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Quidam

Anspruchsvolle Literatur!

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Hallo Leute,

 

momentan beschäftige ich mich ja mit der Frage, was Literatur anspruchsvoll macht und hab mir da eine Antwort gefunden, die ich aber gerne überdenke.

 

Ich bin kein Freund von Wertungen - aber ich glaube, dass man oftmals werten muss, um eine breite Masse anzusprechen, dass man es oftmals den Leser vorkauen muss, um ihn nicht zu verlieren.

 

Doch je mehr man dem Leser mit dem Text alleine läßt, deso 'anspruchsvoller' wird die Geschichte - meiner Meinung nach. Und es hat den Vorteil, dass ich, sofern sich der Leser darauf einläßt, tiefere Gefühle bei ihm auslösen kann.

 

Wenn ich schreibe, dass der Protagonist in seinem Bett liegt und nicht einschlafen kann, weil er Angst hat, weil der Horrorfilm immer noch sehr präsent ist, dann ist das 'leichtere' Kost, als wenn ich dem Leser sein eigenes Bild machen lasse. Dass der Leser selber spürt, dass der Protagonist Angst hat, ohne es zu schreiben und zwar durch dem, was die Figur tut (Wie Peter D. immer so schön sagt - zeigen anstatt erklären):

Sie wälzt sich hin und her, steht auf, schiebt den Vorhang beiseite und sieht nach, ob sich vor dem Haus nicht etwa doch Zombies tummeln, kontrolliert, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen ist, und sieht unters Bett, bevor sie sich wieder bequem legt.

 

Mag sein, dass ich dadurch viele Leser verliere, weil sie der Geschichte nicht so folgen wollen und es in ihnen dadurch nichts bewegt, aber die, die sich darauf einlassen, spüren die Angst deutlicher, fiebern mit, werden nicht aus der Geschichte gerissen, werden von ihr verschlungen.

 

Anspruchsvollere Literatur bedeutet für mich nicht, bestimmte Szenen besonders kunstvoll zu beschreiben, nebenbei bemerkt.

 

Was meint ihr?

 

Grüße

Quidam

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(Peter_Dobrovka)

Das Show don't Tell, das ich mit beinahe religiösem Eifer predige, dient nicht dazu, den Text anspruchsvoller zu machen, es dient dazu, ihn für den Leser packender zu gestalten, weil Dinge nur zu behaupten einfach langweilig ist. So.

 

Doch nun zum Thema. Ich habe ja schon lange gewartet, wann einer damit anfängt, weil es immer wieder aufkommt, aber nur als Nebenthema oder beiläufig. Ich hätte auch damit anfangen können, aber ich wollte mal gucken, wie lange es dauern kann, bis sich einer traut.

 

Ich muß gestehen: Auch wenn ich das Wort Hochliteratur selbst gerne im Munde führe, weiß ich eigentlich gar nicht, was das ist. Meine Vorstellung davon ist sehr unscharf. Ich assoziiere damit Klassiker und Nobelpreisträger - und im Gegenzug Sparten wie Thriller, Horror und Fantasy gerade NICHT.

Und dennoch würde ich wiederum Tolkien und Poe ohne weiteres in die Hochliteratur einordnen.

Tja, nur warum? Willkür? Weil es alle so tun? Konditionierung?

Wenn ich mich zusammenreiße und angestrengt nachdenke, dann ist für mich ein Werk der Hochliteratur etwas, das folgende Kriterien erfüllt:

1- Gute, saubere Sprache

2- Ein Inhalt, der bewegt und in Erinnerung bleibt

3- Durchdachte Konstruktion der Handlung

4- Tadellose Recherche etwaiger Fakten

Aber das ist nur eine persönliche Meinung, die viele wahrscheinlich ergänzen oder ablehnen werden.

Die Sache ist deswegen so schwer, weil unser Denken teilweise Einbahnstraßen-Charakter hat. Ich erkenne eine schöne Frau, wenn ich sie sehe, aber wenn ich aufzählen müßte, was eine Frau schön macht, würde ich noch schlimmer schlucken als bei dieser Literatur-Frage. Und auch wenn ich Leute auf der Straße wiedererkenne, kann ich dennoch nicht gut Leute aus dem Gedächtnis zeichnen.

 

Na gut, was Besseres habe ich nicht zu bieten.

 

Der größten Schwerpunkt würde ich dabei auf Punkt 2 legen, und das ist auch der am schwersten zu erreichende. So gerne ich mich selbst als Hochliterat sehen würde, an Punkt 2 dürfte ich wahrscheinlich scheitern.

Aber gleich die nächste Frage: Warum will ich das? Warum will es irgendeiner?

Bei mir verbindet sich damit etwas. Eine Art Magie, die einen in einen höheren Stand hebt. Schwer in Worte zu fassen. So wie alles zu diesem Thema.

 

Peter

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Hallo Leute,

ich würde ergänzen, dass ich bei anspruchsvoller Literatur eine sehr hohe Kohärenz zwischen Inhalt und Form finde, dass also nicht nur der Inhalt Kunst ist, sondern auch die dazu passende Sprache ein Kunstwerk und sich beides ideal ergänzt.

 

Außerdem finde ich in der anspruchsvollen Literatur Grundthemen der Menschheit, "große Themen", die Moden und Zeiten überdauern. Solche Bücher kann ich nicht nur mehrmals lesen, sondern auch über verschiedene Lebensphasen hinweg. Und die ganz Großen finden ihre Leser auch über Jahrhunderte hinweg (man denke nur an das Alter von Don Quichote!). Solche Bücher haben Tiefe, haben Grundlegendes zu sagen und schaffen etwas Bleibendes.

 

Es gibt weniger Eskapismus, die meisten Schriftsteller dieser Art beobachten ihre Umwelt genau und haben etwas darüber zu sagen... viele von ihnen haben ihre Umwelt durch die Literatur nachhaltig beeinflusst. Meist tritt anspruchsvolle Literatur deshalb auch in Zeitströmungen auf, weil Literaten sich gleichzeitig mit Besonderheiten ihrer Zeit beschäftigen (vgl. Literatur der dt. Emigranten im Dritten Reich).

 

Ja... das mal so als lose Stoffsammlung.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Vielleicht ist Hochliteratur vergleichbar mit einem Sterne-Menü:

 

Aus exquitisien Zutaten zusammengestellt und kunstvoll angerichtet - was aber nicht zwangsläufig bedeutet, dass es einem schmeckt, noch, dass man davon satt wird...

 

Andreas-der-Ketzer ;)

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Andreas, das ist eine ganz hervorragende Definition.

Mach nach "schmeckt" einen Punkt - dann ist sie direkt lehrbuchreif.

 

Denn "satt" wird man schon - muß sich allerdings durch manche Bücher erst durchbeißen, die man nicht einfach so nebenbei genüßlich runterschlabbern kann ;)

 

Gruß

Jan

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... Vermeidung von Klischees und Allgemeinplätzen so wohl im Inhaltlichen als auch im Sprachlichen oder eben ein sinniges Spiel damit. Wenn ich ein anspruchsvolles Buch lesen will, dann möchte ich dabei etwas neues erfahren. Eine ungewohnte Wahrnehmung machen, eine banale Sache, etwa eine Dreiecksgeschichte, nochmals anders, eben mit neuen Augen sehen. Ich möchte irritiert, ja überrascht werden, also nicht so wie bei Rosamund Pilcher, wo ich weiß, was mich erwartet: Männer sind männlich, Frauen weiblich und Happyends unvermeidlich. Dagegen die Bücher von Murakami ("Mister Aufziehvogel"), da staune ich nur über das melancholisch-versponnene Universum, das da errichtet wird, (scheinbar) realistisch, aber immer wieder ins Surreale abhebend, ohne zu einer Traumwelt zu werden, und dabei hat alles so was zwingendes, dass ich folgen muss.. Oder Franz Kafkas "Das Schloß", eines meiner Lieblingsbücher, das kann ich immer wieder lesen, weil ich immer wieder rätsele, was sich hinter dieser glasklaren Sprache und der vordergründig so eindeutigen Geschichte verbirgt. Anspruchsvolle Literatur darf ruhig etwas anstrengend sein (finde ich), aber dann gibt es (bei mir) so einen Punkt, da kippt es um, und ich denk' mir "leck mich!" und werf das Buch in die Ecke. Peter Handke z.B. , aber den finde ich nicht einmal einen anspruchsvollen Schriftsteller, sondern einen schlechten (wenn man von seinen frühen Büchern absieht) und dann gibt es auch noch so bildungsbürgerliche Angeber wie Thomas Mann, der sein Werk aus allen möglichen Quellen so kunstvoll wie strebsam zusammenbastelt und das Ganze ist so manieriert, da fehlt mir ein authentischer Zugriff- nunja ..st vielleicht etwas unglücklich formuliert - ...

 

Herzlichst & gute Nacht: jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Anspruchsvolle Literatur bedeutet für mich Sätze zu lesen, die so perfekt formuliert sind, dass ich sie bewundere und mindestens zweimal lesen möchte. Mit Humor, der einem nicht plump ins Gesicht springt, sondern subtiler daherkommt, mit einem Augenzwinkern. Mit Vergleichen und Metaphern die stimmen, neu und originell sind. Mit Tragik, die wirklich tragisch ist, zum Mitweinen anstatt zum Gähnen. Mit indirekten Beschreibungen, damit meine eigene Vorstellungskraft erhalten bleibt. Mit mehr Phantasie als einem langweiligen: "Sein Wagen war grün". Mit einem perfekten zeigen statt erzählen. Mit Charakteren die einem unter die Haut gehen, die man gern als Familienmitglieder adoptieren würde. Mit Geschichten, die einen länger beschäftigen als bis zu dem Moment wo man das Buch zumacht.

 

 

LG

Joy

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...bildungsbürgerliche Angeber wie Thomas Mann, der sein Werk aus allen möglichen Quellen so kunstvoll wie strebsam zusammenbastelt
So was nennt man Recherche ;D

 

Im Ernst - sicher hat er sich intensiv und lange vorbereitet, aber von zusammengebastelt kannst Du unmöglich im Ernst sprechen.

Das, was er aus diesen Quellen gemacht hat, ist etwas ganz eigenes.

Und auch seiner Sprache, seines rein handwerklichen Könnens wegen sollte sich jeder, der ernsthaft schreiben will, ausgiebig mit Thomas Mann beschäftigen.

 

Die von Peter genannten 3 Punkte würde ich voll unterstreichen, den 4. sehe ich nicht so eng, aber der grundlegende Unterschied zwischen Hochliteratur und anderer ist für mich schlicht die Sprache.

 

Will keine Namen nennen, aber denkt Euch nur mal Madame Bovary von einer Kitschautorin geschrieben - der Inhalt wäre in etwa derselbe, aber die Sprache.....

 

Ich habe gerade Werfel gelesen, und es war eine regelrecht Wohltat nach dem ganzen Schrott, den ich zuletzt gelesen hab.

Ein ganz ruhiges Erzählen, da saß jedes Wort, jeder Gedankenstrich hatte seinen Sinn, jeder Satz war durchdacht, da gab es kein Herumtasten, kein Halb-richtig, keine verrutschten Bilder - da war das Lesen einfach ein Genuß.

 

Er beherrschte einfach das Handwerk - und dann kommt noch ein bißchen was dazu.

Das ist vielleicht auch einer der Unterschiede.

 

Gruß

Jan  

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