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Dagmar

Wiederholungen. Das Maß der Dinge.

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Mich plagt ein Problem, das ich gerne in die Runde stellen möchte:

Ihr habt das Thema schon gelesen... es geht um Wiederholungen. :s22

 

Dazu ein Beispiel. In einem der zahlreichen Kriminalromane der Anne Perry - den Titel weiß ich leider nicht mehr - baute die Autorin Gedächtnisstützen für den Leser ein. Grundsätzlich ein feiner Zug und ich mag ihre Bücher um Thomas und Charlotte Pitt.

Dabei ging es um zwei Pferde, ein auffälliges Gespann.

Überzogen ( Entschuldigung!) dargestellt liefen die Dialoge zwischen Ermittler und dem Befragten wie folgt ab:

"Haben Sie am Samstag ein ungewöhnliches Gespann auf der Straße gesehen? Ein kleines weißes Pferd, neben einem großen Braunen gehend?"

"Ein kleines weißes Pferd, neben einem Braunen gehend? Hm? Lassen Sie mich nachdenken. Ja, tatsächlich, ich habe ein kleines weißes Pferd gesehen. Es ging, nein -es lief- tatsächlich neben einem großen Braunen. Ich dachte noch bei mir, verflixt, was für ein ungewöhnliches Gespann, das da auf der Straße zu sehen ist. Und das am Samstag! Das wird Ihnen meine Frau bestätigen können, denn als ich hineinging, sagte ich zuerst zu mir und dann zu ihr: stell dir vor, meine Liebe, es ist Samstag und was ich eben sah: Ein kleines, weißes Pferd..."

Das war nur eine Befragung, derer gab es im Rahmen der Ermittlungen einige mehr und ich muß zugeben, daß ich das Buch entnervt zur Seite legte. Ich fühlte mich als Leserin dumm behandelt. War sogar ein bisschen beleidigt.

Aber ich kann auch nicht ohne Krücken. Ich brauche Erinnerungshilfen, gerade dann, wenn ich ein Buch nicht in einem Rutsch durchlese. Wie ich ein Buch behandle, kann ein Autor ja nicht wissen. Muß er/sie bedenken, daß sein/ihr Werk auf dem Nachtschrank Staub fangen könnte?

Natürlich. Könnte. Könnte wirklich. Auch bei mir.

Dann bin ich dankbar, wenn von des Autors Seite z.B. Namen, Berufe, politische Verbindungen, Attributen oder Zeitpunkten DISKRET zugeordnet werden. Bin über den Hinweis dankbar, daß einer der relevaten Personen eine lange Nase hat. Wer die kreischende Stimme, die ihn von anderen unterscheidet. Wie die Front verlief. Wie noch ist Josefas Schäferhund mit dem Dackel des Waldmeisters verwandt? Über drei Ecken, sechs, acht, neun?

 

Als Leserin urteile ich leicht über das Maß. Als Autorin ist es schwerer.

 

nachdenkliche Grüße von Dagmar

Das Beste beim Diktieren ist, dass man Worte verwenden kann, von denen man keine Ahnung hat, wie sie geschrieben werden.

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Schönen guten Morgen, Dagmar

 

Wenn ich mich richtig erinnere hat Sol Stein die Theorie aufgestellt, dass man auf das alte, aber voll funktionstüchtige Gewehr aus Urgroßvaters Zeit beim Militär, das seit Jahrzehnten auf dem Dachboden liegt, drei Mal hinweisen sollte, bevor der Prota in der letzten Szene verzweifelt etwas sucht, mit dem er die meuchelnde Meute zurückdrängen kann, die sein Haus stürmt. So oft soll der Leser angeblich diese Info brauchen, um sie abzuspeichern.

 

Ich wage zu bezweifeln, dass eine solche Verallgemeinerung das Maß der Dinge sein kann. Manchmal wird das zu oft, manchmal aber auch zu wenig sein. Ich würde mich da auf die Probeleser verlassen.

 

Ein Film-Beispiel, bei dem ich einen Hinweis über die Maßen aufs Auge gedrückt empfunden habe, ist "Signs". (Außerirdische greifen die Erde an.) Das kleine Mädchen des Protas hat die seltsame Angewohnheit überall in der Wohnung halbvolle Wassergläser stehen zu lassen. Sie wird bestimmt zwei Mal dabei gezeigt, mit Großaufnahme und dramatischer Musik auf den Gläsern; ein anderes Mal erzählt ein Nachbar dem Prota, das er uns seine Familie sich zu den Seen aufmachen, weil die Aliens die wohl meiden. Kann sich aber keiner erklären, warum. Spätestens ab der Hälfte des Films ist klar, dass WASSER die Geheimwaffe gegen die Invasoren ist und die Gläser der Tochter einmal das Leben der Familie retten.

 

Liebe Grüße,

Heiko

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Falcon Peak - Wächter der Lüfte. Ein spannendes Fantasy-Abenteuer für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren und jung gebliebene Erwachsene. ArsEdition, 01.03.2021

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Hallo Dagmar,

 

ich finde das nicht sehr elegant, mit solchen Wiederholungen den Leser diese Information einzubläuen. Doch wie schafft man es, wichtige Details so zu vermitteln, dass sie beim Leser auch haften bleiben, ohne vielfach darauf hinzuweisen?

Ich hatte jetzt erst diesen Fall mit einer Testleserin. In meiner Geschichte zerstört eine Hexe ihren Zauberstab, weil sie damit jemand ins Unglück gestürzt hat. Sie möchte sich zukünftig davor bewahren, mit dem Zauberstab Schaden anzurichten, und zerstört ihn. Später soll sie für ihre Tochter Wasser in Tinte verwandeln, aber das geht ja nicht, weil der Zauberstab zerstört worden ist ...

Trotzdem fragte die Testleserin, warum die Hexe am Schluß ihren Zauberstab nicht genutzt hat, um zu helfen.

Mir ist dadurch aufgefallen, dass diese Information - obwohl zweimal gezeigt - nicht so prägnant war, als dass es sich wirklich in jedem Gedächtnis verankert.

Was also tun?

Ich werde die Hexe (die eine Nebenfigur ist) zeigen, wie sie über ihre Tat wehklagt, wie ihre Tochter sie zu beruhigen versucht, und wie sie dann mit dem Zauberstab fuchtelt, ihn beschimpft und dann zu dem Tisch geht und den Zauberstab an der Kante bricht.

Jedenfalls so etwas in die Richtung. Der Leser lebt dann diese Information mit und verankert es dadurch im Gedächtnis.

 

Ein anderes Beispiel: Es gibt einen Zaubertrank bei meinem Fantasieroman, der einen träumen läßt. Nebenwirkung: Teile des Traums könnten real werden. Und das ist schlecht, wenn man einen Albtraum hat und plötzlich ne Bestie vor einem steht.

Bislang ist das eine ausgesprochene Warnung, dass man eben Zaubergetränke nicht trinken soll. Aber das verinnerlicht der Leser nicht so. Daher werde ich eine Szene daraus basteln und es dem Leser miterleben lassen und zwar so, dass ers nicht mehr vergisst.

 

Und bei deinem Beispiel mit den Pferden würde ich die Pferde zeigen, und wie ein Junge das weiße Pferd mit etwas braunen beschmiert, damit es sich an das braune angleicht, oder, oder, oder.

 

Mein Fazit: Den Leser miterleben lassen, statt zu informieren. Dann klappt es auch mit dem Vermeiden von Wiederholungen. ;)

Grüße

Quidam

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Hallo Dagmar,

 

ich kann gut verstehen, dass du das Buch entnervt weg gelegt hast. Kleine Gedächtnisstützen gut und schön. Aber diese geballte Ladung von Wiederholungen in einem Text, den man in wenigen Minuten lesen kann ist absolut unnötig. Falls sie als Gedächtnisstütze gemeint sind (was ich allerdings bezweifle) dann hält die Autorin ihre Leser in der Tat für dumm.

 

Die Sache mit dem Gewehr halte ich im Prizip für richtig. Aber dreimal? Vielleicht, wenn man wirklich nur jeweils in einen Halbsatz darauf hinweist. Sobald man es wie Dan Brown in Illuminati macht, wird es meiner Meinung nach schon wieder zuviel - ich tüftle lieber gerne selbst. In Illuminati wird an drei Stellen sehr ausführlich beschrieben, dass der Camerlengo des Papstes früher bei der Armee war (sehr ungewöhnlich!) und Hubschrauber fliegen kann. Also mir war schon bei der ersten Erwähnung klar, dass diese ungewöhnliche Fähigkeit noch eine Rolle spielen wird.

 

Vielleicht muss man diese Gedächntisstützen / Hinweise wie Gewürze betrachten. Für ein wirklich gutes Menü muss man sie wohl dosiert einsetzen.

 

LG

Inge

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Hallo Dagmar,

 

meiner Meinung nach kann es bei solchen Wiederholungen keine feste Regel geben, weil nicht jeder Leser gleich ist. Es gibt welche, die merken sich aber auch jedes Detail und sind von Wiederholungen schon genervt, bevor bei anderen etwas hängen geblieben ist. Außerdem bleiben die Dinge bei verschiedenen Leuten unterschiedlich gut im Gedächtnis haften (wer ein Faible für Pferde hat, wird sich das seltsame Gespann sofort vorstellen und sich daran erinnern; wen Pferde nicht die Bohne interessieren, der wird erst mal drüber hinweglesen).

Deshalb wird es wohl immer Abwägungssache des Autors bleiben, wie viele Wiederholungen er einbaut. Testleser können zumindest eine grobe Richtung vorgeben  :)

 

Liebe Grüße

 

Daniela

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Hallo Dagmar,

 

das erinnert mich an den einzigen Derrick, den ich jemals (für etwa eine Minute) gesehen habe. Die kommen also zu dem Haus eines Verdächtigen und der Dialog läuft etwa so.

"Guten Tag, Frau Kutschera, ist ihr Mann Egon Kutschera da?"

"Mein Mann Egon Kutschera? Nein, der ist nicht da."

"Aber das Auto von Herrn Kutschera steht doch vor der Tür."

 

Blubblub ... Der Name Kutschera wurde etwa 10 Mal in einer Minute genannt. Noch heute bekommen mein Mann und ich Lachanfälle, wenn wir den Namen hören.  ;D

 

Der Dialog ist natürlich jetzt gestellt, aber er lief tatsächlich so ähnlich ab. ;-)

 

 

Viele Grüße,

 

Michelle

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Die Frage, liebe Dagmar, ist sicher nicht, wie viele Wiederholungen der Leser verkraftet, sondern wie er dem Konsumenten möglichst nachhaltig eine wichtige Information rüberbringt. (Erinnerungshilfe)

Wiederhohlungen sind da nur eine Methode (Vorbild Werbung), besser, glaube ich ist es, die wichtigen Merkmale oder Fakten in einer einprägsamen Szene darzustellen, vor allem sie mit Gefühlen zu verbinden - nicht mit denen der Protagonisten, sondern mit denen des Lesers.

Wenn der Leser aufschluchzen muss, weil die Hexe ihren Zauberstab zerbricht, dann wird er sich an anderer Stelle sehr wohl daran erinnern, dass dieses kostbare Hilfsmittel nun perdu ist.

 

Aber auch das ist eine kniffelige Sache - das Spiel mit den Gefühlen.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Liebe Dagmar,

 

es gibt ja verschiedene Arten von Wiederholungen. Einmal das, was im Film "Säen und Ernten" genannt wird: Ein Gegenstand wird gezeigt, der in diesem Zusammenhang noch keine besondere Rolle spielt. Das Glas Wasser bei Signs (vielleicht hätte ein oder zweimal Zeigen gereicht), oder aber die Pistole in "Das Appartment", die dem Zuschauer (und Miss Kubelik) für einen viel späteren Zeitpunkt vorgaukelt, dass Baxter sich erschossen hat, obwohl es nur ein Sektkorken war, der hinter der Wohnungstür geknallt hat. Man hätte vielleicht auch ohne die zuvor gesehene Waffe an einen Schuss gedacht, aber das vorherige Zeigen macht es plausibler.

 

Eine andere Form der Wiederholung ist besonders bei Krimis wichtig. Hin und wieder müssen einfach alle Fakten noch einmal zusammengefasst werden, damit der Leser nciht dauernd zurückblättern muss. Außerdem kann der Leser durch diese Zusammenfassungen auch prima auf eine völlig falsche Fährte geführt werden, indem die Ermittler die Aussagen anders wichten als es wirklich nötig wäre oder indem sie einfach völlig falsche Schlussfolgerungen ziehen.

 

Vermutlich muss man ein Gespür dafür entwickeln, wie oft man als Autor auf etwas hinweisen sollte, das der Leser nicht vergessen soll. Die Idee, den Hinweis deutlicher zu machen (wie bei dem Zauberstab), halte ich für sehr gut. So nervt man den Leser nicht :-)

 

Ich komme praktisch nicht dazu, Bücher in einem Rutsch zu lesen. De Facto lese ich häppchenweise. Und da bin ich schon froh, wenn ich hin und wieder im Text erinnert werde, um was es eigentlich insgesamt ging ;-)

 

Lieben Gruß

Petra

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Hallo!

 

Das nervt mich manchmal auch total. Es gibt Bücher, bei denen ich den Eindruck hatte, jemand wurde aufgefordert, die doppelte Seitenzahl zu liefern und wußte sich nicht besser zu helfen.

 

Ich habe erst ein Buch von Anne Perry gelesen, bei dem fiel es mir nicht negativ auf.

 

Manchmal ist es praktisch, wenn es tatsächlich das Gedächtnis auffrischt. Dann ist es mir unter Umständen lieber, ich lese etwas doppelt, als wenn ich nochmal die Seite suchen muß, auf der entsprechende Fakten standen. Daß z.B. ein Ermittler sich irgendwann noch mal ein paar Fakten durch den Kopf gehen läßt, und sie dabei im Text wiederholt werden, ist nachvollziehbar. Als Stilmittel ist es auch mal okay. Da muß man ein gutes Maß treffen.

 

In Dialogen finde ich es wichtig, daß es natürlich klingt. Wenn man sich ein normales Gespräch vorstellt, da kommt es ja auch mal zu Wiederholungen.

 

"Ich habe den Tom getroffen, der hat 'ne neue Freundin."

"Wie, der Tom hat 'ne neue Freundin? Schon wieder?"

 

Kommt jetzt allerdings:

"Wenn ich es dir doch sage! Der Tom hat ne neue Freundin. Schon wieder!"

""Sowas. Hat einfach schon wieder 'ne neue Freundin, der Tom. Ist ja'n Ding."

Dann kommt man sich langsam veräppelt vor. Es gibt Telenovelas, da werden ganze Folgen mit solchen Dialogen gefüllt. Aber das sollte man sich aber nicht zum Vorbild nehmen, sondern es allenfalls amüsant finden, denke ich. ;)

 

Gabi

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Wenn ich mich richtig erinnere hat Sol Stein die Theorie aufgestellt, dass man auf das alte, aber voll funktionstüchtige Gewehr aus Urgroßvaters Zeit beim Militär, das seit Jahrzehnten auf dem Dachboden liegt, drei Mal hinweisen sollte, bevor der Prota in der letzten Szene verzweifelt etwas sucht, mit dem er die meuchelnde Meute zurückdrängen kann, die sein Haus stürmt. So oft soll der Leser angeblich diese Info brauchen, um sie abzuspeichern.

 

Mal abgesehen davon, dass es wie gesagt davon abhängt, wie man diese drei Male gestaltet, kommts auch drauf an, was man bezwecken will. Soll man mit dem Prota mitfiebern, der auf dem Dachboden rumturnt, aber noch nicht weiß, dass da die Rettung lauert (du Depp, mach doch endlich die Truhe auf, da liegt es!)? Oder soll man überrascht werden, wenn er es findet (ach jaaa, das Gewehr!)?

 

Aber es kann keine Regel geben, jeder tickt anders. Ich z.B. bin irrsinnig begriffsstutzig. Habe aber inzwischen gelernt, den Lesern mehr als mir selber zuzutrauen.

 

Sabine

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Das war interessant. Quidams Beispiel war einprägsam. Den "Zauberstab" werde ich mir in Zukunft neben die Tastatur legen. Leider neige ich dazu, meine Protagonisten reden zu lassen, anstatt sie in die Situationen zu schubsen. ( Aber ich arbeite daran!)

Eine scheußliche Art der nervigen Wiederholungen ist leider auch das Productplacing.

Das Einbleuen gewisser Marken, denen sich der Protagonist bedient. Mh, ob es dafür von den genannten Firmen wohl einen Zuschuß gibt... :s21

 

Fazit ist für mich, daß ich Situationen von vornherein ausleuchte und kleine Erinnerungspunkte sind erlaubt bis erwünscht, sofern es nicht nervig wird. Also am besten so, wie man es gerne selbst lesen möchte.

 

Euch allen noch einen schönen Abend

 

Dagmar

Das Beste beim Diktieren ist, dass man Worte verwenden kann, von denen man keine Ahnung hat, wie sie geschrieben werden.

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