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Andrea S.

Sind Rückblenden zu verdammen?

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Ich glaube, dass ihr es euch zu einfach macht, das Abraten nur auf die Schreibratgeber zu führen bzw. auf Freys Buch.

Ich denke, auch viele Lektoren haben das - meist zu recht - verinnerlicht. Denn es ist einfach nur Erleben aus zweiter Hand bei dem man zumindest weiß, dass der Erlebende auch ein Überlebender ist. Wie bei allen Regeln, kann es auch gute Gründe geben, einmal davon abzuweichen.

RAbe

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Denn es ist einfach nur Erleben aus zweiter Hand bei dem man zumindest weiß, dass der Erlebende auch ein Überlebender ist.

 

Nö, da muss ich deutlich widersprechen. Rückwendung kann durchaus Erleben aus erster Hand sein - eben nur in der Vergangenheit. Und nicht immer geht es um das Überleben. Oft genug um das Erklären und manchmal auch um red herrings.

 

Die einzige Regel, denke ich, die es für Rückwendungen gibt, ist die, dass sie nicht ungeschickt oder überflüssig eingebracht werden dürfen.

Und wenn Lektoren damit argumentieren, könnte es ja möglicherweise eventuell vielleicht so sein, dass gegen o.g. Regel verstoßen wurde???

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Ähm, nur um das klar zu stellen.

Ich habe überhaupt nichts gegen Rückblenden.

Ich gebrauche sie sogar recht häufig in meinen Romanen, da es sonst viel zu verwirrend werden würde, alle Ereignisse zu schildern.

 

In einer Szene sitzen meine Protas an einem Feuer und hören über 20 (!) Seiten die Vorgeschichte des Landes/ einer Person von eine alten Frau. Das ist sogar meine Lieblingsszene und kein bisschen langweilig.

 

Ich plädire aber dafür, dass man sehr genau schaut, wie man die Rückblenden gestaltet und wo man sie einsetzt.

 

Vom PLQ in eine andere Zeitforn zu wechseln, lässt mir das Lektorat nicht druchgehen. Da müsste ich dann tatsächlich die Erinnerungen einer Person schildern.

 

Liebe Grüße

Monika

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Denn es ist einfach nur Erleben aus zweiter Hand bei dem man zumindest weiß' date=' dass der Erlebende auch ein Überlebender ist[/quote']

Aber wieso aus zweiter Hand, Rabe? Das verstehe ich wirklich nicht. Beides - Gegenwartshandlung und Rückwendung - wird doch vom Erzähler erzählt. Oder meinst Du, dass Rückblenden narrativ sind? Das finde ich auch nicht zwingend, nicht bei längeren Einschüben. Da kann man genauso "präsent" erzählen wie auf der Gegenwartsebene.

 

Und was das Überleben angeht - mit diesem Argument könnte man auch jede Ich-Erzählung für schlecht erklären. Aber vielleicht tun das manche Lektoren oder Autoren ja auch? :-?

 

Ich habe übrigens nicht das mindeste dagegen, wenn jemand völlig rückblendenfrei erzählt. Es gefällt mir nur nicht, wenn ein völlig legitimes und nützliches und altbewährtes Stilmittel pauschal als "Notlösung" oder "schlechtestmögliche Lösung" hingestellt wird.

 

Friedfertige Grüße

 

Barbara

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Hallo, ich bin langsam etwas verwirrt...

 

Entweder war ich vorhin schon einen Schritt weiter, oder wir reden alle irgendwie aneinander vorbei...

 

Ich habe den Eindruck, dass "Rückblenden" für einige hier zwingend narrativ sind, für andere (mich eingeschlossen) beinhalten sie alle wie auch immer gearteten Einblicke in die Vergangenheit, also nicht nur von einer Figur erzählte Vergangenheit, sondern auch Szenen, wo ich als Autor DIREKT wieder ins vergangene Geschehen eintauche!

 

Reden wir hier eigentlich alle über die selbe Sache?

 

Kann eventuell jemand mit genaueren Definitionen bzw. Unterscheidungen, (von mir aus auch aus den Schreibratgebern, die hier angeführt werden! ) aushelfen, um das klarer zu umgrenzen und die Diskussion auf ein solideres Fundament zu stellen? Falls es dazu überhaupt Theorien gibt, außer "Rückblenden sind schlecht", meine ich. :)

 

Sabine

*die schon seit dem anderen Thread nach Klärung schreit! ;-)*

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Hallo, zusammen,

 

von Verdammen konnte hier wirklich keine Rede sein. Ich hatte Monika nur beigepflichtet, dass Rückblenden "ermüdend" sein können - und auf mich als Leserin wirken sie auch manchmal ermüdend, wenn zum Beispiel bei der Einführung von Figuren von jeder die Lebensbiografie beschrieben wird - als Rückblende, und zwar über mehrere Seiten. So was überlese ich.

 

Zum anderen möchte ich dem widerspechen, dass jetzt schon wieder nach Scheibratgebern vorgegangen worden wäre. Ich hatte nur meine eigene Erfahrung im Hinterkopf.

Aber da Frey (mein erster und einziger Ratgeber, von dem ich nur zwei Sachen verinnerlicht habe, und dazu gehört n i c h t  die Rückblende)schon mal zitiert wurde, habe ich ihn kurzerhand aus dem Regal genommen. Er schreibt u.a.:

 

"Bevor Sie eine Rückblende anbringen, stellen Sie sich die Frage, ob Sie die gleiche Wirkung beim Leser nicht auch durch einen Konflikt im J e t z t  des Romans erzielen können. Lautet die Antwort nein, dann ist die Rückblende notwendig, doch denken Sie daran, dass auch innerhalb der Rückblende dieselben Prinzipien für spannendes Erzählen weiterhin gelten, die im J e t z t  Ihrer Geschichte angewandt werden müssen - nämlich vollkommen abgerundete Figuren, ei sich entwickelnder Konflikt, innere Konflikte usw."

 

J.N.Frey, Wie man einen verdammt guten Roman schreibt, S.138/139

 

Rückblenden könnten auch notwendig sein, um das Verhalten einer Figur für den Leser verständlicher zu machen. In diesem Sinn setzt ja z.B. Dan Brown Rückblenden ein, um die Boshaftigkeit von Silas verständlich zu machen.

 

Ich benutze, wie einige von euch hier, nur selten Rückblenden und wenn, dann, um solche Sachen zu erhellen.

Christa

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(Peter_Dobrovka)
Hallo, ich bin langsam etwas verwirrt...

 

Entweder war ich vorhin schon einen Schritt weiter, oder wir reden alle irgendwie aneinander vorbei...

 

Ich habe den Eindruck, dass "Rückblenden" für einige hier zwingend narrativ sind, für andere (mich eingeschlossen) beinhalten sie alle wie auch immer gearteten Einblicke in die Vergangenheit, also nicht nur von einer Figur erzählte Vergangenheit, sondern auch Szenen, wo ich als Autor DIREKT wieder ins vergangene Geschehen eintauche!

 

Reden wir hier eigentlich alle über die selbe Sache?

 

Kann eventuell jemand mit genaueren Definitionen bzw. Unterscheidungen, (von mir aus auch aus den Schreibratgebern, die hier angeführt werden! ) aushelfen, um das klarer zu umgrenzen und die Diskussion auf ein solideres Fundament zu stellen? Falls es dazu überhaupt Theorien gibt, außer "Rückblenden sind schlecht", meine ich.  :)

 

Sabine

*die schon seit dem anderen Thread nach Klärung schreit! ;-)*

 

Du siehst das schon richtig, daß es hier unterschiedliche Meinungen gibt. Und das ist okay so bzw. wird sich auch nicht ändern. Es gibt hier - wie auch bei vielen anderen Themen - keinen Königsweg und keine absolute Wahrheit.

 

Peter

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Hallo,

 

Ich habe den Eindruck, dass "Rückblenden" für einige hier zwingend narrativ sind, für andere (mich eingeschlossen) beinhalten sie alle wie auch immer gearteten Einblicke in die Vergangenheit, also nicht nur von einer Figur erzählte Vergangenheit, sondern auch Szenen, wo ich als Autor DIREKT wieder ins vergangene Geschehen eintauche!

 

Reden wir hier eigentlich alle über die selbe Sache?

Eine gute Frage. ;)

 

Ich finde nicht, dass Rückblenden zwingend narrativ sind. Nur die Überleitung in die Rückblende ist fast immer narrativ.

 

Es gibt aber auch Geschichten, die durchgehend auf mehreren Zeitebenen erzählt werden. Ich habe z. B. gerade einen Roman gelesen, in dem zwei Handlungsstränge ineinandermontiert sind, beide haben dieselbe Hauptperson, aber der eine spielt zwanzig Jahre vor dem anderen. Die Szenen wechseln dabei ohne Überleitungen ab: ein Schnitt, und man ist in der anderen Zeit. In so einem Fall würde ich persönlich nicht mehr von Rückblenden reden. Und ich glaube, genau um diesen Unterschied ging es in dem anderen Thread - falls ich das richtig verstanden habe.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Hallo Peter,

 

unterschiedliche Meinungen respektiere ich, aber das ist auch nicht das Problem hier.

 

Ich halte eine Diskussion darüber, ob etwas grundsätzlich als gut oder schlecht angesehen werden soll, für problematisch, wenn noch nicht mal Einigkeit über die Natur des diskutierten Gegenstandes und seine Verwendung herrscht.

Du hast am Anfang des Threads selbst eine genauere Unterscheidung zwischen den einzelnen Techniken gefordert, und die fehlt in meinen Augen nach wie vor.

 

Bäcker A. schwört bei seinen Kuchen immer auf Hefeteig, B. bevorzugt dagegen Mürbeteig. Bäcker C. ist der Meinung, beides ist ok, es kommt darauf an, was man backen will oder muss.

Bäcker D. will jetzt wissen (ohne vorher danach zu fragen, wer warum welchen Teig nimmt und was die Bäckerliteratur darüber schreibt):

 

Ist Kuchen backen zu verdammen?

 

Der Vergleich mag reichlich bescheuert klingen, aber so ging's mir eben. :)

 

Grüße, Sabine

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Hallo Anna,

 

@hpr:

 

Dieses fand ich an anderer Stelle im Forum unter "Flashback? Don't!

 

"Über das Schreiben" von Sol Stein:

 

Zitat:

In seinen jungen Jahren arbeitete Barnaby Conrad, der Begründer der Santa Barbara Writers' Conference, bei Sinclair Lewis. Einmal fragte er den Meister, wie er eine Rückblende am besten gestalten sollte. Lewis' Antwort war kurz und bündig.

"Lassen Sie's bleiben", sagte er.

 

Weshalb wohl auch solche Gerüchte entstehen, dass man Rückwendungen nicht verwenden darf.

Da solltest du aber bitte das ganze Posting lesen. Das hat Sinclair Lewis gesagt, Sol stein hat ihn zitiert, aber nicht, weil er seine Meinung teilt. Und Sol Stein ist nich "die Schreibratgeber".

 

Offenbar ist der Drang, möglichst überall Stoff für Gerüchte über Schreibratgeber zu finden, bei manchen unheimlich groß. Schönes Beispiel für diesen Wahn. Aber warum ist das manchen Leuten so wichtig, Dinge über Schreibratgeber zu entdecken und weiterzutragen, die da nicht drinstehen?

 

Hans Peter

 

PS: Ich kann ja akzeptieren, wenn jemand sagt, ihm bringen Schreibratgeber nichts. Aber Leute, warum muss man diese Meinung mit Aussagen unterfüttern, die schlicht erlogen sind?

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Hallo Anna,

 

Richtig ist bestimmt, dass eine Romanhandlung, die sich in einem kurzen Zeitrahmen abspielt, tunlichst mit wenig Rückblenden auskommen sollte.

Da nennst du eine typisches Anfängerproblem beim Namen. Man beginnt mit zwei, drei Sätzen, in denen irgendwas passiert, was man für spannend hält, dann wird zurückgeblendet.

 

"Ein Schuß, ein Schrei, dann war es still. Er lag auf dem Boden und konnte sich nicht mehr rühren. Aber über sich, den Himmel, den sah er.

 

Er dachte daran, dass er schon immer er den Himmel geliebt hatte.Diese weißen Wolken hatten ihn begleitet. Er war Maler gewesen und bei jedem Deckenanstrich war er in Gedanken bei ihnen gewesen. Er war jeden Morgen um 8 Uhr zur Arbeit gegangen, er war fleissig gewesen. Und er hatte mit fünfzehn seinen Hauptschulabschluss gemacht."

 

Das ist wirklich eine Mode und funktioniert so meistens nicht. Weil die Rückblende einfach als Infodump genutzt wird. Ich vermute mal, dass das mit dem Hook zusammenhängt, der von manchen - man beachte: Ich sage nicht allen! - empfohlen wird. Spring direkt vor den Climax und dann blende zurück. Es gibt sogar Beispiele, da funktioniert es. Aber nur, wenn die Hauptperson vorher eingeführt wurde und den Leser interessiert und wenn die Rückblende ebenfalls Spannung besitzt. Da fehlt aber den meisten Anfängern die Fähigkeit, das so zu schreiben.

 

Stephen Kings "Liseys Story" (auf deutsch: Love) ist ein gutes Beispiel, wie man Rückblenden aufbauen kann. Rückblenden funktionieren meiner Meinung nach,

- wenn sie wichtige (!) Fragen lösen (und neue aufwerfen),

- einen neuen Blick auf die Person erlauben (aha, deshalb reagiert er gegen Katholiken so allergisch),

- wenn die Szene in der Rückblende genauso spannend ist, wie die Szene, aus der der Autor zurückspringt

- Wenn sie einen Gedanken fortführen, der in der Haupthandlung begonnen wurde

- Und wenn sie nicht aus Faulheit oder Unvermögen gesetzt wurden.

 

Dass Sinclair Lewis angeblich das mit dem "Pfui" über Rückblenden in die Welt gesetzt, hat Anna hier nochmal aufgegriffen. Tatsächlich galten, habe ich den Eindruck, früher Rückblenden durchaus bei manchen Lektoren für "Pfui" und "Mach es nicht", während es heute im Übermaß benutzt wird. Auch das Schreiben kennt Moden.

 

Und nein, ich bin dagegen, das Wort "Rückblende" zu streichen, bloß weil es aus dem Film kommt. Es hat sich eingebürgert, es ist treffend und wir müssen die Flut verschiedenster Fachbegriffe, die alle das gleiche meinen, nicht vermehren. Vieles ist in Film und Buch gleich, warum da nicht die gleichen Begriffe verwenden?

 

Hans Peter

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Liebe Sabine,

 

die Rückwendung kann jede Form annehmen. Der Einstieg wird, wie vor zitiert, üblicherweise narrativ sein:

 

Erna hörte die Glocken den Mittag einläuten und seufzte. Gestern um diese Zeit hatte sie ...

 

Was dann kommt, kann entweder erzählend (narrativ, 'tell') sein:

... hatte sie noch den Kuchen gebacken, der bei dem Kindergeburtstag zu einer solchen Aufregung geführt hatte. Dabei war Thomas ...

 

Das kann langatmig werden, weil zuviel 'hatte war gewesen' - Konstruktionen einfließen.

 

Man kann aber auch in das Szenische übergehen und sofort die Zeit wechseln:

... sie den Kuchen gebacken. Thomas reagierte darauf mit einem lauten "Oh, Klasse!"

"Was ist den daran so toll". fragte sein Freund ...

 

(okay, okay, man kann es eleganter als dieses Beispiel überleiten, soll aber nur das Prinzip zeigen)

 

Und dann muss irgendwann wieder die Kurve zur gegenwärtigen Handlung genommen werden. Eine thematische Klammer ist da immer ganz nützlich:

 

"und nun läuteten wieder die Glocken, und man trug Klein-Thomas zu Grabe, der an dem Kuchen erstickt war."

 

Und jetzt gebe ich das Beispiel zum Zerfetzen frei.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hallo Anna,

 

Erna hörte die Glocken den Mittag einläuten und seufzte. Gestern um diese Zeit hatte sie ...

 

Was dann kommt, kann entweder erzählend (narrativ, 'tell') sein:

... hatte sie noch den Kuchen gebacken, der bei dem Kindergeburtstag zu einer solchen Aufregung geführt hatte. Dabei war Thomas ...

Danke für das Beispiel. Vielleicht sollten wir überhaupt mehr mit Beispielen arbeiten (zum Beispiel mit dem hier), damit nicht soviel im luftleeren Raum diskutiert wird.

 

Und ich glaube durchaus, dass auch Rückblenden nur narrativ sein können. Wenn allerdings alle Rückblenden so laufen und der Roman nur aus Rückblenden besteht, dann ...

 

Und wenn Rückblenden benutzt werden, um alles und jedes zu erklären:

 

"Sie wischte die Träne weg. Ihr Finger wurde schwarz. Heute morgen hatte sie Kajal aufgetragen ...

Mit einem Taschentuch, das sie gestern eingesteckt hatte und das aus einer Großpackung stammte, die sie vor zehn Tagen gekauft hatte, säuberte sie ihren Finger, dessen Nagel sie vor drei Tagen geschnitten hatte."

 

Lacht nicht, ist zwar übertrieben, aber in abgemilderter Form begegnet mir sowas durchaus häufig. Viele Rückblenden dienen nur dazu solche Infos zu transportieren.

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)

Beispiele sind immer gut, da sie oft zeigen, daß das Problem ganz woanders liegt als gefragt wurde.

 

Um noch mal kurz abstrakt zu bleiben:

Der normale Lesefluß ist eine fortschreitende Zeitlinie. Jeder aufeinanderfolgende Satz bezeichnet auch inhaltlich etwas, das auf den anderen folgt. Wenn man diese Linie unterbrechen (und den Leser damit anstrengen bzw. Verwirren!) will, so kann man das tun, aber man muß sich darüber im Klaren sein, warum man das eigentlich tun will und ob der Effekt, den man damit erzielt, einen Mehrwert bringt. Und ob der Mehrwert die Verwirrung, die immer bei einem Zeitsprung entsteht (mal mehr mal weniger) es wert ist.

Charlie hat es bereits gesagt: Sie hatte eine chronologiche Szene zerschnitten und neu zusammengesetzt: Etwas, das vorher passiert war, wurde später erwähnt. Dann ist sie sich darüber klar geworden, daß es nur Verwirrung bringt, aber keinen Vorteil, und dem Umbau wieder rückgängig gemacht.

 

Man kann jetzt hingehen und versuchen, einen Katalog zusammenzutragen, wann eine Rückblende besser ist als Chronologie, aber ich denke, wer solche Kataloge nötig hat, der sollte vom Verfassen von Prosa die Finger lassen.

Generell gilt, daß es in einem Roman für alles die richtige und die falsche Zeit gibt, wann man es erwähnen kann. In einem Krimi schon auf der ersten Seite den Mörder zu verraten, ist dabei ein vielzitiertes Beispiel dafür, wie man es nicht machen soll.

Weniger bekannt ist, daß für kleinere Informationskaliber das Gleiche gilt. Zum Beispiel Personenbeschreibungen oder Dinge aus der Vergangenheit der Person, die sie plastischer werden lassen. Ganz zu Beginn, wenn man diese Person noch nicht kennt, nervt das alles. Hat man mit der Figur schon einiges erlebt, werden diese Dinge interessant.

In Rückblenden befinden sich bisweilen Informationen, die - würden sie zu Beginn des Romans in der korrekten Chronologie stehen - nur unzusammenhängende Fetzen sein würden, z.B. Schlüsselszenen aus der Kindheit eines Mörders. Selbst wenn man Verbindungstext um sie herum basteln würde, würde es lediglich ein langweiliger Brei bzw. es würde der eigentlichen Geschichte, die man erzählen wollte, die Luft rauslassen, weil ja schon von Anfang an alles erklärt und fertig eingeordnet ist.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Liebe Sabine,

 

die Rückwendung kann jede Form annehmen. Der Einstieg wird, wie vor zitiert, üblicherweise narrativ sein:

 

Erna hörte die Glocken den Mittag einläuten und seufzte. Gestern um diese Zeit hatte sie ...

 

Was dann kommt, kann entweder erzählend (narrativ, 'tell') sein:

... hatte sie noch den Kuchen gebacken, der bei dem Kindergeburtstag zu einer solchen Aufregung geführt hatte. Dabei war Thomas ...

 

Das  kann langatmig werden, weil zuviel 'hatte war gewesen' - Konstruktionen einfließen.

 

Man kann aber auch in das Szenische übergehen und sofort die Zeit wechseln:

... sie den Kuchen gebacken. Thomas reagierte darauf mit einem lauten "Oh, Klasse!"

"Was ist den daran so toll". fragte sein Freund ...

Ich hasse das (immer noch), weil es mich beim Lesen immer total verwirrt und ich nicht mehr unterscheiden kann, was Rückblende ist und was wieder die normale Zeitebene.

Aber das ist hier off topic. Siehe stattdessen diesen Thread (Link ungültig) (Link ungültig) und diesen Thread (Link ungültig) (Link ungültig).

 

Peter

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Stephen King macht m.E. geniale Rückblenden. Nicht, um zu erklären, wo der Kajalstift gekauft wurde (um das Beispiel von Hans Peter aufzugreifen). Sondern um die div. Macken seiner Figuren zu erklären. Das sind oft die puren Gänsehautszenen, und ich habe bei ihm auch noch nie den Faden verloren dadurch. Muss mal beim nächsten Lesen genauer darauf achten, wie er es anstellt.

Liebe Grüße, Susanne

 

"Books! The best weapons in the world!" (The Doctor)

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(Peter_Dobrovka)

Und ich glaube durchaus, dass auch Rückblenden nur narrativ sein können.

Und das auf Seite 3 dieses Threads, nachdem schon so viel über die szenische Variante gesprochen wurde ... :s03

 

Wenn allerdings alle Rückblenden so laufen und der Roman nur aus Rückblenden besteht, dann ...

Ich glaube, ohne alle 500 Millionen Bücher auf der Welt gelesen zu haben, daß es solche Romane gibt, aber wir werden ihnen in unserem Leben wahrscheinlich nicht begegenen.

Es gibt allerdings durchaus Romane, deren Löwenanteil aus Rückblenden besteht (welche natürlich nicht als narratives PQP daherkommen). Die Erzählgegenwart besteht nur aus einer minimalistischen Szenerie und die eigentliche Geschichte spielt sich in der Vorfabel ab.

 

Und wenn Rückblenden benutzt werden, um alles und jedes zu erklären:

 

"Sie wischte die Träne weg. Ihr Finger wurde schwarz. Heute morgen hatte sie Kajal aufgetragen ...

Mit einem Taschentuch, das sie gestern eingesteckt hatte und das aus einer Großpackung stammte, die sie vor zehn Tagen gekauft hatte, säuberte sie ihren Finger, dessen Nagel sie vor drei Tagen geschnitten hatte."

 

Lacht nicht, ist zwar übertrieben, aber in abgemilderter Form begegnet mir sowas durchaus häufig. Viele Rückblenden dienen nur dazu solche Infos zu transportieren.

Das Problem liegt aber seltenst darin, daß man eine Rückblende verwendet hat, sondern daß diese Informationen völlig entbehrlich sind. Gegenprobe: Wäre es besser, den Kauf der Großpackung in die Chronologie einzureihen? Das Nägelschneiden?

 

Peter

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Hallo Peter,

 

Das Problem liegt aber seltenst darin' date=' daß man eine Rückblende verwendet hat, sondern daß diese Informationen völlig entbehrlich sind.[/quote']

 

Richtig, aber im Moment wird es gerne mit Rückblenden gemacht. Rückblenden sind heutzutage in und die erste Wahl all derer, die irgendwas unbedingt auch noch unterbringen wollen.

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)
Hallo Peter,

 

Das Problem liegt aber seltenst darin, daß man eine Rückblende verwendet hat, sondern daß diese Informationen völlig entbehrlich sind.

 

Richtig, aber im Moment wird es gerne mit Rückblenden gemacht. Rückblenden sind heutzutage in und die erste Wahl all derer, die irgendwas unbedingt auch noch unterbringen wollen.

Ja, aber das ist doch auch völlig richtig so, es so zu tun. Genau für sowas eignen sich die Rückblenden wie kein anderes Stilmittel.  ;D

 

Peter

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Sorry, Leute, ich finde Verallgemeinerungen wie "Rückblenden sind heute in" ziemlich aus der Luft gegriffen.

 

Dass es Befürworter und Gegener gibt - wie bei allen Stilmitteln - ist mir jetzt hinreichend klar geworden.

 

Dass man sie mit einem Bannfluch belegt hat, hat sich als Gerücht erwiesen.

 

Nun setzt nicht neue unhaltbare Gerüchte in die Welt.

 

Sonst verwirrt Ihr mich nur wieder, und ich muss weinen! :

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Hallo,

 

ich lese gerade "Der Bastard von Istanbul" von Elif Shafak und habe da eine sehr interessante Textstelle gefunden. Die Heldin geht über den Basar:

 

"Hier gab es Händler, die ihren Vornamen kannten, vor allem in den Schmuckläden. Zeliha hatte eine Schwäche für glitzernde Accessoires aller Art. Straßklammern, Rheinkieselbroschen, glänzende Ohrringe, Anstecknadeln mit Perlen, schwarzweißgestreifte Halstücher, Taschen aus Satin, Chiffonschals, seidene Troddeln und Schuhe, immer mit hohen Absätzen. Kein einziges Mal war sie durch diesen Basar gegangen, ohne zumindest ein paar Läüden zu betreten, mit den Händlern zu feilschen und am Ende viel weniger als ursprünglich gefordert für Dinge zu bezahlen, die sie eigentlich gar nicht hatte kaufen wollen. Heute jedoch wanderte sie ziellos an ein paar Ständen vorbei und lugte hier und da in ein Schaufenster."

 

Bemerkenswert, wie die Rückblende "Kein einziges Mal war ...gar nicht kaufen wollen" in den Text eingewoben ist. Und obendrein ist der gänzlich narrativ, aber durchaus anschaulich (sprich: Showig). Das ganze wird erleichtert durch die auktoriale Perspektive der Autorin, die es ihr erlaubt, jederzeit in den Kopf ihrer Heldin zu springen, aber auch ohne Probleme irgendetwas anderes zu erzählen (zB ihr Umgang mit Geschäften im Basar in der Vergangenheit).

 

Übrigens erzählt die Autorin viel narrativ, aber immer anschaulich, also Show, don't tell wird nicht verletzt.

 

Gilt übrigens auch, soweit ich mich erinnere, für John Irving. Und ihr Buch ist ein Familienroman, der häufig ein wenig an Irving erinnert, mit verrückten Familien, aber gleichzeitig kann sie durch die Verrücktheit viel über die Normalität in türkischen und armenischen Familien erzählen.

 

Hans Peter

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Okay, ich zieh noch mal die Boxhandschuhe an:

 

Bemerkenswert, wie die Rückblende "Kein einziges Mal war ...gar nicht kaufen wollen" in den Text eingewoben ist. Und obendrein ist der gänzlich narrativ, aber durchaus anschaulich

 

Das ist für mich keine Rückblende, sondern eine schlichte Information.

 

Ich verstehe unter Rückblende/Rückwendung/Analepsis nun mal eine gesamte Szene, die durch einen Rückwärtszeitsprung eingeleitet wird. Nicht den einmaligen Hinweis wie: sie aß den Apfel, den sie gestern gepflückt hatte.

 

Aber alle, die sich in der Erzähltheorie besser auskennen, dürfen mich gerne belehren. Ich bin ja bloß eine Erzählpraktikerin.

 

erwartungsvoll

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Von Dogma spricht keiner. Obwohl zugegebenermaßen der Frey es als Dogma versteht. :)

 

Das mag ich nochmal kurz aufgreifen, weil ich heute Nacht beim Frey-blättern wieder über die Stelle gestolpert bin, und das als Info nochmal nachschieben wollte, was der Herr Frey zu Rückblenden sagt:

 

"Die Rückblende ist das am meisten mißbrauchte und überstrapazierte MIttel beim Romanschreiben."

 

"Die Leser sind total darauf fixiert, was als nächstes passiert. [...] Der Leser kann es kaum erwarten herauszufinden, wie sich der Schlamassel, in den der Autor seine Figuren gesteckt hat, auflöst. [...] Also schreiben Sie [der Autor] eine großartige Rückblende. Was passiert? Der Leser kommt an diese Stelle, und entweder überspringt er die Rückblende, um herauszufinden, was als nächstes im Hier und Jetzt der Geschichte passiert, oder er schmeißt das Buch auf den Müll. [Die Figur in der Rückblende ist nicht die Figur, die] uns interessiert. So einfach ist das."

 

"Dennoch blenden viele Erstlingsautoren wie wild zurück. Warum? [...] Die wahrscheinlichste Antwort ist: Sie stellen fest, daß die Konflikte im Jetzt der Geschichte bei ihnen selbst Unruhe auslösen."

 

"Die Konflikte innerhalb der Rückblende haben keinerlei Konsequenzen, weil sie vom Jetzt der Geschichte aus gesehen der Vergangenheit angehören."

 

Frey kennt aber auch Situationen, in denen eine Rückblende notwendig sein kann:

"Sie [die Rückblende] ist notwendig, wenn Ihre Figur mit einer Situation konfrontiert werden soll, in der sie sich in einer Weise verhalten wird, die im Gegensatz zu ihrem bisherigen Verhalten in der Geschichte steht."

 

"Eine Rückblende kann ebenfalls notwendig sein, wenn eine Figur in der Gegenwart der Geschichte unsympathisch, abstoßend oder widerwärtig ist, und der Autor sie weniger negativ, vieleicht sogar bewundernswert erscheinen lassen möchte."

 

Und, als Fazit:

 

"Bevor Sie eine Rückblende anbringen, stellen Sie sich die Frage, ob Sie die gleiche Wirkung beim Leser nicht auch durch einen Konflikt im Jetzt des Romans erzielen könnten. Lautet die Antwort Nein, dann ist die Rückblende notwendig."

 

Okay, mehr wage ich nicht zu zitieren...

 

Alles aus: Frey, James N., "Wie man eine verdammt guten Roman schreibt", Emons Verlag 1993, S. 136 ff.

 

Gruß,

Marco!

 

P.S. Hunderprozentig unterschreiben möchte ich Herrn Freys Aussagen nicht, aber sie gehen für meine Begriffe in die richtige Richtung... Trotzdem bitte nicht davon ausgehen, dass da oben wäre 100%ig MEINE Meinung!!

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Der Leser kommt an diese Stelle' date=' und entweder überspringt er die Rückblende, um herauszufinden, was als nächstes im [i']Hier und Jetzt[/i] der Geschichte passiert, oder er schmeißt das Buch auf den Müll.

Wenn ich diese Frey'schen Plattitüden lese, wird mir schlecht. Ich schreibe gerade an einem Roman, in dem es von Rückblenden zweier Figuren nur so wimmelt, weil es Geschichte und Roman verlangen. Würde ich auch nur 50% davon streichen, könnte ich das MS in den Müll schmeißen. Und ich mach das auch nicht, weil "man" das "heute" so macht.

 

Was ich damit sagen will: Ich bekomme die Krätze, wenn Autoren aus welcher Richtung auch immer Pauschalantworten und Pauschalrezepte aufgedrückt werden sollen. Gern wird vergessen, dass es Frey nicht um den verdammt guten Roman geht, sndern um den verdammt guten Frey-Roman! Aber schon wer z.B. Lajos Egri lest, von dem Frey fleißigst geklaut hat, wird merken, dass die Welt des Schreibens bunter sein darf. Denn da draußen gibt es jede Menge mehr als Krach-Bumm-Peng-Frey-Romane.

 

Was ich hier im Thread über verpönte Rükblenden lese, hat sicher auch seine Berechtigung - wenn man eine bestimmte Sorte Romane schreibt (oder die Sache nicht beherrscht). Nämlich stark handlungs- wenn nicht sogar actiongetriebene Unterhaltungsromane (wobei es auch in denen Rückblenden gibt, eben an der richtigen Stelle). Für alle anderen Romane stellt sich die Frage doch schon wieder anders. Nehmt ein Psychodrama, nehmt eine Familiensaga...

 

Deshalb denke ich wie Peter:

aber ich denke, wer solche Kataloge nötig hat, der sollte vom Verfassen von Prosa die Finger lassen.

 

Übrigens gefällt mir dein Beispiel, Anna. Genau so kann man es machen. Und man kann auch narrativ sein und das Show den Hasen geben, wenn es der Roman verlangt. Narrativ heißt "erzählend" - wenn ich gut erzähle, male ich genauso Bilder. Wenn ich mich recht entsinne, macht das sogar Irving.

 

Schöne Grüße,

Petra

 

 

PS: Ich bin aus Zeitgründen spät eingestiegen und hab hier nicht alles gelesen, deshalb Entschuldigung, wenn ich dopple oder am Thema vorbeirede.

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"Dennoch blenden viele Erstlingsautoren wie wild zurück. Warum? [...] Die wahrscheinlichste Antwort ist: Sie stellen fest, daß die Konflikte im Jetzt der Geschichte bei ihnen selbst Unruhe auslösen."

 

okay, legen wir hier den Finger drauf!

 

Ein Anfänger, der unstrukturiert drauflosschreibt, wird irgendwann bei seiner Handlung auf Erklärungsbedarf stoßen, weil er/sie die Figur des Protagonisten nicht sauber vorab durchdacht hat.

DANN zur Erklärung einer Rückblende (beispielsweise) in die schlimme Kindheit des Helden zu konstruieren, um irgendeinen Charaktermangel zu erklären, ist eine gequälte Lösung. Damit hat der unsägliche Frey wohl recht.

 

Wer seinen Roman und seine Helden im Vorfeld sorgfältig plant, kann darauf verzichten, weil es dann die sicher bessere Möglichkeit gibt, Konflikte oder Defizite in die gegenwärtige Handlung einzubauen.

DANN kann man aber auch den Spannungsbogen so aufbauen, dass darin die Rückwendungen die Erklärungen für vorherige Auslassungen sind (nennt man, glaube ich, Ellipsen), was aber eine ordentliche Szenenplanung voraussetzt.

 

Etwa: Aktionsszene zum Einstieg, dann werden die Helden vorgestellt, man ist befremdet, warum sie in diese üble Sache verwickelt sind, dann irgendwann, wo es schön passt, eine Erklärung aus der Vergangenheit, mehr oder minder vollständig, dann weiter mit der Handlung, jetzt unter neuem Blickwinkel.

 

Drücke ich mich verständlich aus?

 

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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