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(TT)

Secret Agent

Empfohlene Beiträge

Hi Leute,

 

von Zeit zu Zeit kommt ja die Frage auf, ob ein Agent sinnvoll ist oder nicht. Braucht man ihn unbedingt, oder sollte man es lieber alleine versuchen? Bringt er was oder kostet er nur Geld? Wie unterscheidet man die Guten von den Bösen, usw.

 

Folgenden Eintrag habe ich gerade im Blog meines hochgeschätzten Kollegen Torsten Dewi (Link ungültig) (Link ungültig) gefunden. Torsten ist zwar hauptsächlich im Film- und Fernsehbereich tätig, seine Aussagen lassen sich aber 1:1 auf die Verlagswelt übertragen. In diesem Sinne übergebe ich jetzt mal das Mikrofon.

Viel Spaß dabei,

Thomas :)

 

Die Frage kam gestern wieder auf - und nicht zum ersten Mal. Wie ist das mit Agenten in meiner Branche? Braucht man sie - oder sollte man sie erschießen, sobald man sie sieht? Parasitäre Lebensformen oder hilfreiche Heinzelmännchen, die sich schützend vor den Autor werfen, wenn es hart auf hart kommt? Segen oder Fluch? Beides?

 

Zuerst einmal: Ich selbst habe mich 12 Jahre ohne Agent durch die Branche gekämpft. Übersetzer, Sachbuchautor, Romanautor, Drehbuchautor - geht alles auch auf eigene Kappe und Verantwortung. Dazu braucht man allerdings ein gesundes Ego und die Rückendeckung, auch mal was falsch machen zu dürfen. Wer lieber in seinem stillen Kämmerlein hockt und jeder sozialen Interaktion ausweicht, wird um einen Agenten nicht herum kommen - solche Autoren zieht man bei jeder Honorarverhandlung sauber über den Tisch.

 

Man wird sowieso erst aus Schaden klug - oberflächlich lesen sich die meisten Verträge nämlich ganz prima. Der Teufel steckt aber im Detail. Ein Beispiel: Wenn man als Romanautor sein erstes Drehbuch erfolgreich angeboten hatte, sollte man das Kleingedruckte lesen - wahrscheinlich hat man nach Unterschrift nicht das Recht, die Romanfassung zum eigenen Film zu schreiben! Oder die Staffelung der Honorare: traditionell versuchen Verlage und Produktionsfirmen, zur Minimierung des eigenen Risikos den Großteil der Auszahlungen an Leistungen zu binden, die erst sehr spät (oder bei mangelndem Senderinteresse gar nicht) erbracht werden. Bis dahin muss der Autor von Pellkartoffeln und Quark leben. Ebenfalls beliebt: Der Autor soll erst einmal in Vorleistung gehen, ein tolles Konzept erarbeiten, DANN könne man über einen Vertrag reden. Nur: Mit dem Konzept kann der Produzent schon alle Sender abklappern, und wenn niemand zugreift, ist es Essig mit dem versprochenen Vertrag. Außer Spesen nix gewesen? Ach was: Inklusive Spesen nix gewesen!

 

Wer sich aber zutraut, seine eigenen Interessen konsequent zu vertreten, hat die Möglichkeit dazu. Große Teile der Verträge sind sowieso Industriestandard (was nicht von der Verantwortung enthebt, sie immer wieder genau zu lesen!). Produzenten treffen sich auch mit gänzlich “freien” Autoren zum Pitch. Ich mahne allerdings zur Vorsicht bei Produzenten, die sich explizit freuen, wenn ein Autor keinen Agenten hat…

 

Nun gibt es aber einen weiteren Punkt, der einen sich selbst vertretenden Autor bremsen kann: Hässliche Verhandlungen. Seien wir doch ehrlich: Es ist schwierig, mit einem Produzenten neutral über ein Projekt zu sprechen, nachdem man ihm wegen eines unverschämten Vertrages vor fünf Minuten ins Gesicht gelacht hat. Oder umgekehrt: Man hat gerade exorbitante Forderungen gestellt, und der Produzent soll nun freundlich und kooperativ seine Meinung zum Stoff sagen. Schwierig. Es bauen sich im geschäftlichen Bereich Aggressionen auf, die den kreativen Bereich massiv stören können.

 

Hier ist ein Agent der Puffer zwischen Autor und Produktion. Er zieht den Ärger auf sich, verhandelt hart, verlangt Änderungen - aber der Autor kann immer prima zum Produzenten sagen: “Sorry, wenn ich könnte, würde ich das für dich auch umsonst machen, aber dann springt mir mein Agent an den Hals”. Die Ausrede ist stimmiger, als man meinen mag: Als Autor DARF man nämlich keine Absprachen ohne den Agenten treffen. Das wirkt im ersten Augenblick wie eine Fußfessel, ist aber im Tagesgeschäft eher eine beruhigende Grundlage (man schaufelt einfach ALLES zum Agenten).

 

Nach meiner eigenen Erfahrung ist den meisten Autoren mit einem Agenten gut gedient, und ich selber ärgere mich mitunter, dass ich nicht früher darauf gekommen bin (allerdings ist meine Agentin auch erst relativ spät in das Business eingestiegen - nämlich dieses Jahr). Daumenregel ist: Ein guter Agent ist wie ein guter Steuerberater - er bringt deutlich mehr ein, als er kostet.

 

(Randbemerkung: Als erfolgreicher Autor sollte man sich auch einen guten Steuerberater anschaffen.)

 

Die Auswahl eines Agenten ist schwierig, und meist gegenseitig mit Vorsicht anzugehen. Der Agent will keine “toten” Autoren, die er nicht an den Mann bringen kann, weil sie schlecht, faul, oder zu unerfahren sind. Der Autor wiederum will einen Agenten, bei dem er sich gut aufgehoben fühlt, der sich für ihn einsetzt, und der sichtbare Erfolge bringt. Letztlich sind die Wünsche von Autoren und Agenten nämlich im Konflikt: Im Idealfall für den Agenten ist der Autor so brillant, dass sich seine Arbeit von selbst verkauft - das würde den Agenten eigentlich überflüssig machen. Im Idealfall für den Autor kann der Agent jeden Scheiß verkaufen - dann bräuchte man sich nicht mehr anstrengen. Und im Spannungsfeld zwischen diesen Interessen muss man sich bewegen.

 

Ein guter Agent ist immer auch Berater, Sorgenonkel, Tratschtante, und Antreiber. Lee Goldberg hat mir den schönen Satz beigebracht: “Ein guter Agent gibt dir immer das Gefühl, dass du sein einziger und wichtigster Klient bist - auch wenn er Hunderte hat”. Und das stimmt. Ein guter Agent hat immer Zeit, schiebt nicht “wichtigere” Aufgaben vor, und steht IMMER auf deiner Seite.

 

Marc Hillefeld und ich haben uns vor Jahren bei einer großen Agentur vorgestellt - und nach dem Treffen einstimmig beschlossen: “Diese Idioten können uns mal an den Füßen lecken”. Man muss mit dem Agenten emotional wie beruflich auf einer Wellenlänge funken. Aus diesem Grund ist es sehr hilfreich, bei Interesse (von welcher Seite dieses auch immer ausgehen mag - meine Agentin hat mich damals einfach angerufen, nachdem ich ihr empfohlen wurde) zwei oder drei Treffen zu absolvieren, bei denen man über Gott und die Welt spricht, vor allem aber: über gemeinsame Ziele und Wünsche. Das ist nicht anders als bei einer Ehe.

 

Es gibt Agenturen in allen Formen und Farben: Klein und kuschelig mit dem Ambiente eines Strickzimmers, oder knallig und poppig, mit einem Haufen Anglizismen und einer mega-schicken Webseite samt Flash-Intro. Wo man sich wohler fühlt, ist Geschmackssache. Natürlich ist es sexy, in einer Liste mit den Top-Leuten der Branche auf einer der großen Agentur-Webseiten verzeichnet zu werden, aber man sollte realistisch sein: Bei 100 Klienten wird man besonders als Einsteiger immer “hinten an” stehen. Stars bringen der Agentur erheblich mehr Geld ein, und werden (ob man das merkt oder nicht) bevorzugt behandelt. Kleinere, aggressivere Agenturen dagegen haben nicht soviel Gewicht, hängen sich aber deutlich mehr rein.

 

Wieder ein Beispiel: Marc und ich haben lange darüber nachgedacht, bei einer Top-Agentur wie vorstellig zu werden (ich wollte an dieser Stelle erst Namen nennen, aber den Ärger kann ich nicht brauchen). Wir wurden vielfach gewarnt: Dort “verwaltet” man Autoren, bearbeitet Ver- und Aufträge, die der Kreative selber ranschleppen muss. Und genau DAS konnten wir ja sowieso selbst. Was wir brauchten, war eine Agentur, die uns neue Kontake aufmacht, uns Termine bei Produzenten besorgt, uns ins Gespräch bringt, wenn neue Serienteams zusammen gestellt werden. Sehr oft haben wir gehört: “Das gibt es so gar nicht, die meisten Agenten sind eher Verwalter”. Mit unserer jetzigen Agentin haben wir bestimmt zwei Monate lang “getanzt”, bevor wir uns an sie gebunden haben. Sie hat uns als Vorleistung Termine besorgt und Kontakte gemacht, die sich als wirklich gewinnbringend heraus stellten. Und sie hat dafür gesorgt, dass Sätze wie “Schreib erstmal, mit dem Vertrag das sehen wir dann schon” nicht mehr fallen. Allein die Sicherheit, alle unangenehmen Diskussionen oder Konditionen auf sie abschieben zu können, ist bares Geld wert.

 

Und bares Geld kostet eine Agentin natürlich auch. In Prozenten. Das kann von 5 bis 25 gehen, normal ist die Spanne aber zwischen 10 und 20. Die obere Grenze sollte dann aber schon für Super-Agenten reserviert sein. Und es ist nicht schlecht, sich als Autor erstmal ein halbes Jahr “Probezeit” auszuhandeln, um zu sehen, ob der Agent sich wirklich nach Kräften reinhängt. Wer will schon an jemanden gebunden sein, der nie vergißt, seinen Anteil abzubuchen, aber ansonsten in der Nase popelt?

 

Nicht jeder bekommt einen Agenten - oder kann ihn halten. Wer sich als Autor nicht bewährt, wird für seinen Agenten eine Belastung, und früher oder später eine Karteileiche. Da hat niemand etwas von. Gerade wenn man neu in der Branche ist, sollte man seinem Agenten soviele Hilfen an die Hand geben, wie man nur kann: Leseproben, Spec Scripts, Konzeptideen. Womit soll einen der Agent sonst bei Sendern und Verlagen anpreisen? Da ist man als Autor durchaus in der Pflicht. Erfahrene Autoren hingegen können auf ihre früheren Erfolge verweisen.

 

Ein Agent kann ein wichtiger Schritt zur Professionalisierung der Schreiberei sein, aber letztlich sind es Talent und Handwerk, die den Autor am Markt durchsetzen: Wer nichts kann, dem hilft auch der beste Agent nicht.

 

Wer jetzt denkt “Super, Agent brauch ich!”, der sollte zur Eigenleistung fähig sein, ein paar Agenturen zu googeln (es ist auch hilfreich, wenn die eigene Agentur sich nicht in München befindet, wenn man in Kiel lebt), und dort vorstellig zu werden. Es ist wie ein beidseitiges Bewerbungsgespräch. Oder ein Date. Und dann kann man sehen, wohin es führt.

 

So sind zumindest meine eigenen Erfahrungen - ich bin mit meiner Agentin sehr zufrieden, und sie hat sich auf jeder Ebene schnell bezahlt gemacht. Andere Autoren mögen andere Erfahrungen haben, die sie gerne in den Kommentaren mitteilen können.

 

© Torsten Dewi 2007

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Danke für den Eintrag! Sehr hilfreich, finde ich.

Warum ist dieser nette Kollege noch nicht hier? ;)

Liebe Grüße, Susanne

 

"Books! The best weapons in the world!" (The Doctor)

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Hui, das hat auf einen Schlag gefühlte 669447303 Fragen bei mir beantwortet.

Dankeschön!

 

Gruß,

Heike

www.heike-schulz.com "Hexengesicht", Schwarzkopf & Schwarzkopf "Anpfiff dritte Halbzeit", Schwarzkopf & Schwarzkopf

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Ich selbst habe keinen Agenten, will mir auch so schnell keinen zulegen, aber ich bin gerne über alle Möglichkeiten informiert. Der Blogeintrag ist - obwohl er verständlicherweise keine Namen kennt - sehr offen und vernünftig geschrieben und man kann daraus so einiges ableiten.

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Der Beitrag deckt sich mit Gherons und meinen Erfahrungen. Wir wären nie so weit gekommen, wienn wir nicht unsere rührige Agentin hätten. Sie spart uns sehr viel Nerven und Kraft, und so können wir uns voll aufs Schreiben konzentrieren.

Gruß Sysai

 

p.s. einen Steuerberater besitzen wir auch. Für den sind Autoren eine ungewohnte Spezies.

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