wer sich seinem Trauma stellt, wird frei in seinem Handeln“ – Natürlich sage ich das nirgendwo im Text und auch am Ende sagt keine Figur dergleichen. Aber am Ende hat eine Figur ihre Handlungsfreiheit zurück gewonnen und die andere nicht. Das wird der Leser hoffentlich erkennen. Entweder auf einer emotionalen Ebene, indem er die Geschichte als rund empfindet oder auf einer rationalen Ebene. Und falls nicht, dann habe ich auf alle Fälle die Geschichte erzählt, die ich erzählen wollte. Denn es hätte für meine Figuren eine Vielzahl anderer Handlungsmöglichkeiten gegeben, die nicht auf die Konfrontation mit dem Trauma hinausgelaufen wären.

 

Da meine Figuren den fatalen Hang haben, das Heft in die Hand nehmen zu wollen (was ich ihnen auch gestatte, wenn es der Geschichte dient) und mir ständig dreinreden, ist die Kenntnis der Prämisse für mich wichtig. Ich höre meinen Figuren zu, sehe mir die Prämisse an und entscheide dann. Ganz konkret: In meinem zweiten Roman gab es eine Stelle, an der mein Bösewicht sich unerwartet anders entwickeln wollte und sich dadurch die Möglichkeit eines anderen Schlusses ergab, einem, im Moment, verlockenden Ende. Aber der Blick auf die Prämisse hat mich wieder auf Kurs gebracht.

 

So, mehr kann ich dazu nun nicht mehr sagen.

 

LG

Inge

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Und du greifst gerade den Kern heraus, der mich bei Frey stört.

Warum BEWEIST Nabokovs Lolita: Große Liebe führt zum Tod?

Ich finde, Rosamunde Pilchers xy BEWEIST: Große Liebe führt zum Glück.  ;D

Sie BEWEIST also genau das Gegenteil. Ja, was denn nun?

 

 

Sorry, einen hab ich noch:

 

Eine Prämisse hat nie Allgemeingültigkeit. Sie ist natürlich höchst subjektiv. Der Autor beweist sie für diesen einen Roman, den er schreibt. Und kann im nächsten das genaue Gegenteil beweisen.

 

LG

Inge

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Und du greifst gerade den Kern heraus, der mich bei Frey stört.

Warum BEWEIST Nabokovs Lolita: Große Liebe führt zum Tod?

Ich finde, Rosamunde Pilchers xy BEWEIST: Große Liebe führt zum Glück. ;D

Sie BEWEIST also genau das Gegenteil. Ja, was denn nun?

Wo steht, dass nicht ein Buch diese und ein anderes Buch eines anderen Autors eine ganz andere Prämisse haben kann? Eine Prämisse ist doch kein Beweis!

 

Davon abgesehen würde ich Lolita nie "Große Liebe führt zum Tod", sondern höchstens "verbotene Liebe führt zum Tod" zuordnen.

 

Wichtig finde ich die Prämisse nur, wenn ein Buch keine hat, das wirkt auf mich leicht etwas wuschig. Oder wenn die Prämisse nicht zur Leser-Erwartung passt. Ein Liebesroman-Leser erwartet "große Liebe führt zum Glück" oder "echte Liebe überwindet alle Hindernisse", ein Krimi-Leser "am Ende siegt die Gerechtigkeit". Und nicht "Intriganten siegen immer" oder "das Leben ist grausam und ungerecht" oder "Selbstlosigkeit führt zum Tod". Solche Bücher finde ich doof, wenn sie nicht SEHR gut sind, und meist sind sie auch nicht sonderlich erfolgreich.

 

Dass eine Prämisse zu haben nicht ausreicht für ein gutes Buch ist eine ganz andere Frage.

 

Liebe Grüße

Beate

Man gräbt keine goldenen Halsbänder aus dem Boden. (John Vorhaus "Handwerk Humor")

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"Der Protagonist stellt sich seinem Trauma und wird dadurch frei in seinem Handeln."

 

Das könnte eine Zielvorgabe für eine Person in meinem Roman sein.

 

Darum herum baue ich seine Biographie auf und in diesem Rahmen lasse ich ihn handeln.

 

Ist es vielleicht die platte Freysche Verallgemeinerung, die uns hier so stört?

 

Aha, "die beiden Protagonisten verlieren sich in einer verbotenen Liebe und werden in den Tod getrieben", könnte Shakespeare durchaus gedacht haben, und dann weitergesponnen haben.

 

Oder krieg ich jetzt auch Haue?

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Klaus und Hans-Peter (und in gewissem Sinne auch Inge),

 

ich wollte jetzt gar nicht unbedingt was gegen die Kategorie der Prämisse - auch nichts gegen Frey - gesagt haben, sondern etwas zu ihrer möglichen Verwendbarkeit.

 

Dein Maßstab-Beispiel, Hans-Peter, ist ziemlich das, was ich mir auch gedacht habe. Die Idee mit der Prämisse ist erst mal so was wie ein sehr grober Pflug, der das Riesenfeld an möglichen Ideen, Einzelschicksalen, Weiterungen etc. durchzieht und dem Schreiber bedeutet: HIER gehts weiter, lass die Blümchen da drüben jetzt mal wieder weg.

 

So wie man manchen Leuten das Witze-Erzählen erst beibringen muss, wenn sie nach dem ersten Satz eine "Vorgeschichte" dazu erzählen wollen oder ihnen der Name von dem Supermarkt nicht mehr einfallen will, in dem der Mann vorher war etc. "Verfrans dich nicht - was wolltest du denn eigentlich sagen?!" - Das ist für mich der praktikable Sinn von dem, was hier Prämisse, dort anders genannt wird.

 

In diesem Sinne hat das "Beweisen" bei Frey auch nichts Objektives im Sinn. Das ist nicht wissenschaftlich oder juristisch gemeint, sondern will sagen: Schreibe so, dass der Leser glauben soll, dass das alles kein Zufall war, sondern sich mit Notwendigkeit ergeben hat. Das ist ein in sich vernünftiger Satz - wenn auch nicht gerade neu, gibts schon bei Aristoteles, glaube ich.

 

Ganz amerikanisch pragmatisch sieht Frey ja auch keinen Widerspruch darin, mal dies, mal das Gegenteil beweisen zu wollen. Und das geht ja auch. Ich hätte jedenfalls kein Problem damit, einem Satiriker wie Monthy Python die Prämisse unterzujubeln: Wer Religionen gründet, nimmt ein sehr locker-flockiges Ende am Kreuz.

 

Nur zum "Moral von der Geschicht'" Schreiben Wollen (was meines Erachtens  a u c h  immer mitgemeint ist beim Prämissengedanken)- da hätte ich zwei Gegenpunkte:

 

1. Es gibt Schreiber, die haben sich eine bestimmte, meist politische Botschaft vorgenommen, derzuliebe sie einen Roman erfinden. So was zu lesen ist eine Qual. Einmal hat mir ein alter Militär seinen Roman in die Hand gedrückt, ich solle ihn mir sprachlich durchsehen, bevor er einen Verlag sucht. Die Botschaft, die sich von der ersten bis zur letzten Seite durchzog, lautete: Wenn wir die Gewerkschaften nicht klein kriegen, müssen demnächst unsere Leute in die Türkei zum Arbeiten auswandern. Ich habe mich bei jeder Seite gefragt, warum er nicht ein Betttuch nimmt, diesen Satz drauf sprüht und das dann aus dem Fenster hängt.

 

2. Ich glaube, allen Schreibern tröpfelt die Moral, die sie individuell intus haben, ganz unbeabsichtigt beim Schreiben sowieso aus der Feder. Sehr oft ist sie eher kindlich gewirkt: Der Böse soll verlieren, Gutheit gewinnt etc. Es kann auch das Gegenteil sein, eine Antimoral oder eine mit sehr eigenen Maßstäben. (Deshalb kann man sich sehr oft gut vorstellen, ob der Schreiber ein naiver, zynischer, hämischer oder gütiger Mensch ist.) Angesichts dieser Leistung kommt es mir so vor, als gäbe es für Frey tatsächlich Menschen, die schreiben wollen, ohne eine wie auch immer geartete Einstellung zur Welt zu haben. Sozusagen lauter unbeschriebene Blätter, die sich erst mal eine Weltanschauung einfallen lassen müssen, um sie dann unters Volk zu bringen. Als stünde da einer, der sagt: "Ich will euch was Wichtiges sagen, aber ich weiß noch nicht was!" Gibts das? - Glaub ich nicht.

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

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Inge, danke für deine Erklärungen! Ich finde das sehr spannend und habe grade erst den ganzen Thread von oben bis unten gelesen und wollte dich grade nach einem Beispiel fragen. Beispiele sind immer am besten, die versteht jeder, sogar ich.

Mich hat nämlich mal interessiert wie eine Prämisse lauten könnte, von einem Autor, der damit arbeitet.

Ich arbeite nicht damit, wie viele andere hier, aber wenn ein MS fertig ist, kann ich im Nachhinein immer eine Prämisse finden. Ich schreibe also intuitiv danach. Im Voraus habe ich Probleme sie zu bestimmen.

Natürlich sind manche Bücher zu komplex und zu umfangreich, um eine Prämisse festzumachen, aber dennoch läßt sich am Ende sicherlich immer irgendeine Botschaft/Prämisse/Leitsatz finden.

 

Manchmal wünschte ich, mehr Autoren würden mit der Prämisse arbeiten, denn ich bekomme hier Manuskripte zugeschickt, in denen keine Prämisse bewiesen wurde. Was bedeutet, dass eine Figur zwar durch einen Plot geht, der eine Prämisse vermuten läßt, aber am Ende passiert dann entweder gar nichts, oder es geht in eine völlig andere Richtung, so dass man sich fragt: Was will der Autor damit sagen?

 

Ich denke jede gute Geschichte beweist ihre Prämisse, oder es fehlt was, oder es wird sogar unglaubwürdig. Eine bewiesene Prämisse macht das Werk "rund".

Auch wenn der Autor nie darüber nachgedacht hat.

 

LG

Joy

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Auf der Rückseite meines aktuellen Romans steht in Großbuchstaben: Das Leben kommt von vorn. Das ist eine - im letzten Teil des Buches mehrfach zitierte - Textzeile aus einem Grönemeyer-Song ("Bleibt alles anders"), und man könnte es als Prämisse des Romans bezeichnen. Der Protagonist versucht, seine Vergangenheit wiederzubeleben, und er muss feststellen, dass das nicht geht, weil das Leben eben von vorn kommt - und nicht von hinten, aus der Mitte oder von der Seite. ;) Ich war schon mit dem Plot so gut wie durch (nur noch unschlüssig bezüglich des Endes) und mit der Schreiberei ungefähr in der Mitte angekommen, als mir jemand, dem ich den Inhalt des Buches bis zu dieser Stelle skizzierte, diese Textzeile entgegenschmetterte. Ich war verblüfft und haben denjenigen dankbar umarmt - für diese exzellente Idee. Und in diesem Moment wusste ich auch, wie es enden sollte. So ist zur Prämisse des Romans geworden, was ich trotz fast vollständigem Plot und weit gediehener Schreibarbeit (die ich nicht revidieren musste) erst spät erfahren bzw. zur Kenntnis genommen habe. Es hätte Alternativen gegeben, ich hätte es der Figur zum Beispiel auch erlauben können, es sich in der Vergangenheit bequem zu machen, alle vergangenen Geister wiederzubeleben usw.. Letztlich ist das also nur der Tenor des Schlusses - auch die Alternativen wären glaubhaft gewesen bzw. entsprechend gestaltbar gewesen. Frey hat seine "Prämisse" als etwas definiert, auf das alles im Text hinwirkt, wie ein großes Puzzle, das schließlich Frage und Antwort zeigt. So muss es aber nicht sein. Q.e.d. (Davon abgesehen wären auch andere Prämissen für diesen Roman formulierbar.)

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Ist es vielleicht die platte Freysche Verallgemeinerung, die uns hier so stört?

Anna

 

Liebe Anna,

 

das genau scheint es zu sein. Mich hat diese Verallgemeinerung anfangs auch gestört. Aber sie ist schön plakativ und ich weiß ja, was sich hinter dieser Formel alles verbirgt, die ich mir - auf Fry'sches Prämissenformat eingedampft - an den Monitor gepint habe.

 

LG

Inge

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....aber am Ende passiert dann entweder gar nichts, oder es geht in eine völlig andere Richtung, so dass man sich fragt: Was will der Autor damit sagen?

 

Hallo Joy,

 

genau. Darum geht es bei den Prämissen. Man braucht sie, um zu verhindern dass das passiert.

 

LG

Inge

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