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(AndreaG)

Political Correctness im Roman

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Ich denke in vielen Fällen wird das achtlos gebrachte Wörtchen "die" zum Stolperstein. Dieses Wörtchen verallgemeinert und da wird es sofort political incorrect, egal um wen es sich handelt, "die" Juden, "die" Polen, "die" Deutschen, "die" Schwarzen, "die" Langnasen, "die" Behinderten. Zur Toleranz gehört die Fähigkeit zu differenzieren, genau das entfällt eben bei Behauptungen/Vorurteilen über "die" XYZ. Da braucht man keine große Schere im Kopf, man muss nur ein wenig nachdenken und das verallgemeinernde Wörtchen "die" im richtigen Moment vermeiden.

Das neue Jugendbuch: "Der Reiter des Königs"&&Homepage Burkhard P. Bierschenck

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AngelikaL - Laura Albers

Hi Hef,

 

und ich dachte, nicht der Thread sei beendet, sondern die politischen Untertöne, die in einigen posts mitschwangen. Wenn ich das falsch verstanden habe, sorry!

 

Burkhard, da hast du Recht. Trotzdem: in einer Geschichte, die ich schreibe, kommt ein schwarzer Student vor. Sollte ich ihn lieber als "farbig" bezeichnen? Ich frage am besten mal alle Dunkelhäutigen, die ich kenne... Oder meine Verwandten in USA, wie die es machen.  :-?

 

Liebe Grüße,

Angelika

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Trotzdem: in einer Geschichte, die ich schreibe, kommt ein schwarzer Student vor. Sollte ich ihn lieber als "farbig" bezeichnen? Ich frage am besten mal alle Dunkelhäutigen, die ich kenne... Oder meine Verwandten in USA, wie die es machen.

Angelika, aus diesem Dilemma kommst du nicht raus. Auch "Farbiger" ist verpönt, nenne wir etwas die Weißen weíß oder rosa oder unfarbig. Selbst wenn du den angeblich politisch korrekten Ausdruck "US-Amerikaner afrikanischer Herkunft" einsetzt, ist das nicht politisch korrekt, wenn du bei anderen nicht auch "US-Amerikaner kaukasischer HErkunft" schreibst.

Ich denke, dass ich in dem erzählenden Teil die Hautfarbe überhaupt nicht erwähnen würde - ist sowieso tell und nicht show.

Bei Dialogen spielt es dann eine Rolle, in welcher Zeit dein Roman angesiedelt ist.

In den 50ern USA kann da auch "Nigger" passend sein - im 17 Jht. in Europa auch "Mohr" und bis vor wenigen Jahren hat man auch noch nichts dabei gefunden von "Negern" zu sprechen. Außerdem muss noch unterschieden werden, WER was im Roman sagt.

Martin Luther King (den ich sehr verehre) sprach von "Negros", was aber noch lange nicht heißt, dass jeder "Weiße" das auch kann.

 

Als Autor würde ich ohne diese Hintergedanken schreiben. Da soll sich das LEktorat seinen Kopf drüber zerbrechen.

Rabe

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ich dachte' date=' nicht der Thread sei beendet, sondern die politischen Untertöne, die in einigen posts mitschwangen.[/quote']

Genauso war's gemeint, ja. Die konkrete Frage nach dem wie und warum von "Political Correctness im Roman", wie der Thread ja auch lautet, kann und soll gerne weiter diskutiert werden.

 

Gruß,

 

Andreas

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Im Roman achte ich nicht auf PC, weil ich meist aus der Sicht einer Figur schreibe. Und Figuren dürfen ihre eigene Meinung haben, ihre eigene Sprache, dürfen auch mal anecken, dürfen auch mal "unbequem" sein.

 

LG

Joy

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Damit bringe ich also wieder die Hautfarben ins Spiel. Vor etlichen Jahren klärte mich ein schwarzer Bekannter wegen des Wortes "Neger" auf. Er (und vermutlich viele Schwarze) empfinden es als Beleidung wegen der Assoziationen an die Sklavenzeit und die Missachtung und Unterdrückung der Schwarzen in damaliger Zeit.  ... Vor ein paar Monaten fuhr mir ein zehnjähriges Mädchen erbost über den Mund' date=' als ich einen Afroamerikaner als "Schwarzen" bezeichnete, und sagte, ich solle doch bitte von "Farbigen" und nicht von "Schwarzen" sprechen. Das sei diskriminierend. DAS ist für mich ein Auswuchs von pc.[/quote']Nein, ein Auswuchs ist das nicht. Eher eine natürliche Entwicklung und eine absehbare Folge von politisch korrekter Sprache - weil PC eben doch nur die Sprache verändert, und nicht das Denken.

 "Neger" war irgendwann einmal ein neutraler Begriff, genauso wie dann "Schwarzer" oder später "Farbiger". Was diffamierend war, waren die Vorstellungen, die man sich von den Menschen machte, die als "Neger" bezeichnet wurden. Die Bezeichnung änderte sich - die Vorstellungen blieben, und übertrugen sich nach und nach auf das "Ersatzwort". Und die PC läuft dann nur hilflos hinter der Entwicklung her.

 Politisch korrekte Sprache will durch neue Worte das Denken ändern und alte Bedeutungslinien abschneiden. In der Praxis geschieht oft das Gegenteil. Worte ändern ganz natürlich ihre Konnotation mit veränderten Vorstellungen. Ich glaube, heute denkt man über die ursprünglich als "Neger" bezeichneten Menschen anders als zu der Zeit, mit der man dieses Wort verbindet. Bei einer natürlichen Sprachentwicklung wären auch irgendwann die Assoziationen mit dem Begriff verblasst. Aber indem man den "Neger" aus der Sprache geworfen hat, hat man die Entwicklung abgeschnitten, und die Konnotationen zu diesem Begriff wurden quasi auf den Stand eingefroren, als das Wort noch üblich war. Und sie übertragen sich umso leichter auf neue Begriffe, weil der "Neger" als negatives Prägemuster erhalten bleibt und überall verbreitet wird, dass "Schwarzer" etc. die legitimen Ersatzbegriffe für "Neger" sind.

 Hätte man den "Neger" belassen, hätte man irgendwann tatsächlich kein Wort mehr gehabt, um das auszudrücken, was ursprünglich mal mit "Neger" gemeint war - und die unerwünschten Vorstellungen hätten eine Chance gehabt, zu sterben. Somit zeigt PC oft sehr plastisch den Unterschied zwischen "gut gemeint" und "gut gemacht" und liefert den Böswilligen nur die Schimpfworte, mit denen sie langfristig den Diskurs vergiften können.

 

Was die praktischen Konsequenzen aus all dem betrifft, damit tue ich mich schon viel schwerer. Ich halte PC natürlich für fatal - zum einen für die Kunst, zum anderen aber aus o.g. Gründen auch für die damit (zumindest vordergründig) verfolgten Ziele.

 Aber ignorieren kann man sie nicht. Sowohl als Redakteur wie auch als Lektor habe ich selbst schon nach Kriterien der PC gesiebt. Und selbst wenn man die immer euphemistischere Wortentwicklung von "Neger" zu "Schwarzer" zu "Farbiger" zu den "deutschen Afroamerikaner" verfolgt und für blödsinnig hält, kann man heutzutage trotzdem kaum noch wertfrei einen "Neger" in einem Roman auftauchen lassen. Ab einem gewissen Punkt hat sich Sprachentwicklung nun mal vollzogen, und muss einfach hingenommen und umgesetzt werden.

 Das genaue "Wie" ist in jedem Fall eine Gratwanderung, für die ich bisher weder eine pauschale Richtlinie noch auch nur ein im Einzelfall allgemein befriedigendes Ergebnis gefunden habe.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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AngelikaL - Laura Albers

Hallo!

 

Ich glaube, ich weiß jetzt, wie ich es mache. Der Erstkontakt mit dem Student wird ohnehin über einen Kakerlak hergestellt, den der junge Mann auf die Hand nimmt. Und dann wird er aus Sicht des Kakerlaks beschrieben. Also etwas in der Art wie übergroße Hände (aus Sicht des Insekts), deren Innenflächen heller sind als der Rücken. Und der Kakerlak sieht sich dann Aug in Aug mit einem dunkelbraunen Gesicht usw. Danach brauche ich auf die Farbe ja gar nicht weiter einzugehen.

 

Was mir aber gerade auch wieder eingefallen ist: in meiner Geschichte kommt auch ein Magier vor. Und denkt Euch, ich scheute mich, ihn als "schwarzen Magier" zu bezeichnen bzw. als "Schwarzen", weil man es missverstehen könnte. Jetzt hängt er irgendwo zwischen Grau und Schwarz. Tja, Gandalf den Grauen gibt es ja schon länger. Was ich damit sagen will: als ich von "Uzron, dem Schwarzen" erzählte, setzte in meinem Kopf die Schere ein. Und das, obwohl Uzron ein Fabelwesen ist.

 

Danke jedenfalls für Eure Antworten.

Grüße

Angelika  :s17

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"Neger" war irgendwann einmal ein neutraler Begriff, genauso wie dann "Schwarzer" oder später "Farbiger". Was diffamierend war, waren die Vorstellungen, die man sich von den Menschen machte, die als "Neger" bezeichnet wurden.

Neger war eine Zeitlang nicht nur neutral, sondern sogar eher positiv besetzt. Wer "Neger" sagte, grenzte sich von Leuten ab, die "Nigger" oder andere Begriffe verwendeten.

Bei Karl May wird das mehrfach explizit betont. Der Neger Bob, der in mehreren Romanen auftritt, gehört zu den "Guten", denen, deren Worten man vertrauen kann (im Gegensatz zu denen, die ihn als "Nigger" bezeichnen).

Aber auch Karl May war Kind seiner Zeit. Bob redet in allen Romanen Pidgin English, obwohl er mittlerweile viele Jahre mit Leuten verkehrt, die korrektes Englisch reden. Er ist immer eine der Witzfiguren, die vieles nicht können, was die "richtigen" Westmänner beherrschen. Immerhin, im Laufe der Geschichten lernt er ganz gut reiten.

 

Manche abwertenden Meinungen werden überhaupt erst durch die PC hervorgerufen. Wenn man lange genug behauptet, Neger sei abwertend, ist es das dann irgendwann wirklich.

 

Hans Peter

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AngelikaL - Laura Albers

Hallo Spinner,

Danke! So klar habe ich ihn noch nie durchschaut, den Werdegang von "Neger" und co. Du hast vollkommen Recht: als Kind war ein dunkelhäutiger Mensch für mich ein "Neger", weil auch meine Eltern diese Bezeichnung aus Gewohnheit verwendeten. Als ich siebzehn war, hatten wir ein Tageskind, dessen Vater extrem dunkelhäutig war. Damals benutzten wir das Wort immer noch. Es gab sogar eine aus heutiger Sicht sehr peinliche Situation: er (ein fast zwei Meter großer, sehr schlanker Kerl) saß auf einem unserer Küchenstühle und trommelte mit den Händen einen urtümlichen Rhythmus auf seinen Knien. Ich hatte daraufhin eine politisch absolut unkorrekte Assoziation an "Schwarze im Urwald". Als ich ihm das sagte, reagierte er beleidigt: "Wie kannst du so etwas zu mir sagen?" "Ich meine das nicht abwertend - im Gegenteil. Ich wäre stolz auf solche Vorfahren." (Wie naiv und unüberlegt von mir!) Er: "Oh nein! Wie könnte ich auf etwas stolz sein, von dem ich nichts, aber auch gar nichts weiß? Meine Vorfahren sind irgendwann als Sklaven nach Amerika gebracht worden. Siehst du da irgendetwas, worauf ich stolz sein kann?" Danach war ich ziemlich kleinlaut.

 

Ein paar Jahre später klärte mich dann, wie oben erzählt, ein anderer Schwarzer über den Begriff "Neger" auf. (Auch er sah es als persönliche Beleidigung. Und bezeichnete diejenigen, die es benutzten, wenn schon nicht als rassistisch, dann eben als ignorant, weil sie sich nicht einmal Gedanken darüber machten.) Von da an stieß mir das Wort selbst immer unangenehm auf. Wenn ich andere davon reden höre, oder wenn ich es in einem Roman lesen würde - in mir sträubt sich etwas. Es ist ein bisschen so, wie PeterD. es weiter oben beschrieben hat. Ich fühle mich als Anwalt.

 

Hans Peter: ich sehe gerade Deinen Post. Auch Dir kann ich voll und ganz zustimmen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es den Menschen, die mit den politisch korrekten Bezeichnungen gemeint sind, auch erst durch den ganzen Wirbel, der darum gemacht wird, wirklich aufstößt. Sie müssen ja schon befürchten, geächtet zu werden, wenn sie es jemandem durchgehen lassen, dass er ein "markiertes" Wort benutzt, auch wenn derjenige es wirklich im besten Willen und unwissend verwendet. Aber es ist ja so: wenn ein kleines Kind sagt: "Oah, Oma, kuck mal da, ein schwarzer Neger!" (habe ich mal im Bus gehört, als ich selbst noch keine Kinder hatte), dann drehen alle pikiert den Kopf, und der Gemeinte lacht bestenfalls. Schlimmstenfalls macht er die Oma zur Schnecke, weil das Kind diese Wörter ja nur von ihr bzw. ihren Eltern haben kann.

 

Oh je, wo führt diese Diskussion uns hin?

Bin ich schon ot?

Liebe Grüße

Angelika http://smilies.montsegur.de/05.gif

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Hallo, alle zusammen,

 

Im Roman ist es wichtig, was für eine Figur was sagt. Zb. habe ich eine Figur, die zuerst redet und erst dann denkt, wobei das zweite sich auch dann nicht immer einstellt. Diese Figur würde also nie sich Gedanken über "politisch korrekt" machen. Das wäre sogar unglaubwürdig.

 

Die Wortwahl einer Figur ist ihr Merkmal. Dieses Merkmal charakterisiert, sagt über die Figur etwas aus. Die Wortwahl hängt stark von der Zeit, dem Umfeld und dem Charakter der Figur ab.

 

Nehmen wir das Insekt. Wenn es einen dunkelhäutigen Studenten sieht, würde es den Menschen ganz bestimmt als "Schwarz" bezeichnen. Denn ein Insekt hat sich vermutlich noch nie Gedanken über die politisch korrekte Sprache gemacht.

Macht sich der Student Gedanken darüber, wie er das Insekt bezeichnen soll? Wer weiß, vielleicht ist "Kakerlak" für das Tierchen eine Beleidigung. "Politisch korrekt" wäre eventuell "Gemeine Küchenschabe". Aber Achtung: Das auch schon vor 50 Jahren, denn inzwischen muss man "Blatta orientalis" sagen. Tja. Es ist gar nicht so einfach, politisch korrekt zu Insekten zu sein.

 

Politisch korrekte Grüße,

Olga

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(Peter_Dobrovka)

Die Bezeichnung änderte sich - die Vorstellungen blieben, und übertrugen sich nach und nach auf das "Ersatzwort". Und die PC läuft dann nur hilflos hinter der Entwicklung her.

Das empfinde ich als äußerst treffend.

Ja, irgendwie sind die Wörter zu Verbrauchsgegenständen geworden, man braucht immer neue, um seine guten Absichten zu demonstrieren. Schon ziemlich blöd.

Vielleicht geht der Trend irgendwann dahin, die Leute mit auffälligen Merkmalen überhaupt nicht mehr irgendwie zu nennen. Es gibt dann nicht mehr "den Schwarzen" oder "den Afroamerikaner" oder "den Melanozytischen", es gibt dann halt nur noch den Said, den Richie, den Ibuhara, und die kommen aus Algerien, USA oder Kenia, und wenn man sie im Roman beschreibt, dann schreibt man halt, daß sie dunkle Haut haben und beschäftigt sich danach nie wieder mit dieser Eigenschaft.

Das wäre dann die politisch korrekte Endlösung. Pardon, dieses Wort ist auch nicht politisch korrekt.

Wäre natürlich ein Bruch mit einer Reihe von Erzähltraditionen und Denkmustern. Ob das geht, weiß ich nicht mal. Es liegt in unseren Denkmustern begründet, daß wir allem und jedem Bezeichnungen geben. Und zwar tun wir das häufig nach dem uns am hervorstechendsten Merkmal. Wenn wir zum Metzger gehen und ein Stück Fleisch zu kaufen, dann ist das "der Metzger" und nicht Herr Anton Hobelburger, allein schon deswegen, weil wir seinen Namen gar nicht kennen. Wenn wir jemanden auf der Straße sehen und er hat blaue Haare, dann ist er zunächst mal "der Blauhaarige". Nun findet es sich in Romanen immer wieder, daß - wohl um der Wortwiederholung zu entgehen - Leute, die bereits namentlich eingeführt sind, mit einem Bezeichner bezeichnet werden. Was ich übrigens manchmal verwirrend finde, besonders, wenn es mehrere Bezeichner sind. Aber lassen wir das.

In Romanen kommen Leute vor wie "der Südländer", "der Narbige", etc.

In Fantasy-Romanen gibt es "den Zwerg", "den Zauberer" etc.

Weil es einer ansprach: Natürlich sagen wir in keinem unserer Romane "der Kaukasier" zu einer Figur. Warum nicht? Weil das der Normalfall hier ist. Wir nennen auch niemanden "den Zweibeiner". Pardon, wir tun es doch. Und zwar, wenn vorher von Tieren die Rede war, oder wenn die Geschichte aus der Perspektive eines Tieres ist. Der Katzenprota aus Felidae nennt die Menschen "die Dosenöffner".

Wenn wir einen Roman also hätten, der an einem Ort spielt, wo nur Schwarze sind, und da kommt dann ein Weißer, dann wäre es legitim, ihn "den Kaukasier" zu nennen. Wo soll denn da das Problem sein? Ich fühle mich nicht beleidigt, wenn man mich "den Weißen" oder "den Kaukasier" nennt. Ich fühle mich natürlich beleidigt, wenn ich spüre, daß man mich damit beleidigen WILL. Wenn mich jemand "einen hochintelligenten Bastard" nennt, dann kann ich mich geschmeichelt fühlen, wenn da ehrliche Anerkennung mitschwingt und der Typ halt so redet. Umgekehrt kann es beleidigend sein, wenn ich als "toller Kerl" bezeichnet werde, wenn es ironisch gemeint ist. ("Jetzt ist es kaputt, du bist ja echt ein toller Kerl.")

 

Da komme ich zu einem weiteren großen Problem der PC: Der Versuch der Gleichmacherei. Die Worte haben keinen Kontext mehr, sie stehen für sich. Zwischentöne gehen verloren. Beleidigung wird herbeibehauptet.

 

 Politisch korrekte Sprache will durch neue Worte das Denken ändern und alte Bedeutungslinien abschneiden.

Will sie das? Ich will's nicht in Abrede stellen, nur habe ich ihr diese weitreichende Dimension bisher nicht zugeschrieben. Ich dachte immer nur, es geht um den Versuch, Menschen nicht durch unbedachte Wortwahl zu beleidigen. Aber da schließe ich wahrscheinlich unzulässig von mir auf andere. Wahrscheinlich unterstellen die eifrigsten Verfechter der PC jemandem, der "Schwarzer" sagt, nur weil er den neuen Trend noch nicht mitbekommen hat, daß das Wort jetzt auch schon nicht mehr gut ist, Rassismus. Vielleicht ist das ja eine Form der Gedankenpolizei: Sage mir, wie du sprichst und ich sage dir, was für ein böser Mensch du bist.

 

In der Praxis geschieht oft das Gegenteil. Worte ändern ganz natürlich ihre Konnotation mit veränderten Vorstellungen. Ich glaube, heute denkt man über die ursprünglich als "Neger" bezeichneten Menschen anders als zu der Zeit, mit der man dieses Wort verbindet. Bei einer natürlichen Sprachentwicklung wären auch irgendwann die Assoziationen mit dem Begriff verblasst. Aber indem man den "Neger" aus der Sprache geworfen hat, hat man die Entwicklung abgeschnitten, und die Konnotationen zu diesem Begriff wurden quasi auf den Stand eingefroren, als das Wort noch üblich war. Und sie übertragen sich umso leichter auf neue Begriffe, weil der "Neger" als negatives Prägemuster erhalten bleibt und überall verbreitet wird, dass "Schwarzer" etc. die legitimen Ersatzbegriffe für "Neger" sind.

 Hätte man den "Neger" belassen, hätte man irgendwann tatsächlich kein Wort mehr gehabt, um das auszudrücken, was ursprünglich mal mit "Neger" gemeint war - und die unerwünschten Vorstellungen hätten eine Chance gehabt, zu sterben. Somit zeigt PC oft sehr plastisch den Unterschied zwischen "gut gemeint" und "gut gemacht" und liefert den Böswilligen nur die Schimpfworte, mit denen sie langfristig den Diskurs vergiften können.

Diese Argumentationskette habe ich nicht verstanden. Wenn "Neger" nicht zum Unwort erklärt worden wäre, wäre es irgendwann wieder ein positives/neutrales Wort geworden?

Gibt es Beispiele für solche Entwicklungen? Ich kenne eigentlich nur den Pejorativ.

 

Peter

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Eine kleine Auswahl:

 

Neger, Neger, Schornsteinfeger

Der weiße Neger Wumbaba

Heimkind - Neger - Pionier

Mein Onkel war ein Neger

Mein erster Neger

 

etc.

 

Wenn man bei Amazon den Suchberiff "Neger" eingibt.

 

Für mich bleibt der Negerkuss Negerkuss. :-*

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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In Fantasy-Romanen gibt es "den Zwerg", "den Zauberer" etc.

 

Der Zwerg ist ein gutes Beispiel. In der Fantasy ist der Zwerg ganz normal, er gehört da hinein. Alle wissen, der ist nicht groß, sieht ansonsten aber aus wie ein Mensch. Aber ein Nicht-Fantasy-Roman, in dem ein Kleinwüchsiger als "der Zwerg" bezeichnet würde, wäre wieder eine andere Sache ;)

Fantasy liefert da mehr Freiheiten, weil es eben halt eine fiktive Welt betrifft, die ihre eigenen Gesetze hat. "Hallo, du Troll, wie geht´s denn so?", wäre da eine normale Begrüßung, wenn man einem solchen gegenüber steht.

 

 

Da komme ich zu einem weiteren großen Problem der PC: Der Versuch der Gleichmacherei. Die Worte haben keinen Kontext mehr, sie stehen für sich. Zwischentöne gehen verloren. Beleidigung wird herbeibehauptet.

 

Da spielt aber auch mit hinein, dass man beim geschriebenen Wort nicht den Tonfall hören kann. Man kann auch nicht hinterfragen, wie etwas gemeint war, sondern interpretiert selbst.

 

LG

Maren

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Eigentlich soll ja PC dem Abbau von Vorurteilen und Klischees dienen.

 

Eigentlich.

 

Aber es gibt jede Menge Leute, die es dazu nutzen, um Vorurteile zu neu aufzubauen und moralisch andere Menschen zu disqualifizieren. Das scheint ein dringendes menschliches Bedürfnis zu sein.

 

Schon bei Karl May konnte man darauf wetten, dass jemand, der Bob "Neger" nennt, zu den Guten gehört, jemand, der ihn als "Nigger" kennzeichnet, sich bald als Böse und Minderwertig entpuppen wird.

 

Die richtige Sprachwahl, die richtigen Meinungen, die richtigen Vorurteile ...

 

Auch heute kannst du PC genau dazu nutzen.

 

Der da spricht von Negern, heute ist das strikt nicht PC, es muss sich um einen schlechten Menschen handeln.

 

Hans Peter

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Stefan Mühlfried
"Hallo' date=' du Troll, wie geht´s denn so?", wäre da eine normale Begrüßung, wenn man einem solchen gegenüber steht.[/quote']

Es juckt mir geradezu in den Fingern, eine Geschichte zu schreiben, in der der Troll daraufhin weinerlich die Ungerechtigkeit der Welt beklagt und verlangt, "großer Zweibeiner" genannt zu werden. :s22

 

Schöne Grüße,

Stefan

"Schriftsteller sollten gar keine Adjektive haben. Sie sind keine französischen oder australischen Schriftsteller, sondern einfach Schriftsteller. Am Ende sind sie ohnehin nicht mal ein Substantiv, sondern ein Verb: Sie schreiben." - Richard Flanagan

Blaulichtmilieu   -   Zur Hölle mit der Kohle   -   Der steinerne Zeuge

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Diese Argumentationskette habe ich nicht verstanden. Wenn "Neger" nicht zum Unwort erklärt worden wäre, wäre es irgendwann wieder ein positives/neutrales Wort geworden?

Gibt es Beispiele für solche Entwicklungen? Ich kenne eigentlich nur den Pejorativ.

Slawe - war möglicherweise mal eine positive Eigenbezeichnung des betreffenden Sprachraums, ist aber schon von Griechen/Römern nur in abwertender Konnotation übernommen worden. Heute hat sich der "Sklave" ganz natürlich vom "Slawen" abgespaltet, und letzterer kann neutral verwendet werden.

 

Wikinger - hatte im Mittelalter einen so schlechten Ruf, dass der Begriff irgendwann selbst in Skandinavien als abwertend galt und kaum verwendet wurde. Obwohl er in Mitteleuropa eigentlich erst nach den Raubzügen Verbreitung fand, galt er als Synonym für "Seeräuber". Heute fühlt sich wohl kaum noch jemand davon beleidigt, im Gegenteil habe ich in Schottland einige Leute getroffen, die stolz auf ihre "Wikinger"-Herkunft verwiesen.

 

Jesus trieb sich mit Zöllnern herum, wie in der Bibel ausdrücklich als Beispiel für Toleranz erwähnt wird. Dass ich tatsächlich auch schon mal einen "Zöllner" bei mir im Haus hatte, findet heute wohl niemand mehr bemerkenswert  ;)

 

Müller, Chirurgen, Angehörige verschiedener "Polizeiberufe" ... überall finden sich Berufsbezeichnungen, die früher mit negativen Konnotationen verbunden waren, die heute nicht mehr vorhanden sind. Oder durch andere ersetzt wurden :s22

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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