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Ruth

scheinen und fühlen

Empfohlene Beiträge

@Ruth,

 

ich sage ja nicht, dass man Schwammwörter verbannen sollte, sondern vermeiden. Dann muss man sich eben ganz anders ausdrücken. Zumindest nicht so, dass einem im eigenen Text ständig das schien selber schon störend auffällt.

"Der Mann, der den Saal betrat, war mindestens 3 Meter groß" oder "musste mindestens 3 Meter groß sein".

Da merkt doch der dümmste Leser, dass das eine gewollte Übertreibung ist.

 

Natürlich ist nichts zu sagen gegen: "Er schien es ernst zu meinen."

Denn das ist ja eine berechtigte Vermutung. Es kommt also schon darauf an, ob deine Aussage durch das Weglassen des Scheins völlig verändert würde oder nicht. Aber wenn du nur etwas sagen willst, was der Figur SO VOR KAM, dann kann man das auch direkt ausdrücken.

 

"Tausende von Nadeln prasselten auf sie ein" ist direkter und mitfühlbarer als "Ihr schien, als prasselten Tausende von Nadeln auf sie ein".

 

LG

Joy

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Hallo,

 

ich verstehe die Problematik sehr gut, weil ich auch überwiegend aus Sicht der Prota schreibe. Ich bemühe mich daher darum, das Offensichtliche auch offensichtlich zu schreiben. Also so, wie es ist. Und das scheinen, denken, meinen, fühlen nur dann zu verwenden, wenn die Prota sich nicht sicher ist und etwas (oder jemanden) zu deuten versucht. Hoffe, dass es mir einigermaßen gelingt. Aber ich glaube, im Vergleich zum ersten Rohmanuskript ist es schon deutlich besser geworden. Ich stehe aber dazu, dass ich mich auch gern in diesen lyrisch anmutenden Umschreibungen verliere und dann jemanden brauche, der mich mit der Nase drauf stößt. Zum Glück ist meine Verlegerin da ja mit sehr wachen Augen unterwegs. ;)

 

Liebe Grüße

Tanja

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Hallo,

 

so ganz verstehe ich nicht, was eigentlich dein Problem ist. Du schreibst hier:

 

... in meinem Roman schreibe ich aus personaler Perspektive meiner Prota. Will heißen, um nicht aus der Perspektive zu flutschen, kann nur immer durch die Augen Annes das Geschehen, die vermuteten Gefühle der anderen etc. beschrieben werden...

 

Personale Perspektive! Und nun, auf meine Anregung hin, etwas direkter, aus der Sicht der Prota zu schreiben, schreibst du:

 

Ich mag sie genau aus diesem Grund nicht' date=' dass die auktoriale Perspektive verwässert wird. Erlebte Rede ist so etwas wie Ich-Form nur mit dritter Person Singular. Klingt trivial, als wäre jede personale Perspektive so, ist es aber nicht. [/quote']

 

Welche Perspektive hast du denn nun gewählt? Die personale oder die auktoriale?

Ich glaube, ich steh auf dem Schlauch ::)

 

Liebe Grüße (Effekthascherei?? :)

Yvonne

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Da würde ich jetzt schon sehr vieles unterschreiben von dem, was bisher gepostet wurde. Und eines noch offenhalten:

 

Wenn Ruths Heldin eine ist, der deshalb so vieles so und so SCHEINT, weil sie ein vorsichtiger Mensch ist, einer, der sich lieber selber 100 mal misstraut, ehe er eine Behauptung in die Welt setzt, dann ist das SCHEINT ganz richtig in seiner bedeutungsvollen Aussage, dann gilt übrigens auch nicht die - für sich richtige - Ausage von Andreas:

 

Wenn du "scheint" verwendest, dann gibt der Erzähler automatisch den zusätzlichen Hinweis ab, dass es eben nur so scheint, dass dem also nicht wirklich so ist. Es kann im Grunde nur eine auktoriale Beschreibung sein.

 

sondern es wäre eine Besonderheit der Person aus deren Perspektive erzählt wird und es stellte sich dann nur die Frage nach Umschreibungen, damit das blöde Wort SCHEINT nicht dauernd wiederholt wird.

 

Ich wollte es gerade schreiben, dann hab ich gesehen, dass Yvonne schon vorgemacht hat: Durch Fragen. Und mit Modalpartikeln würde ich dabei nicht sparen.

 

"Er schien Interesse an ihr zu haben." - Hatte er überhaupt Interesse an ihr?

"Es schien zu regnen." - Regnete es etwa?

 

Angelika

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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"Er schien Interesse an ihr zu haben." - Hatte er überhaupt Interesse an ihr?

"Es schien zu regnen." - Regnete es etwa?

 

Wenn ich es richtig verstanden habe, findet Ruth genau das schrecklich. "Indirekte Rede" findet sie trivial. (Verbessere mich Ruth, falls dem nicht so ist!) Ich dagegen liebe indirekte Rede. Denn gerade mit ihrer Hilfe kann man prima alle scheints, fühlte's und spürte's anders ausdrücken. Wenn indirekte Rede übrigens nicht in grauenvoller Umgangssprache geschrieben wird, klingt sie überhaupt nicht trivial - aber das ist Ansichtssache. ;)

 

LG

Joy

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Liebe Yvonne,

 

erst Mal: Die "Effekthascherei" war ein Scherz. Du hast so einen netten Kontext um den Beispielsatz gebaut, dass einem deine Version viel lebendiger vorkam als mein einsamer Kämpfer. Deswegen... War überhaupt nicht böse gemeint.

 

Zu deiner Frage

 

Welche Perspektive hast du denn nun gewählt? Die personale oder die auktoriale?

 

Es ist die personale. Und ich dachte eigentlich, dass sich meine Aussagen da nicht widersprechen, vielleicht hab ich mich aber einfach atwas krumm ausgedrückt. :s03

 

Das Reizvolle an der personalen Perspektive finde ich, dass sie die Innensichten einer Figur wiedergeben kann, aber dennoch ein Erzähler dazwischen geschaltet ist. Bei erlebter Rede habe ich den Eindruck, der Erzähler werde "ausgeknipst". Erlebte Rede ist SO direkt, dass sie mir vorkommt wie Ich-Perspektive - nur eben mit dem "falschen" oder sogar ganz ohne Pronomen, dann wird es besonders deutlich.

 

Vielleicht war doch alles nicht so schlimm.

Besaß dieser Mensch überhaupt keinen Anstand?

Was, um Himmeld Willen, hatte das alles mit ihr zu tun?

 

Und so weiter. Wie gesagt, ich mag es einfach nicht. Es stört (meinen) Erzählfluss, weil es die personale Perspektive so auf die Spitze treibt, dass sie ohne Erzähler auskommt und damit eigentlich keine personale Erzälsicht mehr ist. Das meinte ich mit "verwässern".

 

Ich hoffe, ich konnte das jetzt deutlicher machen.

 

Lieben Gruß

 

Ruth

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Liebe Ruth,

 

wenn du die Alternativen alle ablehnst ;) dann wird es in der Tat schwer dir was zu raten, das die Häufung von "fühlte spürte schien" verhindert. ;)

 

Was das "den Erzähler ausknipsen" angeht muss ich aber sagen, dass genau das den Text viel besser mitfühlbar macht. Denn der Erzähler platzt oft total unvermutet in einen Text, ist allwissend und hebt damit den Leser aus der Story heraus, erinnert ihn daran, dass ihm ja "nur" was erzählt wird und verhindert damit das Miterleben. Aber es ist auch ein Stil, an dem sich viele Leser überhaupt nicht stören. Deshalb kann man es natürlich machen. Es kommt wohl auf den Geschmack des Autors an.

 

Ratlose Grüße

Joy

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Liebe Ruth,

 

dann versuche ich doch gleich noch eine Effekthascherei, denn so schnell gebe ich nicht auf! :s22

Ich mag es, wenn ich als Leser die Möglichkeit habe, aus einer Handlung heraus zu empfinden, was die Figuren fühlen und denken. Oft braucht es gar keiner Aussprache, um zu merken, dass die Prota glücklich ist, zufrieden, weil sie etwas schafft, was sie vielleicht vorher nicht konnte.

Hier mal eine plakative (stümperhafte) Version:

 

Sie reichte Yoshi den Holzdübel, sah hinüber zu Jason, der zufrieden über den frisch gehobelten Balken strich, und lächelte. Die Hütte hatte bereits Form angenommen, das Gebälk für den Dachstuhl stand. Annes Blick verweilte auf dem Giebel, direkt über ihr. Sie spürte jedem Moment der Arbeit nach, die sie hier gemeinsam geleistet hatten. Dann strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr, nahm Meißel und Hammer zur Hand, um die neue Fuge auszustemmen.

 

Ich will damit zeigen, dass der "träumende" Blick Annes, das mit den Augen über das Geschaffene schweifen, schon genug über ihr Gefühl aussagen kann - wenn man es richtig schöön schreibt ::)

Wenn deine Leser aber noch gar nichts von Annes Leben wissen, können sie so natürlich nicht ahnen, was in ihr vorgeht. Da könnte ein "direkter" Dialog noch unterstützend helfen.

Aber, wie du schon sagst, die Szene steht ja nicht allein da und es ist schwer, darauf einzugehen, wenn man den Zusammenhang nicht kennt.

 

Viel Erfolg!

LG

Yvonne

(So, die Annas sind jetzt Annes geworden :-*)

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Liebe Leute!

 

Indirekte Rede, erlebte Rede, auktorial, personal, Erzählsicht, Perspektive ...

 

Mir scheint, hier wird teilweise ein wenig großzügig, um nicht zu sagen unbewußt-inflationär mit all diesen Begriffen umgegangen. Seid mir nicht böse, wenn ich Euch vorschlage, daß Ihr Euch erst einmal auf Eure Kategorien einigt, bevor Ihr weiterdiskutiert.

 

Sonst herrscht nämlich für mindestens drei Dutzend weitere Beiträge in diesem Thread heilloses Durcheinander. :s21

 

Schöne Grüße,

-Manuel

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OT: Ruths Heldin heißt Anne, ich zucke immer zusammen, wenn sie hier Anna genannt wird ...

 

Das Problem scheint mir inzwischen gar nicht mehr das "scheinen" zu sein, diese Wortwahl ist nur ein Symptom einer ganz anderen Schwierigkeit. Und die liegt möglicherweise in einer zu einengenden Planung der Erzählweise, Ruth.

Klar, man entscheidet sich zu Beginn eines Projekts, in welcher Perpektive und in welchem Ton man erzählen will, aber ich finde, ein Autor sollte auch immer felxibel sein.

Man DARF Perspektiven wechseln, es ist sogar hohe Kunst, das zu tun.

Erlebte Rede, innere Monologe und auktoriale Partien können das Erzählen wunderbar abwechslungsreich gestalten und den Leser - der sich mit all den Dingen ja nicht auskennt - mal tiefer in das Geschehen ziehen, mal Abstand gewinnen lassen.

Sich strigent an eine Form zu halten, setzt Grenzen, die dann etwa dazu führen, dass man schwammig und relativierend werden muss, weil der Protagonist ja nicht wirklich wissen kann, was der andere denkt oder fühlt.

Aber es ist natürlich Deine Entscheidung, wie Du erzählen möchtest.

Nur, wie Joy schon schrieb, dann ist es schwer, Dir zu raten.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hier oben mit Jason und Yoshi diese Hütte zusammenzuzimmern, schien ihr das Sinnvollste, das sie je in ihrem Leben gemacht hatte.

 

Hier oben mit Jason und Yoshi diese Hütte zusammenzuzimmern, war in diesem Moment das Sinnvollste, das sie je in ihrem Leben gemacht hatte.

 

Es schien ihr eine Art Wunder' date=' dass sie all das überstanden hatte. Nur, um hier anzukommen.[/i']

 

Es erschien ihr wie ein Wunder...

 

Hut ab  - diese Perspektive würde mir die letzten zwei Nerven rauben. Dir wünsche ich dicke Nervenstränge.

Deana  :s13

"Deana Zinßmeister ist in der obersten Riege deutscher Historienroman-Autorinnen angekommen (Alex Dengler, führender Buchkritiker)&&Homepage: www.deanazinssmeister.de

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Das Reizvolle an der personalen Perspektive finde ich, dass sie die Innensichten einer Figur wiedergeben kann, aber dennoch ein Erzähler dazwischen geschaltet ist. Bei erlebter Rede habe ich den Eindruck, der Erzähler werde "ausgeknipst". Erlebte Rede ist SO direkt, dass sie mir vorkommt wie Ich-Perspektive - nur eben mit dem "falschen" oder sogar ganz ohne Pronomen, dann wird es besonders deutlich.

Ich behaupte ja, dass das Kennzeichen der echten und durchgehaltenen personalen Perspektive eben das ist, dass der Leser nahezu vergisst, dass es einen Erzähler gibt. Der nimmt sich nämlich weitestgehend zurück.

 

Auch ich teile ansonsten ein bisschen Manuels Gefühl.

 

Gruß

Philipp

 

P.S.: Ich halte es auch für schwierig, so zu tun, als werde der Erzähler in der Ich-Perspektive nicht vom Leser wahrgenommen. Schließlich spricht der Kerl die meiste Zeit von sich selbst. ;)

 

Twitter: @autorlekt

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Hallo Ruth,

 

Das Reizvolle an der personalen Perspektive finde ich, dass sie die Innensichten einer Figur wiedergeben kann, aber dennoch ein Erzähler dazwischen geschaltet ist. Bei erlebter Rede habe ich den Eindruck, der Erzähler werde "ausgeknipst".

 

"Personal" kann man mit und ohne erlebte Rede, inneren Monologen etc. schreiben. "Personal" bezieht sich erst mal nur darauf, aus welchem Blickwinkel berichtet wird. Ob man also nur Dinge erfährt, die eine Person erlebt und erfährt, oder ob der Autor von oben auf die Welt blickt. (So wie bei Hundert Jahre Einsamkeit z.B.)

 

Eine andere Frage ist, wie dicht man an diese Person heranrückt. Ob man ihr Innenleben unmittelbar oder durch einen Erzähler vermittelt erfährt. Bei erlebter Rede ist der Erzähler fast ganz weg (ausgeknipst trifft es genau ;)) bei inneren Monologen vollständig, bei indirekter Rede ist er noch ziemlich präsent.

 

Wenn du den Erzähler immer dabei haben willst, ist dein Problem vermutlich in der Entscheidung mit inbegriffen. Da wüsste ich auch nur noch die Lösung, nach Synonymen zu suchen (Sie empfand es als ... Es gab ihr das Gefühl, dass ... Für sie war ???). Ich finde das eigentlich sehr spannend - aber auch gewagt, einen ganzen Roman in so einheitlichem Tonfall schreiben zu wollen.

 

Noch etwas, das mit dem "scheinen" direkt nichts mehr zu tun hat: Auch wenn du den Erzähler nie "ausknipst", kannst du ja immer noch entscheiden, wie stark der Tonfall des Erzählers durch den Tonfall der Person eingefärbt werden soll. Ob er zum Beispiel nur solche Redewendungen benutzt, die sie auch benutzen würde, oder eine ganz eigene Sprache hat. Dann die Frage, wie er zu der Person steht: ob er sie dem Leser erklären, sie beschützen, sie verteidigen oder im Gegenteil entlarven oder sezieren will. Vielleicht führt dich die Spur ja noch auf Ideen, wie du das "scheinen" vermeiden kannst.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Ich behaupte ja, dass das Kennzeichen der echten und durchgehaltenen personalen Perspektive eben das ist, dass der Leser nahezu vergisst, dass es einen Erzähler gibt. Der nimmt sich nämlich weitestgehend zurück.

Jo, so habe ich das auch gelernt. Und es ist gar nicht so einfach, diesen Erzähler wirklich auszuschalten, bei mir zum Beispiel schleicht er sich immer wieder ein. Aber ich bemühe mich nach Kräften, ihn zu eliminieren.

 

Und so weiter. Wie gesagt, ich mag es einfach nicht. Es stört (meinen) Erzählfluss, weil es die personale Perspektive so auf die Spitze treibt, dass sie ohne Erzähler auskommt und damit eigentlich keine personale Erzälsicht mehr ist. Das meinte ich mit "verwässern".

 

Und was für eine Perspektive ist es dann, wenns deiner Ansicht nach die personale nicht ist? Ich kenne nur folgende:

auktorial (der Erzähler steht über den Personen/versetzt sich in die Personen), personal (der Erzähler verschwindet in den Personen) und Ich-Perspektive (der Erzähler ist eine Person in der Erzählung).

 

Gruß Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Und was für eine Perspektive ist es dann, wenns deiner Ansicht nach die personale nicht ist? Ich kenne nur folgende:

auktorial (der Erzähler steht über den Personen/versetzt sich in die Personen), personal (der Erzähler verschwindet in den Personen) und Ich-Perspektive (der Erzähler ist eine Person in der Erzählung).

 

Gruß Susann

Knapp, aber treffend zusammengefasst! :)

 

"Personal" bezieht sich erst mal nur darauf, aus welchem Blickwinkel berichtet wird. Ob man also nur Dinge erfährt, die eine Person erlebt und erfährt, oder ob der Autor von oben auf die Welt blickt. (So wie bei Hundert Jahre Einsamkeit z.B.)

Bei der personalen Perspektive nimmt der Erzähler die Sichtweise einer Figur ein. Das nämlich bedeutet personal und Perspektive. Er versetzt sich in die Figur.

 

Eine auktoriale Perspektive ist da viel freier. Auktorial bedeutet eigentlich "aus der Sicht des Autors", den wir heute natürlich durch den Erzähler austauschen.

Was der Erzähler aus seiner Sicht schildert, ob das Empfinden und Handeln einer oder mehrerer (sogar aller) Figuren, bleibt ihm überlassen.

 

Den Unterschied, ob personal oder auktorial, macht also noch nicht unbedingt aus, ob wir eine Geschichte erzählt bekommen, die Hugo erlebt. Auch nicht, ob sich der Erzähler darauf beschränkt, nur das zu erzählen, was und wie es Hugo erlebt.

Der Unterschied liegt darin, ob wir das Erlebte aus Hugos Sicht oder aus der Sicht des Erzählers erzählt bekommen.

 

Und natürlich hätte der auktoriale Erzähler zusätzlich die Möglichkeit, auch solche Dinge zu erzählen, die die Hugo nicht direkt erlebt.

 

Gruß

Philipp

 

Twitter: @autorlekt

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Ich kenne nur folgende:

auktorial (der Erzähler steht über den Personen/versetzt sich in die Personen), personal (der Erzähler verschwindet in den Personen) und Ich-Perspektive (der Erzähler ist eine Person in der Erzählung).

 

Gruß Susann

 

Da wäre noch der Erzähler in der zweiten Person (Briefromane wie Werther), der heute kaum außerhalb der Lyrik auftritt. Aber die großen Vier lassen sich dann noch beliebig aufteilen in die Unterformen, in denen sie auftreten (beim Ich-Erzähler z.B. retrospektiv gegen direkt erlebend etc., beim Auktorialen kommentierend gegen berichtend usw.)

 

Bloß ist das eher literaturwissenschaftlich interessant IMHO, weil es Kategorien schafft, mit denen man über die speziellen Techniken eines Autors diskutieren kann. Und da die Felder, auf denen man wissenschaftlich arbeitet, gewöhnlich eher auf einen winzigen Ausschnitt begrenzt sind, neigen die hier entwickelten Begriffssysteme auch dazu, besonders genau zu definieren.

 

Dazu kommt, dass der Kontext IMHO eine große Rolle dabei spielt, ob etwas auktorial oder personal interpretiert wird. Ist ein PE erst einmal etabliert, werden auch Sätze, die für sich genommen als klar auktorial kategorisiert würden, dem Erleben der Figur zugeschrieben und eben nicht dem eingreifenden Autor. Die Kunst ist, den Leser in die Verfassung zu bringen, diese scheinbaren Ausrutscher einfach nicht wahrzunehmen.

 

Und hier besteht für mich auch die eine große Gefahr von Autoren als Testlesern. Wir können unsere Kategorien nicht vollständig aus der eigenen Leseerfahrung heraushalten -- zumindest finde ich das für mich furchtbar anstrengend -- und entdecken deshalb Perspektivsprünge, die "normalen" Lesern entgehen, weil sie diese allgemeinen Wahrheiten oder Bewertungen einfach der Figur zuschreiben. Reine Leser bemerken dagegen sehr schnell Dinge wie falsche Blickrichtungen (Präfixproblem her-/hin-xxx) oder andere Einwortperspektivsprünge, meist ohne sie benennen zu können, weil sie durch die (auch räumliche) Desorientierung aus dem Kopf des PE herauskapultiert werden.

 

Sicher liefern die Ergebnisse der literaturwissenschaftlichen Diskussionen dann wieder eine Zusammenstellung von verschiedenen Sätzen Handwerkszeug, mit denen man eine bestimmte Ausprägung eines Erzählers erreichen kann, aber für mich droht eine Konzentration darauf gleichzeitig auch die Möglichkeiten zu beschneiden, die wir uns beim Schreiben offenlassen, vor allem, weil die Erzählhaltung eines Erzählers eben auch noch eine entscheidende Rolle spielt.

 

Ich habe mal eine grobe Aufstellung der wichtigsten Unterformen der Großen Vier für einen Perspektiv-Workshop zusammengestellt. Wen's wirklich interessiert, dem schicke ich sie gern per PN.

 

Liebe Grüße

JJ

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Und was für eine Perspektive ist es dann, wenns deiner Ansicht nach die personale nicht ist? Ich kenne nur folgende:

auktorial (der Erzähler steht über den Personen/versetzt sich in die Personen), personal (der Erzähler verschwindet in den Personen) und Ich-Perspektive (der Erzähler ist eine Person in der Erzählung).

Hmmm ... Offenbar habt ihr eure Definitionen aus anderen Büchern als ich.

 

Aber wie immer die Literaturwissenschaft Ruths Perspektive irgendwann einmal einordnen wird: Es geht ihr doch offensichtlich darum, nicht zu tief in die Person einzutauchen, den Erzähler nicht auszuschalten. Das ist doch ein legitimes Anliegen.

 

Anders gesagt: Es gibt nicht nur "personal" und "auktorial" (jetzt nach eurer Definition), sondern sehr vieles dazwischen.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Barbara, da du mich zitierst:

Ich habe diese Definitionen nicht aus Büchern, ich habe Lehrer. Und es sind auch nicht meine Definitionen. Jeder, der sich intensiv mit dem Handwerk beschäftigt wird irgendwann mal auf diese Einteilung stoßen.  ;)

 

Bei einer Diskussion wie dieser finde ich es wichtig, zuerst einmal die Begriffe zu klären, bevor man sie verwendet, sonst redet man aneinander vorbei.

 

Wenn du also sagst, es gibt noch mehr Perspektiven, kannst du sie auch vielleicht etwas näher zusammenfassen/erklären/erläutern?

 

Gruß Susann

 

P.S.: Wenn Ruth nicht tief in die Figur eintauchen will und den Erzähler nicht ausschalten will, sollte sie es meiner Meinung nach mit der auktorialen Perspektive versuchen.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Ich will hier auch nicht das Schreiben beschneiden, ich denke nicht mal unbedingt, dass es für das Schreiben selbst wichtig ist, genaue Kategorisierungen benennen zu können oder die Begrifflichkeiten überhaupt zu kennen.

 

Hier wird aber darüber gesprochen und mit diesen Begriffen hantiert. Es geht also nur darum, dass man sich versteht.

 

Ob Ruth die Bedingungen, die sie an ihre Erzählperspektive stellt, als personal, auktorial, eingeschränkt personal oder eingeschränkt auktorial bezeichnet, ob sie sie für sich vielleicht überhaupt nicht näher benennt, ist doch ihre Sache.

 

Wenn sie aber im Rahmen einer personalen Perspektive nach neuen Möglichkeiten, zu erzählen, sucht und wir hier darüber diskutieren, kann es ganz offensichtlich zu Missverständnissen führen, wenn jeder unter personal etwas anderes versteht.

 

 

Übrigens zum Erzähler in der 2. Person: Was ist der mehr, als ein Ich-Erzähler, der es vermeidet sich selbst zu benennen? Irgendjemand muss ja dahinterstecken, der den Leser oder irgendein anderes Du anspricht.

 

Gruß

Philipp

 

Twitter: @autorlekt

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Übrigens zum Erzähler in der 2. Person: Was ist der mehr, als ein Ich-Erzähler, der es vermeidet sich selbst zu benennen? Irgendjemand muss ja dahinterstecken, der den Leser oder irgendein anderes Du anspricht.

 

Gruß

Philipp

 

 

Für Autoren ist es eine Unterform des Ich-Erzählers, der allerdings in der extremen Ausprägung tatsächlich niemals mit dem Personalpronom Ich auftritt, sondern an das Du berichtet, was dritte tun und empfinden, dabei kann das Du der Leser sein oder eine weitere Figur. Deshalb taucht er in der Schreibtheorie auch so selten auf, er ist IMHO für die Untersuchung von Texten viel wichtiger als für das Schreiben. Natürlich auch deshalb, weil eine extreme Variante dieses Erzählers ein Kunst-Griff ist, der in unserer Lesetradition keine wirklichen Vorfahren hat, wohl aber in der oralen Erzähltradition, besonders wenn es um Wissensvermittlung geht.

 

Hier ein Beispiel, wie der Ich-Erzähler ganz hinter dem Du verschwinden kann, ein bisschen grob und gerade aus dem Ärmel geschüttel, aber vielleicht zeigt es, wie schön der II auf kurze Strecken innerhalb eines Textes funktionieren kann und wie mühsam er auf 400 Seiten als einzige Form werden könnte.

 

 

 

    So. Ein außergewöhnliches Schwert willst du, eines, das dich dein Leben lang begleitet und beschützt?

    Das wird nicht ohne Arbeit abgehen, aber so schwer ist es auch nicht. Geh, tritt den Blaseblag und nimm den Rohling aus der Esse, wenn er weiß glüht. Dann nimmst du den Hammer und treibst die Klinge mit kurzen kleinen Schlägen aus. Das Metall muss singen and der Amboss auch. Wenn du die richtige Melodie triffst, werden sie auftauchen. Erst siehst du die Hutspitzen, dann riechst du sie und schon nimmt dir der Meister der kleinen Schmiede den Hammer aus der Hand.

 

Ruths distanzierter PE, um halbwegs zum Thema zurückzukommen, ist für mich als Leserin eine sehr reizvolle Perspektive, weil sie andere, möglicherweise mehr Möglichkeiten hat als ein sehr eng an der Figur geführter PE. Mir macht diese Diskussion also Lust auf den Text.

 

Für mich habe ich irgendwann jenseits der Definitionen, die ich oben erwähnt habe, das Wissen des Erzählers als wesentliche Unterschied zwischen PE und AE definiert. Im PE ist es beschränkt und lässt Fehlinterpretationen zu, im AE ist allumfassend und verlässlich, weshalb ein AE immer einen Grund oder eine entsprechende Ablenkung finden muss, um Informationen nicht zu geben, über die er eigentlich verfügt.

 

Klar gibt es auch unverlässliche AE, aber die sind, soweit ich das überblicke, immer satirisch angelegt.

 

Das schöne daran ist, dass sich Ich-Erzähler  so unter beiden Formen fassen lassen, je nachdem, ob sie retrospektiv (also was die Geschichte betrifft allwissend) oder erlebend erzählen oder irgendetwas dazwischen.

 

Aber -- wie oben gesagt -- Einteilungen sind immer künstlich, eben weil sich die Stilmittel, die die verschiedenen Ausprägungen bestimmen, natürlich gar nicht so sehr unterscheiden.

 

Außerdem glaube ich nicht, dass es Rein-Formen wirklich gibt, immer wieder, ganz intuitiv, wird die Perspektive gebrochen, einfach weil der Text es verlangt, nur darf das eben nicht dazu führen, dass die Leser aus der Geschichte fliegen.  ;)

 

Liebe Grüße

JJ

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Liebe Leute!

 

Indirekte Rede, erlebte Rede, auktorial, personal, Erzählsicht, Perspektive ...

 

Mir scheint, hier wird teilweise ein wenig großzügig, um nicht zu sagen unbewußt-inflationär mit all diesen Begriffen umgegangen. Seid mir nicht böse, wenn ich Euch vorschlage, daß Ihr Euch erst einmal auf Eure Kategorien einigt, bevor Ihr weiterdiskutiert.

 

Sonst herrscht nämlich für mindestens drei Dutzend weitere Beiträge in diesem Thread heilloses Durcheinander. :s21

 

Schöne Grüße,

-Manuel

 

Lieber Manuel,

 

solche Hinweise halte ich für wenig hilfreich, solange sie nicht konkret aufzeigen, wo's hakt. Ich hatte den Eindruck, dass es bis zu deinem Posting alles noch gestimmt hat. ;)

 

Und, wenn ich ganz ehrlich sein darf, möcht ich in einem Autorenforum über personale Perspektive sprechen können, ohne erst Mal zu klären, was das ist. Dafür gibt es meiner Meinung nach andere Quellen.

 

Ich finde die Diskussion sehr anregend und möchte den immer wiederkehrenden Hinweis, mir sei nicht gut zu raten, ein bisschen hintan stellen. Über meinen konkreten Fall hinaus ist das Problem doch sehr ergiebig und es macht einfach Spaß und klärt vieles, sich damit auseinanderzusetzen.

 

Oder?

 

Gruß,

 

Ruth

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Sorry, ich mal kurz als Moderator, bevor hier etwas zum Streit wird, das gar keiner sein muss (meiner Ansicht nach):

 

Wenn ich's richtig verstanden habe, ging es sowohl Manuel als auch Yvonne um einen Satz, in dem Du personal und auktorial verwechselt hast (ich halt's fuer einen Tippfehler, wie sie gerade, wenn man ueber beides nachdenkt, eben schnell passieren) - das, was da steht, ist nun in der Tat verwirrend.

 

Laesst sich aber rasch beheben.

 

Eine Verwechslung von indirekter und erlebter Rede habe ich dagegen hier nicht gefunden (vielleicht ueberlesen?). Es waere nett, Manuel, wenn Du das Beispiel uns ganz kurz aufzeigen koenntest, dann klaeren wir's.

 

Danke!

Alles Liebe von Charlie

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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In der Tat.

 

Vertippt, übersehen, zu Recht geschimpft, zu unrecht dagegen gemeckert.

 

Entschuldige mich und danke Charlie!

 

http://smilies.montsegur.de/56.gif

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Ich will und werde nicht streiten und vor allem das Thema nicht noch weiter ins OT ziehen.

 

Ich denke, jedenfalls, dass du, Ruth, dir tatsächlich gewisse Grenzen setzt, indem du gewisse Stilmöglichkeiten der personalen Perspektive ausklammerst, die ja, wie immer man sie bis ins kleinste Detail definieren möchte, an sich schon ein wenig beengter in ihren Möglichkeiten ist als die auktoriale.

 

Ob das für den Text ein Nachteil ist oder gar ein Vorteil, mag ich aus der Entfernung nicht beurteilen. Auch ob dem Text letztlich eine direktere oder eine indirektere Erzählweise besser anstehen würde, wäre für mich nicht mit einem Pauschalurteil zu klären.

 

Entfernte Grüße

Philipp

 

Twitter: @autorlekt

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Hallo Susann,

 

Barbara, da du mich zitierst:

Ich habe diese Definitionen nicht aus Büchern, ich habe Lehrer. Und es sind auch nicht meine Definitionen. Jeder, der sich intensiv mit dem Handwerk beschäftigt wird irgendwann mal auf diese Einteilung stoßen. ;)

Ich wollte dich nicht kritisieren oder angreifen. Es tut mir leid, wenn das so angekommen ist.

 

Meine Bemerkung war ganz wörtlich gemeint. Ich habe meine Begriffe zum Schreibhandwerk aus literaturwissenschaftlichen Büchern. Andere haben sie vielleicht aus Schreibratgebern. Oder von Lehrern, wie Du, aber diese Lehrer folgen natürlich auch einer bestimmten Tradition. Es gibt da nun mal unterschiedliche Schulen.

 

Eigentlich wollte ich mit meinem Posting aber sagen, dass ich darüber gar nicht streiten mag. :)

 

Zu deiner anderen Frage:

 

Ich persönlich finde die Unterteilung in "auktorial" und "personal" nicht mehr besonders hilfreich. (Ich persönlich, für meine Arbeit.) Mir gehen da zu viel Facetten verloren, und es vermischen sich Aspekte, die meiner Meinung nach besser getrennt bleiben. (Zum Beispiel eben die Fragen, aus welchem Blickwinkel erzählt wird, wieviel über das Innenleben berichtet wird, ob der Erzähler sich vordrängt oder zurückhält usw.). Mir bringt es mehr, wenn ich mir diese Fragen zu Erzählhaltung und Erzählstimme einzeln stelle. So wie ich es auch bei Ruths Beispielen versucht habe.

 

Ich hoffe, ich konnte mich diesmal einigermaßen verständlich machen.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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