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Charlie

Das Wichtigste ist die Geschichte

Empfohlene Beiträge

Zur Sprache: Ich halte mich für relativ indolent, was sprachliche Unsauberkeiten angeht. Am ehesten fallen sie mir bei meinem eigenen Geschreibsel negativ auf.

 

Das finde ich interessant. Obwohl ich bei fremden Texten etliches an doppelten Leerzeichen, fehlenden Satzzeichen, Tippfehlern, etc. finde, übersehe ich bei eigenen die simpelsten Fehler, die ich bei fremden sofort entdecken würde.

Genauso sprachlich, da kann ich bei meinen eigenen höchstens bei älteren Texten was sehen.

 

LG

Maren

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Moin Peter,

 

 

Jeder schreibt seinen Standpunkt, aber es entspinnt sich keine Diskussion, es prallen keine Meinungen aufeinander.

 

 

Das ist doch logisch, wenn man unter einer solchen Prämisse diskutiert: "Das Wichtigste ist die Geschichte!"

 

Ich kann mich gar nicht beteiligen, weil mir die Geschichte schnurzpiepegal ist. Es sind eh schon alle Geschichten erzählt, was solls also?

 

Wichtig ist für mich nur, wie die Geschichte erzählt wird, ob ich sie schon kenne oder nicht.

 

Gruß

 

HW

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Hallo zusammen,

 

ich finde die Geschichte an sich, also die eigentliche Handlung, weniger interessant.

Mich interessieren die Figuren wesentlich mehr, also die Wirkung der Geschichte auf die Figuren, ihre Reaktion auf die Fragen, die ich an mich stelle, im Rahmen der Geschichte- und die damit zum Teil der Handlung werden. Und nein, mir geht es nicht um die Antworten, sondern viel mehr um die Fragen, weil die viel interessanter sind.

 

Wichtig sind mir die Sprache, weil die Sprache die Grenze meiner Darstellungsmöglichkeit ist. Was ich nicht benennen kann, kann ich nicht schreiben. Dabei dient die Sprache den Figuren und der Geschichte- ohne sich unterzuordnen, weil die Sprache mein wichtigster Zugang zu den Figuren und der Geschichte ist. Als wichtigen Unterpunkt empfinde ich den Sprachrhythmus, weil er die Geschichte dynamisiert, das Tempo steuert, und einen heimlichen zweiten Zugang zum Leser bildet, über das bildliche hinaus mit einem musischen Zugang. (Auch wenn das oft nicht auffällt).

 

Und mindestens genauso wichtig der persönliche Stil. Der natürlich mit dem Sprachrhythmus und der Sprache verbunden ist, aber in die Sprache auch handwerklichen, ästhetischen und künstlerischen Bereiche des Erzählens einbezieht. Denn erst der persönliche Stil macht aus Texten, mit meinen Fragen und meinen Figuren zusammen, meine Texte.

 

Und klar, was in diesem Thread Geschichte genannt wird, besteht nicht nur aus Handlung, sondern auch aus Figurenzeichnung und weiteren Elementen. Weshalb meine Meinung nicht so ungewöhnlich ist, nehme ich zumindest an.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Ich finde diese "Metaebene" Geschichte sehr gut, denn "Geschichten erzählen" ist so viel mehr als nur Handlung darstellen - Thomas hat dazu eine wichtige Facette gebracht. Gleichzeitig stelle ich hier durchaus Zusammenhänge fest zwischen dem, wie Autoren an dieses Thema herangehen, was ihnen wichtig ist - und wie sie tatsächlich ihre Geschichten schreiben. Man bekommt bei Bewerbungen nicht umsonst ähnliche Fragen gestellt wie hier... Deshalb mag ich da auch erst mal jedem einfach zuhören und erst nachher diskutieren.

Aber ein Aspekt bei hpr ist mir aufgefallen, der interessant scheint:

Viele nutzen das Potenzial ihrer Geschichte nicht. Andere weichen ihr aus, gehen auf Nummero sicher...

Welche Möglichkeiten habe ich eigentlich, mich bei einem dieser Versagen zu ertappen? Es ist ja ganz gut und schön, hier hehr Ideale für sich selbst aufzustellen und vielleicht sogar von einer konkreten Geschichte zu schwärmen. Aber kann einem eine Geschichte, aus welchen Gründen auch immer, nicht auch entgleiten? Was mach ich dann mit meinem Projekt? Eine einfachere, eine bequemere Geschichte suchen? Wie der Klempner auswechseln? Wie auswechselbar sind Geschichten? (Ich nicke da Heinz-Werner zu). Was bleibt?

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich finde diese "Metaebene" Geschichte sehr gut' date=' denn "Geschichten erzählen" ist so viel mehr als nur Handlung darstellen - Thomas hat dazu eine wichtige Facette gebracht. [/quote']

 

In der Tat.

Hier kommen wir, meine ich, zu einem zentralen Punkt. Wenn ich Geschichte sage, meine ich nicht Handlung. Sondern das, was womoeglich "Gehalt" genannt werden darf. Das bedeutet: Auch fuer mich ist Reich-Ranickis "Ein Mann, eine Frau. Ein anderer Mann" unter Umstaenden Geschichte genug. Es kommt darauf an, was darunter liegt.

Und ich habe natuerlich den Satz des Threadtitels provozierend benutzt (entwendet aus dem Bestseller-Thread, einem Beitrag von Quidam. Daran fand ich interessant, dass ich dem Inhalt des Beitrags ueberhaupt nicht, diesem Satz aber dennoch zustimmen konnte).

 

Ganz entscheidend ist fuer mich ausserdem diese Aussage von Thomas:

"Wichtig sind mir die Sprache, weil die Sprache die Grenze meiner Darstellungsmöglichkeit ist. Was ich nicht benennen kann, kann ich nicht schreiben."

Dem stimme ich ohne Einschraenkung zu.

Der Gedanke, sprachliche Schwaechen durch eine "groessere Geschichte" ausgleichen zu wollen, erscheint mir hoechst problematisch.

Ebenso aber der, eine leere, belanglose (damit meine ich nicht notwendigerweise "handlungsarme") oder eine unstimmige, unglaubhafte Geschichte durch sprachliche Bravour wettzumachen.

 

Ich moechte, dass Sprache und Struktur (in der Tat, beides) dem Inhalt angemessen sind. Was zwangslaeufig - fuer mich - bedeutet, dass eine Beschraenkung meiner schriftstellerischen Mittel auch eine Beschraenkung in der Wahl meiner Themen bedeutet.

 

Herzliche Gruesse von Charlie.

 

P.S.: Auf Schwierigkeiten mit dem Gespraechsverlauf in diesem Thread gehe ich nicht ein, da ich keine habe.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Moin Charlie,

 

wenn man von der Prämisse des Threads abgeht und voraussetzt, dass alle Geschichten schon erzählt sind, dann bleiben einem noch zwei Möglichkeiten.

 

Erstens man kann eine Geschichte besser erzählen, als alle anderen zuvor. Dieses "besser" bezieht sich dann auf die Sprache oder die Dramaturgie. Natürlich lese ich eine Geschichte lieber, wenn sie spannnend daherkommt, als wenn sie langweilig ist. Ebenso lese ich sie lieber in einer anspruchsvollen Sprache, als in einer ausgelutschten.

 

Zweitens kann man aber auch Aspekte der Geschichte hervorheben, die andere nicht so deutlich hervorgehoben haben. Um bei MRRs Beispiel zu bleiben: Wenn am Ende der Mann den anderen Mann kriegt und Frau in die Röhre guckt, ist das ein Aspekt, der mich reizen würde. Wenn sie die beiden Männer umbringt wäre dieser Effekt noch größer :s22 Dabei würde ich auch sprachliche und dramaturgische Mängel (in Maßen, nicht in Massen) akzeptieren.

 

Als Leser lege ich ein Buch zur Seite, wenn ich nicht mit einem von den beiden Effekten rechnen kann. Ein Geschichte, die ich schon kenne, sprachlich und dramaturgisch in den gewohnten Mustern (die Sprache muss hinter die Geschichte zurücktreten): Warum sollte ich das lesen? Da gehe ich lieber in die Kneipe oder mit dem Hund spazieren.

 

Ich akzeptiere aber, dass das anderen Spaß macht. Ich ekele mich ja auch vor Honig und kann damit leben, dass andere ihn mögen.

 

Gruß

 

HW

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wenn man von der Prämisse des Threads abgeht und voraussetzt, dass alle Geschichten schon erzählt sind, dann bleiben einem noch zwei Möglichkeiten.

Erstens man kann eine Geschichte besser erzählen, als alle anderen zuvor.

Zweitens kann man aber auch Aspekte der Geschichte hervorheben, die andere nicht so deutlich hervorgehoben haben.

Hallo Heinz Werner,

wenn ich mich auf das konzentriere, was Charlie "Gehalt" nennt, komme ich sogar auf eine dritte Möglichkeit, die ich in einer Frage formulieren möchte:

Habe ich als Autor eigentlich etwas zu sagen?

 

Für mich ganz persönlich ist das die Scheidegrenze unterschiedlicher Literaturen - und damit Ausdruck des Geschichtenerzählens. Denn wie in der verbalen Kommunikation habe ich unterschiedliche Möglichkeiten.

Ich kann in einem Chor mitplappern, ich kann sagen, was alle hören wollen, ich kann gängige Redenstücke wiederholen etc. pp.

 

Mir fällt auf, dass bei Büchern, die mich ganz besonders berührt haben und die ich nicht vergesse (diese Bücher, die man ein Leben lang immer wieder lesen kann und man liest nie die gleiche Geschichte!) - genau dies der Fall war: der Autor hat mir etwas zu sagen. Und er hat obendrein seinen ureigenen Ton gefunden, mir das zu sagen.

 

Ich glaube, es gibt ein Geheimnis hinter der reinen Geschichte "Frau isst Mann - Mann isst Frau." Und wenn man es schafft, dieses Geheimnis auszuloten, ist es egal, ob eine Handlung schon einmal da war.

 

Schöne Grüße,

Petra

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[quote author=Petra link=1175240235/30#31 date=1175329717Habe ich als Autor eigentlich etwas zu sagen?

 

 

Ich bedank mich dann mal fuer den Fast-Simultan-Uebersetzer-Service.

 

Die Frage sollte natuerlich hinter meiner stehen.

 

Herzlich,

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Moin Petra,

 

 

Habe ich als Autor eigentlich etwas zu sagen?

 

 

Wir wollten doch die (Streit)Frage "E oder U" raushalten :s23

 

Natürlich gibt es Autoren, die nur Handlungsabläufe beschreiben (wollen), ohne etwas zu sagen zu haben. Andere haben etwas zu sagen, dazu brauchen sie keine Handlungsabläufe zu beschreiben (können das aber durchaus doch tun).

 

Ich denke, das Geheimnis ist zu einem großen Teil Subtext. Nichtgesagtes sagt viel mehr, als Gesagtes. Das fängt im Kleinen an, bei der Adjektivvermeidung (die Beschreibung von Wut ist immer stärker als ihre Behauptung), und hört im Großen da auf, wo das Thema nicht benannt werden muss, um stark zu sein. Beispielhaft ist hier für mich H.Böll, der fast immer Einzelschicksale zeichnet um uns einen Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse zu erlauben.

 

Insofern stimme ich natürlich der Aussage zu, dass die Geschichte nicht von der Sprache und vom Konzept eines Romans zu trennen ist.

 

Gruß

 

HW

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Wir wollten doch die (Streit)Frage "E oder U" raushalten :s23

Sorry, aber mit dem Einwurf kann ich nun überhaupt nichts anfangen. Diese absolut berechtigte Frage "Was habe ich als Autor zu sagen?" stellt sich doch in jedem Bereich des Schreibens - ich habe je nach Literaturart nur unterschiedliche Möglichkeiten, Formen und Tiefen, mein Sagen auszudrücken.

 

In meinem letzten "leichten Unterhaltungsroman" haben Leserinnen Lebenshilfe gefunden, was ich zu sagen hatte, kam eben leicht, einfach verständlich und drum auch ziemlich pastos daher. Ich hätte, könnte ich Hochliteratur schreiben, vielleicht nichts anderes zu sagen gehabt, nur hätte ich andere Möglichkeiten, davon zu sprechen - und damit auch andere Aussagemöglichkeiten.

 

Und wenn einer kommt und sagt: Ich möchte "nur" unterhalten und alles andere ist mir wurscht, dann hat auch der etwas zu sagen - nämlich vielleicht: Schaut, die Welt ist so grau und trist und stressig, wir haben ein Recht darauf, das alles für Stunden zu vergessen und es uns gut gehen zu lassen.

Einer, der am Fließband nur als "Job" schreibt, sich als Produzent versteht, der hat vielleicht zu sagen: Schreiben ist ein schöner Job, Bücher sind eine Ware und Texte können Familien ernähren.

 

Bitte sagt mir jetzt nicht, dass kein Autor sich je diese wichtige Frage stellt. Ich tu das nämlich sogar bei meinen Zitateauswahlbüchern. ;) Und ich wünschte, ich hätte eine noch viel größere Vielfalt an Möglichkeiten und Mitteln, das, was ich zu sagen habe, zu schreiben.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich denke, das Geheimnis ist zu einem großen Teil Subtext. Nichtgesagtes sagt viel mehr, als Gesagtes. Das fängt im Kleinen an, bei der Adjektivvermeidung (die Beschreibung von Wut ist immer stärker als ihre Behauptung), und hört im Großen da auf, wo das Thema nicht benannt werden muss, um stark zu sein. Beispielhaft ist hier für mich H.Böll, der fast immer Einzelschicksale zeichnet um uns einen Blick auf gesellschaftliche Verhältnisse zu erlauben.

 

Insofern stimme ich natürlich der Aussage zu, dass die Geschichte nicht von der Sprache und vom Konzept eines Romans zu trennen ist.

 

JA!

 

Dem habe ich gar nichts mehr hinzuzufuegen.

(Die E- oder U-Debatte wollte ich nicht zwingend ausschliessen, nur betonen, dass ich an alles, was ich konsumiere, diesbezueglich die gleichen Ansprueche und Fragen stelle.)

 

Weshalb ich als naechstes fragen will:

Wie geht's Euch selbst als Autoren (sofern diese Frage fuer Euch relevant ist)?

Seid Ihr Euch immer sicher, etwas "zu sagen" zu haben, oder zweifelt Ihr daran?

Erkennt Ihr in Euren Romanen ein Grundthema/eine Grundgeschichte oder wisst Ihr sogar, dass Ihr ein solches habt?

 

Herzliche Samstagsgruesse.

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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(Peter_Dobrovka)

Edit: Ich sehe, es haben sich wieder zwischenzeitlich ein Dutzend Postings geschrieben, während ich das jetzt geschrieben habe, man möge mir verzeihen, wenn ich auf Dinge Bezug nehme, die schon geklärt wurden.

 

 

Ich kann mich gar nicht beteiligen, weil mir die Geschichte schnurzpiepegal ist. Es sind eh schon alle Geschichten erzählt, was solls also?

Wichtig ist für mich nur, wie die Geschichte erzählt wird, ob ich sie schon kenne oder nicht.

Ein für mich sehr mysteriöser Beitrag. Schon an und für sich versetzt es mich in Erstaunen, wie jemandem die Geschichte egal sein kann, und daß nur wichtig ist, wie sie erzählt wird. Aber dann noch: ob du sie schon kennst oder nicht? Ist es denn interessanter, wenn du sie schon kennst oder ist es genau umgekehrt? Und egal wie die Antwort lautet, ich halte sie für unvereinbar mit der Aussage, daß dir die Geschichte egal ist. Das mußt du schon näher erläutern.

 

Allgemein:

Daß jede Geschichte schon mal erzählt wurde, ist eine jener merkwürdigen Sinnsprüche, die einerseits völlig richtig sind - und andererseits doch wieder nicht. Je nach dem, von welcher Seite man es betrachtet.

Geht man nach den Grundmustern von Geschichten, wie z.B. "Der Prota tritt eine Reise an, die ihn verändert" oder "Ein Fremder kommt in die Stadt und bringt alles durcheinander" oder "Zwei verlieben sich, aber die äußeren Umstände verhindern die Erfüllung", dann wird es in der Tat enorm schwierig, noch irgendetwas Neues unter der Sonne zu finden.

Fragt sich natürlich, inwieweit das irgendwer verlangt hat. Man liest diesbezüglich hin und wieder den Ruf nach mehr Originalität, aber ich halte das für sporadische Einzelmeinungen.

Ich bin z.B. ein großer Fan der Artussage und lese (so ich denn dazu komme) alles, was mir unter die Finger gerät. Es ist immer dieselbe Geschichte, und ich weiß den groben Verlauf schon, bevor ich das Buch aufgeschlagen habe.

Aber ist es wirklich immer dieselbe Geschichte? Nein, im Detail ist sie es dann wieder nicht. Es ist im Gegenteil immer eine andere.

Ähnliches gilt für die Nibelungensage.

Geht das in Heinz-Werners Richtung? Weiß nicht. Die Geschichte ist mir deswegen keineswegs egal, denn z.B. Geschichten über Männer, die in Einkaufszentren über den Sinn des Lebens philosophieren, mag ich nicht einmal in einer einzigen Variante lesen.

 

Einschub:

Und noch mal zur Frage der Sprache. Des Stils. Man kennt mich ja als recht akribischen Detailkritiker, weshalb man versucht ist, zu folgern, daß ich großen Wert auf die Sprache lege und deshalb so tief ins Detail zu gehen vermag.

Das stimmt eigentlich gar nicht. Bzw. es stimmt nur für die ersten paar Sätze eines Textes. Die ersten Sätze müssen mich in die Geschichte ziehen; wenn die handwerklich nicht gut sind, fällt mir das IMMER auf.

In dem Moment, in dem ich in die Geschichte gezogen wurde, wird aus dem Lektor ein Genießer, und der akribische Blick trübt sich. Nur bei wirklich argen Patzern, die mich wieder aus dem Lesefluß reißen, schaltet das Lektormodul sich wieder ein.

Ganz scharf formuliert: Wenn ich in den Textkritiken viel an den Sätzen bastele, stimmt etwas mit der Geschichte als solche nicht. Ich wurde nicht eingesaugt und habe zuviel Muße, an den Sätzen zu basteln. Die Geschichten, die mich packen, packen mich und ich bin weg.

Kennt das einer? Ich bin versucht, zu behaupten, daß das für sehr viele Leser gilt, und daß das vom Genre unabhängig ist.

Einschub Ende.

 

Damit wir nicht aneinander vorbeireden, wäre dann noch abzugrenzen, was zur Geschichte gehört, und was zum Wie des Erzählens gehört. Was ich immer problematisch fand und finde, ist, wenn jemand den Plot in einem Satz zusammenfaßt und dann sagt: "Das hört sich doch sehr unspektakulär an, oder? Und doch wurde es ein Erfolg."

Was hier schon gesagt wurde: Die Geschichte und die Handlung sind nicht gleichzusetzen, bzw. auch die Handlung und ihre zusammenfassende Abstraktion sind nicht gleichzusetzen. So ein Roman besteht aus vielen Handlungen. Und nicht immer kann man eine davon als Haupthandlung abgrenzen, bzw. man erklärt sie zur Haupthandlung, weil sie von der Buchstabenzahl her den meisten Raum einnimmt oder als einziges von Anfang bis Ende des Buches vorzufinden ist. Wenn ich da an die Schachnovelle denke: Die Handlung/Geschichte ist nicht nur, daß da Leute auf einem Schiff Schach spielen, sondern auch, daß da einer in Isolationshaft solange mit sich selber Schach spielte, bis er einen Knacks abbekam - und das ist der weitaus interessantere Teil der Geschichte!

Diese ganzen Hintergründe von Geschehnissen, "Nebenhandlungen" und Motive der Figuren sind es oft genug, die die Geschichte interessant machen, während der Erzählstrang der Erzählgegenwart, der die Hauptfigur betrifft, nur als ein roter Faden zu betrachten ist, der alles zusammenhält. Ihn in einem Satz zusammenzufassen und damit den ganzen Roman zusammenzufassen, tut dem Roman schreiendes Unrecht an.

 

Peter

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Weshalb ich als naechstes fragen will:

Wie geht's Euch selbst als Autoren (sofern diese Frage fuer Euch relevant ist)?

Seid Ihr Euch immer sicher, etwas "zu sagen" zu haben, oder zweifelt Ihr daran?

Erkennt Ihr in Euren Romanen ein Grundthema/eine Grundgeschichte oder wisst Ihr sogar, dass Ihr ein solches habt?

 

 

Hallo,

 

ich klinke mich mal genau hier ein und greife begierig nach diesen Fragen. Ein Grundthema bzw. eine Grundgeschichte - es fühlt sich für mich an, als meinte Charlie das Zwischenmenschlich-schwer-Greifbare, das ich in jeder guten Geschichte haben will. Ich will wissen, was die Figuren bewegt.

 

Beispiel:

in meinem aktuellen Roman geht es nicht nur, sondern auch um die Freundschaft zwischen zwei Männern, die sich im Machtgefüge beide ihr Plätzchen suchen müssen und das auf sehr unterschiedliche Art tun. Beide sind mir inzwischen irre ans Herz gewachsen, ich liebe sowohl den einen, der etwas düster herüberkommt, als auch den anderen, den ich mehr als Lichtgestalt begreife. Und etwas eint diese beiden Männer, und es scheint mir nicht logisch, das auf pure, etwas weitläufige Verwandtschaft zu schieben, nein, ich möchte ergründen, warum sie wirklich diese Freundschaft pflegen und sie ihnen wichtig war bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Und ich möchte dann auch wissen, warum es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. (aber das ist eine andere Geschichte ... Die erzähle ich dann ein andermal)

 

Was ich damit sagen möchte: durch jede für mich schlüssige, gute Geschichte ziehen sich diese zusätzlichen Geschichten. Ich will nicht wissen, wer der Mörder ist, sondern warum er sich zu dieser Tat hat hinreißen lassen. Das möchte ich als Autorin erst verstanden haben, bevor ich mich daran mache, dem Leser ein Bild davon zu zeigen. (mehr kann ich ja eh nicht, mit meinen bescheidenen sprachlichen Mitteln) Ich will etwas sagen, etwas zeigen, und ja, ich will auch immer ein Stückweit mich selbst in die Geschichte einbringen, ohne jetzt auch den Trip zu kommen, therapeutisch-seelenklempnerisch mein Inneres nach außen zu stülpen.

 

Liebe Grüße

Juliane

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Hallo,

eine Sache, die mir gerade aufgrund der Neiddebatte im Nachbarthread noch mal deutlich wird. Ich habe hier ja schon mal geschrieben, dass mir eine Geschichte "weh tun muss"; ich würde das ergänzen mit: Ich bin nahezu süchtig nach starken Emotionen, obwohl oder gerade wenn diese negativ, irrational oder destruktiv sind.

Eine Geschichte, die ausschließlich aus guten und edlen Menschen besteht, die immer reflektiert und anständig und fröhlich und lebensbejahend handeln, würde ich weder erzählen noch lesen wollen, genausowenig wie solche, in denen diese Gefühle viel zu eindimensional, weil auf einem schlichten Schwarz-Weiß-Schema beruhend, geschildert werden.

 

Das trifft da, was Juliane hier eben geschildert hat - die Frage, "warum" jemand so handelt. Das führt bei immer zum drang, im Charakter eines Menschen zu "wühlen", auch auf die Gefahr hin, dabei richtig dreckig zu werden.

 

Liebe Grüße,

Julia

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Ich bin z.B. ein großer Fan der Artussage und lese (so ich denn dazu komme) alles, was mir unter die Finger gerät. Es ist immer dieselbe Geschichte, und ich weiß den groben Verlauf schon, bevor ich das Buch aufgeschlagen habe.

Aber ist es wirklich immer dieselbe Geschichte? Nein, im Detail ist sie es dann wieder nicht. Es ist im Gegenteil immer eine andere.

Ähnliches gilt für die Nibelungensage.

 

Das gilt auch für etliche historische Romane, die auf Tatsachen beruhen und Protas haben, die es wirklich mal gab.

Denk mal an die vielen Bücher über Kleopatra, Nofretete, Alexander der Große ist da auch sehr beliebte Hauptfigur von Autoren, was es alles an Romanen über römische Kaiser gibt, etc.

Wenn es danach geht, dass diese Geschichten schon alle erzählt wurden, bzw. wir aus dem Geschichtsunterricht noch wissen, wie es mit Caesar oder Napoleon zu Ende ging, dürfte keiner sie lesen wollen, bzw. würde kein verlag sich trauen, solche Romane zu veröffentlichen ;)

 

 

In dem Moment, in dem ich in die Geschichte gezogen wurde, wird aus dem Lektor ein Genießer, und der akribische Blick trübt sich. Nur bei wirklich argen Patzern, die mich wieder aus dem Lesefluß reißen, schaltet das Lektormodul sich wieder ein.

Ganz scharf formuliert: Wenn ich in den Textkritiken viel an den Sätzen bastele, stimmt etwas mit der Geschichte als solche nicht. Ich wurde nicht eingesaugt und habe zuviel Muße, an den Sätzen zu basteln. Die Geschichten, die mich packen, packen mich und ich bin weg.

Kennt das einer? Ich bin versucht, zu behaupten, daß das für sehr viele Leser gilt, und daß das vom Genre unabhängig ist.

 

Wenn sie wirklich extrem gut geschrieben sind, lese ich auch Geschichten, deren Thema mich eigentlich überhaupt nicht interessiert oder die ich aus dem ein oder anderen Grund normalerweise nicht mal ansehen würde. Wenn sie mir dann doch in die Hand fallen und ich anfange zu lesen, lese ich sie begeistert weiter.

 

LG

Maren

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Moin Peter,

 

 

Ich sehe, es haben sich wieder zwischenzeitlich ein Dutzend Postings geschrieben, während ich das jetzt geschrieben habe, man möge mir verzeihen, wenn ich auf Dinge Bezug nehme, die schon geklärt wurden.

 

 

Du beschreibst ganz gut eines Grundproblem, die ich in diesem Forum habe :s22

 

 

Aber dann noch: ob du sie schon kennst oder nicht? Ist es denn interessanter, wenn du sie schon kennst oder ist es genau umgekehrt?

 

 

Ich hätte vermutlich "egal" dazuschreiben sollen. Es ist mir Wurscht, ob ich die Geschichte schon kenne oder nicht.

 

 

Ich bin z.B. ein großer Fan der Artussage und lese (so ich denn dazu komme) alles, was mir unter die Finger gerät. Es ist immer dieselbe Geschichte, und ich weiß den groben Verlauf schon, bevor ich das Buch aufgeschlagen habe.

 

 

Ein schönes Beispiel für meine These. Meines Wissens zweifel man heute nicht mehr daran, dass die Artussage auf den Werken von Geoffrey of Monmouth beruht. Alles schon mal dagewesen.

 

 

Was hier schon gesagt wurde: Die Geschichte und die Handlung sind nicht gleichzusetzen, bzw. auch die Handlung und ihre zusammenfassende Abstraktion sind nicht gleichzusetzen. So ein Roman besteht aus vielen Handlungen. Und nicht immer kann man eine davon als Haupthandlung abgrenzen, bzw. man erklärt sie zur Haupthandlung, weil sie von der Buchstabenzahl her den meisten Raum einnimmt oder als einziges von Anfang bis Ende des Buches vorzufinden ist.

 

 

Ich denke schon, dass ich die Abstraktion als Geschichte bezeichne. Was ist (sind) denn die 'Geschichten' in der Nibelungensaga?

 

Egal, was du im Leben tust: Du wirst dafür bezahlen müssen!

 

Egal wie perfekt du bist, du bist nicht perfekt!

 

Okay, da gibts vermutlich noch ein paar mehr, aber auch die waren zur Zeit als die Sage entstanden ist alle schon erzählt. Na und? Die Nibelungen sind (völlig zu Recht) ein Riesenerfolg geworden. Weil sie - für damalige Verhältnisse - sensationell gut erzählt wurden. Tolle Sprache und hervorragende Dramaturgie. Chapeau!

 

 

Wenn ich da an die Schachnovelle denke: Die Handlung/Geschichte ist nicht nur, daß da Leute auf einem Schiff Schach spielen, sondern auch, daß da einer in Isolationshaft solange mit sich selber Schach spielte, bis er einen Knacks abbekam - und das ist der weitaus interessantere Teil der Geschichte!

 

 

Zwei Abstraktionen als Vorschlag: Egal, was du im Leben tust: Du wirst dafür bezahlen müssen! Egal wie perfekt du bist, du bist nicht perfekt! (Okay, es gibt noch ein paar mehr, geschenkt.)

 

Ich habe den Eindruck, wir reden da immer noch aneinander vorbei. Für mich erzählen z.B. all die historischen Romane nach dem "Die Xyzin"-Muster dieselbe Geschichte. Da gibt es dann wenige die ich mag (z.B. die Walfängerin) und viele die mir egal sind. Und das liegt eindeutig an der Sprache und an der Dramaturgie. Denn ich fand schon Kapitän Ahab nicht sonderlich interessant, seine Frau noch viel weniger ... trotzdem liebe ich die Walfängerin.

 

Ich stelle fest, dass so ein Thema sehr schwer auf diese Art zu diskutieren ist, eigentlich müsste man sich dabei gegenüber sitzen.

 

Gruß

 

HW

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(Peter_Dobrovka)

Aber dann noch: ob du sie schon kennst oder nicht? Ist es denn interessanter, wenn du sie schon kennst oder ist es genau umgekehrt?

Ich hätte vermutlich "egal" dazuschreiben sollen. Es ist mir Wurscht, ob ich die Geschichte schon kenne oder nicht.

Okay. Ich hätte mir zwar eine andere Antwort gewünscht, aber das ist mein persönliches Pech.

 

Ich bin z.B. ein großer Fan der Artussage und lese (so ich denn dazu komme) alles, was mir unter die Finger gerät. Es ist immer dieselbe Geschichte, und ich weiß den groben Verlauf schon, bevor ich das Buch aufgeschlagen habe.

Ein schönes Beispiel für meine These.

Welche jetzt?

 

Was hier schon gesagt wurde: Die Geschichte und die Handlung sind nicht gleichzusetzen, bzw. auch die Handlung und ihre zusammenfassende Abstraktion sind nicht gleichzusetzen. So ein Roman besteht aus vielen Handlungen. Und nicht immer kann man eine davon als Haupthandlung abgrenzen, bzw. man erklärt sie zur Haupthandlung, weil sie von der Buchstabenzahl her den meisten Raum einnimmt oder als einziges von Anfang bis Ende des Buches vorzufinden ist.

Ich denke schon, dass ich die Abstraktion als Geschichte bezeichne. Was ist (sind) denn die 'Geschichten' in der Nibelungensaga?

Egal, was du im Leben tust: Du wirst dafür bezahlen müssen!

Egal wie perfekt du bist, du bist nicht perfekt!

Das sind Prämissen. (Ich hoffe, es holt jetzt keiner wieder die Frey-Keule raus.)

Wenn du die Prämisse (oder meinetwegen die Abstraktion) als die Geschichte bezeichnest, dann reden wir in der Tat aneinander vorbei und dann nimmt es auch nicht wunder, wenn dir die Geschichte egal ist. Die Prämisse ist mir nämlich auch egal. Na gut, vielleicht nicht völlig, aber ginge jetzt unnötig ins Detail.

 

Die Geschichte, wie ich denke, daß die meisten Thread-Beteiligten - und vor allem Charlie, die Thread-Inhaberin - sie verstehen, ist das komplexe Gedankengebäude eines Romans, welches aus den darin beschriebenen Geschehnissen (Handlung) besteht sowie den ihnen zugrundeliegenden Gründen und Zusammenhängen.

Sollte ich hier falsch liegen, sollte man mich dringend korrigieren.

 

Ich habe den Eindruck, wir reden da immer noch aneinander vorbei. Für mich erzählen z.B. all die historischen Romane nach dem "Die Xyzin"-Muster dieselbe Geschichte. Da gibt es dann wenige die ich mag (z.B. die Walfängerin) und  viele die mir egal sind. Und das liegt eindeutig an der Sprache und an der Dramaturgie. Denn ich fand schon Kapitän Ahab nicht sonderlich interessant, seine Frau noch viel weniger ... trotzdem liebe ich die Walfängerin.

Ahab hatte eine Frau?

Okay, also wenn ich das jetzt richtig verstehe: Die Walfängerin erzählt dieselbe Geschichte wie alles xy-in Romane, ist aber sprachlich und dramaturgisch auf eine Weise verfaßt, die dir gefällt, und die anderen nicht?

Fast hätte ich geschrieben, daß ich dir das nicht abnehme, aber wenn ich "Geschichte" durch "Prämisse" substituiere, wird es sofort nicht nur nachvollziehbar, es wird trivial.

Wobei da noch eine Lücke in der Argumentationskette klafft. Wenn für dich die Geschichte die Abstraktion ist und darüberhinaus nur Sprache und Dramaturgie als Faktoren existieren, dann fehlt mir da etwas ganz Wichtiges. Nämlich das, was ich selbst als "die Geschichte" bezeichne.

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Moin Peter,

 

 

Wenn du die Prämisse (oder meinetwegen die Abstraktion) als die Geschichte bezeichnest, dann reden wir in der Tat aneinander vorbei und dann nimmt es auch nicht wunder, wenn dir die Geschichte egal ist. Die Prämisse ist mir nämlich auch egal. Na gut, vielleicht nicht völlig, aber ginge jetzt unnötig ins Detail.

 

 

Wow! Wir sind einer Meinung :s22

 

Ich denke, es gibt einfach eine Anzahl von 'Geschichten', die erzählt werden können, und es ist mir egal, um welche davon es in dem Buch geht. Es gibt ohne Zweifel auch Bücher, die keine solche Geschichte erzählen. Die mag ich nicht lesen. Hera Lind kann m.E. hervorragend solche Bücher schreiben (Frau sucht Mann, erlebt viele Abenteuer und findet (k)einen. Auch bei Mädchenbüchern gibt es das oft (Mädchen fährt auf den Ponyhof, erlebt viele Abenteuer und fährt wieder nach Hause). Wenn jemand das mag: Oaky. Aber nicht für mich, bitte.

 

 

Die Geschichte, wie ich denke, daß die meisten Thread-Beteiligten - und vor allem Charlie, die Thread-Inhaberin - sie verstehen, ist das komplexe Gedankengebäude eines Romans, welches aus den darin beschriebenen Geschehnissen (Handlung) besteht sowie den ihnen zugrundeliegenden Gründen und Zusammenhängen.

Sollte ich hier falsch liegen, sollte man mich dringend korrigieren.

 

 

Könnte an das den Plot nennen? Ich denke, auch hier muss man noch mal trennen. Mir ist es Wurscht, ob ein Roman in Südamerika spielt oder in Europa. Es ist mir auch egal, wie alt der Prota ist, ob es um Liebe oder um Feindschaft zwischen Menschen geht. Wichtig ist mir die Sprachebene (und natürlich sind glaubhafte Charaktere eine Frage der Sprache, sonst wären Langdon, Fache und Sophie bei Dan Brown nämlich lebendig) und die 'Spannungsebene'.

 

Also, egal was so passiert, bei Figurencharakterisiserung mittels Adjektivanhäufung fliegt das Buch in die Ecke, ebenso wenn der Autor den Gott aus der Maschine kommen lässt. Dies sind natürlich nur die hervorstechendsten "Fehler" in solchen Büchern. Es gibt viele, viele mehr.

 

 

 

Wobei da noch eine Lücke in der Argumentationskette klafft. Wenn für dich die Geschichte die Abstraktion ist und darüberhinaus nur Sprache und Dramaturgie als Faktoren existieren, dann fehlt mir da etwas ganz Wichtiges. Nämlich das, was ich selbst als "die Geschichte" bezeichne.

 

 

Ich glaube, ich komme langsam dahinter, was du meinst. Um bei einem Buch zu bleiben, das wir vermutlich beide kürzlich gelesen haben: Kann es sein, dass Heiko all die wunderbar schrulligen Geschichten um Jakob McGhee nur aufgeschrieben hat, damit ich am Ende sagen kann "Der Kerl hat Recht. Erwachsenwerden ist unheimlich schwierig und tut manchmal ziemlich weh! Fast hätte ich das vergessen."?

 

Du glaubst nicht, wei egal es mir z.B. ist, ob das Buch in den 70'ern des vergangenen Jahrhunderst in den USA, im Jahre 2000 c.Chr. in China oder im Jahre 6412 auf Andromeda spielt. Hauptsache es beschreibt die Welt glaubhaft (Sprachebene) und spannend (Dramaturgieebene).

 

Ich habe das Gefühl, wir sind gar nicht so weit voneinander weg. Und wir sind mittlerweile ziemlich alleine :s22

 

Schönen und sonnigen Sonntag

 

HW

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(Peter_Dobrovka)

Hm, nein, kenne besagten McGhee leider nicht.

Ist es mir egal, ob ein Buch in China oder in Spiralnebel 101 spielt? Hm, eine verdammt schwere Frage. Irgendwie ja und irgendwie auch nein. Aber der Schauplatz ist auch nur ein kleiner Teil der Geschichte.

 

Ich komme mal zurück zur Eingangsfrage.

 

- Ich will Geschichten (lesen/schreiben), die mich in Welten entführen, in denen ich mich nicht langweile. Das kann eine Sklavengaleere sein, ein Raumschiff, ein Krieg, ein Königspalast. Und wenn möglich, bitte mehrere Schauplätze. Keine Kammerspiele.

 

- Ich will Geschichten, die Extremsituationen beschreiben. Die von großen menschlichen Dramen handeln. Und ich will wissen, wie die Menschen sich in diesem Drama fühlen. Ich will ihren Schmerz fühlen, aber auch ihre Freude, wenn sie etwas zum Guten wendet. Ich will ihre Hoffnungen teilen und ihre Pläne mitschmieden. Mich mit ihnen freuen, wenn sie gelingen und ärgern, wenn sie mißlingen, und mich fürchten, wenn sie in der Katastrophe enden.

 

- Ich will KEINE Geschichten, die ich in meinem realen Leben erleben könnte. Das Setting mag gerne in der Welt angesiedelt sein, die ich kenne, aber es gibt für mich nichts Langweiligeres als das Leben, das ich täglich um mich habe. Um das zu haben, brauche ich kein Buch.

 

Den Anspruch, den ich an Sprache, Stil und Dramaturgie habe:

 

- Konsequenz: Ich hasse es, wenn ich bemerke, daß der Autor seine Figuren und den Zufall so lenkt, wie es ihm paßt und nicht, wie es naturgemäß laufen sollte. Wenn Konflikte weichgespült werden oder in unglaubwürdiger Weise aufgelöst.

 

- Innere Logik: Ich bin kein wirklich aufmerksamer Leser in dieser Hinsicht, aber wenn ich Dinge entdecke, die nicht stimmig sind, versalzt mir das den Roman sofort und unwiederbringlich.

 

- Tatsachen sollen stimmen: Ich bin besonders empfindlich auf psychologische und medizinische Fehler. Und natürlich auch sonst auf alles, von dem ich zufällig etwas Ahnung habe.

 

- Nüchterner Stil. Ich bevorzuge beim Lesen die emotionslose Kamera. Die beschreibt, was Sache ist und mir die Interpretation und Wertung des Geschehens überläßt.

 

- Kürze an den Stellen, die mich nicht interessieren und Ausführlichkeit an den Stellen, die mich interessieren: Das ist ein enorm individueller Anspruch. Ich lese gerne architektonische und technische Details. Ich lese ungerne Details übers Essen. Ich lese mühelos und gerne die seitenlange Beschreibung einer Frau und bei einem Mann sind mir schon sechs Zeilen zuviel.

 

Das gilt alles nicht nur für mich als Leser, sondern auch als Autor. Ich will Geschichten schreiben, wie ich sie selbst gerne lesen möchte. D.h. der wichtigste Leser meiner Geschichten bin ich selbst. Allerdings, das gebe ich zu, diszipliniere ich mich ein wenig im Hinblick auf den Punkt mit dem Interessieren und versuche da mit Blick auf die Zielgruppe einen gemeinsamen Nenner zu finden. Der liegt dann zumeinst doch darin, daß ich mich kurz fasse.

 

Peter

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Das Setting mag gerne in der Welt angesiedelt sein, die ich kenne, aber es gibt für mich nichts Langweiligeres als das Leben, das ich täglich um mich habe. Um das zu haben, brauche ich kein Buch.

 

Peter

 

Ich ja!

Jetzt habe ich diesen Unterschied, den ich zuvor nicht zusammengefasst bekam, greifbar.

Fuer mich ist es ganz genau umgekehrt, schon immer gewesen.

Ich kann zur Not jedes Setting akzeptieren, solange dahinter das Leben steckt, das ich um mich habe. Ich brauche Buecher nur dazu. Aber dazu brauche ich sie und habe sie immer gebraucht: Um in dieses Leben, das einzige, das mich interessiert, tiefer einzudringen, mich untrennbarer mit ihm verbunden zu fuehlen, um zu lernen, dieses "Stirb und Werde" zu haben und in mich aufzunehmen.

 

Das sind die einzigen Geschichten, die mich interessieren, weshalb ich eben will, dass mir die gleichen Geschichten immer und immer wieder erzaehlt werden, Geschichten vom Geborenwerden und Gebaeren, vom Lieben, vom Begehren, vom Kaempfen, vom Scheitern, vom Ueberleben, vom Sterben, vom Toeten: Geschichten, denen ich - egal in welchem Koenigspalast oder von mir aus auch Raumschiff sie spielen - hundertprozentig glaube, dass sie von diesem einen Leben, an das ich glaube, handeln.

 

Wenn ich geschrieben habe, Sprache und Struktur muessten sich dem unterordnen, so war das keine Konzession. Im Gegenteil, fuer mich bedeutet es, dass diese beiden keine eigenen Salti schlagen, sondern alle Kraft, die der Schriftsteller aufbringen kann, in den Dienst des Erzaehlten stellen. Ich erwarte eine Sprache und eine Struktur, die dem Erzaehlten angemessen ist, was eben zur Folge hat, dass ich kein Geschlampe nachsehe (es sei denn, ich lese aus rein beruflichem oder kollegialem Interesse und mit dem, was ihr "Lektorenblick" nennt. Dann fesselt mich aber das Buch eben nicht). Eine Wiederholung, eine einzelne Redundanz - sicher. Ein Sprachklischee, einen selbstverliebten Schmatzer - niemals.

 

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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(Peter_Dobrovka)

Ich habe Angst, daß wir aneinander vorbeireden, Charlie. Auch du interessierst dich, wenn ich deine Zeilen richtig interpretiere, für die "großen Sachen" des Lebens.

 

Wenn ich vom alltäglichen Leben spreche, dann meine ich Aufstehen, zur Arbeit gehen, die täglichen Reibereien mit Kollegen und dem Chef, den Streß des Autofahrens und Parkplatzfindens, die Freuden und Leiden der Kindererziehung und das richtige zum Anziehen und Essen zu finden, übers Wetter und Fernsehen zu reden und mit dem Nachbarn wegen eines Gartenzaunes einen Prozeß zu führen.

Das Alltägliche, Banale ermüdet mich, langweilt mich, laugt mich aus, raubt mir die Lebensfreude und den Atem. Ich wünschte, ich hätte ein Leben, das größer ist als das Leben, aber da ich es nicht haben kann, will ich es wenigstens nicht auch noch im Buch wiederfinden.

 

Peter

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Ich moecht' kein Leben haben, das groesser ist als meins. Ich find' mein kleines groesser, als ich's fassen kann. Deshalb brauch ich mein kleines Leben lang Buecher dazu.

Wie wir uns in unser kleines Leben krallen,

wie wir aus Mehl Pfannenkuchen machen,

wie wir ungetragene Kleider rauskramen, um unsere Toten zu begraben,

wie wir unsern Kindern erzaehlen, was wir selbst nicht wissen,

wie wir klammheimlich unserm kleinen Aberglauben froehnen,

und die Haende hinterm Ruecken verstecken,

wie wir uns aufblaehen,

um zu verstecken, wie wir uns fuerchten,

ja, das moecht' ich gern leben und lesen, und anderes weiss ich nicht.

 

Eine kluge Kollegin hat an meinem Text gerade kritisiert: "Wo ist denn der Wischiwaschi-Anteil am Leben dieser Leute?"

Diese Kritik finde ich sehr klug.

Wenn es ein Schriftsteller schafft, mich mit dem Wischiwaschi-Anteil (Brighton Rock! Schon mal gelesen und nicht geheult? Ich noch nie.), mit dem kleinen Leben, mit dem, was ich glauben kann, komplett durchzuruetteln, dann will ich mich von dem Buch nicht mehr trennen. Und das mach' ich dann auch meist nicht mehr. (Gerade "Fruechte des Zorns" zum x-ten Mal beendet und gerade mit Steinbeck-begeistertem Sohn - 19 - beschlossen, dass wir diese Mehl-Pfannenkuchen an Karfreitag essen muessen.)

 

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Weil ich gerade Euch, Charlie und Peter, beide so gut verstehe, möchte ich gern meinen Senf dazu geben.

Es gibt im Leben Dinge, die haben einen "existenziellen" Geschmack. Das können die vermeintlich großen Dinge sein (Liebe, Scheitern, Schicksalsschläge, Wendpunkte etc.), aber das können auch ganz normale, alltägliche Dinge "atmen" (eben auch das Pfannkuchen-Backen).

Dinge also, die uns in unserer Existenz berühren.

Und dann gibt es Dinge, die wir ganz oberflächlich ausführen/erledigen, weil sei uns eigentlich nerven, nicht wirklich interessierne, uns kalt lassen, einfach zur Routine gehören.

 

In Büchern will ich über existenzielle Dinge hören. Es stört mich nicht, wenn sie mal "klein" sind. Aber sie müssen mich emotional bewegen. Rein technischer Ablauf von Alltag gehört für mich nicht dazu - ohne diesen generell entwerten zu wollen.

 

Liebe Grüße,

Julia

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(Peter_Dobrovka)

Es gibt im Leben Dinge, die haben einen "existenziellen" Geschmack. Das können die vermeintlich großen Dinge sein (Liebe, Scheitern, Schicksalsschläge, Wendpunkte etc.), aber das können auch ganz normale, alltägliche Dinge "atmen" (eben auch das Pfannkuchen-Backen).

Dinge also, die uns in unserer Existenz berühren.

Und dann gibt es Dinge, die wir ganz oberflächlich ausführen/erledigen, weil sei uns eigentlich nerven, nicht wirklich interessierne, uns kalt lassen, einfach zur Routine gehören.

 

In Büchern will ich über existenzielle Dinge hören. Es stört mich nicht, wenn sie mal "klein" sind. Aber sie müssen mich emotional bewegen. Rein technischer Ablauf von Alltag gehört für mich nicht dazu - ohne diesen generell entwerten zu wollen.

"Existentielle Dinge" ...

Das finde ich einen sehr klugen gemeinsamen Nenner.

 

Peter

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