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Charlie

Unbeschaedigte Hauptfigur?

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Hallo!

 

Also, sicherlich hängt das sehr eng mit dem jeweiligen Genre zusammen, aber ich finde, Hauptfiguren können durchaus beschädigt sein und werden - und zwar moralisch wie körperlich. Werft nur mal einen Blick auf Shakespeare-Dramen: Die Hamlets und Macbeths sind ja nun von hinten bis vorne total im Eimer. Das gilt auch für das meiste aus dem Noir-Bereich. Es ist natürlich möglich, beschädigte Helden am Schluss zu läutern. Sie lassen sich aber genau so gut am Schluss für ihre moralischen Fehler bestrafen. Aus der moralischen wie körperlichen Beschädigung bezieht eine Handlung ja auch Spannung: Wird der Held/die Heldin trotz der Beeinträchtigung die Aufgabe lösen bzw. Läuterung erfahren? Auch absolut einwandfreie und moralisch erhabene Helden können am Ende verlieren und an den Umständen scheitern - spontan fallen mir da Johanna von Orleans oder Mel Gibsons männliche Varianten aus "Breavehart" oder "Der Patriot" ein.

 

Wie gesagt: Das ist sicherlich sehr stark vom Genre abhängig. Aber dass es in Historischen Romanen stets nur strahlende Heldinnen geben darf, würde ich anzweifeln wollen. Zumindest vergibt man sich damit eine Menge dramaturgischer Effekte.

 

Gruß, Sven

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Wenn ein Protagonist also im Laufe einer Geschichte "beschädigt" wird - weil er säuft, weil er mit den Problemen einfach nicht mehr klar kommt und einen Wandel durchmacht, der ihn nicht mehr so korrekt handeln lässt, wie ich es mir normalerweise von einem Protagonisten erhoffe, dann lasse ich das nur zu und lasse es dem Autor durchgehen, wenn er es (a) gut nachvollziehbar macht und ich Verständnis für die Figur habe und wenn die Figur (b) zum Ende doch wieder den Turn kriegt, sich zu ändern. Vielleicht sogar den eigenen Fehler zu erkennen. Ich weiß nicht, versteht mich da jemand? Oder hab ich wieder diesen abstrusen Buchgeschmack, den keiner teilt?

 

Ich glaube, mir geht es umgekehrt.

Diesen "Turn" am Ende, den lasse ich dem Autor nur durchgehen, wenn ich ihn hundertprozentig glaube.

Ich hab ja zum Gaehnen oft hier herumgepustet, dass mein liebster Romanheld aller Zeiten Raskolnikow ist. Und das ist fuer mich auch der Idealfall einer solchen Wandlung. Die laesst mich als Leser (jedes Mal, wenn ich's lese) sehr still und in Ehrfurcht zurueck, weil sie mir dieses sehr seltene Gefuehl gibt, ein Wunder miterlebt zu haben: Eines, das zu vollziehen, Menschen manchmal, manchmal in der Lage sind.

Das erfordert meiner Ansicht nach einen grossen Schriftsteller und eine grosse Figur (auch Dostojewskij ist es - meiner Meinung nach - nie wieder so geglueckt wie bei meinem Rodja). In den meisten Faellen wirkt diese Bekehrung am Ende auf mich eher gewollt als gekonnt. Ich moechte selbstverstaendlich eine Entwicklung sehen! Aber eine, die ich unbedingt glauben kann, und bei der ich erkenne, dass die Figur nicht ausgetauscht worden ist, sondern nur eine Schmelze durchlaufen hat.

 

Herzliche Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Hallo, Charlie, Kokopelli, Rabe, alle,

 

den Gedanken an Inys Wanderhure hatte ich schon lange. Und habe meinem Agenten auch von der "Hexe von Freiburg" berichtet.

Allerdings glaube ich, dass er genau die Wanderhure im Hinterkopf hatte, denn sie ist ja nicht absichtlich Hure geworden.

Es geht wohl doch um die typischen Sachen, die Frauen widerfahren und die, die Männern widerfahren. Es war auch nicht so gemeint, dass keine Schwierigkeiten gemeistert werden sollen, sondern dass die Heldin nicht von vornherein einen Knacks hat.

Aber ich mag das eigentlich, nämlich, dass sich die Figuren weiterentwickeln, aus inneren und äußeren Dilemmas wieder rauskommen.

Dagegen hat sich bei mir selbst immer was gesträubt, wenn eigentlich die Prota gefoltert werden sollte. Das hat mich letztendlich bei der "Hexe von Freiburg" so fertiggemacht, dass ich geheult habe.

Also, nehmen wir vielleicht ein klein wenig Rücksicht auf die weiblichen Leser ;)

 

Cia, bis dann

Christa

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Wer einmal eine packende Geschichte über einen sowohl körperlich als auch seelisch äußerst "beschädigten" Protagonisten lesen möchte, dem empfehle ich dringend "Der Rumpf" von Akif Pirincci, für mich einer der besten deutschen Autoren, dessen Bücher jenseits der "Felidae"-Reihe leider viel zu wenig Beachtung finden.

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Ach ja, und dann wäre da natürlich noch "American Psycho".

 

Andreas

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Von solchen Forderungen habe ich noch nie etwas gehört. Tatsächlich ist mir in der Zusammenarbeit mit dem Verlag eher das Gegenteil passiert.

 

Ganz ehrlich gesagt: ich würde fehlende "Beschädigung" schon eher als ein Zeichen von Trivialität ansehen. Helden, an denen alles abgleitet und die jede Situation meistern, sind dazu noch langweilig.

 

Christoph

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Hallo Andreas,

 

da ziehe ich dann doch die Grenze, 'Der Rumpf' fand ich nur eklig und habe das Buch irgendwo in der Mitte abgebrochen.

 

Felidae gefiel mir dagegen gut.

 

 

Viele Grüße,

 

Michelle

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Sie darf nur eines nicht, und das besagt diese Regel, sie darf  m o r a l i s c h nicht beschädigt sein - sprich nicht aus Lust und Vergnügen mordet, schändet und plündert und diese Verhaltensweise als Ideal für den Leser darstellen.

 

 

Liebe Grüße

Anna

Und was ist mit Hannibal Lecter? Mich als Leser hat der einfach nur gefesselt und fasziniert, ich habe mich (*outing*) gefreut, als er entkam ...

Liebe Grüße, Susanne

 

"Books! The best weapons in the world!" (The Doctor)

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Dagegen hat sich bei mir selbst immer was gesträubt, wenn eigentlich die Prota gefoltert werden sollte. Das hat mich letztendlich bei der "Hexe von Freiburg" so fertiggemacht, dass ich geheult habe.

 

Aber das ist doch mit das Beste, was einem als Autor wie als Leser passieren kann: dass man heult bzw. die Leser heulen.

 

Sabine

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Sie darf nur eines nicht, und das besagt diese Regel, sie darf  m o r a l i s c h nicht beschädigt sein - sprich nicht aus Lust und Vergnügen mordet, schändet und plündert und diese Verhaltensweise als Ideal für den Leser darstellen.

 

 

Liebe Grüße

Anna

Und was ist mit Hannibal Lecter? Mich als Leser hat der einfach nur gefesselt und fasziniert, ich habe mich (*outing*) gefreut, als er entkam ...

 

Hannibal Lector finde ich nur eklig und widerlich.

 

Für mich muss die "Beschädigung" auch Sinn machen. Wenn ich meinem Helden den Arm oder ein bein nur abschlagen lasse, weil es halt so sein soll, habe ich wahrscheinlich nur einen - möglicherweise noch billigen - Splattereffekt.

Verliert er aber seinen Schwertarm, wirft das ein ganz anderes Licht auf die Geschichte und macht sie interessanter.

 

LG

Maren

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Ganz ehrlich gesagt: ich würde fehlende "Beschädigung" schon eher als ein Zeichen von Trivialität ansehen. Helden, an denen alles abgleitet und die jede Situation meistern, sind dazu noch langweilig.

 

Das ist der Gedanke, der mir beim Lesen dieses Threads ebenfalls durch den Kopf geht. Ich habe ein Problem mit Büchern, deren Helden furchtbare Dinge sehen und erleben, große Verluste, Enttäuschungen, Verrat, etc erleiden, und daraus so unbeschädigt herausgehen wie ein frischgewickelter Säugling. Das Happy End vorausgesetzt, wobei ich Happy End hier mit "Sieg der Sache des Protagonisten bei gleichzeitigem Überleben desselben" übersetzen würde.

In manchen Büchern kriegt man mit, dass das End trotzdem so happy gar nicht ist, eben aufgrund der Beschädigungen, die der Held erleidet. Das dürfen dann die feinfühligeren Leser merken, während die Happy End-Süchtigen es nicht unbedingt mitbekommen müssen ...

Ganz unerträglich finde ich es, wenn noch eins draufgesetzt wird, damit das Glück auch ja keinen Kratzer hat: Held kriegt nicht nur Ruhm, Ehre und die schöne Frau (bzw. das männliche Pendant), sondern gewinnt schnell auch noch im Lotto.

 

Liebe Grüße

Ursula

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(Peter_Dobrovka)

Sehr interessant.

Also, die Umsetzung des Tipps, daß die Protagonistin nicht ausgepeitscht werden solle, findet in mir keinen Freund. Nichtsdestotrotz kann der Tipp stimmen. Ich wage es nicht, mir da ein Urteil anzumaßen. Ich habe in einem meiner Bücher eine Vergewaltigung beschrieben und war ganz erstaunt, daß sich so viele weibliche Leser darüber aufregten in dem Sinne, daß sie nahe daran waren, das Buch wegzulegen.

Ich habe da so eine Vermutung, daß viele Leser solche "Beschädigungen" gar nicht gut abkönnen. Was schade ist, da ich sie wiederum liebe. :s22

 

Sie müsse auch moralisch unbefleckt sein, dürfe also nicht in Verdacht geraten, eine Hure zu sein und wenn, dann wider Willen.

Auch hier gilt, daß ich meine eigene Meinung habe, aber sie nicht zu verabsolutisieren wage. Ich finde unbefleckte Charaktere strunzlangweilig. Hannibal Lecter hab ich seine Flucht zwar nicht gegönnt, aber der Charakter ist interessant und seine Flucht garantiert, daß man noch mehr über ihn lesen können wird.

Wobei er ja in gewisser Weise so etwas wie ein "negativer Superman" ist. Gewisse Figuren sind ja gerade deswegen faszinierend, weil sie ihren Gegnern immer eine Nasenlänge voraus sind und immer gewinnen. Das darf man auch nicht aus den Augen verlieren.

 

Die Heldin müsse grundsätzlich „ungebrochen“ sein. Also das Bild der grundsätzlich „starken Frau“, das ich in vielen Historischen Romanen auch bestätigt finde.

Das kommt ganz drauf an.

Wieder nur meine Meinung: Wenn die Heldin in einer Weise gebrochen wird, daß sie keine interessanten Handlungen mehr zu vollziehen vermag, ist das in der Tat schlecht. Starke Frauen sind ja auch deswegen interessant, weil sie was tun, und schwache Frauen eben nicht.

 

Wenn ich auf meine eigenen Werke reflektiere:

In "Dämonentränen" habe ich eine Prota, die ist ein Teufel in Menschengestalt, hat aber auch ihre sensiblen Seiten und hadert mit ihrem Gewissen. Auf eine sehr merkwürdige Art und Weise bleibt sie trotz der hinterlassenen Leichenberge tatsächlich moralisch unbefleckt, wenn ich so recht darüber nachdenke. Man könnte mir nun vorhalten, daß ich es nicht übers Herz gebracht habe, sie wirklich böse sein zu lassen, aber gerade von dem Gegensatz des eigenen moralischen Anspruchs und den äußeren Umständen, die diesen Anspruch unmöglich machen, lebt die Geschichte.

Eine andere Heldin ist da als Beispiel vielleicht besser: In "Die eiserne Hand" zerbreche ich sie, die ohnehin an endogener Depression leidet, total. Körperlich wie seelisch. Aber daraus entsteht etwas Neues: Eine Person, die vollkommen vom Wunsch nach Rache ausgefüllt wird und in ihren Methoden nicht zimperlich ist.

 

Peter

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Liebe Charlie,

ich LIEBE ausschließlich beschädigte Menschen als Protas. Von der Chronistin weißt Du das ja; die Hauptfigur aus der Regentin erlebt noch viel heftigere Traumatas (Verschleppung, Versklavung, Missbrauch) und bleibt lange Zeit gebrochen; und die Protagonistin meines aktuellen Romans wird brutal vergewaltigt und muss danach sehr lang arbeiten, wieder auf dieser Welt "Fuß zu fassen".

Ich weiß natürlich nicht, wie Leser das auffassen, aber zumindest die Chronistin hat sich schon mal ganz gut verkauft. Von Verlagsseite her habe ich bislang nie auch nur annähernd gehört, dass meine Heldinnen zu kaputt seien, im Gegenteil.

Von daher glaube ich, gehört diese Fragestellung zu jener: Muss es denn ein Happy-End sein?

Nun, es wird Leser geben, die wollen das Happy-End und ebenso welche, die wollen die reinen, unbeschmutzten Protas - doch ich glaube, dass man sich sowohl in der Verlagswelt als auf dem Buchmarkt auch mit dem Gegenteil durchsetzen kann.

Liebe Grüße,

Julia

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Ich habe auch schon öfter gehört, dass ich in meinem Schreiben zu harmlos bin, was die Hauptfiguren angeht.

Nur beim Helden z. B. denke ich dann, dem muss ich doch die Attraktivität und Manneskraft erhalten, damit er auch weiterhin ansprechend bleibt und Held sein kann.

In einem Roman wird nun zwar mein Held gefangen genommen und gefoltert, aber von alleine wäre ich auf die Möglichkeit nicht gekommen.

 

In einem Fantasy-Text erleidet meine Zauberin ab und zu was, einmal wird sie durch eine Intrige in Lebensgefahr gebracht, da ihr eine Feindin etwas in den Trank schüttet und zweimal bei Kämpfen verletzt.

 

Aber ich weiß auch, dass ich manches wahrscheinlich nicht schreiben könnte.

 

LG

Maren

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Bücher, in denen die Protas nicht alle weiß gestrickt sind, hinterlassen bei mir als Leserin die tiefsten Eindrücke. Eine Hauptfigur, die Fehler macht, die verzweifelt, sich in Lügen verstrickt, die moralisch auch einmal anzweifelbar handelt (ohne jene Tabus zu brechen, deren Übertretung ich für absolut unverantwortbar halte - wurden aber schon genannt), ist interessant. Sie kann dadurch auch erst attraktiv werden (so wie Wolverine in X-Men).

Sie bringt mich zum Nachdenken. Soviel zum beschädigten "Innenleben" einer Figur.

Beim "äußeren Erleben" (oder wie auch immer) der Figuren ist meine Toleranz ebenfalls sehr groß. Solange die Handlung weitergeht, kann eine Hauptfigur auch mal den tiefsten Fall erleiden und sterben (siehe die Bücher vom "Lied von Eis und Feuer", in denen der Leser regelmäßig an die Schmerzgrenze getrieben wird, da die Protas die schlimmsten Situationen durchmachen müssen und sich nicht alle wieder aufrappeln).

Selbstredend muss ein gewisser Ausgleich stattfinden. Ein Buch, in dem sich alle Figuren von der ersten bis zur letzten Seite quälen, quält auch den Leser.

Aber: eine gewisse Härte muss der Autor haben, um Tiefe zu bringen.

Das versuche ich auch in meinen Texten zu erreichen, selbst wenn es mir weh tut. (Meine Mutter liest von mir schon lange nichts mehr - sie hält mir vor, meine sadistische Ader läge am fehlenden Fleischkonsum. Eine Logik, die mir nicht ganz einleuchtet. :-X)

 

Liebe Grüße

chrissi

Bei Droemer Knaur im März 2012:  Mondherz &&Meine neue Website

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(Peter_Dobrovka)

Die Heldenfrage wurde in [link=http://autorenforum.montsegur.de/cgi-bin/yabb/YaBB.pl?num=1172842655/#]dieses Thema verschoben.[/link]

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als Leserin langweilen mich ungebrochene Figuren

Mich nicht nur als Leserin, sondern auch als Schreiberin. Mittlerweile habe ich herausgefunden, was ich tun muß, um eine Beziehung zu meinen Figuren herzustellen, so ganz am Anfang, wenn man sich noch gar nicht kennt: ich muss ihnen irgendetwas Schreckliches antun. Manchmal kann es sogar ein Geheimnis zwischen uns bleiben, was das war. In meinem ersten Roman musste ich dem männlichen Helden erst die Nase brechen, um ihn interessant zu finden. Ich erwähne nirgends, wer sie ihm gebrochen hat - aber ich weiß, dass das eine traumatische Geschichte war, und unser Geheimnis begleitet ihn.

Man hat mir einmal vorgeworfen, meine Protagonisten zu wenig zu quälen - das habe ich mir hinter die Ohren geschrieben.

 

Liebe Grüße

Uschi

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ich muss ihnen irgendetwas Schreckliches antun. Manchmal kann es sogar ein Geheimnis zwischen uns bleiben' date=' was das war. In meinem ersten Roman musste ich dem männlichen Helden erst die Nase brechen, um ihn interessant zu finden.[/quote']

 

Ah, das passt mir gut, dann muss ich nicht einen eigenen Thread aufmachen

"Szenen, die weh tun beim Schreiben".

Ich quäle die Figuren eigentlich nicht gern, sondern diese Szenen tun mir so weh,

dass ich sie manchmal lange vor mir her schiebe. Peter hat das Beispiel mit der Vergewaltigung gebracht und den Frauen, die darüber empört waren. Als ich "tiefer" in eine Vergewaltigung eintauchte, ging es mir hinterher ziemlich schlecht. Es ging mir erst wieder besser, als die Prota aus ihren Verletzungen wieder auftauchte und stärker wurde.

Wer sich über die Vergewaltigungsszene dann aufgregt hat, bis heute, waren übrigens nicht meien Testleserinnen, sondern mein Partner.

 

Also sind beschädigte Figuren für mich immer welche, denen etwas passiert, bei dem auch ich als ihre Schöpferin mitleide. Und aus diesem Status der Unterlegenheit und Verletztheit müssen sie wieder rauskommen.

 

Die Nebenfiguren und den Antagonisten habe ich allerdings ohne inneren Schmerz gequält und getötet.

Hannibal Lector ist für mich abstoßend. Gestern habe ich das Folgestück ausgemacht, weil die Persönlichkeit nur eklig und böse war. Ich brauche bei den abgründigen Figuren auch Momente, in denen sich ihre Abartigkeit und Monströsität erklärt.

 

Liebe Grüße

Christa

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(Peter_Dobrovka)

Noch ein Nachtrag zu körperlichen Beschädigungen. Es gibt da noch eine andere Seite; mehrere andere Seiten.

 

Ich merke es an mir: Weibliche Hauptfiguren tragen für mich als männlichen Leser immer eine Portion erotische Attraktivität in sich. Wird sie im Gesicht verletzt oder schwer verstümmelt, leidet das. Ist zwar nicht politisch korrekt, ich kann aber nichts dran ändern. Und so geht es nicht nur mir, sondern dem Löwenanteil meiner Geschlechtsgenossen. Es ist alles andere als ein Zufall, daß so viele weibliche Helden jung und schön sind. Und in visuellen Medien (Film, Comic, etc.) ist das noch viel krasser, da sind sie auch noch sexuell aufreizend gekleidet und geschminkt. Wobei sich oft die Nudität "zufällig" daraus ergibt, daß gerade das Monster oder wer auch immer ihre Kleidung zerfetzt hat. Lassen wir die Dame im Laufe der Story einen Arm oder ein Bein verlieren oder ein Auge, und schon ist sie nicht mehr halb so interessant.

 

Dann ist da noch die Wiederverwendbarkeit. Weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll. Habe selber gerade an einer Entscheidung zu knabbern, ob ich einer Figur von mir eine wichtige körperliche Fähigkeit durch Verletzung wegnehme oder belasse. Fürs Belassen spricht, daß man damit später noch sehr viel anfangen kann.

Wenn man vorhat, eventuell Fortsetzungen zu verfassen, ist das ein nicht zu unterschätzender Aspekt.

 

Noch was persönlich-Psychologisches: Leser wie Autor trauern interessanten Figuren oft nach, wenn sie sterben oder sonstwie umgewandelt werden, daß sie nicht mehr die Rolle ausfüllen können, die sie ursprünglich ausfüllten. Es ist dann ein bißchen so, als ob das tatsächlich passiert wäre.

Manche Leser können Bücher ohne Happy Ends nur schwer bis gar nicht ertragen (gilt für Filme dito), und Pseudo-Happy-Ends funktionieren nicht (Arm ab, Eltern tot, Freundin tot, aber Held bleibt optimistisch).

 

Peter

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Hallo Peter,

 

das gilt aber im Großen und Ganzen auch für männliche Protagonisten. Insbesondere in Hollywood sind die Helden meist attraktiv und viril. Beschädigungen, die den Sex-Appeal vermindern, werden meist vermieden. Hugo Weaving in "V wie Vendetta" steht da recht einsam gegenüber DiCaprio, Clooney, Pitt...

Und das ist auch in vielen Romanen der Fall. Bei der Fantasy, die ich zumeist redaktionell bearbeite, sind die Helden jung, stark, gutaussehend. Eventuell müssen sie durch die Hölle gehen, und es fließt reichlich Blut, aber am Ende sind sie nicht so gebrochen/verstümmelt, dass sie nicht wieder aufstehen könnten...

 

Schöne Grüße,

Natalja

P.S.: Das ist übrigens eines der Dinge, die ich an George R.R. Martins "Song of Ice and Fire" besonders schätze - als Leser kann man kaum vorausahnen, was mit den Hauptfiguren geschieht, weil Martin sehr stark von dem Schema abweicht, was Heroen passieren darf und was nicht.

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Hallo Peter,

 

das stimmt, in den allermeisten Büchern - und auch Filmen - sind Heldin und Held sehr attraktiv. Er darf sich zwar öfter prügeln oder auch mal verletzt werden, aber nachhaltig beeinträchtigt ist selten.

Nur in dem klassischen Thema "Die Schöne und das Biest" ist das ein bißchen anders ;)

 

Und ehrlich gesagt habe ich auch lieber den Helden, der sich zwar gerade wochenlang durch den Dschungel gekämpft hat, aber noch gut duftet und der noch intakt und einsatzbereit fürs nächste Abenteuer ist.

 

"Feuer und Stein" gehört aber trotzdem zu meinen Lieblingsbüchern, obwohl Jamie weder vom Aussehen noch Verhalten mein Typ wäre, mag ich ihn doch irgendwie. Der muss übrigens auch ganz schön oft leiden in den Büchern.

 

Wenn ich selbst schreibe, forme ich den Helden auch immer so ein bißchen danach, was ich attraktiv finde.

 

LG

Maren

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Weibliche Hauptfiguren tragen für mich als männlichen Leser immer eine Portion erotische Attraktivität in sich. Wird sie im Gesicht verletzt oder schwer verstümmelt, leidet das.

 

Das geht nicht nur dir als männlichem Autor und Leser so. Ich habe mir auch schon überlegt, ob die Prota eine bestimmte Krankheit kriegen soll, von der sie Narben im Gesicht zurückbehalten würde, zum Beispiel die Blattern oder Pocken.

Das gilt genauso für den mänlichen Prota. Abbes Bein oder noch schlimmer .. nicht auszudenken!

 

Christa

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Und ehrlich gesagt habe ich auch lieber den Helden' date=' der sich zwar gerade wochenlang durch den Dschungel gekämpft hat, aber noch gut duftet und der noch intakt und einsatzbereit fürs nächste Abenteuer ist.[/quote']

V.a. mit dem "gut duften" ist das manchmal so ein Problem. Ich hab da noch ein ganz spezielles, was vielleicht etwas albern klingt, das mich aber auch schon öfter beschäftigt hat.

Es lautet: "Wohin mit den menschlichen Ausscheidungen, wenn ich den Helden längere Zeit irgendwo einsperre?"

Das Problem hatte ich nun schon öfter. Ich weigere mich einfach, die Verantwortung dafür auf mich zu nehmen. Gehe ich da zu sehr ins Detail, besteht die Gefahr, dass die Figur ihre (erotische) Anziehungskraft dauerhaft verliert, und zwar witzigerweise in größerem Maße, als wenn sie ein Körperteil einbüßt. Ich überlasse das Ausscheidungsproblem deshalb regelmäßig der Phantasie der Leser.

Wenn sie die unappetitlichen Details hinzufügen, dann haben sie es getan, nicht ich. Und ich habe sie ihnen nicht gegen ihren Willen aufgedrängt. Wer es braucht, darf sich vorstellen, dass der Held nach einem Monat in einem kleinen Kerker immer noch nach Maiglöckchen duftet. Wer mit der ganzen Wahrheit leben kann, braucht nur ein wenig Phantasie.

 

Liebe Grüße

Uschi

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Liebe Uschi,

 

ich hab mir ueber das Problem aus anderer Richtung Gedanken gemacht:

Ich hab mich gefragt, wie wohl meine Figur damit umgehen wuerde? Diskret? Nee. Der machte ja auch einen Riesenaufstand daraus, wenn er frass, liebte, ruelpste, soff. Also fand ich, ich koenne ihn nicht die sonstigen Beduerfnisse seines in Selbstverliebtheit gehuellten Leibes unterschlagen lassen. (Ob das seiner Wirkung als Flachlandrammler Abbruch tut, muessen andere beurteilen. Mich taet's nicht schrecken.)

 

Fuer mich sind das die einzig wirklich relevanten Fragen:

Erfordert es die Figur, erfordert es die Geschichte, ist es zur Darstellung der Situation unabdingbar?

Ist die Antwort auf alle drei Fragen "nein", dann ist m.E. weder eine ausfuehrliche Sexszene noch eine ausfuehrliche "Ausscheidungsszene" noch eine, in der ueber Seiten das spaeter Auszuscheidende aufgenommen wird, erforderlich.

 

Aber "wenn schon, denn schon".

 

Eine Folterszene, in der sich der Koerper nicht entleert, sondern nur heldenhaft vor sich hingeklagt wird, finde ich weit aergerlicher als einen Schnitt dieser Szene.

Und einer, der staendig ruelpst, furzt vermutlich auch.

 

Peters Eingestaendnis zum erotischen Element der Hauptfigur erscheint mir ganz wichtig, denn nun liegen hier mal Karten auf dem Tisch. (Vielleicht sollten wir alle Beispiele nennen, welche Romafiguren dieses erotische Element fuer uns haben und warum? Ja, richtig, ich moechte wieder mit meinem Rodja nerven.) Natuerlich geht es um dieses erotische Element auch - und natuerlich wollte ich das mit der Ausgangsfrage auch beantwortet wissen:

Fuer alle Leser, die ein solches erotische Element gern moegen oder sogar verlangen - WAS zerstoert oder beschaedigt dieses Element?

Wirklich eine Pinkelszene?

Und - eine koerperliche Beschaedigung?

 

Mir geht das nicht so.

Aber generell erforderlich, um ein solches erotisches Element wahrzunehmen, finde ich:

Plastische, sinnliche Darstellung (e.g. "Sons and Lovers" von D.H. Lawrence. In diesem Roman finde ich sogar noch die Landschaft erotisch. Schon wenn einer der Maenner sich waescht, freut's mich. Die koennen gern auch pinkeln gehen oder im Bergwerk zwei Fuesse verlieren. Das hielte mich nicht ab),

absolut glaubwuerdige Darstellung eines ungewoehnlichen Menschen (e.g. "England made me" von Graham Greene; die moralische Ambivalenz von Anthony macht ihn fuer mich kein bisschen weniger anziehend, weil er "er selbst" ist und dadurch nicht nur die Menschen im Roman beruehrt),

Konsequenz, Folgerichtigkeit sowie starke auch physische Vitalitaet (Rodja Raskolnikow. Ueber seine Beschaedigungen wein' ich zwar, aber die kratzen den Zauber nicht ab. Im Gegenteil)

 

Erotische Romanfiguren sind, denke ich, hautnah. Sie sprudeln in unser Leben ueber - das duerfen sie von mir aus auch gern furzend, sich entleerend, fressend, sich die Glieder brechend, vernarbt und den Pfarrer bestehlend tun - solange es ihnen "steht".

 

Herzliche Gruesse von Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Es lautet: "Wohin mit den menschlichen Ausscheidungen, wenn ich den Helden längere Zeit irgendwo einsperre?"

 

 

In die Hose. ;D

 

Vor dem Problem standen meine Helden schon öfter. Ich lass sie scheißen, damit hab ich überhaupt kein Problem. Manchmal auch nur pinkeln, je nach Situation. Wenn einer im Kerker in die Ecke pinkelt, was er ja i.d.R. zuerst tun wird, kann sich der Leser dann schon denken, was mit der festen Masse geschieht.

 

Und ich habe nicht den leisesten Verdacht, dass das ihrem Heldenstatus schaden könnte.

 

Sabine

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Abbes Bein oder noch schlimmer .. nicht auszudenken!

 

So jemanden würde ich gerne mal zum Prota eines historischen Romans machen. Einen Gelähmten, Aussätzigen, irgendwas in der Art. Aber als Held, nicht als Antiheld wie im Parfüm oder Schlafes Bruder.

 

Sabine

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