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Andrea S.

Wieviel Staffage darf oder muss sein?

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Ihr Lieben,

die Ausstaffierung der Szenen mit Möbeln, Gebüsch, Maschinen, Tieren, Gebäuden, Fahrzeugen und Wetter und so weiter ist notwendig, um dem Leser ein Bild oder eine Atmosphäre zu vermitteln.

Die Personen benötigen gleichfalls eine Ausstattung – Frisuren, Kleider, orthopädische Hilfsmittel, Waffen, Schmuck, Haustiere und falsche Gebisse, je nach dem, welche Rolle sie haben.

 

Aber ähnlich wie bei dem Infodropping fällt mir zunehmend auf, dass diese Staffage mich sowohl als Leser wie auch als Autor langweilt, weil sie oft überflüssig ist. Besonders wenn sie detailverliebt dargestellt wird.

Ich habe vor kurzem aus einem meiner Frühwerke dieses hier wortlos auf den Sperrmüll gekippt:

 

Ihre Wohnung war eine Einliegerwohnung im unteren Teil eines freistehenden Hauses, das an einem Hang gebaut war. Sie hatte zwei geräumige Zimmer, eine Küche, ein großes Badezimmer und eine nach Südwesten liegende Terrasse, die durch eine mannshohe Buchsbaumhecke vom restlichen Garten abgetrennt war. Bei ihrem

Einzug hatte sie eine gründliche Renovierung vornehmen müssen, da die vorherigen Mieter eine Vorliebe für buntgeblümte Tapeten und einen unangenehm braunen Teppichboden hatten.

Jetzt waren die Wände weiß gestrichen und ein grauer Teppichboden war durchgängig in allen Zimmern verlegt. Als Gardinen hatte sie überall einfachen weißen Baumwollmull verwendet. Dadurch war das Wohnzimmer mit seinen beiden großen Glasschiebetüren ein sehr heller und luftiger Raum geworden, den sie zunächst nur sehr spärlich mit einem Haufen selbstbezogener Polster und Kissen möblieren konnte. Aber nach und nach waren ein runder Glas-Esstisch und ein paar zierliche, schwarzlackierte Stühle mit hohen Lehnen, ein schwarzes Holzregal für ihre Bücher und ein Schränkchen für die Stereoanlage dazugekommen.

(Schrecklich, nicht?)

 

Es hat mich angeregt, darüber nachzudenken, wann und wie man Ausstattung einsetzen kann.

 

Auf Anhieb fällt mir ein, dass sie grundsätzlich nie in derart geballter Form auftreten sollte wie oben.

Zweites sollte sie möglichst immer einen Bezug zur Handlung haben, wenn nicht, ist sie eh überflüssig.

Wenn man sie braucht, scheint es mir besser zu sein, ein Protagonist bemerkt oder kommentiert sie, damit sie ihre Wirkung beim Leser entfaltet.

 

Hinweise auf die Ausstattung können aber wichtig sein, wenn sich darin ein Samenkorn für eine zukünftige Handlung verbirgt – etwa ein Kristallleuchter, in dem jemand später ein Diamantcollier findet oder ein Kleidungsstück, das den Mörder am Ende überführt.

Beschreibungen der Umgebung, Umweltbedingungen oder Kostümen können auch retardierende Eigenschaften haben, wenn ein Moment der Besinnung eingeleitet werden soll, sofern sie nicht ausufern.

 

Mögt Ihr mit mir zusammen weiter über Sinn und Zweck von Staffagen nachdenken?

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hi Anna,

ich mag die Staffage als Leser nicht und noch viel weniger als Autor.

Ich persönlich betrachte es eher als eine Einschränkung meiner Phantasie. Es nervt mich doch, wenn ich in Karl May Büchern Shatterhands Bart lesen muss, dennoch als Bild immer den glattrasierten Lex Barker vorstelle.

Leider ist das aber wohl eine Mindermeinung. Da höre ich oft, dass Lesern vor allem die Beschreibungen von Orten, Gebäuden, Kleidern etc. gefallen haben. :s14

Also zwinge ich mich (Stichwort marktgängiges Schreiben) dazu, Staffage einzubauen, obwohl - um einmal Filme als Vergleich heranzuziehen - Dogwood viel interessanter finde als einen Kostümfilm.

Rabe

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Hallo Anna,

 

so geballt mag ich das auch nicht. Wenn die Details später wichtig werden, kann man sie ja nach und nach erwähnen.

 

Und kurz und knapp mit einem Vergleich geht es meistens besser.

 

"Er hatte ein Fischgesicht." - sagt doch mehr, als dieses Gesicht zu beschreiben

"Die Einrichtung ihrer Wohnung hatte sie wohl bei Quelle bestellt." - da brauchst du schon fast nix mehr weiter zu beschreiben.

 

LG

Inge

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Ein bischen Staffage muss schon sein, denke ich. Allerdings nicht als pure Aufzählung, sondern wenn sie dazu dient, die Personen in Handlung oder ihre Vorlieben zu zeigen. Ich finde es schon schön zu wissen, ob der Prota in einem High Tech Loft wohnt, oder in einer Wohnung, die mit Antiquitäten vollgestopft ist, die er vielleicht über Jahre hinweg zusammen gesucht hat. Allerdings finde ich es geschickter zu zeigen, wie z.B. eine Figur hingebungsvoll das Rosenholz poliert und mit einer Zahnbürste Intarsien reinigt als nur erzählt zu bekommen, welche Möbel in ihrer Wohnung stehen.

 

Liebe Grüsse

Bettina

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

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(Schrecklich, nicht?)

Das kommt drauf an. Wir haben darüber ja hier schon öfter diskutiert, wie es mit Gesichtern, Landschaften und Wetter gehalten wird.

Mich stört es, wenn ich praktisch blind durch die Gegend tappe. Ich fühle mich dann vom Autor alleingelassen, ausgesetzt. Einsame Insel, und ich muss erst mal alles zusammenbasteln, was ich zum Leben brauche.

 

Schrecklich, in deinem Sinn, wird es wahrscheinlich dann, wenn es eine Aufzählung ohne Funktion bleibt. Deinem entsorgten Text bin ich so lange willig gefolgt, bis ich gemerkt habe: der führt zu nix. Da entsteht kein einheitliches Bild, ich soll weder begreifen, dass die Protagonistin besonders ordnungs- oder besonders prunkliebend ist, sondern es ist halt nur eine Aufzählung.

Was sie außerdem ermüdend macht, ist vielleicht auch, dass nur eine Sinnesqualität angesprochen wird. Man guckt nur, aber man riecht nix und hört nix.

 

Liebe Grüße

Uschi

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Hallo Anna!

Staffagen finde ich wichtig, besonders bei historischen Büchern.

Viele Leser leben und leiden mit den Protagonisten. Also muss man auch beschreiben,z.B. wie er wohnt, was er ißt etc.

Nur so, wie Du es gemacht hast, ist es langweilig, da es eine reine Aufzählung ist.

Lasse ich aber den Helden z.B. erzählen, wie seine Wohnung aussieht, wie ihm das Essen schmeckt, dann sehe/erlebe ich es als Leser ebenfalls. Wenn ich allerdings starke Beschreibungen verwende z.B. seine kleinen Schweinsaugen, dann muss ich nix mehr erklären - jeder weiß, wie die aussehen.

Auf Staffagen kann man nicht verzichten - sie müssen nur gut beschrieben werden.

LG :s13

Deana

"Deana Zinßmeister ist in der obersten Riege deutscher Historienroman-Autorinnen angekommen (Alex Dengler, führender Buchkritiker)&&Homepage: www.deanazinssmeister.de

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@ Rabe: Beschreibungen, da hast Du recht, können nerven, vor allem wenn man sich nun mal von der alten Schmetterhand sein eigenes Bild gemacht hat. Aber bist Du wirklich gegen alle Hinweise auf körperliche Eigenschaften des Helden oder die zweckdienliche Ausstattung in einer Folterkammer?

 

@Inge: ja, mit Vergleichen kann man Beschreibungen verkürzen. Ein gutes Mittel, um Aussehen und Ausstattung rüberzubringen

 

@Bettina: das Rosenholz mit der Zahnbürste zu schrubben, das ist wunderbar handlungsbezogen, weil es neben der edlen Ausstattung auch noch eine Qualität des Protagonisten darstellt. Dieses Mittel wähle ich auch gerne.

 

@Uschi: richtig, man kann seine Umgebung natürlich mit allen Sinnen wahrnehmen, und dann wird es schon viel lebendiger. Und zur Gänze auf sie zu verzichten, heißt auch, den Leser blind, taub und geruchlos werden zu lassen.

 

@Deana: auch die Erfahrung habe ich gemacht. In Romanen, die in der Vergangenheit oder der Zukunft oder einer anderen Welt spielen, braucht man mehr Staffage als in den gegenwärtigen. Vor allem, weil die anderen Umstande das Handeln der Personen erst verständlich macht. Wer morgens erst einen Haferbrei über dem offenen Feuer kochen muss, hat andere Verhaltensformen als derjenige, der die Kaffeemaschine anwirft.

 

Mir ist gerade noch eine Funktion der Staffage eingefallen - und zwar die aus der bildenden Kunst. Da wird Staffage gerne als Symbol für etwas genommen, eine hintergründige Qualität oder Aussage eines Bildes.

Das kann man auch im Roman unterbringen.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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In Romanen' date=' die in der Vergangenheit oder der Zukunft oder einer anderen Welt spielen, braucht man mehr Staffage als in den gegenwärtigen. [/quote']

 

Und noch mehr braucht man, wenn der Prota zum ersten Mal diese fremde Welt sieht. Da ist es ganz natürlich, dass er sich umsieht und alles in sich aufnimmt. Mit diesem Problem hatte ich auch zu kämpfen, und ob ich es gut gelöst habe, weiß ich nicht. Aber dann kommt es noch aufs Genre an. Beim historischen Roman DARF es gerne mehr sein, bei Fantasy MUSS es anscheinend mehr sein.

 

Sabine

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Ach, ich mag das nicht, ich bin da auch nicht gut drin.

Das Ganze drumherum soll sich doch der Leser ausdenken. Wenn das Bärenfell vor dem Kamin wichtig wird, werd ich es schon erwähnen.

 

Leider sieht das mein Verlag anders.

 

Grmmpf.

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Er könnte Recht haben. ;)

 

Zitat Anna: Hinweise auf die Ausstattung können aber wichtig sein, wenn sich darin ein Samenkorn für eine zukünftige Handlung verbirgt.

 

Man sagt ja immer: Wenn ein Gewehr über dem Kamin hängt, wird es auch irgendwann abgefeuert. Umgekehrt heißt das, wenn man plötzlich ein Gewehr zur Hand hat, muss es vorher über dem Kamin gehängt haben.

 

Sabine

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Hallo, Anna, alle,

 

mir ging es bei dem von dir vorgestellten Text so, dass ich immer schneller gelesen

habe, um zu wissen, ob da noch was kommt, an dem mein Auge hängenbleiben könnte-und bin dann ausgetiegen. Eben, weil es, wie die anderen auch bemerken, eine reine Aufzählung ist, ohne das man etwas hört oder riecht oder Bilder sieht.

 

Mir ging es schon in der Jugendzeit mit Dostojewski so, dass ich über die Innenbeschreibungen und die Kleidung hinweggelesen habe, auch wenn ich es sonst sehr gern gelesen habe.

In historischen Romanen, die ich lese und schreibe, gefällt es mir, wenn etwas von der "alten" Atmosphäre rüberkommt. Aber nachdem mich die ganze Seite Zaumzeug bei Charlotte Link und auch ein folkloristisches Fest bei Ken Follet gelangweilt haben, achte ich darauf, es nie ausarten zu lassen. Die Hauptpersonen werden genauer beschrieben und auch etwas Innenraum und Landschaft, um eine Vorstellung von dieser vergangenen Welt zu bekommen(und zu vermitteln).

Kürzlich habe ich festgestellt, dass ich bei historischen Romanen besonders gern die alten Ausdrücke mag, die müssen meist gar nicht genauer erklärt werden wie

"Schamkapsel". Und Details wie Kohlebecken, Öllampen, Wassereimer.

Ich erwähnte schon öfter, dass mich ";Michelangelo" von John Irving sehr angesprochen hat. Da duftet es und stinkt und es sind viele Bilder da, es scheppert und rauscht und schafft und bewegt sich-

Dazu gehört auch das Essen. Mein Interesse an historischen Romanen fing damit an, dass ich in einem Sachbuch etwas über die Mehlsuppen las, die es früher bei den Bauern zum Frühstück gab.

 

Bei anderen Romanen kann es für meinen Geschmack ruhig weniger sein. Gerade habe ich den Herr der Ringe mal wieder beendet, da war einfach zu viel Gebirgsbeschreibung drin. Und wenn ich gar kein Ambiente finde, nur Handlung oder Innenschau, fühle ich mich wie Uschi um etwas betrogen. Also selbst im Krimi tut es mir gut, wenn ich mal was sehe, wenn der Kommissar aus dem Fester schaut.

 

Grüße

Christa

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Hallo Anna,

 

Staffage ist m.E. notwendig. Aber dass die schiere Masse an Details - wie in deinem Beispiel - das buntere Bild erzeugt, ist ein verbreitetes Missverständnis. Zwei, drei ausgewählte treffende, ungewöhnliche Einzelheiten erzeugen beim Leser ein wesentlich kraftvolleres und einprägsameres Bild. Aber diese Details zu finden ist mitunter Knochenarbeit.

 

Das gilt auch für den HR. Eine fremde Epoche und Gegend wird oft als Rechtfertigung für ausufernde Beschreibungen herangezogen, obwohl das in Wahrheit Faulheit oder Selbstverliebtheit des Autors ist. Oder er/sie war der Versuchungen erlegen, alle Rechercheergebnisse in den Text zu packen, aber das ist ein anderes Thema ...

 

Christoph

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@Sabine: Wie hast Du es denn gelöst? Ich neige inzwischen dazu, es in Miniportionen unterzubringen, kaum mehr als ein, zwei Sätze, bei denen die Umgebung oder das Aussehen tatsächlich eine Rolle spielen

 

@Ulli: und so machst Du es ja wohl auch mit dem Bärenfell? Mich hat auch schon mal eine Lektorin gebeten, mehr Staffage einzubauen, und gehorsam habe ich es auch getan. Aber als ich dann diese Stelle bei einer Lesung auswählte, erschien es mir wie ein Fremdkörper im Text.

 

@Christa: Die Mahlzeiten unserer Vorfahren haben mich auch schon immer fasziniert, und man kann wunderbar beiläufig mal in der Mehlsuppe rühren. Das stört niemanden und bringt Atmosphäre.

 

@Christoph: und meist werden da auch noch Klischees gequält. Das Dorf mit den strohgedeckten Hütten und dem Rauch über den Dächern, den Schweinen, die im Straßendreck wühlen ... urgs.

 

Meine gegenwärtige Staffage besteht im mittelalterlichen Bierbrauen, und das erläutert ein Alchemist auf launige Art, was zumindest mir Spaß gemacht hat zu schreiben.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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@Christoph: und meist werden da auch noch Klischees gequält. Das Dorf mit den strohgedeckten Hütten und dem Rauch über den Dächern' date=' den Schweinen, die im Straßendreck wühlen ... urgs.[/quote']

 

Stimmt. Wobei Klischees in Beschreibungen nicht so stören wie im Plot oder bei den Charakteren. Seltsam, oder?

 

Christoph

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Das gilt auch für den HR. Eine fremde Epoche und Gegend wird oft als Rechtfertigung für ausufernde Beschreibungen herangezogen' date=' obwohl das in Wahrheit Faulheit oder Selbstverliebtheit des Autors ist. Oder er/sie war der Versuchungen erlegen, alle Rechercheergebnisse in den Text zu packen, aber das ist ein anderes Thema ...[/quote']

"Rechercheprotzerei" nenne ich das bei mir selbst. Nur mit Gewalt habe ich mir die Beschreibung einer adygeischen Hochzeit mit sehr komischen Bräuchen aus den verkrampften Fingern winden lassen. Dabei hatten die kein besseres Argument, als dass es null mit der Handlung zu tun hatte. Stimmte zwar, aber trotzdem... ;)

 

Liebe Grüße

Uschi

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Ich habe das Gefühl, dass diese wie ein Exkurs eingestreuten Beschreibungen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen haben. Und ich lese sie immer quer.

 Aber ich musste auch schon feststellen, dass viele Leser sie anscheinend lieben. Zwar habe ich noch keinen gehört, der sie gelobt hat - aber mir sind oft Leser begegnet, die sich bei Büchern, die auf so was verzichten, darüber beschwert haben, dass sie sich da etwas "nicht so recht vorstellen konnten" - und die dann Bücher mit ausufernder Staffage ausdrücklich als lobendes Gegenbeispiel erwähnten.

 Das sagt dann auch genug.

 

Ja, bei historischen Romanen und Fantasy kommt das besonders oft vor, aber auch im Krimibereich gibt es anscheinend so gestrickte Zielgruppen ... die recht zahlreich sind und die man deshalb ernst nehmen sollte :-/ Ob ich mich als Autor daran gewöhnen kann, weiß ich noch nicht. Aber als Lektor "sehe ich das inzwischen auch anders".

 Übrigens auch ein Grund, warum ich es für wichtig halte, dass man auch "Nur-Leser" und nicht nur Autorenkollegen als Testleser hat. Weil das nämlich eine der Fragen ist, wo ich unter aktiv Schreibschaffenden eine Wahrnehmung finde, die signifikant von der Normalverteilung bei den Käufern abweicht ... was man erstaunlich häufig wahrnehmen kann.

Ob es daran liegt, dass Autoren eine größere Vorstellungskraft haben als andere, und sich daher leichter gestört als geführt fühlen, wenn man ihnen kleinschrittig vorgibt, was sie sich vorzustellen haben? :-?

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Meiner Meinung nach ist eine Beschreibung dann ausreichend, wenn sie dem Leser die Fantasie lässt, sich die Gegend oder Figuren so vorzustellen, wie er es möchte. Ich arbeite oft mit Beschreibungen, die Bilder beim Leser erzeugen sollen, die er selbst ausschmücken kann. Wenn ich z.B. einen alten Tempel beschreibe, dann belasse ich es dabei, dass ich von reich verzierten Wänden mit mythologischen Darstellungen schreibe, ohne diese explizit zu beschreiben, es sei denn, irgendein Bild davon ist für die spätere Handlung nötig. Ich habe es schon bei verschiedenen Testlesern erlebt, dass sie sich Figuren von mir ganz anders vorgestellt habe, als ich sie beschrieben habe, z.B. dunkelhaarig statt blond oder umgekehrt, obwohl ich irgendwo mal erwähnt hatte, wie die Person aussieht. Mich hat das nicht gestört, denn wie schon oben Karl May als Beispiel erwähnt wurde, die meisten stellen sich Lex Barker als Old Shatterhand vor, wenn sie zuerst die Filme gesehen haben und obwohl ich Karl May sehr schätze, habe ich seine langen, ausschweifenden Beschreibungen immer rasch überblättert, um endlich wieder zum Show-Dont tell zu kommen.

 

Fazit: Weniger ist oft mehr.

 

Gruß, Melanie

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Weil das nämlich eine der Fragen ist, wo ich unter aktiv Schreibschaffenden eine Wahrnehmung finde, die signifikant von der Normalverteilung bei den Käufern abweicht ... was man erstaunlich häufig wahrnehmen kann.

 Ob es daran liegt, dass Autoren eine größere Vorstellungskraft haben als andere, und sich daher leichter gestört als geführt fühlen, wenn man ihnen kleinschrittig vorgibt, was sie sich vorzustellen haben? :-?

 

Ich denke immer, was mich als Leserin langweilt, wie ausgiebige Raumbeschreibungen und viele Details, zum Beispiel von Handwerken, müsste andere Leser auch langweilen. Da ist es dann ein guter Dreh, wenn Anna es einen

Alchemisten beschreiben lässt. Ich selbst mache das nur andeutungsweise.

Und wenn ich wüsste, dass 99% der Leser ganzseitige Zaumzeugbeschreibungen lieben, könnte ich es trotzdem nicht beschreiben. Ich würde einschlafen oder irgendwann in die Tastatur beißen ... >:(

Christa

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Weil das nämlich eine der Fragen ist' date=' wo ich unter aktiv Schreibschaffenden eine Wahrnehmung finde, die signifikant von der Normalverteilung bei den Käufern abweicht ... was man erstaunlich häufig wahrnehmen kann.[/quote']

 

Das würde ich unterstreichen. Ich habe eine ähnliche Erfahrung gemacht.

 

Die Frage nach der Staffage ist schwierig zu beantworten. Bei Fantasy gibt es viele Leser, die einen nicht kleinen Teil ihres Vergnügens aus dem "Drumherum" ziehen, sprich aus Welt und Hintergrund der Geschichte. Mir selbst geht es nicht anders, aber als Autor will ich natürlich nicht die Staffage die eigentliche Geschichte verdecken lassen. Und als Informationsklotz mitten im Text mag ich es erst recht nicht. Beim Überarbeiten kürze ich dementsprechend manche Beschreibungen und füge woanders welche ein, damit sich die Staffage organisch über den Text verteilt. Wie viel man, und auch wie und vor allem was man beschreibt, hängt aber sicherlich auch vom eigenen Stil ab.

 

Lieben Grüße,

 

Christoph

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@Sabine: Wie hast Du es denn gelöst?

 

Hab es mit Dialogen und Handlung aufzulockern versucht. Erschwerend kam ja noch hinzu, dass sich die Prota für alte Kulturen interessiert, und nun wird sie in eine solche hineingeworfen. Für sie ist es eine ganz normale Reaktion, sich neugierig umzusehen.

 

Sabine

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Wenn ich z.B. einen alten Tempel beschreibe' date=' dann belasse ich es dabei, dass ich von reich verzierten Wänden mit mythologischen Darstellungen schreibe, ohne diese explizit zu beschreiben[/quote']

 

Das wäre mir als Leser ehrlich gesagt zu schwammig. Klar, wenn es sich z.B. um einen griechischen Tempel handelt, hat man ein Bild, aber das hätte man auch, wenn du den Satz ganz weglässt. Handelt es sich um etwas Exotischeres, wüsste ich gerne Genaueres. Handelt es sich um einen Fantasytempel, könnte es so wirken, als hättest du selbst keine genaue Vorstellung von deiner Welt.

 

Es ist eine fisselige Gratwanderung.

 

Sabine

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@Sabine

Ja, es ist eine Gratwanderung, wenn man in Andeutungen beschreibt, aber mir ist dabei eben auch wichtig, was die Protas empfinden, ihre Gefühle und Eindrücke, wenn sie z.B. den Tempel o.ä. besuchen, was es in ihnen auslöst. Manchmal beschreibe ich dann indirekt, indem der Prota denkt, an was ihn das Monument z.B. erinnert. Bislang habe ich damit bei meinen (Test-)Lesern (keine aktiven Autoren) gute Erfahrungen gemacht.

 

Gruß, Melanie

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Ich habe das Gefühl, dass diese wie ein Exkurs eingestreuten Beschreibungen in den letzten Jahren immer mehr zugenommen haben. Und ich lese sie immer quer.

 Aber ich musste auch schon feststellen, dass viele Leser sie anscheinend lieben. Zwar habe ich noch keinen gehört, der sie gelobt hat - aber mir sind oft Leser begegnet, die sich bei Büchern, die auf so was verzichten, darüber beschwert haben, dass sie sich da etwas "nicht so recht vorstellen konnten" - und die dann Bücher mit ausufernder Staffage ausdrücklich als lobendes Gegenbeispiel erwähnten.

 Das sagt dann auch genug.

Das mag damit zusammenhängen, dass Autor und Leser an zwei verschiedenen Enden sitzen. Der Autor wandelt ein Bild in Text um, der Leser muss den Text wieder in ein Bild umwandeln. Um aus Worten wieder Bilder zu machen, bedarf es eines Mindestmaßes an Informationen. Die Entscheidung wieviel richtig ist, kann nicht in Zahlen gefasst werden, sondern hängt davon ab, ob ein Detail wichtig ist, in der späteren Handlung eine Rolle spielt oder nicht. Muss der Leser sich ein Detail möglichst genauso wie der Autor vorstellen, weil sonst Handlung/Charaktere nicht verstanden werden, ohne kann die Lücke der Leser mit seiner Fantasie ausfüllen; die Frage muss sich der Autor beim Schreiben selbst beantworten.

 

Die nächste Frage, die man sich als Autor beantworten sollte, wenn man Beschreibungen verwendet, wie baut der Leser ein Bild auf und auf was will ich den Leser in dieser Beschreibung lenken? Findet man in seiner Beschreibung keinen Punkt, auf denen man den Leser lenken will, ist die Beschreibung überflüssig und kann restlos durch die Fantasie des Leser ersetzt werden. Für mich gibt es drei Strategien, um etwas zu beschreiben, von Außen nach Innen, vom Großen ins Detail und vom Unwichtigen zum Wichtigen. Wichtig ist, dass man eine einmal gewählte Strategie einhält. Es gibt für mich, als Leser nichts schlimmers, als ständig im Bild hin- und herspringen zu müssen, um einen Puzzlestein mal hier und mal da einzufügen.

 

Viele Grüße Dietmar

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Kehlmann schreibt mir sehr viel Staffage und auch wenn es schon in die Perspektive des Protas eingeflochten ist, so würde ich mir wünschen, dass er es mehr in die Handlung einflechtet.

 

Ich mag Staffage sehr gerne, wenn sie so nebenbei erwähnt wird.

 

Langweilig: Der Boden bestand aus Laminat.

Besser: Die Figur scheuerte sich die Knie auf dem Laminat wund.

 

Langweilig: Sie trug einen Minirock und fuhr die Rolltreppe hoch, deren Wände aus Glas waren.

Besser: Sie schob ihren Mini etwas runter, soweit es ging, Rolltreppen mit Glaswänden boten unvorteilhafte Einblicke für irgendwelche Spanner.

 

Mit nur wenig Staffage wirkt für mich ein Text farblos, langweilig. Ein paar charismatische Details, die zudem Figuren und Handlung unterstützen, dann ist das für mich sehr fesselnd zu lesen.

 

Grüße

Quidam

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Findet man in seiner Beschreibung keinen Punkt' date=' auf denen man den Leser lenken will, ist die Beschreibung überflüssig und kann restlos durch die Fantasie des Leser ersetzt werden.[/quote']

 

Das scheint mir ein hilfreicher Ansatz zu sein. Die Staffage muss den Leser auf etwas Wichtiges lenken.

Oder ablenken?

 

Deshalb möchte ich hier noch mal einlenken - bei meiner Frage ging es mir eigentlich nicht um die beschreibende Staffage, die ist häufig bäh, sondern um Staffage überhaupt und wie viel man davon braucht und wie man sie am geschicktesten verpackt, wenn man sie braucht. Und was man mit ihr bewirken kann - man kann nämlich, wie ich es hier beispielsweise versucht habe, um einen hitzigen Dialog zu unterbrechen:

 

„Erstens war das Stadtgespräch, denn Ihr habt Euch ja leider mit den Zünftigen angelegt. Und zweitens – wäre es nicht um das Vergolden gegangen, hätte man einen anderen Weg gefunden, im Kloster Nachforschungen anzustellen, vermute ich.“

Die Finger beider Hände bildeten ein spitzes Dach vor Abt Theos rundlichen Bauch. Sie ahnte, dass sie eine ganze Weile auf eine Antwort warten musste, dann aber sicher eine überraschende Auslegung hören würde. Also schickte sie in der kontamplativen Stimmung des Nachmittags ihre Gedanken ebenfalls auf eine Reise über gewundene Wege.

Auf dem Fenstersims landete eine Taube und gurrte leise, eine Biene summte geschäftig vorbei und stieß mit einem leisen Plopp an das Fenster. Im Hof unten unterhielten sich gedämpft einige Mönche, ein Pferd wieherte in den Ställen, und mit dumpfen Schlägen einer Axt wurde Feuerholz gespalten. Sonnenstrahlen fielen durch die runden Glasscheiben und malten Kringel auf den glatt polierten Holzboden. Es roch nach Bienenwachs und Weihrauch, nach altem Pergament und Dornentinte.

Schließlich sprach der Abt.

„Der Camerarius hatte ein strenges ...

 

Handlung verzögern und Atmosphäre erzeugen muss man ja gelegentlich.

 

Oder empfindet Ihr so einen Einschub Klosterstaffage auch schrecklich?

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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