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AstridV

Emanzipiert schreiben, aber wie?

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Hallo Forum,

 

angeregt durch die Diskussion um "Feministische Sprachkritik" möchte ich jetzt doch mal fragen, wie ihr es handhabt.

 

Gleich voraus: Dieser Thread ist nicht für eine weitere Diskussion um Sinn oder Unsinn eines feministisch/emanzipiert/genderbewussten Schreibens gedacht. Er richtet sich nur an diejenigen, die sich tatsächlich darüber Gedanken gemacht haben und ihre Schlussfolgerungen in ihren Geschichten umsetzen. Wer eine "-innen"-Formulierung für Schwachsinn hält, bei "Schriftsteller und Autoren" automatisch auch an Frauen denkt oder grundsätzlich "er" schreibt, auch wenn "er" selbst eine "sie" ist und sich gerade selber meint, möge sich mit seinen/ihren Kommentaren bitte zurückhalten. Selbst wenn ihr "die Frauenfrage" für noch so überflüssig und schädlich haltet, möchte ich euch bitten, zu respektieren, dass andere das eben nicht tun.

 

Also, die Frage an "frauenbewegte Schreiber/innen": Wenn ihr über Frauen und Männer in irgendeiner Gesellschaft schreibt, wie tut ihr das? Ist ein Mädchen für euch "es" oder "sie"? Existiert Gleichberechtigung, und wenn ja, wie? Sind eure Heldinnen Fische ohne Fahrrad oder Blümchen ohne Mauer? Könnt ihr euch Alternativen zu bestehenden Partnerschafts- oder Gesellschaftsformen vorstellen, und wenn ja, wie setzt ihr sie um? Schreibt ihr Utopien, Wunschträume oder Abbilder der Realität? Versucht ihr, Frauen und Mädchen durch bewussten Sprachgebrauch für "die Frauenfrage" zu sensibilisieren? Schreibt ihr für Frauen, für Mädchen, für eine bestimmte weibliche Zielgruppe? Schmuggelt ihr vielleicht auch in einen Nackenbeißer noch die eine oder andere feministische Parole oder Aussage hinein?

 

Bin gespannt auf eure Antworten.

 

Liebe Grüße

 

Astrid

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Hallo Astrid,

toll, dass du das Thema pragmatisch anpackst. Meckern ist ja bekanntlich leicht, übers Bessermachen spricht man viel zu selten.

Wie ich oben bereits sagte, habe ich im Journalismus gelernt, nicht nur Männer anzusprechen - und eine gute Übung ist es, zwischendurch mal für Frauenzeitschriften zu schreiben. ;)

 

Das macht sich so bemerkbar, dass ich versuche, entweder beide Formen oder neutrale zu nehmen (ich schreibe z.B. hier gern "hallo Leute"), auch wenn es Menschen gibt, die über diese neutralen Formen streiten. Je nach Text kann ich auch abwechseln. Wenn jedoch ausschließlich und eindeutig Frauen gemeint sind, verwende ich auch zwingend die weibliche Form (umgekehrt genauso), Dan Brown ist also für mich ein Bestsellerautor, Rosamunde Pilcher ist aber eine Bestsellerautorin. Mann XY ist ein Könner auf seinem Gebiet, Frau XY ist eine Könnerin.

 

Zu Grammatikbrüchen bin ich nicht bereit, das Mädchen bleibt also im gleichen Satz "es", ich kann aber einen Punkt setzen und dann ins "sie" wechseln. Also Spracheleganz geht bei mir schon vor Umständlichkeiten - aber es ist wirklich überraschend, wie einfach man elegant "gleichwertig" schreiben kann, wenn man nur bewusst hinschaut.

 

Vor Unmöglichkeiten mache ich auch nicht Halt, etwa bei Satire.

Damit das Buch jedoch erschwinglich für Sie bleibt, sparen wir uns textverlängernde Maßnahmen wie Geschlecht/in und EndungInnen. Wir meinen grundsätzlich alle, ohne Ansehen von Geschlecht, Religion, Hunderasse, Sexvorlieben, Briefmarkensammlung oder Familienstand.

So heißt es in meinem neuen Satirebuch für Paare, Nicht-Mehr-Paare, eben um zu zeigen: Männer, Frauen, ihr seid nicht besser oder schlechter als das andere Geschlecht. Im Buch weise ich dann auch absichtlich abwechselnd Attribute dem Geschlecht zu, bei dem man es nicht vermutet. Aber das ist Satire...

 

Inhaltlich geht deine Frage schon sehr viel mehr ans Eingemachte ;)

Ich kann z.B. durch die Ansichten, die ich über das Verhältnis von Menschen zueinander habe, bestimmte Textarten nicht schreiben, weil sie meinen Überzeugungen zuwider laufen. Also lass ich die Finger davon.

 

Nun habe ich ja ausgerechnet Frauenromane geschrieben... ich habe versucht, möglichst lebensechte Menschen zu schaffen. Und eben nicht das toughe, multitaskinggewohnte Superweib zur Protagonistin zu machen oder Männer als knalldumm hinzustellen. Aber leider gerät man schon an Grenzen. Viele Männerfiguren verplatten zu weiblichen Wunschträumen. Irgendwie bleibt's doch konventionell, schon deshalb, weil ein Happy-End her muss.

 

Im Moment versuche ich, möglichst authentische Menschen zu schaffen und halte auch das Primat der weiblichen Überzahl nicht mehr ein. Zu authentischen Menschen gehört für mich, dass Eigenschaften nicht am Geschlecht hängen... miese Typen, Schleimer, tolle Typen, interessante Menschen... das können mal Frauen sein, mal Männer. Charakter hängt nicht in der Hose.

 

Ja, ich versuche, noch intensiver auf meine Figuren und meine Geschichte zu hören, mich nicht an irgendwelche Vorgaben oder Erwartungen zu halten. Ich überprüfe meine Sicht außerdem gern an möglichst unterschiedlichen Menschen, sehr weiblichen Frauen, sehr männlichen Frauen, sehr weiblichen Männern, sehr männlichen Männern.

 

Überhaupt geht es mir ähnlich, wie Peter das oben beschrieben hatte: Ich nehme jemanden primär als Mensch wahr. Ob der Mensch eine Frau oder ein Mann ist, ist mir zunächst herzlich egal. Wahrscheinlich schreibe ich deshalb inzwischen über eine Realität, in der die Frage, wie Menschen mit ihr umgehen können, viel wichtiger geworden ist als etwa die Fragen der ersten Emanzipationsbewegung der Sechziger. Mir sind die Probleme wichtig, die beide Geschlechter anpacken müssen. Gemeinsam.

 

Was dabei herauskommt, weiß ich noch nicht. :s09

 

Ach ja: Ich würde liebend gern für viel mehr Männer schreiben. Im Brotberuf gelingt mir das ja auch.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Wurde mir vorige Woche in einem Interviwe folgenden Frage gestellt:

 

Beim Lesen Ihrer Bücher kommt einem der Gedanke, dass die herkömmliche Geschichtsschreibung hinsichtlich der Rolle der Frauen an einigen Stellen überarbeitet werden müsste. Haben Frauen Ihrer Meinung nach größeren Anteil am historischen Geschehen, als dies allgemein angenommen wird?

 

Und ich antwortete dem Herrn:

Da mehr oder weniger 50% der Menschen Frauen sind und auch waren, bin ich sehr wohl der Meinung, dass sie den ihnen gebührenden Anteil am historischen Geschehen haben.

Geschichte haben nicht nur Könige und Gelehrte, Päpste und Feldherren gemacht, sondern auch Frauen. Doch die Rolle der Mütter, Töchter, Partnerinnen, Freundinnen ist zum einen nicht so gut dokumentiert, zum anderen lange von den (männlichen) Historikern wenig beachtet worden. Hier ist aber inzwischen eine erfreuliche Trendwende eingetreten, und man wichtet ihre Rolle weit stärker als früher.

Meine persönliche Meinung ist, dass Frauen die Geschichte ebenso beeinflusst haben wie Männer – im Guten wie im Bösen.

 

Das ist meine Grundeinstellung schon immer gewesen, lange bevor ich den Begriff Feminismus buchstabieren konnte.

Aus diesem Grund versuche ich, nicht Überfrauen darzustellen, sondern solche, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbstbewusst und selbstverantwortlich handeln und ihren Partnern ebenbürtig sind. Manchmal auf anderen Gebieten, oft mit anderen Mitteln.

Komischerweise habe ich mich dabei über die sprachliche Ausgestaltung nie große Gedanken gemacht, aber gelegentlich nennen meine Kritiker meine (historischen) Heldinnen zu vorlaut für ihre Zeit.

 

Aber damit kann ich leben.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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In meinen Texten schreibe ich am liebsten aus Sicht der weiblichen Hauptfigur. Zwar schreibe ich außerdem sehr gern im auktorialen Erzählstil (wenn ich denn darf), aber ich habe fast immer mehr weibliche Figuren als männliche. In einer Geschichte ist eine Professorin für Archäologie dabei, die dann nicht als Professor XY, sondern als die Professorin bezeichnet wird, wenn ich von ihr schreibe. Wird sie von den anderen angesprochen, sagen die allerdings "Professor XY", also ohne ein Frau davor zu setzen oder ein "in" anzuhängen.

In einer anderen Geschichte hat der Ort, in dem die Handlung spielt, eine Bürgermeisterin.

In Fantasy-Stories habe ich Zauberinnen, eine Drachenfrau, Hexen, Telepathin, Empathin, etc.

 

Bei historischen Romanen suche ich mir als Leserin nur die aus, in der eine Frau die Hauptrolle hat; über Männer zu lesen finde ich in den allermeisten Büchern langweilig. Es gibt ein paar Romane mit überwiegend männlichen Figuren oder nur männlichen Hauptfiguren, die mir gefallen, aber das sind wirklich wenige.

 

LG

Maren

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Liebe Astrid,

 

ich finde es toll, dass dieses Thema hier einmal angesprochen wird.

 

Was die Sprache betrifft, so halte ich einen Mittelweg für sinnvoll. Geht es um den Beruf einer Frau, so ist sie natürlich Ärztin, Wahrsagerin oder Kesselflickerin. Bei einer Gruppe von Menschen verzichte ich allerdings auf das und -innen, außer, es ist inhaltlich besonders wichtig, d.h. ich will betonen, dass auch Frauen dabei waren. Ständig von Zuhörern und Zuhörerinnen etc. zu schreiben, wäre zwar politisch korrekt, aber für den Leser wohl ermüdend. Ich bemühe mich um neutrale Ausdrücke wie "Leute", "Menschen" etc. Mit dem Mädchen ist das so ein deutsches Unding. Ich kenne keine andere Sprache, in der ein junges Wesen weiblichen Geschlechts grammatikalisch ein Neutrum ist. Ich versuche, so schnell wie möglich zum "sie" zu wechseln, weil es sich sonst blöd anhört.

 

Wichtiger scheint mir der Inhalt einer Geschichte, also die Frage, was für ein Frauenbild vermittelt wird. Hier hat meiner Meinung nach in den letzten Jahren eine sehr positive Entwicklung stattgefunden und zwar in Film und Fernsehen und auch in der Unterhaltungsliteratur. Früher waren Frauen entweder undurchschaubar und böse oder hilflose Opfer, die auf den Retter auf dem edlen Roß warteten. Mittlerweile sind die meisten weiblichen Figuren selbst aktiv geworden. Zwar fallen in Thrillern Frauen Serienkillern zum Opfer - was ja leider auch der Realität entspricht - doch wird dieser Serienkiller dann nicht selten von einer taffen Kommissarin zur Strecke gebracht. In historischen Romanen ist es fast schon die Regel geworden, dass die Heldin gegen ihre Benachteiligung als Frau aufbegehrt. Man denke nur an die Päpstin und viele andere Frauen in Männerkleidung, an Julias "Chronistin" usw.

Ich selbst sehe mich in dieser Tradition. Ich schreibe über unkonventionelle Frauen in früheren Jahrhunderten, die versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen. Details gibt es, wenn diese Texte tatsächlich auch veröffentlicht sind. Momentan sieht es sehr gut aus. Die meisten meiner weiblichen Hauptfiguren haben auch ein paar Charakterzüge von mir selbst. Mir ist eine Darstellung von Frauen als komplexen Individuen wichtig, die Stärken und Schwächen haben.

 

Viele Grüße

 

Tereza

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In den meisten Punkten kann ich mich Petra anschließen und will da nicht alles wiederholen. Auch für mich steht im Vordergrund, über Menschen als komplexe Individuen zu schreiben. Wenn ich die Romanfiguren selbst entwickle (was bei Rhiana, der Amazone, leider nicht der Fall war; ausgerechnet die hat ein Mann erdacht und vorgegeben ...), achte ich sehr darauf, möglichst glaubwürdige Charaktere zu beschreiben - egal welchen Geschlechts.

Ich glaube, dass in allen meinen Geschichten auch mein Menschenbild durchscheint, weil ich bestimmte Dinge einfach nicht schreiben würde, die für andere Autoren vielleicht gar nicht bedenklich sind, und gern nach Lösungen suche, die realistisch sind, ohne ein pessimistisches Weltbild zu zeichnen. Aber ich versuche nicht, den Leser aktiv zu beeinflussen. Meine Frauenfiguren sind deshalb so verschieden wie reale Frauen; es gibt tapfere und feige, Opfer und Täterinnen,  sehr "männliche" und sehr "weibliche" Frauen.

Meine Fantasy-Rollenspiel-Romane sind in einer Welt angesiedelt, in der die Gleichberechtigung weitgehend verwirklicht ist (von einzelnen Randkulturen abgesehen), sodass sich dort gar nichts anderes umsetzen lässt. Dort, wo ich mir die Kultur selbst ausdenken darf, überlege ich mir schon sehr genau, wie die Geschlechterrollen verteilt sein sollen. Eine verwirklichte Gleichberechtigung ist da für mich gar nicht mal so interessant, weil sie den Figuren Reibungsfläche nimmt. Ich finde es viel spannender, eine Amazone auf ein mauerblümiges Burgfräulein treffen zu lassen oder zu erzählen, wie aus dem zum Sticken gezwungenen Burgfräulein doch noch eine selbstbewusste, selbstbestimmte Frau wird, als über Frauen zu schreiben, die in ihrer Gesellschaft keinen Einschränkungen unterworfen sind. Es sind doch die Probleme und wie die Figuren damit umgehen, die eine Geschichte interessant machen. Ist für mich jedenfalls auch als Leserin so.

 

Frauenbewegte Grüße

 

Daniela

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Hallo Astrid,

 

danke, dass Du dieses wichtige Sprachthema hier nochmal gesondert ansprichst.

 

Tja, die Sache mit dem "Mädchen" ist ja hier schon hinreichend besprochen worden. Sie bleibt für mich eine sie. Alles andere wäre unlogisch.

 

Ansonsten versuche ich möglichst neutrale Begriffe wie Leute zu verwenden. Wenn es um Gruppen geht, handele ich eher nach einer 50/50 Regel. Die Doppel-Nennung "Lehrerinnen und Lehrer" verwende ich durchgängig in Sachtexten, Briefen etc. nicht jedoch in literarischen Texten, da sie den Lesefluss hemmt. Dort verwende ich dann so weit wie möglich neutrale Worte.

 

Meine derzeitige Hauptfigur ist eine Kommissarin, die einen Serientäter schnappt, der Männer mordet (allerdings nicht weil sie Männer sind, sondern aus einem anderen Grund). Ich kann mich am besten mit weiblichen Protas auseinander setzen, vielleicht weil ich da einfach eine engere Verbindung habe  ;)

 

Ich habe bisher noch keine Geschichte geschrieben, in der nicht mindestens eine wesentliche Hauptfigur weiblich war. Ich denke aber auch, dass das einfach unsere 50/50 Gesellschaft spiegelt - je die Hälfte ist männlich oder weiblich.

 

Speziell emanzipatorische Themen spreche ich nur am Rande an. Meine Kommissarin kämpft zum Beispiel regelmäßig gegen die männerdominierte bayerische sture Kriminalpolizei bzw. deren männliche Vertreter, die sie in dieser Domäne nur sehr schwer anerkennen (wollen).

 

Liebe Grüße http://smilies.montsegur.de/04.gif

Gudrun

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(Peter_Dobrovka)

Obgleich ich durch den fettgedruckten Teil des Eröffnungspostings und meiner Geschlechtszugehörigkeit von dieser Diskussion ausgeschlossen sein sollte, fühle ich mich aus Gründen, die weiter unten genannt sind, dennoch dem Kreise der Autoren zugehörig, die emanzipiert schreiben. Und daher möchte ich gerne die gestellten Fragen beantworten.

 

Also, die Frage an "frauenbewegte Schreiber/innen": Wenn ihr über Frauen und Männer in irgendeiner Gesellschaft schreibt, wie tut ihr das? Ist ein Mädchen für euch "es" oder "sie"?

Zum Mädchen gibt es einen eigenen Thread. Der Grammatik wegen ist man ja zum "es" gezwungen, aber ich wechsele da schnellstmöglich zum "sie", in der Regel schon im darauffolgenden Satz.

 

Existiert Gleichberechtigung, und wenn ja, wie? Sind eure Heldinnen Fische ohne Fahrrad oder Blümchen ohne Mauer? Könnt ihr euch Alternativen zu bestehenden Partnerschafts- oder Gesellschaftsformen vorstellen, und wenn ja, wie setzt ihr sie um? Schreibt ihr Utopien, Wunschträume oder Abbilder der Realität?

Ich schreibe über Wunschträume und über Ängste. Ich bemühe mich dabei aber auch um Abbildung der Realität, selbst wenn ich über Irreales schreibe. Reine Wunschträume ohne Realitätsbezug sind fad.

Ich habe ziemlich viele weibliche Hauptfiguren, und emanzipiert sind sie alle. Nichtemanzipierte Frauen gibt es auch, aber sie treten nur in Nebenrollen auf, denn ich finde solche Figuren einfach nicht interessant. Und auch nicht sympathisch, wenngleich das allein noch kein Kriterium wäre. Ich habe viele unsympathische Hauptfiguren.

Gleichberechtigung ... Im Hintergrund bzw. in der Erzählstimme schwingt so etwas vielleicht mit, auch wenn die konkrete Geschichte vielleicht zu einer Zeit und an einem Ort angesiedelt ist, wo äußerlich keine Gleichberechtigung herrscht. Schwer zu sagen. Ich behandle als Autor und Gott meiner Welt die Geschlechter jedenfalls nicht unterschiedlich.

In dem Moment, in dem ich aus der Perspektive einer Figur schreibe, werde ich zu dieser Figur. Und das trifft auch dann zu, wenn diese Figur eine Frau ist. In dieser Rolle vertrete ich dann auch meine weiblichen Interessen. Ganz komische Sache.

 

Versucht ihr, Frauen und Mädchen durch bewussten Sprachgebrauch für "die Frauenfrage" zu sensibilisieren? Schreibt ihr für Frauen, für Mädchen, für eine bestimmte weibliche Zielgruppe? Schmuggelt ihr vielleicht auch in einen Nackenbeißer noch die eine oder andere feministische Parole oder Aussage hinein?

Obgleich ich ursprünglich nicht direkt für Frauen geschrieben habe, sind erwiesenermaßen ca. 90% meiner Leser Frauen, und ich glaube, das beeinflußt mich unterbewußt in meinen noch fertigzustellenden Büchern.

Ich denke, meine weiblichen Helden sind allein durch ihr Agieren und die völlige Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre Rechte in Anspruch nehmen, in mancher Hinsicht ein Vorbild. Ob ich damit aber tatsächlich irgendjemanden beeinfluße, wage ich zu bezweifeln.

Ich schreibe übrigens entsprechend meinen Postings so, daß ich das "Innen" vermeide und auch sonst im Erzähltext mit den weiblichen Formen geize. (Beschwert hat sich übrigens noch niemand, trotz o.g. Quote.) Und ich erlaube mir, eben das für emanzipiert zu halten. Weil ich auf dieser Ebene eine Vereinigung der Geschlechter anstrebe bzw. dem Auseinanderdriften durch Mißbrauch der grammatischen Geschlechtszuordnung entgegenwirken möchte.

 

Meine Frauen sind in der Regel stärker als die Männer. Durch gewisse Umstände, die der Fantasy eigen sind, oftmals auch physisch.

 

Peter

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Obgleich ich durch den fettgedruckten Teil des Eröffnungspostings und meiner Geschlechtszugehörigkeit von dieser Diskussion ausgeschlossen sein sollte

Richtig verstandener Feminismus schließt Männer nicht aus, im Gegenteil. Es geht auch um die Befreiung der Männer von Rollenbildern, die ihnen selbst nicht mehr passen, zu einem "befreiteren" Leben. Es gibt jede Menge Feministen. Der Ruf nach Gleichwertigkeit darf niemanden ausschließen ;)

Schöne Grüße,

Petra

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Hallo allerseits,

 

obwohl ich nicht selbst schreibe, achte ich im professionellen Umgang mit Literatur auch auf das dargestellte Frauenbild.

Als Gutachterin und Lektorin moniere ich zementierte Rollenklischees ebenso, wie ich gelungene Frauenfiguren lobe (mal als Beispiel: Kai Meyer ist für Teenager beiderlei Geschlechts wunderbar, wie ich finde).

Als Agentin würde ich keinen Text vertreten, der sexistisch oder rassistisch ist. Warum sollte ich?

 

Liebe Grüße,

Natalja

P.S.: Und ich finde, dass z.B. Celia, Daniela, Sabine und auch Christoph ganz eigenständige, starke Frauen beschreiben, von deren Taten ich einfach gern lese.

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Hallo,

ich bin überzeugte Feministin - in dem Sinn, wie es Petra formuliert.

Beim Schreiben wirkt sich das so aus, dass ich gerne über starke, gleichwohl sperrige, nicht immer "lieb weiblich" agierende Frauen schreibe, die mit dem Frauenbild ihrer Zeit massiv zu kämpfen haben. Wichtig ist mir, dass diese Frauen nicht heroisiert werden - sondern dass sie Menschen bleiben, die scheitern, die Mist bauern, die Ecken und Kanten haben, sprich: es geht mir hier nicht um Verherrlichung (nach dem Motto: gute Frau, böser Mann) - im Gegenteil.

Liebe Grüße,

Julia

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Hallo Astrid,

 

bei mir emanzipieren sich meine weibliche Figuren andauernd, in dem Sinne, dass sie lernen, auf ihre Situation mit anderen Augen zu schauen und diese dann verändern (wollen), dass sie Vertrauen in ihre Fähigkeiten fassen. Und dieser Aspekt ist mir sehr sehr wichtig. Ich frage mich nur, ob das nicht eine Art von Diskriminierung ist. Die männlichen Figuren neigen nämlich wesentlich weniger dazu, sich zu ändern, weil sie mit sich selbst zufriedener sind. Ist es nicht so, dass ich Gutes will, aber eigentlich die Rollenbilder zementiere?

 

Gruß

Maaja

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Ich behaupte immer keine Emanze zu sein, keine Feministin. Von dem Thema bekomme ich Ausschlag, weil es so schlimme Blüten treibt. Aber Astrids Worte in dem anderen Thread haben mich beeindruckt. So gesehen bin ich selbstverständlich eine Feministin. Ich darf jetzt leben wofür meine Vorgängerinnen gekämpft haben.

Das wollte ich nur mal losgeworden sein.

Danke, Astrid.

 

Zur Threadfrage: Ich habe mich schon immer bemüht ebenfalls "Menschen" zu schreiben. Aber wenn es an die Frauen ging fällt mir auf, dass es bei mir keine schwächelnden Frauen gibt. Sie sind auch keine Superweiber, aber sie können wenns drauf ankommt ihren "Mann stehen".

Deshalb denke ich, dass meine Geschichten eine eindeutige Sprache sprechen, ein emanzipiertes Signal aussenden, ohne dass mir das beim Schreiben bewusst gewesen wäre.

Absichtlich baue ich keine solche Botschaft ein. Aber sie ist immer drin.

 

LG

Joy

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Hallo zusammen,

der Thread hat mich angeregt, mein aktuelles Romanprojekt in dieser Hinsicht zu beleuchten... ;)

 

Ich habe mich davor ziemlich lang mit einer historisch angehauchten Fantasy befasst, in der eine Frau die Hauptprotagonistin war. Sie war die durch Weisheit Starke in einer Welt, in der die Macht ansonsten durch männliche Gewalt manifestierte... klassisch feministisch, kann man sagen. Aber dadurch auch irgendwie trist.

 

Im Moment schreibe ich an einer komischen Geschichte (in der heutigen Zeit), die ich als eher post-feministisch bezeichnen würde. Der Hauptprota ist ein Mann. Er ist ein sympathisches Weichei, das der Konfrontation mit seiner Antagonistin, einer wahren Furie, dauernd aus dem Weg gehen möchte. Ich muss sagen, dass mir das so richtig Spaß macht. ;D

Ich nehme an, gänzlich unemanzipierte Frauen oder Männer (klassisches Rollenbild, typische Weibchen oder Paschas) könnte ich aber nie ohne ein paar Seitenhiebe beschreiben.

 

Obwohl ich mich selbst durchaus als Feministin sehe, nervt es mich, wenn mir in Büchern der Feminismus mit dem Zaunpfahl um die Ohren gehauen wird. Zum Beispiel die ansonsten netten Romane von Christine Nöstlinger, die ich als Teenager stapelweise konsumierte: Sämtliche erwachsenen Männer darin sind nicht in der Lage, Nudeln zu kochen oder auch nur ein Paar Socken im Schrank zu finden. (Gut, das ist jetzt übertrieben. Aber so ähnlich habe ich es in Erinnerung.) Wenn ich politisches lesen möchte, besorge ich mir lieber Sachbücher.

 

Einen Spleen trage ich allerdings seit etlichen Jahren mit mir herum: Ich kaufe nur Romane, die von Frauen geschrieben wurden. Da man als Leseratte ja etliches geschenkt bekommt und mein Partner auch vieles kauft, lese ich natürlich auch Romane von männlichen Autoren. Aber Geld gebe ich nur für Autorinnen aus. Mein persönlicher Betriag zur Frauenförderung. ;)

 

Viele Grüße

Julia

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Ich fand es irgendwann einfach nur noch ätzend, immer dasselbe "Feministinnenschema" zu lesen: unterdrückte Heldin befreit sich aus der männlichen Knechtschaft, läuft in Hosen rum und/oder findet ihr wahres Glück an der Seite einer lesbischen Freundin oder eines emanzipierten Mannes. So etwas konnte Marion Zimmer Bradley besonders gut, und für ihre Generation waren Befreiung und Aufbruch auch wirklich wichtig. Nur fand ich irgendwann, dass es an der Zeit war, Alternativen für danach auszuprobieren: eine Gesellschaft, in der Diskriminierung eines Geschlechtes nicht existiert. Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass das Ungleichgewicht der Geschlechter quasi gottgegeben ist, bloß weil unsere Vorfahrinnen Pflanzen suchten und ihre Kinder in Höhlen stillten, während die Männer auf Mammutjagd gingen. Für mich ist dieses Ungleichgewicht aus Angst und Hass entstanden. Also habe ich versucht, eine Gesellschaft zu entwickeln, in denen es weder Hass noch Angst zwischen Männern und Frauen gibt. Dadurch kommen sie gar nicht erst auf den Gedanken, es gäbe Bereiche, in denen entweder Männer oder Frauen restlos unbegabt sind - vom Kinderkriegen jetzt mal abgesehen. Ich habe diverse Formen des Zusammenlebens entwickelt, Familien- und Clanstrukturen verändert, der Religion einen anderen Stellenwert zugewiesen und bin jetzt dabei, die einzelnen Gesellschaftsbereiche zu erforschen und zu gucken, wie eine im Status Quo emanzipierte Gesellschaft ihre Geschlechtsbeziehungen, Moralvorstellungen, Gesetze, Wissenschaften, Lehren und Philosophien entwickeln könnte.

 

Die Frauen in meinen Geschichten sind nichts Besonderes. Die Männer auch nicht. Ganz normale Menschen eben, die ihren Platz in der Gesellschaft haben, ihn verlieren und zurückgewinnen oder untergehen. Sex wird eher pragmatisch und unkompliziert gesehen, weder glorifiziert noch verteufelt.

 

Das einzige Problem, das mir in meiner schönen Utopie immer wieder dazwischenfunkt, ist meine eigene Erziehung in einem sehr patriarchalischen Elternhaus, in dem zuerst mein Vater kam, dann mein Bruder, dann meine Mutter, dann lange Zeit nichts, und dann am Schluss meine Schwestern und ich. Aus dieser Prägung herauszukommen, ist auch zwanzig Jahre nach meinem Auszug von zu Hause noch schwer. Ich kann meine emanzipierte Gesellschaft nicht einfach drauflosentwickeln, sondern muss andauernd hinterfragen, ob ich eigentlich objektiv bin, ob das, was ich denke, überhaupt eine zwingende Vorgabe ist oder doch noch ein Überbleibsel aus meiner Kindheit. Ich schleppe zuviel Angst und Misstrauen mit mir herum, um unbefangen an das Thema herangehen zu können, und das macht es beim Schreiben gelegentlich schwierig.

 

Soviel zu Rabenzeit. Bei den drei ??? gibt es klare Vorgaben. Die Serie war ursprünglich für Jungen konzipiert, in einer Zeit, in der es in Amerika kein "Women's Lib" gab. Entsprechend dürftig sind die Frauengestalten. Nach dem Erscheinen des Geisterzugs bekam ich einen Brief von einer Leserin, die es zwar gut fand, dass mal wieder eine Autorin mitschrieb, die sich aber bitter über die fehlende Emanzipation in dem Buch beklagte. Sie schlug mir vor, zB Tante Mathilda einen Computerkurs belegen zu lassen.

Bei aller Liebe zur Emanzipation kann ich da nur sagen: Nein, das tue ich nicht. Nicht, weil ich keine begeisterte Emanze bin, sondern weil es zu der Figur nicht passt. Tante Mathilda auf den Selbstbefreiungstrip zu schicken, NUR um feministischen Ansprüchen zu genügen, wäre Verrat an der Figur. So viel Sensibilität muss frau schon haben, da unterscheiden zu können. Ich schließe ja nicht aus, dass Tante Mathilda sich irgendwann mal an den PC (oder Mac) setzt. Die Fähigkeiten dazu hat sie bestimmt. Aber der Grund dafür darf nicht sein, dass ich, die Autorin, irgendwas beweisen oder den Leser/innen den feministischen Zaunpfahl um die Ohren prügeln muss.

Natürlich hindert mich das nicht daran, neue männliche UND weibliche Figuren zu erfinden, zu denen das zeitgemäße Denken besser passt.

 

Zum Schluss noch: auf die Sprache achte ich genauso, wie ich es im Thread "Feministische Sprachkritik" und im übrigen Leben tue. Das ist meine Aufgabe als Autorin. Und wenn zB die Einhornzauber-Leserinnen merken, dass da zwischen all dem rosa Glitzerkram eine Emanze erzählt, ist mir das sehr recht. Was sie daraus mitnehmen, bleibt ihnen aber selbst überlassen.

 

Gruß

 

Astrid

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Liebe Astrid,

 

bei deiner Schilderung der ??? fiel mir der aktuelle James Bond ein. Wer die alten Bücher gelesen hat, weiß, dass die Bond-Frauen immer das genaue Gegenteil aller emanzipatorischer Bemühungen waren: schwach, verführbar, devot. Diese Frauen lassen sich aber heute dem Publikum nicht mehr "verkaufen". Das Bondgirl im neuen "Casino Royal" wurde zumindest in weiten Teilen dem heutigen Frauenbild angepasst: schlagfertig, selbstbewusst, professionell.

 

Da der Film aber gleich endet wie das alte Buch, erlebt die Figur denselben Bruch, den Tante Mathilda durchmachen müsste, um einen Computerkurs zu besuchen. Und wird dadurch irgendwie inkohärent.

 

Was sagt uns das? Starke Frauen passen in jede Zeit. Aber man kann nicht überall "emanzipierte" Frauen unterbringen. Und ich finde es schon lobenswert, wenn auch bei den Nebenfiguren eine einigermaßen paritätische Verteilung vorherrscht (was ja keinesfalls selbstverständlich ist).

 

Aus meiner Warte finde ich den aktuelle "Work in Progress" viel spannender zu beschreiben als eine Utopie, in der die Gleichberechtigung bereits gänzlich realisiert ist. Obwohl ich mir so eine Welt wahrhaftig wünschen würde. ;)

 

Viele Grüße

Julia

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Ihr beiden bringt mich gerade zum Nachdenken. Obwohl ich mich selbst als Feministin bezeichnen würde, bin ich totaler James-Bond-Fan. Und zwar liebe ich die ganz alten, die ja nun wirklich gegen alles verstoßen, was ich selbst von der Welt erwarte. Aber das ist für mich die absolute Fiktion, die genau darum funktioniert, weil es Gute und Böse gibt, völlig irrealen Nonsense, jede Menge Action und diesen herrlichen englischen Humor. Die neuen sind dagegen schon von Political Correctness und Product-Placement glattgebügelt - kein Pepp mehr.

Dagegen habe ich bei Lara Croft (dem Film) an manchen Stellen gedacht: Oweia, das macht die jetzt wieder nur, um mir zu beweisen, dass auch Frauen stark sind... zum Gähnen.

 

Für mich wird es irgendwie pervers, wenn verlangt wird, man habe Welten und Personen gefälligst so hinzubügeln, dass die Message rüberkommt. Ich hab doch auch um mich herum die dumme Dorftunsel, die nicht bis drei zählen kann und ständig nur ans Brotbacken denkt. Ich mag die Frau, obwohl mir ihre Welt verquer geht - aber sie hat so eine Warmherzigkeit, wenn sie ihre Familie mit Brot versorgt - und ich sehe, wie sie da voll drin aufgeht, glücklich. Ich will solche Leute im Leben nicht missionieren (wer weiß, ob die mit meiner Denkwelt glücklich wären) - also muss ich doch auch solche Romanpersonen schaffen können / dürfen?

 

Vielleicht verstehe ich Feminismus auch etwas pervers... für mich gehört dazu, Menschen sie selbst sein zu lassen - und Tante Mathilda kann ich mir absolut plastisch vorstellen, wie sie ist. Warum soll die sich ändern, meine Dorftunsel tut's doch auch nicht?

 

In dem Zusammenhang fällt mir meine alte Schulfibel ein, mit der ich Lesen lernte. Volle Rollentrennung der Endsechziger (Flower Power war noch nicht angekommen). Hans geht raus und darf alles, Suse muss Mama in der Küche helfen und brav und ordentlich sein. Hat mir das geschadet? Nein. Ich habe damals beschlossen: so doof wie die Suse will ich nie werden. Ich werde die Frau mit dem Hund am Wald, und der Hans kann mich mal, und Mutti helfen ist mir zu langweilig, basta.

 

Und da kommt mir ein sehr ketzerischer Gedanke: Könnte es sein, dass sich meine Generation so aktiv und besessen feministische Fragen gestellt hat, WEIL unsere Bücher nicht unsere Wunschwelt abbildeten? Sind wir dadurch in einen kämpferischen Dialog mit dem Lesestoff eingetreten?

Umgekehrt: Könnte es sein, dass Bücher, nach political correctness und Wunschwelt gestaltet, sogar einlullen, den Blick für die Realität verstellen, reinen Eskapismus bieten und gar nicht mehr bewirken, was sie sollen?

 

Ich meine, nach diesen Tonnen von starken Frauen in Romanen, die sich alles leisten können und alles erkämpfen, müsste man doch eigentlich meinen, dass die Leserinnen die Diskrepanz zu ihrem Alltagsleben erkennen und etwas dagegen tun? Tun sie's denn?

 

Schöne Grüße,

Petra

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Liebe Petra,

 

ich sehe eigentlich eher die Gefahr, dass das unablässig auf uns niederdonnernde Sex- und Ewige Liebe-Gewitter uns den Blick für die Wirklichkeit verstellen kann. Die retuschierten Filmschönheiten, die Verachtung der Medien für alles, was keine Traummaße hat - das finde ich viel gefährlicher als jede Utopie, die ich mir ausdenken kann. Und ich glaube, dass sehr viele Mädchen und junge Frauen schon mit diesem Gift angesteckt worden sind. Und die Männer sowieso, da ihnen ja andauernd suggeriert wird, sie hätten das Recht, das Aussehen von Frauen zu beurteilen.

 

Es gibt Filmschönheiten, es gibt Dorftunseln, es gibt ganz normale Frauen. Jede hat ein Recht darauf, so zu sein, wie sie ist. Schwierig wird es nur, wenn alle Welt erwartet, dass Dorftunsel und Normalfrau der Filmvorgabe entsprechen sollen, und sie selber sich minderwertig fühlen, weil sie es nicht tun.

 

Ich glaube, dass viele Leserinnen die starken Frauen in den Romanen toll finden, WEIL sie selber nichts an ihrem Leben ändern wollen. Dann leben eben Claire und Konsorten die wilden Träume aus, und Tante Tunsel geht zufrieden wieder Brot backen.

 

Und Dorftunsel ist ein tolles Wort. ;D

 

Astrid

 

P.S. Ich habe damals angefangen, nach Alternativen zu suchen, weil ich mein Dasein als Mädchen extrem unbefriedigend fand. Missachtung, Vernachlässigung und sexuelle Belästigung am laufenden Meter - so stellte ich mir mein Leben nicht vor. Alternative: Georg(ina) aus den Fünf Freunden. Wirklich? Nein, denn die war auch nicht frei und seelisch gesund, sondern ein psychischer Krüppel - ein Mädchen, das sich selbst hasste. Wenn also mädchenhaftes Mädchen und jungenhaftes Mädchen nicht funktionierten, musste eine andere Möglichkeit her, und danach habe ich gesucht. Bei Astrid Lindgren habe ich warmherzige Erwachsene und gesunde Kinder gefunden - das war dann viel eher meine Richtung. Aber eine vergangene Utopie, nicht mehr lebbar, wenn man das Vertrauen nicht mehr hat. Also habe ich dann nach Frauen gesucht, die sich selbst definieren und auf den Spiegel verzichten, den ihnen ein Mann hinhält.

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Hallo Astrid,

 

ich schleiche schon lange um die Gleichberechtigungs-/Emanzipationsthreads herum.  Ich habe noch nie ein Buch unter dem Aspekt "emanzipiert geschrieben" gelesen.

Also, die Frage an "frauenbewegte Schreiber/innen": Wenn ihr über Frauen und Männer in irgendeiner Gesellschaft schreibt, wie tut ihr das?

Meine Figuren entscheiden unabhängig vom Geschlecht über ihr Handeln; sie sind unabhängig.

 

Ist ein Mädchen für euch "es" oder "sie"?

Das ist für mich eine reine Grammatikfrage. Ich persönlich tendiere zu "sie", da für mich "er" und "sie" für Personen vorbehalten sind und "es" für leblose Dinge.

 

Existiert Gleichberechtigung, und wenn ja, wie?
Gleichberechtigung kann man nicht am Zahlenverhältnis der weiblichen und männlichen Personen festmachen, da müsste Buchheims "Das Boot" frauenfeindlich sein. Es gibt männerdominate Themen (z.B. Krieg oder Armee). Gleichberechtigung kann nur durch Handlung, nicht aber durch das Mundwerk (Dialoge) erreicht werden.

 

Sind eure Heldinnen Fische ohne Fahrrad oder Blümchen ohne Mauer?
Das mit dem Fisch und dem Fahrrad verstehe ich nicht :-? Mauerblümchen sind für mich langweilig und werden in keinem Text von mir auftreten, da ich gerne spannend schreiben will.

 

Könnt ihr euch Alternativen zu bestehenden Partnerschafts- oder Gesellschaftsformen vorstellen, und wenn ja, wie setzt ihr sie um?
Ich kann mir Alternativen vorstellen, die Frage ist nur, ob ich sie literarisch umsetzen kann. Ich habe kein Problem mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, Lebensgemeinschaften ohne Trauschein, Patchworkfamilien oder der traditionellen Ehe. Ich glaube, über Partnerschaftsformen zu schreiben, als Haupthandlung, die man selbst nicht auslebt, ist sehr schwer und Recherche allein reicht da nicht aus.

 

Schreibt ihr Utopien, Wunschträume oder Abbilder der Realität?
Ich schreibe aus der Realität heraus über Utopien und Wunschträume. Wenn meine Figuren keine Utopien oder Wunschträume hätten, wären sie tot.

 

Versucht ihr, Frauen und Mädchen durch bewussten Sprachgebrauch für "die Frauenfrage" zu sensibilisieren?
Sorry, aber "die Frauenfrage" existiert für mich nicht, genauer, sie existierte für mich nicht. Die Frauenbewegung hat mich nie interessiert. Die Frauen, die ich kannte und kenne, haben ihr Tun nach dem ausgerichtet, was sie für richtig hielten und halten, ohne Rücksicht auf Männer - und was heute vehement verketzert wird. Die Frauenfrage - das waren für mich Beiträge im Westfernsehen, über die ich mich gewundert habe, wieso ein Land, dass sich als aufgeklärt bezeichnet, derartige Probleme haben kann. Emanzipation kann man nicht durch "bewussten Sprachgebrauch" durchsetzen, sondern durch Handeln. Weniger reden - mehr tun!

 

Schreibt ihr für Frauen, für Mädchen, für eine bestimmte weibliche Zielgruppe?
Zielgruppen definiere ich über das Alter der Leser.

 

Schmuggelt ihr vielleicht auch in einen Nackenbeißer noch die eine oder andere feministische Parole oder Aussage hinein?
Damit habe ich kein Problem. Wenn's in die Handlung oder zur Person passt, ist alles erlaubt.

 

Viele Grüße Dietmar

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Petra, witzigerweise finde ich James Bond zum Gähnen (kennst Du einen, kennst Du alle) und bin außerdem tatsächlich angenervt, wenn ich diesem Chauvi und seinen Gespielinnen zusehen soll.

Lara Croft halte ich aber für kein gutes Beispiel einer emanzipierten Frau. Diese Figur entstammt einem für Männer konzipierten Computerspiel und hat deshalb die Persönlichkeit eines Pinup-Posters. Bei dem Film war selbst ich als Frau genötigt, ständig auf ihre überdimensionierten Brüste zu starren  :s03  Mit Emanzipation hat diese Figur für mich rein gar nichts zu tun.

 

Was die Figuren in visuellen Medien angeht, bin ich derselben Meinung wie Astrid. Da wird den Männern vorgegaukelt, die (optisch) perfekte Frau sei der Normalfall, von dem normale Frauen unerwünschterweise abweichen. Und die Mädels glauben es und werden reihenweise essgestört, lassen sich schönheitsoperieren etc. Nachdem mir das in den letzten beiden Jahren sehr bewusst geworden ist, möchte ich zukünftig auch mehr darauf achten, meine Protagonistinnen für männliche Leser attraktiv zu gestalten, ohne den Eindruck zu erwecken, ihre optische Schönheit sei perfekt.

 

Bei der Persönlichkeit sehe ich es auch so: Es gibt im realen Leben Tante Mathildas und Dorftunseln, also darf es die auch in meinen Büchern geben. Aber als Hauptfiguren sind sie für mich nicht interessant. Das können nur Frauen sein, die ihr Leben ändern und/oder über sich hinauswachsen wollen.

 

Liebe Grüße

 

Daniela  

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Mit Emanzipation hat diese Figur für mich rein gar nichts zu tun.

Um Himmels willen, als ein solches Beispiel wollte ich sie auch nicht gesehen wissen. ;D

Für mich ist das nur "James Bond in weiblich" als Beispiel. Und da war ich dann halt ziemlich erstaunt, dass sich so viele Frauen begeisterten: hach, die ist aber emanzipiert, die kann alles, so möcht ich auch sein.

Wenn man sehr böse ist, entspricht sie halt schon so manchem Superweib in von Frauen geschriebenen Frauenromanen, die dann angeblich so neue Welten zeigt. Dazu und zu deinem Posting, Astrid, später mehr, mein Termin schreit ;)

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich mag James Bond lieber als Lara Croft ;D

 

Aber obwohl ich starke Frauen in Büchern, Filmen und Serien liebe, bin ich auch froh um die mütterlichen "Dorftunseln" (süßes Wort). Weil das für mich viel realistischer ist, als wenn nur irgendwelche bildschönen Kämpferinnen in knappen Tops da langhangeln.

 

Und ich finde in Romanen eine Frau, die erst nach und nach entdeckt, wie stark sie aus sich selbst heraus sein kann, oft viel interessanter als eine die sofort und ohne jedes Problem überall durchkommt. Das wird schnell langweilig, da ist der Reiz weg. Oder die Figur nervt irgendwann.

Über Lara Croft würde ich kein Buch lesen wollen, sie interessiert mich als Figur nicht. Ein paar der Tomb Raider-Spiele habe ich gespielt und fand sie auch ganz unterhaltsam, aber nicht wegen Lara ;)

 

LG

Maren

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Und ich finde in Romanen eine Frau' date=' die erst nach und nach entdeckt, wie stark sie aus sich selbst heraus sein kann, oft viel interessanter als eine die sofort und ohne jedes Problem überall durchkommt.[/quote']

Ich finde das auch bei Männern interessanter. Und nicht nur die Frauen bei James Bond sind schematisch, nur so als Nebenbemerkung.

 

Wobei es oft die eigenen Geschlechtsgenossinnen bzw. -genossen sind, die diese Superweib bzw. Superman Ideale aufrechterhalten. Auf welchen Titelbildern strahlen uns die Supermodels entgegen? Meist sind es die Frauenzeitschriften.

 

Und wo findet ihr die erfolgreichen Karrieristen, die alles mit links schaffen?

 

Hans Peter

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Hans Peter, dass auch James Bond selbst eine Figur ohne echte Persönlichkeit ist, will ich bestimmt nicht abstreiten!

Abgesehen davon: Unerreichbare Rollenvorbilder gibt es auch für Männer zur Genüge, und ich habe größtes Verständnis für Männer, die sich dagegen wehren, ein perfekter karrieremachender Ernährer der Familie sein zu müssen und dabei natürlich auch noch verständnisvoller Ehemann, ständig präsenter Vater und bodygebuildeter Geliebter mit Waschbrettbauch  ;)  Wenn Autoren durch ihr Schreiben dazu beitragen möchten, dass auch Männer sich besser im Dschungel gesellschaftlicher Anforderungen zurechtfinden und überholte ebenso wie überzogene Rollenvorbilder abstreifen, finde ich das prima. Bei meinen männlichen Protagonisten achte ich auch immer darauf, keine Supermänner zu erschaffen, sondern Männer mit Ecken und Kanten und Schwächen, die (gerade auch im Umgang mit dem anderen Geschlecht) Fehler machen und ihren eigenen Weg finden müssen, der bei mir nicht in "und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende" mündet. Um diese grundsätzliche Skepsis gegenüber zuckrigen Happy Ends auszudrücken, sind meine Enden meistens recht offen.    

 

Du hast Recht mit Deiner Beobachtung bei den Frauenzeitschriften. Ich kann Dir dafür aber keine Erklärung liefern, denn ich kaufe die Dinger nicht, weil mich der Inhalt nicht interessiert.

 

Herzliche Grüße

 

Daniela

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Ich oute mich mal: Ich mochte Lara immer. Es gab vorher kaum weibliche Figuren in Computerspielen (ich erinnere mich eigentlich nur an "the great Giana Sisters", ein Gegenstück zu Mario Bros). Lara hat endlich mal die Perspektive gewechselt.

Und ich finde schon, dass eine paritätische Geschlechterverteilung in Filmen und Romanen auch ein Teil der Gleichstellung ist, zumindest für mich als Konsumentin. "Das Boot" hat mich nie interessiert - vielleicht auch deswegen, weil es eine reine Männerwelt darstellt. Ich nehme an, dass im Gegenzug kaum einer der anwesenden Männer Romane liest, die ausschließlich von Frauen handeln - oder?

 

Gerade in Filmen kann man deutlich sehen, wie in den letzten Jahren der Anteil weiblicher Figuren gestiegen ist. Früher gab es oft Filme, in denen die weibliche Co-Heldin die einzige relevante Frauenrolle darstellte. Noch immer ist es für Männer viel leichter, Schauspiel-Jobs zu finden - einfach weil es viel mehr männliche als weibliche Rollen gibt.

 

@Dietmar: Ich finde es auch unglaublich, dass wir uns noch immer mit diesem Problem herumschlagen müssen. Aber es ist nun einmal so. Ich bin Jahrgang '74 und musste mir in der Schule anhören, dass Frauen nicht literatisch schreiben können. Das lässt mich noch heute mit den Zähnen knirschen. ;)

 

Grüße, Julia

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