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jueb

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Empfohlene Beiträge

Einen schönen Abend!

 

In dem Forum wird ja gern und oft darum gerungen, was reiner Unterhaltungsroman ist, und was "ernste" Hochliteratur, und ob es nicht ein Sowohl-als-auch gibt, gemeint sind Werke, die unterhalten und dennoch auf intelligente, vielleicht philosophische Weise wichtige Themen des Lebens beleuchten.

 

Ich las gerade "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins", von dem Tschechen Milan Kundera 1984 geschrieben, und für mich ist genau das ein Buch, das in beide Richtungen funktioniert bzw. beides auf elegante Weise miteinander verknüpft. Eine unterhaltsame, auch ergreifende und melancholische Liebesgeschichte, die aber gleichzeitig sehr stimmig in eine konkrete, schwierige, historische Situation eingebettet ist (Prager Frühling und seine Niederschlagung) und zudem auch nebenbei philosophische Fragen erörtert (Was ist Liebe? Was ist Treue? Welchen Stellenwert hat die Sexualität dabei?).

 

Doch anders als man vermuten könnte, lesen sich auch die Reflexionen in diesem Buch nicht wie Ballast sondern mit "Leichtigkeit". Ein wirklich empfehlenswertes Werk, das schön zeigt, wie vielschichtig und anspruchsvoll Romane sein können und trotzdem ein Millionenpublikum erreichen..

 

 

Herzlichst: jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Oh ja, jueb, da moechte ich Dir unbedingt zustimmen.

Und mit "die Unsterblichkeit" hat Kundera das noch einmal wiederholen koennen.

Mir gefaellt an den Romanen die ganz ungezwungen wirkende Sprache, das Aquarellhafte, das verspielt und melancholisch zugleich ist.

Beide Romane sind sehr leicht und schnell zu lesen, aber sie wirken lange, man moechte ihnen wieder begegnen.

 

Eine gute Idee, sie einmal wieder zu lesen.

 

Eine schoene Empfehlung! (Finde ich.)

Alles Liebe von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Hallo jueb,

 

einer der schönsten Romane, die ich gelesen und der mich tief bewegt hat.

Doch ein Bild ist über viele Jahre sehr deutlich in mir haften geblieben. Dass, als der Prota, der ja alles relativ langsam angeht, das Huhn bestaunt, welches so rasant am Boden herumpickt.

 

Grüße,

Kristin

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Lieber Jueb,

ein wirklich tolles Buch (das auch gelungen verfilmt wurde...)! Und ich finde, es schafft genau den von dir beschriebenen "Spagat" zwischen Hochliteratur und Unterhaltung.

 

Empfehlen kann ich neben der, von Charlie angesprochenen "Untreue" von Kundera, auch noch einen anderen tschechischen Autor, der diesen Spagat hervorragend schafft: Jiri Krachtovil.

 

Und zu Kristin: Genau dieses Bild hängt mir auch noch nach! :-) Das ist so eine geniale Figurenbeschreibung...

 

Liebe Grüße

Lisa

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Empfehlen kann ich neben der' date=' von Charlie angesprochenen "Untreue" von Kundera, [/quote']

 

 

Neeee, Lisa, ich meinte die "Unsterblichkeit" ... das von Dir genannte - und weitere Romane von ihm - kenn' ich leider gar nicht. Wollte immer mal weiter Kundera lesen, aber kam dann irgendwie nicht dazu. Vielleicht mach ich's jetzt auf juebs Tipp hin.

 

Alles Liebe von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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Hallo Charlie,

 

übrigens "Die Unsterblichkeit" wurde damals im "Literarischen Quartett" vollständig verrissen. Ich habe zufällig die Zitate dazu:

 

Reich Ranicki sagte: "Ich glaube, dass dieser Roman vom Verfall eines Schriftstellers zeugt", Sigrid Löffler, die "Die unerträgliche Leichtigkeit..." hervorragend fand, urteilte: "Kundera ist ein so dumpfer, reaktionärer Zivilisationskritiker geworden" und sie fährt fort: "Es ist nicht seine Schuld, dass ihm sein Lebensthema abhanden gekommen ist. Sein Lebensthema ist die Emigration, ein Thema, das nicht mehr trägt: er ist kein Emigrant mehr. Wenn er einer wäre, wäre er wohl in der Tschechoslowakei zurückgegangen. Er tut es nicht, weil er inzwischen so ein internationalere Typ geworden ist, der praktisch überall leben kann. Und in dieser Internationalität ist ihm auch dieser Schmerz, der seine Literatur am Leben erhalten hat, abhanden gekommen."

 

Ich bin gespannt, was du von diesen Meinungen hältst..

 

Herzlichst: jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Dumpf und reaktionaer fand ich gar nichts an dem Buch.

 

Ueber das andere muss ich nachdenken, in dem Buch noch einmal blaettern.

 

Spaeter!

 

Alles Liebe von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

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PS: Ich vertraue deiner Meinung auch zehnmal eher als dem Reich-Ranicki!

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Hallo Lisa,

 

kannst du jueb ein Buch von Jiri Krachtovil

empfehlen?

 

herzlichst

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Sorry Charlie, ich meinte natürlich "Die Unsterblichkeit". Habe neulich einen Film gesehen, der "Die Untreue" hieß, vielleicht spuckt der noch in meinem Kopf rum :-)

 

Lieber jueb, ich bin über die deutsche Schriftstellerin Irina Liebermann (u.a. Jurymitglied beim Berliner Senatsstipendium) auf Jiri Krachtovil gestoßen. In ihrem hervorragendem Buch "Die freien Frauen", das von Krachtovils Roman "Unsterbliche Geschichte oder Das Leben der Sonja Trotzkij-Sammler oder Karneval" inspiriert ist, lässt sie ihre Hauptfigur einen Brief an die Hauptfigur von Krachtovils schreiben. Und das hat mich dann so neugierig gemacht, dass ich mir Krachtovils Buch gekauft habe.

 

Klappentext von Krachtovil:

"So geht es aber jedem. Bevor wirklich etwas passiert, haben wir es schon hundertmal gesehen, hundertmal gehört oder gelesen, aber es nützt uns nichts! Wir wollen nicht begreifen, dass alle Geschichten wahr sind! Hören Sie, alle Geschichten sind wahr! Und früher oder später werden sie alle geschehen."

 

"Krachtovils Prosa ist das größte Ereignis der tschechischen Literatur nach 1989." Milan Kundera.

 

Ich empfehle dir zuerst Liebermanns Buch zu lesen, dann Krachtovil. Zwei sehr unterschiedliche Lektüren - aber einfach wunderbar!

 

Liebermanns Klappentext:

"Elisabeth Schlosser hat einen erwachsenen Sohn, der nicht mehr mit ihr spricht. Er arbeitet nicht und isst auch nicht mehr, vielleicht ist er krank, sie weiß es nicht, und sie weiß nicht, wie sie ihm helfen soll.

Immerhin äußert er eines Tages, dass er sie für die Falsche hält. Seine Mutter versucht herauszufinden, was damit gemeint sein könnte, denn sie zweifelt schon lange an sich selbst. Entschlossen unterzieht sie sich einer Hypnose, und was sie dabei erfährt, führt sie in ein geheimnisvolles Cafe im polnische Katowice, das einmal Kaatowitz hieß. Dort angekommen erlebt Elisabeth Schlosser eine seltsam vertraute Gegend, in der sie sich verwurzelt fühlt, und Dinge erfährt, die ihr bisher verborgen geblieben waren. Zurück in berlin, wird ihr auf einmal das eigen Stammcafe unheimlich, und sie weiß nicht, wohin mit sich selber. Jeder, dem sie von ihrem Unglück erzählt, rät ihr, das alles zu vergessen."

 

"Es gibt eine Magie der Sprache, die den Leser oder Zuhörer mitschwingen lässt im Rhythmus des Erzählens und ein Verständnis begründet, das der Verstand hinterher nur noch bestätigen kann. Irina Liebermann ist eine solche Sprachmagierin." FAZ

 

Liebe Grüße

Lisa

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Oh, ich bin Fan von Reich-Ranicki, durch und durch.

Er hat oft gepriesen, was ich durch ihn dann kennen und lieben lernte (allen voran Javier Marias).

Aber er hat auch schon einmal ein Buch, das mir sehr nahe steht, aufs heftigste verrissen, und zwar "Ein weites Feld".

(Natuerlich sind die Schwaechen dieses Romans leuchtend. Aber es ist eben auch ein starker Versuch. Au weia. Off topic.)

 

Somit:

Trau uns beiden.

 

Mal ihm und mal mir ...

 

Alles Liebe von Charlie.

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Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Das Buch hat mir auch gefallen, hat bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ebenfalls "Das Leben ist anderswo", das ich nur jedem empfehlen kann.

 

"Die Unsterblichkeit" dagegen habe ich nicht zu Ende gelesen, das schien mir doch sehr konstruiert, verschiedene Teile, bei denen ich mich fragte: Was haben die eigentlich miteinander zu tun. Etwa dieser Ausflug zu Goethe und Bettina von Armin, zwar ganz interessant, aber Kunderas Zwang, dem einen philosophischen Touch zu geben, wirkte auf mich sehr belehrend und nicht überzeugend.

 

Und den Film "Die unerträgliche Leichtigkeit" fand ich furchtbar. Vielleicht weil ich das Buch kannte. Und der Film genau das macht, was Kundera (bzw die Frau im Buch) so hasst: Kitsch und die ständige Musikberieselung. Einmal verlassen sie ein Cafe, wegen dieser Musikberieselung und da fiel mir auf, dass der Film genau das tut: Den Zuschauer immer mit Musik zu berieseln. Manche Leute glauben, Literaturverfilmungen müssten das. Kommt jedenfalls dort häufig vor und ich halte es nur für widerlich. Wenn der Film nicht überzeugt, keine Kunst ist, dann rettet ihn getragene, weihevolle Musik auch nicht mehr ;-).

 

Hans Peter

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Oh, jueb, sehr schön! Kundera gehört schon lange zu meinen Lieblingsschriftstellern, weil er vor allem in seinen kürzeren Büchern zum Schreien schöne Sätze hat.

 

Absolut empfehlenswert: Die Kunst der Romans. Kundera geht darin seinen Auffassungen über einen Roman auf den Grund und beschreibt z.B. sehr schön, warum er kaum Personenbeschreibungen verwendet. (Hab´s schon lange nicht mehr gelesen, werde es aber wohl wieder einmal zur Hand nehmen.)

 

Liebe Grüße,

Heiko

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Falcon Peak - Wächter der Lüfte. Ein spannendes Fantasy-Abenteuer für Jungen und Mädchen ab 10 Jahren und jung gebliebene Erwachsene. ArsEdition, 01.03.2021

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Ein weiteres, sehr, sehr empfehlenswertes Buch von Kundera (sein erstes): Der Scherz. Leider ist bei Amazon eine grausame, langweilige Spiegel-Besprechung abgedruckt, aber das Buch ist trotzdem packend.

 

Und "Das Leben ist anderswo" spielt zwar im stalinistischen Tschechoslowakei der frühen Fünfziger, ist aber dennoch auch eine sehr gute, sehr böse Geschichte aus dem Literaturbetrieb und manches wird man wiedererkennen. Literatur, um dem Leben aus dem Weg zu geben, das ist eben global.

 

Hans PEter

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Hallo Coco,

 

danke für den Tipp!

 

 

Hallo hpr,

 

von der Verfilmung der "Leichtigkeit" war ich damals auch enttäuscht. Und zwar weil die politische Dimension - die ja den Rahmen für die doch sehr melancholische Liebesgeschichte gibt - da wenig berücksichtigt wurde..

 

Herzlichst:

jueb

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