Zum Inhalt springen
Quidam

Brutalität

Empfohlene Beiträge

Hallo Leute,

 

ich frage mich derzeit, wie brutal ich in der Geschichte sein darf. Derzeit schreibe ich an Szenen, die von meinem Antagonisten handeln. Und der ist sehr brutal. Um das zu verdeutlichen, schmücke ich die Szenen natürlich aus. Der Leser soll nicht nur lesen, dass die Figur brutal ist - er soll es spüren.

 

Es handelt sich bei der Figur um eine menschengroße Hornisse, die sich in eine Meerjungfrau verliebt hat. Eine Szene: Sie fühlt sich von der Hornisse gestalkt und weist ihn zurück. Das macht ihn rasend und er lähmt sie daraufhin mit seinem Gift. Als sie wehrlos vor ihm liegt, beginnt er, sie zu zerkratzen. Und dieses Zerkratzen geht über ne halbe Seite, bis er mit seinem Stachel von Wange, tief ins Auge, bis zur Stirn ihr die Pupille zerfetzt.

 

Der Leser ist dann meiner Meinung nach immer ziemlich angespannt, wenn er von dieser Figur liest, weil ihm da brutale Szenen begegnen könnten. Und diesen Effekt will ich natürlich erreichen. Und auch den, dass er erst recht Angst um die Figuren hat, die ihm ans Herz gewachsen sind. Andererseits könnte ich auch damit erreichen, dass der Leser so etwas nicht lesen will - und das Buch beiseite legt. :s03

 

Wieviel Brutalität ist erlaubt - in Büchern, die nicht unter Horror gelistet werden? Oder soll ich es lediglich mit einem Satz abhandeln: Daraufhin zerkratzte Uldin der Meerjungfrau den Körper, das Gesicht, zerfetzte schlußendlich ein Auge ...

 

Grüße

Quidam

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wieviel Brutalität ist erlaubt - in Büchern' date=' die nicht unter Horror gelistet werden?[/quote']

 

Für mich ganz schnell und einfach zu beantworten, Quidam ...solange mir die Motivation der Figuren klar ist, ziemlich viel. Allerdings dürfte so ein Brutalo nicht Sieger am Ende der Geschichte sein.

Allerdings ist es für mich ein Unterschied, ob ein Hornissenmesch beschrieben wird oder ein menschlicher Stalker und sein Opfer. Bevor Pupillen aufgeschlitzt und beispielsweise Gehirn gefressen wird, würde ich ausblenden - auch als Leser.

 

Grüße

Christa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Bei "Folter live" steigen ca. 80% aller Leser aus. Man muß solche Sachen subtiler angehen, und selbst dann wirkt es noch nach und die Leser glauben sich, an brutale Szenen zu erinnern.

Eine beliebte Methode ist es, die eigentlichen Mißhandlungen zu überspringen und nur das Endergebnis zu beschreiben. Wenn zuerst der Folterknecht mit einem Kartoffelschälmesser vor dem Opfer steht, und das in der nächsten Szene keine Haut mehr hat und nur noch ein Auge, ergänzt der Leser ganz automatisch den Vorgang, der dazwischen lag, und er ergänzt ihn ganz gut.

Ansonsten ist es auch möglich, den Vorgang selbst anzudeuten, und zwar nur so viel, daß der Leser genau weiß, was passiert ist, ohne daß es irgendwo steht. Meine ungekrönter Favorit ist dabei diese Passage aus einer Kurzgeschichte von Torsten Sträter:

 

Ich hörte sein Stöhnen und ging wieder rüber.

»Sie alter Fuchs. Clever.«

Ich öffnete die Styroporbox, die ich ihm geliefert hatte und entfernte den Inhalt, ein Rheumahemdchen aus Kaninchenfell. Ich kicherte und betrachtete die Kiste.

Die Größe war gut.

»So. Dann wollen wir mal, hm?«

Er nickte, und ich ließ knackend die Klinge des Teppichmessers hervorschnellen.

»Vielleicht«, sagte ich und ging rüber zum Bett, »stimmt es Sie ja fröhlich, dass er heute Nacht bedeutend besser gelaunt sein wird.«

Er schüttelte den Kopf.

Er schüttelte ihn auch noch, als er das längst nicht mehr hätte tun sollen. Ich rutschte einige Male ab.

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Quid.

 

Ich denke Peter liegt vollkommen richtig. Gib dem Leser die Ausgangssituation und das Ergebnis. Die Gedankenwelt des Lesers wird sich die Szene im einem Detaillierungsgrad ausmalen, die wir mit Show und/oder Tell nie erreichen würden.

Unser Gehirn geht da anscheinend keine Kompromisse ein.

 

Alles Liebe

Roland

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich habe das Problem bei der roten Johanna (unveröffentlich, deshalb schlechtes Beispiel) so gelöst, dass bei dem "Rädern" bevor es stattfindet, ein zuschauender Vater seinem kleinen Sohn (wie bei einem Fußballspiel) den Ablauf erklärt. Die Perspektivträgerin flüchtet, kurz bevor es losgeht vom Hinrichtungsplatz und hört nur noch die Schreie. Ich denke, es wird dadurch deutlich, was passiert ohne es für den Leser zu "unmittelbar" werden zu lassen. Soweit das sich im ganz fantastischen Bereich abspielt (Hornissenmensch gegen - was war es?) kann der LEser mehr Brutalität ertragen, weil es abstakter ist. Bevor ich selbst Kinder hatte, fand ich Bilder aus "Hungerregionen" natürlich auch schon schlimm. Jetzt sind sie für mich eigentlich nicht mehr zu ertragen.

 

Stellen wir uns eine Welt vor, die von lebendigen Dreiecken bevölkert wird.

Ein grausamer Massenmörder geht um, der den Dreiecken die Spitzen abschneidet, weshalb sie keine Dreiecke mehr sind, nicht mehr fressen können und elendig verrecken.

Das kannst du beschreiben, ohne, dass das jemanden schockt.

Rabe

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Die Gedankenwelt des Lesers wird sich die Szene im einem Detaillierungsgrad ausmalen, die wir mit Show und/oder Tell nie erreichen würden.

Das glauben sehr viele. Stimmt zwar überhaupt nicht, aber dem Autor nützt es, also lassen wir sie in diesem Glauben.

 

Was an dem Gedanken zumindest teilweise stimmt: Manche Dinge sind gar nicht so schlimm wie man denkt, daß sie sind. Deswegen ist das Unbehagen stärker, solange man nicht so genau weiß, was einen erwartet.

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Besonders hilfreich bei der Bestimmung, wie weit man bei der Schilderung gewalttätiger bzw. brutaler Szenen gehen kann, ist (einmal mehr) die Lektüre solcher Publikationen, in denen entsprechende Szenen zu beobachten sind. Gerade im Hinblick auf Dein Genre, Quidam, empfehle ich (einmal mehr) Walter Moers, genauer seinen Roman Rumo und die Wunder im Dunkeln, in welchem am laufenden Band gekämpft, getötet und gemetzelt wird, und zwar in unzähligen Variationen und aus dem Fundus einer erstaunlichen Kreativität heraus.

Des weiteren geht es recht blutig zu beispielsweise in Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel (zwecks reiner Recherche zu diesem Thema reicht vermutlich die Lektüre des Schlußkapitels), und auch für den Cyberpunk hätte ich ein Beispiel parat: Perdido Street Station von China Miéville, allerdings muß man die brutalen Szenen im Verhältnis zur Gesamtlänge des Romans schon eher suchen (aber die Lektüre lohnt sich ohnehin!). Eher eklig denn blutig geht es in Mimus von Lilli Thal zu, vielleicht kannst Du auch damit etwas anfangen. Es gibt natürlich noch unzählige weitere Werke, die man anführen könnte ...

 

Den Tip, die brutalen Szenen auszulassen und stattdessen lediglich das Vorher/Nachher zu schildern, halte ich übrigens nur für bedingt hilfreich. Für Folterszenen o.ä. mag das im Kopf des Lesers einigermaßen überzeugend hinhauen, ja sogar eine höhere Schauerwirkung erzielen. Lese ich dagegen eine Kampfszene, so will ich nicht wissen, daß die Kämpfer aufeinander losgehen, um im nächsten Satz zu erfahren, wie sie hinterher aussehen. Sondern ich will die Dramatik des Kampfes mitbekommen. Da darf ruhig Hieb auf Hieb, Aktion und Reaktion geschildert werden. Was die meisten Fantasyautoren übrigens auch tun, angefangen von Tolkien (man lese beispielsweise im Herrn der Ringe die Kampfszene in Moria, wo wir u.a. erfahren, daß Gimli einem Ork die Beine abschlägt) über Christopher Paolini und Markus Heitz und wie sie alle heißen.

 

Übrigens muß ich betonen, daß ich als Leser brutale Szenen nicht zu schätzen weiß. Ich mag es nicht, die Gewaltphantasien des jeweiligen Autors vorgesetzt zu bekommen - das nervt und langweilt mich. Gewalt kann ich auch in der Zeitung nachlesen, darin steht täglich genug Brutales und Blutiges. Das heißt, im Falle des ausrastenden Hornissengenerals würde ich das Buch zuklappen. Spätestens.

 

Als Autor muß ich sagen, daß gewalttätige Szenen gerade in meinem Genre durchaus ihre Existenzberechtigung haben, sofern sie, wie Christa schon angedeutet hat, dramaturgisch schlüssig und durch Motive und Charaktereigenschaften der Figuren funktionsmäßig gedeckt sind. Deshalb gibt es natürlich auch in meinen Büchern Kampf und Gewalt. Warum auch nicht - beides gehört zum Leben (phantastischer Figuren) genauso dazu wie das Essen, das Träumen, die Liebe ...

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Gelegentlich geht das mit den Andeutungen nicht, weil die Gewalt unmittelbarer Bestandteil einer Actionszene ist. Weil dann alles sehr schnell geht, merkt der Leser erst, wenn es zu spät ist, was er da gerade gelesen hat. Zu spät, um das Buch beiseite zu legen, hehe.

Man sollte das allerdings nicht übertreiben, denn der Leser ist nicht dumm und merkt schnell, wenn sich diese Szenen häufen.

 

Edit: Ich sehe, das hat sich mit Manuels Post überschnitten; er hat da den gleichen Standpunkt.

 

Das Brutalste in diesem Zusammenhang, das ich mich erinnere, geschrieben zu haben ist dieses (empfindsame Seelen bitte Augen schließen (jaja, jetzt lest ihr es erst recht, nicht wahr?)):

„Genau“, nickte Dieter. „Also komm, sei friedlich. Wir schalten diesen Funksender ein und lassen uns …“

Weiter kam er nicht. Miguel hob seinen Arm mit der Betäubungspistole und schoß ihm ins Auge.

Dieter schrie auf, mit einer unnatürlich hohen Stimme; taumelte einige Schritte rückwärts. Er griff sich an den Kopf, aber bevor er den Metallstift zu fassen bekam, war Miguel bei ihm und sprang auf seinen Rücken. Der Spanier warf die Pistole weg und drückte mit den unversehrten Hand den Betäubungspfeil noch tiefer in den Schädel. Es quietschte wie nasse Kreide an der Schultafel, und eine ölige Flüssigkeit rann durch Miguels Finger; zuerst klar wie Wasser, dann zunehmend dunkler.

Schließlich erschlaffte Dieters Körper; Miguel ließ ihn fallen und überzog ihn keuchend mit einer Tirade spanischer Flüche und Schimpfwörter.

Sogar ich selbst fühle Unbehagen, wenn ich das lese. Und ratet mal, bei welchem Satz es am meisten weh tut? Tipp: Es ist NICHT der, den man erwarten würde.

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Da ich Brutalität im "wirklichen Leben" verabscheue, erlaube ich mir, sie in Texten zu überlesen.

 

Mag weltfremd sein, aber ich ergötze mich nicht gerne am Leid anderer.

Da es Grausamkeiten aber gibt, kann man sie nicht leugnen, die Frage ist, wie weit man dem Voyeursimus Vorschub leisten will.

Sind sie in meinen Geschichten notwendig, berichte ich distanziert und überlasse es dem Leser, sie sich auszumalen oder nicht.

 

Das gleiche gilt für mich übrigens auch für detailgetreue Sex-Szenen. Die überblättere ich mit gelangweiltem Gähnen.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Quidam,

 

mir geht es ähnlich wie Manuel: Ausschweifende Schilderungen von Brutalität oder die Anhäufung derselben geht mir beim Lesen ziemlich gegen den Strich (ein Punkt, der mir die Freude am "Lied von Eis und Feuer" ziemlich verdorben hat). Ich habe auch nicht den Eindruck, dass man zwangsläufig detaillierte Schilderungen von Gewalt braucht, um Spannung zu erzeugen oder einen Antagonisten gefährlich darzustellen. Das geht auch, indem man im richtigen Augenblick "wegblendet" (wurde hier ja schon genannt) oder bereits misshandelte Opfer (müssen nicht die eigenen Protas sein) auffinden lässt. Auch eine erkennbare Überlegenheit des Antagonisten (der z. B. den Protas immer einen Schritt voraus ist und die besseren Karten hat) wirkt in diese Richtung, ganz ohne offene Gewalt.

 

Liebe Grüße

 

Daniela

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Es quietschte wie nasse Kreide an der Schultafel, und eine ölige Flüssigkeit rann durch Miguels Finger; zuerst klar wie Wasser, dann zunehmend dunkler.

 

Hier habe ich schnell drübergelesen. Ich vermute mal:

 

Schließlich erschlaffte Dieters Körper; Miguel ließ ihn fallen und überzog ihn keuchend mit einer Tirade spanischer Flüche und Schimpfwörter.

 

Back to writing

Christa

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich finde die Antwort absolut nicht originell, aber ich finde sie richtig:

 

Bevor ich solche Szene (oder eine Sexszene. Oder eine Fressszene. Oder oder oder) plane, muss ich mich m.E. so gewissenhaft wie irgend moeglich fragen, nicht ob ich sie brauche, sondern ob meine Geschichte und deren Konzept sie brauchen.

 

Wenn nicht, dann schnitte ich sie. Und der Methoden fuer guten Schnitt sind viele (die von Rabe ist eine besonders kluge, finde ich).

 

Wenn ich aber zu dem Schluss komme, dass die Szene erforderlich ist (weitere interessante Frage: Wann brauche ich solche Szene?) , stehe ich persoenlich zumindest erstmal vor den Tatsachen, dass solche Szenen a) schwieriger zu schreiben sind als andere und b) dass ich kein Meister bin.

Und auch - Gott sei Dank - niemand, der aus Gewalterfahrung am eigenen Leib von der einen oder anderen Seite schoepfen kann.

Sich beider Tatsachen beim Schreiben staendig bewusst zu sein bedeutet fuer mich, verantwortlich mit dem, was ich da beruehre, umzugehen.

 

Als hilfreich fuer die Gestaltung meiner Folterszene fand ich die Beschaeftigung mit Berichten (sowohl von Medizinern als auch von Opfern und Augenzeugen) ueber die tatsaechlichen physischen Vorgaenge. Und ueber die Wirkung.

Ich habe mir die Oertlichkeit angesehen und das Instrument vorfuehren lassen.

Ich wollte meine eigenen Grenzen ueberschritten sehen, um mir klar zu machen, worum es in meiner Szene wirklich geht.

Waehrend dieser Vorbereitung sind in mir zwei Wuensche sehr stark geworden: Zum einen wollte ich nichts verniedlichen (und dazu gehoert fuer mich auf der anderen Seite das Sensationalisieren), zum andern wollte ich dem (an der Folter letztendlich verstorbenen) Opfer gern etwas bewahren. Wuerde vielleicht.

 

Es ist immer noch eine sehr sehr schwierige Szene gewesen.

Und es ist keine vollstaendig gelungene Szene geworden. Aber immerhin eine, mit der ich m.E. verantwortungsbewusst umgegangen bin.

Fuer mich bleibt - im Nachhinein - umso wichtiger, dass ich solche Szenen vermeide, wo sie nicht zwingend erforderlich sind, und dass ich sie nicht vermeide, ihnen nicht ausweiche, wo sie eben dies sind. Das bedeutet zunaechst, dass ich sie mir nicht beschoenige. Und (m.E. sehr guter Hinweis, Rabe) aus einem Menschen nicht, um mich zu schonen, ein abgeschnittenes Dreieck mache.

 

Herzliche Gruesse von Charlie.

 

P.S.: Als auf ein ausgezeichnetes Beispiel fuer eine sowohl unbedingt erforderliche als auch auf eindringliche Weise gelungene Darstellung einer Folterung verweise ich auf Iris Kammerers "Der Tribun".

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Man sollte da noch ein wenig differenzieren.

 

Gewalt ist einer der Elemente, an denen sich die Geister scheiden wie kaum an einem anderen (eventuell noch bei Sex). Manch einer fühlt sich von Gewaltszenen belästigt, andere fühlen sich beim Ausbleiben von Gewalt um eine Art "Spaß" gebracht. Die gesunde Mitte zu treffen ist schwer, da man dazu nicht nur seine eigenen Präferenzen ausblenden muß; es ist auch schwer, da nur wenige Leser dieser Mitte angehören.

 

Bei allen anderen Elementen der Literatur gilt der Grundsatz: Es muß zur Geschichte passen. Hier gilt dagegen der Grundsatz: Es muß zur Zielgruppe passen. Auch extreme Gewalt kann ein völlig natürlicher Bestandteil der Geschichte sein und kein bißchen aufgesetzt sein - die Gegner von Gewalt wird das wenig interessieren.

Gewaltdarstellungen, die sich nicht organisch in die Geschichte integrieren und bei denen ich sofort merke, daß sie nur der Effekthascherei wegen da stehen, langweilen mich. Umgekehrt ärgert es mich, wenn der Autor sich offensichtlich nicht getraut hat, eine Gewalt, die zwingend angestanden hätte, auch zu bringen. Ich unterstelle da schnell Feigheit vor dem Feind.

Nichtsdestotrotz bin ich mir dessen bewußt, daß ich mich da keineswegs in einer sicheren Mehrheit bewege.

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das Brutalste in diesem Zusammenhang, das ich mich erinnere, geschrieben zu haben ist dieses (empfindsame Seelen bitte Augen schließen (jaja, jetzt lest ihr es erst recht, nicht wahr?)):

„Genau“, nickte Dieter. „Also komm, sei friedlich. Wir schalten diesen Funksender ein und lassen uns …“

Weiter kam er nicht. Miguel hob seinen Arm mit der Betäubungspistole und schoß ihm ins Auge.

Dieter schrie auf, mit einer unnatürlich hohen Stimme; taumelte einige Schritte rückwärts. Er griff sich an den Kopf, aber bevor er den Metallstift zu fassen bekam, war Miguel bei ihm und sprang auf seinen Rücken. Der Spanier warf die Pistole weg und drückte mit den unversehrten Hand den Betäubungspfeil noch tiefer in den Schädel. Es quietschte wie nasse Kreide an der Schultafel, und eine ölige Flüssigkeit rann durch Miguels Finger; zuerst klar wie Wasser, dann zunehmend dunkler.

Schließlich erschlaffte Dieters Körper; Miguel ließ ihn fallen und überzog ihn keuchend mit einer Tirade spanischer Flüche und Schimpfwörter.

 

Die Szene konnte ich problemlos lesen und fand sie gar nicht so furchtbar. Bei der mit Mona und dem Bluthund hatte ich dagegen wirklich ein Problem - die war ganz nah an der Grenze zu dem, was ich als zu viel für mich empfunden hätte.

 

Sogar ich selbst fühle Unbehagen, wenn ich das lese. Und ratet mal, bei welchem Satz es am meisten weh tut? Tipp: Es ist NICHT der, den man erwarten würde.

 

Peter

 

ich nehme mal an, Du meinst den hier:

 

"Es quietschte wie nasse Kreide an der Schultafel, und eine ölige Flüssigkeit rann durch Miguels Finger; zuerst klar wie Wasser, dann zunehmend dunkler."

 

Das Geräusch der Schultafel ist so Gänsehaut verursachend.

 

LG

Maren

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Und ratet mal, bei welchem Satz es am meisten weh tut? Tipp: Es ist NICHT der, den man erwarten würde.

Peter, jetzt musst du das Rätsel aber auch auflösen. Ich tippe auf das Gelächter am Ende. Aber es stört mich etwas ganz anderes. Ich halte nämlich das Bild mit der quietschenden Kreide für falsch (nicht, dass ich schon einmal jemandem einen Betäubungspfeil in den Kopf gedrückt hätte). Aber ich habe schon gesehen, wei an Schweineküpfen rumgemacht wird und kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwie einmal "quietscht".

Da habe ich beim Lesen gedacht, dass der Autor einmal ein nicht abgegriffenenes Bild nehmen wollte und hat daneben gegriffen.

Rabe

Edit: Habe gerade gesehen, dass das von dir stammt Peter , oops, sorry :o

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Der Leser ist dann meiner Meinung nach immer ziemlich angespannt, wenn er von dieser Figur liest, weil ihm da brutale Szenen begegnen könnten. Und diesen Effekt will ich natürlich erreichen. Und auch den, dass er erst recht Angst um die Figuren hat, die ihm ans Herz gewachsen sind. Andererseits könnte ich auch damit erreichen, dass der Leser so etwas nicht lesen will - und das Buch beiseite legt.  :s03

 

Wieviel Brutalität ist erlaubt - in Büchern, die nicht unter Horror gelistet werden? Oder soll ich es lediglich mit einem Satz abhandeln: Daraufhin zerkratzte Uldin der Meerjungfrau den Körper, das Gesicht, zerfetzte schlußendlich ein Auge ...

 

 

Da gibt's keine generelle Regel. "Erlaubt" ist in Deutschland in Büchern ja (zum Glück) fast alles. Ich persönlich finde "sinnvoll" eingesetzte Gewalt in Geschichten richtig & wichtig.

 

Sorry, wenn ich jetzt bewußt wieder Filmbeispiele bemühe, aber da habe ich einfach eine größere Chance, daß jeder weiß, wovon ich spreche: in einem Martin Scorsese-Film beispielsweise (Goodfellas, Casino usw.) sind die krassen Gewaltdarstellungen bewußt eingesetzt, um einen bestimmten Effekt zu erreichen. Wenn Du diesen Effekt willst, darfst Du meines Erachtens auch keine Rücksicht auf "schwache Gemüter" nehmen.

 

Deine letzte Frage allerdings ist dann eher eine Frage des Duktus. Wenn eine seitenlange Gewaltdarstellung völlig überraschend den Rest Deiner Geschichte aus den Angeln hebt, läufst Du Gefahr, Deine Leser einfach nur zu verstören. Meerjungfrau und Hornisse klingt nun auf den ersten Blick natürlich ziemlich märchenhaft; und in einen Märchenduktus eingebettet "realistische" Gewalt zu beschreiben, ist nicht einfach. Hier wäre weniger vielleicht mehr.

 

Natürlich schließen sich Fabeln und psychologisierende Elemente nicht gegenseitig aus (nochmal Film: Zeit der Wölfe; habe Angela Carter leider noch nicht gelesen, deshalb hier lieber Neil Jordan) - aber es ist Deine Entscheidung, in welche Richtung Deine Geschichte gehen soll. Beides ist sicher möglich.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Peter.

 

Trotzdem: Ich glaube doch, dass unser Gehirn die Brutalität ganz anders ergänzt als wir sie schreiben können. Hier ein Beispiel (Auch hier gilt: Empfindsame Seelen bitte nicht lesen) :

 

Keuchend beugte sich Manfred über Linda. Sie wollte nach ihm schlagen, ihm seine verdammten Eier zu Brei treten, aber das Mittel begann zu wirken. Was für ein Teufelszeug hat er ihr in den Wein geschüttet? Ihre Arme und Beine wurden schwer, als wären sie am Boden angeschraubt worden. Er legte eine Plastiktüte neben ihren Kopf und stellte einen Eierbecher daneben. Er öffnete die Tüte und hielt kurz darauf ein Buttermesser, eine Gabel und einen Teelöffel in der Hand. Messer und Gabel legte er neben den Becher. Dann öffnete er seine Hose und zog sie aus. Linda schloss die Augen, spürte wie er sich auf ihre Brust setzte. Dann fühlte sie kaltes Metall an ihrer Wange in Richtung rechtes Auge streichen.

 

****   C U T ****

 

„Scheiße! Was ist das?“ Angeekelt drehte sich Jon fort. Er hatte in seiner langjährigen Arbeit als Polizist unzählige Leichen gesehen, aber dieser blutverschmierte verstümmelte Körper raubte ihm fast den Verstand. „Haben Sie den Kopf gefunden?“

„Ja.“

„Und?“

„Ein Auge fehlt.“

„Scheiße.“

„Und da ist noch was.“

„Was ...“

„In der Augenhöhle haben wir eine weiße Flüssigkeit gefunden. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es handelt sich um ...“

„Verdammt! Um was?“

„Sperma ...“

 

Ich glaube, der Leser kann sich bis ins letzte grausame Detail vorstellen, was passiert ist, ohne dass ich ein Wort darüber schreibe. Der Vorteil ist m.M.n, dass sich der Leser den gewünschten Detaillierungsgrad selbst wählen kann.

 

Liebe Grüße

Roland

 

PS.: Ich tippe auch auf die Kreide an der Tafel ... ;)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Die Szene konnte ich problemlos lesen und fand sie gar nicht so furchtbar. Bei der mit Mona und dem Bluthund hatte ich dagegen wirklich ein Problem - die war ganz nah an der Grenze zu dem, was ich als zu viel für mich empfunden hätte.

Ha! Du bist ein wunderbares Beispiel für meine obige Theorie! Du erinnerst dich an eine Szene, die gar nicht im Buch steht! Du hast sie in deiner Phantasie ergänzt. ;D

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Peter, jetzt musst du das Rätsel aber auch auflösen. Ich tippe auf das Gelächter am Ende.

Gelächter ???

 

Okay, ich löse auf: Es ist die quietschende Kreide. Die ergänzt das Bild vor Augen um eine ganz miese Audiokomponente.

 

Aber es stört mich etwas ganz anderes. Ich halte nämlich das Bild mit der quietschenden Kreide für falsch (nicht, dass ich schon einmal jemandem einen Betäubungspfeil in den Kopf gedrückt hätte). Aber ich habe schon gesehen, wei an Schweineküpfen rumgemacht wird und kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwie einmal "quietscht".

Bitte nicht zu Hause nachmachen ... :s22

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Die Szene konnte ich problemlos lesen und fand sie gar nicht so furchtbar. Bei der mit Mona und dem Bluthund hatte ich dagegen wirklich ein Problem - die war ganz nah an der Grenze zu dem, was ich als zu viel für mich empfunden hätte.

Ha! Du bist ein wunderbares Beispiel für meine obige Theorie! Du erinnerst dich an eine Szene, die gar nicht im Buch steht! Du hast sie in deiner Phantasie ergänzt.  ;D

 

Peter

 

Sie war aber angedeutet; das reichte für meine Phantasie ;)

 

LG

Maren

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo Quidam,

Es handelt sich bei der Figur um eine menschengroße Hornisse' date=' die sich in eine Meerjungfrau verliebt hat. Eine Szene: Sie fühlt sich von der Hornisse gestalkt und weist ihn zurück. Das macht ihn rasend und er lähmt sie daraufhin mit seinem Gift.[/quote']

Ich sehe bei dem, was du erzählst, eigentlich ein ganz anderes Problem: Was willst du mit der Brutalität zeigen und wie gestaltest du sie so, dass sie den Leser auch in die richtige Richtung führt? Denn wenn ich das oben so lese, wirkt es auf mich nicht brutal, sondern lustig-grotesk.

 

Ich denke, es ist ähnlich schwer wie bei Sexszenen - wie relevant ist die Szene für Figuren oder Handlung und wie erreiche ich es, im Leser auch ja die richtigen Knöpfchen zu drücken, nicht abzurutschen?

 

Pauschalantworten kann es keine geben - es kommt auf den Kontext an, die Lösungsarten.

 

Schöne Grüße,

Petra

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

(Peter_Dobrovka)

Ich glaube, der Leser kann sich bis ins letzte grausame Detail vorstellen, was passiert ist, ohne dass ich ein Wort darüber schreibe. Der Vorteil ist m.M.n, dass sich der Leser den gewünschten Detaillierungsgrad selbst wählen kann.

Ja, er kann es sich vorstellen und den Detailgrad selbst einstellen. Und er wird in der Regel einen sehr niedrigen Detailgrad einstellen.

Wie sonst sollte man sich die regelmäßige Dankbarkeit von Lesern erklären, daß der Autor ihnen die Zerstückelungsszene erspart hat? Sicher nicht, weil sie das gelangweilt hätte. Das ist nur schlichtweg für die meisten nicht mehr erträglich, das "live" mitzuerleben.

In American Psycho gibt es solche Grausamkeiten am laufenden Band, sie werden bis ins letzte Detail beschrieben und sie liegen sehr schwer im Magen. Ja, ich meine das Buch und nicht den Film. Der Film ist ein Kindergeburtstag gegen die literarische Vorlage.

 

Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Weil mein Roman "Die Geheimen Worte" bereits veröffentlicht ist, hier mal ein kleiner Auszug. Es handelt sich um eine Folterszene, die "nur" aus Worten besteht, einfach weil es mir seinerzeit widerstrebt hat, eine reale zu schildern.

Vielleicht ein Beispiel, wie man auch subtil an brutale Szenen herangehen kann.

(Sorry, wenn es recht lang ist, aber ich schreib sonst nur eher kurze Beiträge!)

 

„Schließe deine Augen, Salavert.“

Der Gefangene gehorchte.

„Du befindest dich ante porta inferi - vor der Pforte der Hölle! Dort, wo die Verdammten nackt mit ihren Zungen an den Feuerbäumen hängen. Kannst du dir die Flammen vorstellen, wie sie um deine Zehen züngeln?“

Der junge Mann erschrak, riß die Augen wieder auf und starrte auf seine Füße.

„Wenige werden gerettet und viele verdammt …“, murmelte er.

Der Inquisitor ging nicht auf seine Worte ein. Vielmehr sagte er:

„Du wirst vor Angst zittern und ganz sicher wirst du beten: Herr, erhör mein Flehen ...

Und tatsächlich! Das Feuer hört auf zu knistern. Für einen kurzen Augenblick bildest du dir ein, daß der Herr dein Gebet erhört hat. Dann jedoch beginnt es zu prasseln, wird stärker und stärker, du stöhnst, schreist ...“

Der Atem des Gefangenen flog. Doch Abbéville war noch nicht am Ende.

„Du hörst auch die gellenden Schreie derer, die neben dir brennen ... und es bricht aus dir heraus: De profundis clamavi ad te, Domine – aus der Tiefe rufe ich zu dir, o Herr ...

Salaverts Augen traten heraus und sein Mund stand jetzt weit offen. Er konnte nicht glauben, was ihm da zu Ohren kam. Doch Abbéville setzte seine Quälerei ungerührt fort.

„Der Rauch zieht durch die ganze Stadt, während deine Haut aufplatzt ...“

„Bei Gott, dem Herrn, ist Erbarmen und Heil bei Ihm in Fülle“, stieß Salavert hervor und hustete.

Ja“, sagte Abbéville und seufzte theatralisch, „wenn der Herr es gut mit dir meint, wenn er sich deiner erbarmt, dann wirst du an dieser Stelle ohnmächtig werden, wenn nicht ..., nun, dann siehst du die rotgelbe Farbe der Flammen umschlagen in grelles Weiß, bevor sie deinen Körper schwarz brennen. Dann ist es vielleicht an der Zeit zu einem letzten Pater noster qui es in caelis ... Doch sorge dich nicht allzusehr, Gott wird dein Flehen schon erhören ... Irgendwann wird er der Qual deines Körpers, die dir unendlich vorkommen wird, ganz sicher ein Ende bereiten ... Deine Seele aber wird für immer im Fegfeuer braten ... ja, in der Hölle!“

Nikolaus von Abbéville hatte bei seinen letzten Worten angefangen, ruhig im Raum auf und ab zugehen. Jetzt trat er ans Fenster und blickte hinunter in die Stadt. Der junge Salavert war schier entsetzt und schaute hilfesuchend zu Saint-Georges. Doch der verzog keine Miene, sondern beobachtete den Mann nur mit ruhigem Blick.

Der Schweiß rann Salavert in kleinen Bächen die Schläfen hinunter.

„Die Katharer ... die Katharer“, begann er zu stottern.

„Ja, was ist mit ihnen?“ sagte Abbéville, der leise hinter ihn getreten war. Salavert erschrak.

„Nun, sie verehren keine Reliquien. Im Gegenteil, sie verabscheuen sie. Daher kann ich gewiß kein Ketzer sein, wenn Ihr einen solchen Knochen bei mir gefunden haben wollt.“

Da trat Nikolaus von Abbéville mit einer abrupten Bewegung vor ihn hin und brüllte ihn an:

„Salavert! Du bist überführt!Wenn einer so genau über die Gebräuche der Ketzer Bescheid weiß, so muß er selbst einer sein. Ganz sicher gehörst du zu jenen, die heimlich die Messe aufsuchen, um dort leise Peire Cardenals ´cobla` zu flüstern: Quan lo petz del cul venta. Dont Midonz caga e vis. Vejare m`es qu`en senta. Una pudor de pis.“

Salavert war bei den häßlichen Schmähworten, die der bekannte Troubadour über die Heilige Jungfrau im Umlauf gebracht hatte, über und über rot geworden.

„Du wirst mir jetzt in ein oder zwei Worten deine Schuld eingestehen, und beachte - du hast dein Schicksal selbst in der Hand. Entweder wirst du auf der Stelle wieder einer der unseren sein, oder du brennst in Kürze. Entscheide dich sofort!“

Der junge Salavert war so eingeschüchtert, daß er zugab, ein einziges Mal wären Ketzer in seinem Haus gewesen, die sich jedoch nur in der Küche aufgewärmt und mit dem Gesinde gesprochen hätten. Er selbst jedoch ... und schon gar nicht der Vater ... Nein, niemals!

„Schuldig.“ ...

 

Viele Grüße

Helene

Helene Luise Köppel:  Romanreihe "Töchter des Teufels" (6 Historische Romane über den Albigenserkreuzzug); sowie Romanreihe "Untiefen des Lebens"  (6 SÜDFRANKREICH-thriller), Neu in 2022: "Abkehr".

                                         

                                 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Hallo allerseits!

 

Hm, ich denke die Funktion der GEwalt ist wirklich eine entscheidende Frage. Es ist ein gewaltiger (haha!) Unterschied, ob man einen Gewaltporno fabriziert, oder ob man Gewalt nutzt um echte Angst zu erzeugen. Und das, Peter hats schon erwähnt, muss zur Geschichte passen! Lovecraft braucht keine Gewalt, aber Clive Barker hat in seinem "Mitternachtsfleischzug" gerade durch die Gewalt schieren Terror erzeugt! Das lag am Szenario: Protagonist befindet sich in einer U-Bahn, in der ein Mörder sein bestialisches Unwesen treibt, kann sich gerade noch verstecken und muss mitansehen (und riechen), was der Mörder mit seinen Opfern anstellt. Ist zwar schon ein paar Jährchen her, dass ich die Story gelesen habe, aber ich kann mich noch erinnern, dass ich mich selten heftiger um eine Figur gesorgt habe (und selten das Licht in meinem Zimmer länger an gelassen habe ;) )

 

Aber wenn man Gewalt aus diesem Grund verwenden möchte, ist es eine extrem kitzlige Gratwanderung, die ganz schnell den Eindruck von Voyeurismus auslösen kann! Ich erinnere mich noch an die fiese Ork-Herrscherin aus "Die Orks". Nie hat mich eine tumb-dumm-brutale Figur mehr gelangweilt. Ihre Folterszenen haben kein Unbehagen bei mir ausgelöst, sondern Ärger ("Is ja gut! Ich habs begriffen!"), weswegen ich auch mit zunehmender Häufigkeit drüber geblättert habe.

 

Deine Szene, Quidam, KÖNNTE (so wie Du sie beschreibst) schon schnell in die Voyeurismus-Ecke rutschen. Die Frage ist: Wann hat der Leser begriffen und gespürt, dass der Hornissengeneral überaus sadistisch und brutal ist? Ab dem Punkt könnte man ausblenden, vielleicht nur noch das Ergebnis zeigen. Das ist jetzt natürlich übelst aus der Luft gegriffen und ich kann mich nur auf das beziehen, das Du angedeutet hast:

 

Und dieses Zerkratzen geht über ne halbe Seite, bis er mit seinem Stachel von Wange, tief ins Auge, bis zur Stirn ihr die Pupille zerfetzt.

 

Da denke ich sofort an (gefühlte) detailreiche Großaufnahmen in Zeitlupe. Bei sowas "fühle" ich dann aber nicht die Grausamkeit der Figur, sondern ich habe einen sadistisch sabbernden "Kameramann" vor Augen ;)

 

Ciao!

Alf.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Gewaltszenen per se finde ich nie besonders tragisch - wenn ich dabei etwas tragisch finde, dann die Tatsache, dass sie der Autor vermurkst hat. Die akkurate Schilderung einer Augenentnahme oder das Abfackeln von Hoden vermittels Lötkolben sind als reine Vorgänge nicht berührend. Was einer Gewaltszene Pfeffer gibt, ist Mitgefühl. Ich habe stets versucht, in meinen Romanen erst dann Leute abzumurksen, wenn sie dem Leser bzw mir selbst vertraut geworden sind, wenn ich sie mag, wenn ich glauben kann, dass es sie gibt.

Und wesentlich stärker als die Gewalt selbst hat mich immer die Angst vor der Gewalt fasziniert. Die Ohnmacht, in eine Situation geraten zu sein, in der man völlig ausgeliefert ist.

 

Die atemlose Angst in einer unabwendbaren, grauenhaften Situation - ich glaube,dass bewegt und bindet den Leser.

Zerplatzende Augen und heraushängende Gedärme sind da wirklich nur noch Beiwerk.

 

lg/Peter

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...