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(JoergenNord)

MS-Änderungen ohne Vertrag?

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Liebe KollegInnen,

 

aus aktuellem Anlass folgende Frage:

 

Ist es angebracht, auf Wunsch des bearbeitenden Lektors Änderungen am Ms. vorzunehmen OHNE einen Verlagsvertrag in der Tasche zu haben??

 

Der konkrete Fall: Ich habe einem Verlag Exposee und Textauszug meines Ms. geschickt, ein Lektor forderte wenig später das komplette Ms. an (was meinen Bauch verständlicherweise sehr pinselte).

 

Trotz der (nach wie vor ungebrochenen) Begeisterung des Lektors fiel das Ms. in der ersten Lektoratsrunde durch.

Ich wollte das Ms. daraufhin zurücknehmen und woanders anbieten, aber der Lektor schlug vor, wenn ich bereit wäre, "im Hinblick auf die Verlagsinteressen einige Änderungen vorzunehmen", würde er das Ms. noch einmal vorstellen und versuchen, es in der 2. Runde durchzuboxen.

 

Nun, ich habe, wie gesagt, noch keinen Vertrag. Das Ms. ist in meinen Augen (aber das geht wahrscheinlich allen Autoren so?) genau richtig, so wie es ist. Ich sehe daher nicht ein, es umzumodeln, nur um EVENTUELL VIELLEICHT einen Vertrag angeboten zu bekommen.

 

Soll/darf ich mich darauf einlassen? Kann ich eine Art "Vor-Vertrag" einfordern, bzw. zumindest eine kleine Honorierung meiner Änderungsarbeit beanspruchen, damit die ganze Keulerei wenigstens nicht ganz umsonst war, falls es doch nichts wird? Oder mein Täschen packen und es gleich bei einem anderen Verlag versuchen?

 

Bin für jeden Tipp schon jetzt sehr dankbar!

 

Gruß,

Joergen        

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Hallo Joergen,

ich fürchte, da wirst du nach Fingerspitzengefühl eine ganz einsame Entscheidung treffen müssen.

Extrahonorar und Vorvertrag schlag dir aber gleich mal aus dem Kopf. Was wir malochen, um einen Vertrag zu ergattern, malochen wir umsonst.

 

Es gibt sowas manchmal, bei Sachbüchern sogar eher häufig. Wenn man einen Agent hat, filtert der auch schon mal vor und sagt: Das kann ich nur verkaufen, wenn du da noch mal rangehst. Manchmal, bei Sachbüchern, genügt auch der Hinweis, dass man es so und so umplanen kann. Oder man schreibt ein einziges Kapitel passend (!)und dann sieht der Verlag ja sowieso am Rest, ob man schreiben kann. Ich versuch mal, dir Fragen zu geben zur Entscheidungshilfe... also nicht um sie hier zu beantworten, sondern im stillen Kämmerlein:

 

- Wie umfangreich sind die Änderungen, welchen Aufwand bedeutet das, was bleibt von mir übrig?

 

- Wie prominent ist der Verlag für mich, wie dringend will ich dort verlegt werden?

 

- Welches sind die Gründe fürs Durchfallen im einzelnen - wären sie mit dieser Änderung wirklich nichtig?

 

- Wie sicher ist der Lektor, es schaffen zu können? Hat er in der Programmkonferenz bereits Verbündete, die das Projekt dann auch unterstützen würden - oder steht er alleine gegen die anderen?

 

- Würde ein Kompromiss ausreichen: Neues, passendes Expo und ein Kapitel geändert? Den Rest nach Vertrag?

 

- Wie sehen meine Chancen bei anderen Verlagen aus?

 

- Will ich das Risiko eingehen, sofort abzusagen?

 

- Würden die Änderungen auch meine Chancen in anderen Verlagen vergrößern?

 

- Ist das Programm so speziell, dass es einfach sein muss?

 

- Will ich langfristig mit diesem Verlag arbeiten, und zwar so, dass ich auch in sein Programm passe?

 

Ich wünsch dir viel Glück, egal wie die Entscheidung ausfällt!

Petra

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Hallo Joergen,

 

das ist wirklich eine Gesinnungsfrage. Worauf kommt es dir an? Möchtest du Autor unter Vertrag werden oder hast du ein Ideal, an dem du festhältst?

 

Ich schreibe seit 15 Jahren, und du ahnst nicht, wie oft ich Manuskripte schon in Absprache mit den Lektoren verändert habe. Aber ich klebe auch nicht an meinen Werken, sondern lebe davon.

 

Es gehört verdammt viel Zähigkeit, Kompromissvereitschaft und Anpassungsfähigkeit dazu, wenn man sein Manuskript loslässt und in Absprache mit den Machern der Verlage ein in die Programmplanung passendes Buch daraus macht.

 

Es passiert nur sehr selten, dass man sein Manuskript einschickt und es ohne Wenn und Aber akzeptiert wird.

 

Ich habe auf der Festplatte stets meine Originalversion mit fünf bis sechs Varianten. Oft habe ich für die Katz' daran herumgearbeitet, am Ende war es immer noch nicht okay oder ich hatte einfach keine Lust mehr, weil ich irgendwann die Kompetenz des Lektors anzweifelte. "Machen Sie doch die Oma weg, die stört" - "Vielleicht könnten sie nun doch die Oma wieder einbauen"... ;) Oder auch: "Mehr Liebe!" - "Mehr Erotik" - "Nein, so doch nicht!" "Nehmen Sie bitte die Beziehung ganz heraus!" ;)

 

30 % meiner überarbeiteten Manuskripte wurden am Ende angekauft, die Mühe hatte sich gelohnt. An den anderen hängt sinnlos mein Schweiß.

 

Wenn du einen guten Draht zu dem Lektor hast, solltest du sein Angebot, deinen Text zu überarbeiten, aufgreifen. Es ist wirklich eine Chance. Und wenn es nicht klappt, kannst du woanders immer noch von vorn anfangen.

 

Gruß,

 

Tin

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Hallo, Joergen!

 

Vergiß das mit Vorvertrag und "Extrahonorar"! Dafür ist die Konkurrenz zu groß, seitdem Tin nicht mehr als Lektorin arbeitet.

 

Du hast zumindest einen Lektor für dein Projekt interessiert -- das ist die halbe Miete, vorausgesetzt es handelt sich nicht gerade um eine "Nanoverlag". ;)

Dieser Lektor möchte es in seinem Haus durchsetzen, und das erfordert wirklich sehr viel Engagement.

 

Eigentlich geht es ja nur darum, eine Variante deines Projekts anzufertigen, welcher der Lektor mehr Chancen auf eine Vertragsübernahme einräumt. Schau dir erst einmal die Kriterien an, also das, was unter Änderungen "im Hinblick auf die Verlagsinteressen" verstanden wird.

Und sieh diese Kriterien erst einmal als Anregungen an und nicht als Negativkriitk oder "Ummodelei"!

 

Nimm dir ein paar Tage Bedenkzeit, laß etwas Zeit ins Land gehen, denk darüber nach, wo dein Anaspruch an dein Projekt und die Interessen des Verlags zusammengehen! Suche nach Möglichkeiten zum Brückenschlag! Und erst dann erwäge unüberbrückbare Hindernisse!

 

Mach dir eine Liste, was akzeptabel ist und was nicht, dann kontakte den Lektor telefonisch und sprich das Ganze mit ihm persönlich durch.

 

Wichtig: Immer zuerst das Gemeinsame betonen und dann das Trennende!

 

Er wird "Maximalforderungen" stellen, das liegt in der Natur der Dinge. Du hast die Aufgabe, einen gangbaren Kompromiß zu finden, denn es ist dein Projekt.

 

Probier es aus! Diese Art der Kooperation kann dir im Lektorat zukünftig sehr helfen!

 

BTW: Lektoren sind es gewohnt, daß gerade Nachwuchsautoren Änderungen zunächst einmal brüsk ablehnen. Schenke diesem Lektor eine andere Erfahrung, zeige dich aufgeschlossen, kooperativ, selbstkritisch, und du wirst sehen, daß sich die Tore weit öffnen!

 

Und sollte es nicht klappen, hast du immer noch die Möglichkeit, es woanders anzubieten. Eines wirst du auf jeden Fall feststellen: Daß die konzentrierte, reflektierte Arbeit am Text den Text in jedem Fall verbessern wird.

Denn selbst wenn du nicht alle Änderungen ins ursprüngliche Manuskript übernimmst -- einiges wirst du in jedem Fall verbessern.

 

Daumendrückende Grüße,

Iris :s17

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Mann, danke!!

 

Ich bin ganz begeistert von Euren fachlichen und sachlichen Antworten!

 

Ja, Ihr habt Recht: Ein paar Tage in Ruhe reflektieren und dann noch einmal den - positiv aufgeschlossenen! - Kontakt zu Mr. Lektor suchen.

 

Es ist ja nun mein 2. Buch-Projekt (ja, es ist übrigens ein Sachbuch!), und natürlich musste ich beim ersten auch (oft zähneknirschend) ändern - aber eben NACH Vertragsabschluss und nicht schon vorher.

 

Aber mein gepinseltes Bäuchleich sagt mir: Hau Dir gefälligst die Nächte um die Ohren und tu's!!

Also werden mein Bauch und ich noch einmal in Klausur gehen.

 

Ich halte Euch auf dem Laufenden!

 

Nochmals THANX!

 

Joergen

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Hallo Joergen,

 

herzlich willkommen im Forum! Es ist ja schon alles Wichtige dazu gesagt, aber ich möchte Dir auch nochmal Mut machen.

 

Wenn Du ein gutes Gefühl bei der Sache hast und einen guten Draht zu dem Lektor, dann lass Dich drauf ein. Auch wenn es zu keinem Vertrag kommt, hast Du die Arbeit nicht umsonst geleistet. Ein gutes Manuskript wirst Du auch anderswo unterbringen können.

 

Ich habe über ein halbes Jahr lang an meinem Roman-Erstling gefeilt, umgestellt, erweitert - nach den Wünschen und Vorstellungen des Lektors, der sich dafür interessierte und auch immer wieder bereit war, sich meine Wünsche anzuhören, meine Bedenken etc.

 

Es hat mich schon frustriert, dass ich nicht sofort einen Vertrag bekommen habe und auch monatelang nicht wusste, ob ich einen bekomme.

An dem Punkt, an dem ich den armen Mann fast ermordet und mein Manuskript endgültig in die Tonne geschmissen hätte, kam der Vertrag :-)

 

Fazit: Eine Menge Arbeit, ja, auch einiges an Frust, eine Menge Zeit, die ins Land ging, viel Ungewissheit - aber unbezahlbare Lektionen in punkto Romanarbeit und Beziehung Autor-Lektor. Die möchte ich wirklich nicht mehr missen.

 

Ich werde demnächst eine zweite Romanidee ins Gespräch bringen. Und hoffe, dass in dem Fall der Vertrag schneller kommt ;D

 

Viel Erfolg Dir und lass uns wissen, was dabei herauskommt.

 

Liebe Grüße

Ellen

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Moin @ all!

 

Da Ihr mir so nett und aufmunternd geantwortet habt, hier der aktuelle Stand der Dinge:

 

Ich habe meinen dauerverregneten Urlaub genutzt, um mit erwähntem aufgeschlossenen Lektor in aller Ruhe (und, ja, Professionalität) zu telefonieren.

Ich habe hierbei so wichtige, wesentliche und weiterführende Tipps für mein Ms. von ihm bekommen, dass mir glatt die Ohren schlackerten! Ich meine, er hat ja immerhin SEINE ZEIT FÜR MICH GEOPFERT! Wow, er hat mein Manuskript WIRKLICH gelesen und für GUT befunden!!!! (Allein das ist ein Umstand, der mich leicht euphorisch stimmt.)

Jetzt bin ich also dabei, seine Vorschläge umzusetzen. Es wird dauern und meine Zeit in Anspruch nehmen - ohne Garantie, dass es dann was wird, logisch.

Aber ich werde dranbleiben und es zumindest VERSUCHEN! Denn gelernt hab ich schon jetzt 'ne ganze Menge. Das kann mir keine Lektoratsrunde mehr nehmen, auch wenn sie mein Ms. dann im Herbst vielleicht doch noch vernichtend abschmettern.  

 

Gruß in den Tag,

Joergen.

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Hallo Joergen,

 

das hört sich gut an. Mein Lektor hat in so einer Situation gesagt, wissen Sie, MICH haben Sie schon von Ihrem Manuskript überzeugt. Wenn ich jetzt nur noch einen weiteren Kollegen überzeuge, landet der Text in der Lektoratskonferenz, und dann haben wir gewonnen.

 

Also, ich wünsche Dir einen Lektor mit viel Überzeugungskraft und Begeisterungsfähigkeit :-)

 

Toitoitoi!

Und viel Spaß beim Feilen am Text!  

Ellen

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Hallo, Jörgen,

 

du bist auf dem richtigen Weg! Klasse, dass es ein so gutes Verständnis zwischen dir und dem Lektor gibt.

 

Ich erlebe das gerade auch. Ein Lektor hat sich so gezielt mein Jugendbuch vorgeknöpft, dass ich einfach nur baff war. Es ist eine wirkliche Bereicherung und wohl auch ein Glücksfall, mit jemandem zu kommunizieren, der mit freundlichen, kompetenten Hinweisen die Qualität des eigenen Manuskriptes zu steigern imstande ist.

 

Ich wünsche dir, dass dieses gutes Verhältnis von Dauer ist und eure Zusammenarbeit dazu führt, dass du ein Buch veröffentlichst, auf das du stolz sein kannst.

 

Liebe Grüße,

 

Tin

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