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(Peter D. Lancester)

Zurückspulen

Empfohlene Beiträge

(Peter_Dobrovka)

Ich will an dieser Stelle nicht fragen, ob ich es machen soll, denn ich habe es schon gemacht und mache es immer wieder mal, trotzdem würde mich eure Meinung dazu mal interessieren.

 

Erstes Beispiel: Kleines Zurückspulen:

In einer Kampfszene sieht Prota A, daß Prota B niedergemetzelt wird. Absatz, Leerzeile. Eine Minute zuvor. Prota B ist noch gesund und munter, und ich erzähle, wie er den entscheidenden Fehler begeht, der ihm das Leben kostet.

 

Zweites Beispiel: Mittleres Zurückspulen:

20 Uhr. Prota 1 sieht in der Tagesschau, daß jemand als Terrorist gesucht wird, der genau so aussieht wie er. Nächste Szene. Der Morgen desselben Tages. Der Tagesablauf von Prota 2 wird geschildert. Als er an Abend nach Hause kommt, wird er vom aufgeregten Prota 1 begrüßt, der ihm erzählt, was er gerade (in der allerersten Szene) im Fernsehen gesehen hat.

 

Drittes Beispiel: Episches, mehrfaches Zurückspulen:

Zwei sich abwechselnde Handlungsstränge, einer spielt 1970, der andere 2007. Der Vergangenheits-Handlungsstrang entwickelt sich pro Kapitel 5 Jahre weiter, der Gegenwarts-Handlungsstrang nur je einen Tag. Irgendwann treffen sie zeitlich zusammen und fusionieren zu einem Handlungsstrang.

 

Habt ihr sowas schon mal gemacht? Schon mal gelesen? Hat es euch verwirrt? Fandet ihr es gut?

 

Peter

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Hallo!

 

Habe ich sozusagen gearde erst gemacht. Ungeplant hat sich die Notwendigkeit dazu ergeben. Eine komplette Szene spielt von morgens bis abends an einem  Schauplatz B, an deren Ende so ein Du-glaubst-nicht-was-heute-passiert-ist steht und es eben erforderlich war, zu zeigen, was andernorts den Tag über an Schauplatz A abgelaufen ist. Ging auch technisch nicht, das jemanden einfach erzählen zu lassen, was auch zu langweilig gewesen wäre. Die Ereignisse an A und B zu zerstückeln und parallel zu montieren wäre auch nix gewesen, weil die Szene an Schuplatz B aus einem Guss sein muss. Also habe ich zurückgespult und lasse drei Szenen laufen, bis sich das am Ende wieder trifft. Wusste erst gar nicht, wie mir geschieht und überlegte: Äh, funktioniert das? Darfst Du das? Hat mich verwirrt und mich zunächst nach Auswegen suchen lassen. Dann fand ich es aber sehr schnell als Stilmittel erfrischend, hab mich gefragt: Warum willst Du das vermeiden?, und hab dann einfach mal zurückgespult, und natürlich funktioniert das.  Außerdem finde ich das gut. Gerade das, was Du als kleines Zurückspulen bezeichnest. Reizvoll. Der film noir als Genre bedient sich des Zurückspulens und -blendens ja ohne Ende, um zu vergegenwärtigen, dass die Vergangenheit übermächtig sein kann und jedes Ding seine Vorgeschichte hat.

 

Viele Grüße, Sven

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Habt ihr sowas schon mal gemacht? Schon mal gelesen? Hat es euch verwirrt? Fandet ihr es gut?

 

A - ich mache es laufend, da ich oft mit mehr als fünf Handlungssträngen über einen Zeitraum von 30 Jahren jongliere

B - in fast jedem besseren Familien-Epos

C - nein, es verwirrt mich weder beim Lesen noch beim Schreiben. obwohl ich da ziemlich viel Detail-Planung brauche, um die Zeitstränge sinnvoll zu verweben, damit sie sich pünktlich in der Gegenwart treffen (es lebe die Netzplantechnik!)

D - ich fand es gut.

 

Gruß

Anna

Neu: Das Gold der Raben. Bald: Doppelband Die Spionin im Kurbad und Pantoufle

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Die Frage kommt mir sozusagen wie gerufen (ich nehme hier nicht Bezug auf das, was Peter "episches Zurueckspulen" nennt, also die Verflechtung zweier Zeitebenen - das liebe ich sehr, beruehrt aber m.E. andere Themen.).

 

Ehrlich gesagt, ich hab mir gerade so eine Spule geschnitten.

 

Ich mag solche Chronologiebrueche gern, weil sie eine dem Roman immanente Zeitrechnung und Wertigkeit beruecksichtigen koennen, weil sie Erwartungen wecken und das Unerwartete tun; sie vermoegen die geschlagenen Haken des igelnden Autors zu sein, der dem Leserhasen zuruft: Bin schon da. Oder doch nicht?

 

Die haeufig verpoente Rueckblende ("verwirrend", "zu viel Plusquamperfekt" etc. pp.) ist m.E. eine glaenzende Moeglichkeit, Blickwinkel zu verschieben, ohne Perspektiven zu brechen. Sie kann eine Paukenschlag-Wirkung haben, kann das Schild "Leser, aufgepasst, jetzt kommt was", sein.

 

Aber.

Sie funktioniert nicht immer.

 

Ich hatte geplant, an einer bestimmten mittigen Stelle in eine Szenenfolge einzusteigen, weil ich diese Stelle so schoen, so bildhaft, so dramatisch fand. Das kleine zu schildernde Ereignis (Weihnachtsbrauch) schien mir wie eine motivische Ouvertuere fuer die ganze Szenenfolge. Klasse. Habe mich darauf gefreut und wollte dann zurueck gehen, also sozusagen Neujahr vor dem Heiligen Abend feiern.

 

Hab ich auch gemacht. Und mich dann tagelang gewundert, warum drei im Grunde gelungene Szenen eine voellig misslungene Szenenfolge ergeben.

Gestern nacht hat mich das so wahnsinnig gemacht (man weiss ja zumeist, wann es Zeit ist, was zu loeschen, aber ...), dass ich in Richtung Delete-Knopf aus dem Bett gesprungen bin. Heute hab ich sie richtig geordnet, chronologisch-bieder, und jetzt passen sie.

 

Warum weiss ich auch und das schreibe ich mit Sorgfalt hinter meine Ohren:

 

Erstens: Rueckblenden sind ausgesprochen spannungssteigernd, wenn (siehe Peters Terroristen-Beispiel) in der vorgezogenen Szene der Leser vor eine Tatsache gestellt wird, zu der ihm nun die Erklaerung fehlt. (Es darf aber nicht so viel fehlen, dass die Tatsache voellig fremd und damit nicht von Interesse ist.) Ist dies nicht gegeben, eruebrigt sich ein Grund fuer die Rueckblende.

 

Zweitens: Rueckblenden sind Spannungstoeter, wenn wie in meiner Szenenfolge die "Loesung" der rueckgeblendeten Szene in der vorgezogenen gezeigt wird.

 

Ich geb' daher meine uebliche langweilige Antwort: Strukturen um ihrer selbst willen gewaehlt, tragen selten. Rueckblenden, wenn sie eine Funktion haben, sind ein probates, vielseitig einsetzbares Mittel. Wenn sie wie bei mir lediglich chic aussehen sollen - raus.

 

Im Rueckblick gruesst

Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Ich geb' daher meine uebliche langweilige Antwort: Strukturen um ihrer selbst willen gewaehlt, tragen selten. Rueckblenden, wenn sie eine Funktion haben, sind ein probates, vielseitig einsetzbares Mittel. Wenn sie wie bei mir lediglich chic aussehen sollen - raus.

 

Hey Charlie,

 

ich find die Antwort gar nicht langweilig, sondern sie trifft genau ins Schwarze. Eine fade Story durch Rückblenden "aufzubocken" geht oft schief (kommt relativ häufig vor), aber wenn sie passen, können sie einen sehr schönen Effekt erzielen.

Wobei mich der dritte Fall, den Peter beschreibt, mittlerweile nicht mehr so reizt, das hat man schon oft gesehen und gelesen -zwei parallele Handlungsstränge, zeitlich versetzt, und schlimmstenfalls haben sie nur minimale Berührungspunkte.

Was ich hingegen sehr lustig (und irgendwie britisch finde) ist der erste Fall, der Mini-Zeitsprung. Der hat für mich aber immer etwas sehr Ironisches, Augenzwinkenderes, Cooles.

Würde den jetzt nicht gerade in einem Melodram einsetzen.

 

 

Gruß

Peter

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Hey Peter!

 

Ich bin ja Freund (aber kein fanatischer Verfechter) der chronologischen Erzählweise. Insofern empfinde ich deine beiden ersten Beispiele als nicht schlimm, aber auch nicht als besonders erstrebenswert.

 

Erstes Beispiel: Kleines Zurückspulen:

In einer Kampfszene sieht Prota A, daß Prota B niedergemetzelt wird. Absatz, Leerzeile. Eine Minute zuvor. Prota B ist noch gesund und munter, und ich erzähle, wie er den entscheidenden Fehler begeht, der ihm das Leben kostet.

Das KANN, in manchen Fällen ganz lustig sein, hat aber für mich einen entscheidenden psychologischen Fehler: In dem Moment, wo ich weiß, dass eine Person tot ist, ist mir egal wie es dazu kam. Sie ist tot. Was juckt es mich, welchen fehler sie begangen hat?

Interessant wäre allemal, wenn nach dem Zeitsprung, neben dem Fehler des Toten noch eine andere Information geliefert werden würde, die sonst fehlt.

Das koppelt wieder an meinen Anspruch, dass jede Szene etwas neues oder wichtiges bringen soll, dass einem sonst fehlen würde.

 

Wenn ich eine Szene schreibe, in der Kennedy von Oswald erschossen wird, und seine Frau um ihn trauert - welchen Mehrwert, welchen Nutzen hat dann denn noch die Szene, in der Kennedy mit seinem Berater streitet, ob sie offen oder geschlossen fahren wollen??

 

Zweites Beispiel: Mittleres Zurückspulen:

20 Uhr. Prota 1 sieht in der Tagesschau, daß jemand als Terrorist gesucht wird, der genau so aussieht wie er. Nächste Szene. Der Morgen desselben Tages. Der Tagesablauf von Prota 2 wird geschildert. Als er an Abend nach Hause kommt, wird er vom aufgeregten Prota 1 begrüßt, der ihm erzählt, was er gerade (in der allerersten Szene) im Fernsehen gesehen hat.

Mag ich nicht. Ist für mich ein billiger Trick, Spannung aufzubauen, indem man das Interessante an den Anfang zieht, um das weniger Interessante hintendran zu stellen. Klassischer Kniff in Thrillern, der bei mir immer Kopfschütteln auslöst, weil ich mich frage, weshalb zum Henker dem Autoren nichts besseres eingefallen ist, sein Werk spannend zu gestalten.

 

Ungefähr so, als wenn du mit dem Sex anfängst, und danach noch drei Stunden Klamotten aussuchen, Haare stylen, Duft auflegen, in die Disco fahren, vier Stunden rumlungern, mögliche Partner abchecken, etc. Hat doch keiner mehr Lust drauf, wenn er schon hatte, was er will...

 

Andernfalls, wenn nämlich Der Tagesablauf von Prota 2 ebenfalls spannend und in sich kohärent ist, trifft für Beispiel zwei dasselbe zu wie für Beispiel drei, nämlich:

 

Drittes Beispiel: Episches, mehrfaches Zurückspulen:

Zwei sich abwechselnde Handlungsstränge, einer spielt 1970, der andere 2007. Der Vergangenheits-Handlungsstrang entwickelt sich pro Kapitel 5 Jahre weiter, der Gegenwarts-Handlungsstrang nur je einen Tag. Irgendwann treffen sie zeitlich zusammen und fusionieren zu einem Handlungsstrang.

 

Das ist kein "zurückspulen" und kein Zeitsprung, das ist einfach ein Erzählen auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Wie in deinem blauen Portal. Es sind zwei verschiedene Geschichten, die zusammengehören, sehr schön zum Beispiel in "Das Montglane Spiel" von Katherine Neville.

Gegen eine Handlung auf zwei Zeitebenen gibt es von meiner Seite allerdings tatsächlich nichts einzuwenden.

 

Eine sehr schöne Form des Zurückspulens finde ich öfter in den Star Wars Romanen von Timothy Zahn (gerade in Outbound Flight). Nämlich bei einem Perspektivwechsel.

 

Szene 1, Perspektive A: "Er öffnete die Frequenz und  begrüsste das Schiff: 'Sie befinden sich in Chiss Gebiet, teilen Sie uns ihr vorhaben mit.' Dann wartete er."

 

Absatz, Leerzeile...

 

Szene 2, Perspektive B: "Die Lautsprecher rauschten. '...Chiss Gebiet, teilen Sie uns ihr Vorhaben mit.' Entsetzt ließ der Navigator nach dem Kapitän rufen. 'Was sollen wir tun?", fragte er."

 

Naja, so in der Art halt...

DAS mag ich! :)

 

Lieben Gruß,

Marco!

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Sorry für sinnloses Abnicken von Marcos Beitrag. Aber er spricht mir aus der Seele.

Letztere Variante Peters liebe ich übrigens. Habe mal eine zeitlang extra darauf geachtet, dass ein Buch 2 zeitliche Erzählebenen hat! Das Montglane Spiel ist dahingehend genial und hatte mir diesen Virus verpasst.

Wenn das einer beherrscht ... dann hat er mich als Leser sicher. Ich finde das extrem cool.

 

LG

Joy

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(Peter_Dobrovka)

Erstes Beispiel: Kleines Zurückspulen:

In einer Kampfszene sieht Prota A, daß Prota B niedergemetzelt wird. Absatz, Leerzeile. Eine Minute zuvor. Prota B ist noch gesund und munter, und ich erzähle, wie er den entscheidenden Fehler begeht, der ihm das Leben kostet.

Das KANN, in manchen Fällen ganz lustig sein, hat aber für mich einen entscheidenden psychologischen Fehler: In dem Moment, wo ich weiß, dass eine Person tot ist, ist mir egal wie es dazu kam. Sie ist tot. Was juckt es mich, welchen fehler sie begangen hat?

Interessant wäre allemal, wenn nach dem Zeitsprung, neben dem Fehler des Toten noch eine andere Information geliefert werden würde, die sonst fehlt.

Das koppelt wieder an meinen Anspruch, dass jede Szene etwas neues oder wichtiges bringen soll, dass einem sonst fehlen würde.

Ihr klebt immer zu sehr an den konkreten Beispielen. Na gut, dann ändere ich es eben ab, und Prota B ist noch nicht ganz tot, er wurde nur verwundet und liegt am Boden und der Feind zielt auf ihn mit der MP.

In so eine Situation, wo sich ein Rückspulen anbietet, kommt man gelegentlich aus dramaturgischen Gründen. Da passieren zwei Sachen gleichzeitig und man will einen Textblock nicht zerschneiden. Darum geht es. Daß da irgendeine Info zu früh kommt und so die Spannung rausläßt, darum geht es mir explizit NICHT.

 

Aber das hier ist durchaus auch ein Grund:

 

Mag ich nicht. Ist für mich ein billiger Trick, Spannung aufzubauen, indem man das Interessante an den Anfang zieht, um das weniger Interessante hintendran zu stellen. Klassischer Kniff in Thrillern, der bei mir immer Kopfschütteln auslöst, weil ich mich frage, weshalb zum Henker dem Autoren nichts besseres eingefallen ist, sein Werk spannend zu gestalten.

Bekenne mich schuldig im Sinne der Anklage, hehe.

Aber so billig finde ich den Trick gar nicht. Immerhin funktioniert er.

 

Drittes Beispiel: Episches, mehrfaches Zurückspulen:

Zwei sich abwechselnde Handlungsstränge, einer spielt 1970, der andere 2007. Der Vergangenheits-Handlungsstrang entwickelt sich pro Kapitel 5 Jahre weiter, der Gegenwarts-Handlungsstrang nur je einen Tag. Irgendwann treffen sie zeitlich zusammen und fusionieren zu einem Handlungsstrang.

 

Das ist kein "zurückspulen" und kein Zeitsprung, das ist einfach ein Erzählen auf zwei verschiedenen Zeitebenen. Wie in deinem blauen Portal.

Hm, da fällt mir was ein, das ich dich (und alle anderen) hier konkret fragen kann.

Ich bastele so nebenher an einer Special Extended Edition dieses Buches. Und da habe ich gleich am Anfang so was, für das sich ein Rückspulen nach Typ 2 anbietet:

Kapitel 1: Friedrich begegnet im Keller komischen kleinen Wesen, die es nicht geben dürfte. Er geht nach oben und berichtet Otto darüber, der ihm nicht glaubt. Eva kommt dazu und zu dritte gehen sie dann gemeinsam nachsehen.

Soweit der Originalanfang.

Eva ist ja sowas wie die Hauptfigur des Romans, und ich wollte ihr in der Neufassung zwei, drei Seiten Einführung geben, bevor das alles losgeht. Sie ist in der Schule und hat gerade mal wieder eine ziemlich große Scheiße gebaut, weshalb sie zum Direktor muß. Dann schwingt sie sich aufs Fahrrad und radelt heim.

Ich hatte mir nun gedacht, Friedrichs unheimliche Begegnung der dritten Art am Anfang des Buches zu lassen, weil es nun mal ein guter Anfang ist. Dann käme Evas Schultag, und wenn sie nach Hause kommt, geht Friedrich gerade zu Otto, um es ihm zu erzählen.

Alternativ könnte man die Chronologie natürlich einhalten, indem man zuerst Eva zeigt, und während sie auf dem Nachhauseweg ist, kommt Friedrichs Szene. Aber irgendwie gefiele mir dieser Anfang nicht mehr so gut. Der Anfang soll ja einen Vorgeschmack geben, was einen im Buch so erwartet, und auch wenn es sicher nicht langweilig ist, was Eva in der Schule treibt, so würde es doch irgendwie den Eindruck erwecken, es handele sich um eine Art Mädchen-Tennager-Problem-Buch.

 

Peter

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In so eine Situation, wo sich ein Rückspulen anbietet, kommt man gelegentlich aus dramaturgischen Gründen. Da passieren zwei Sachen gleichzeitig und man will einen Textblock nicht zerschneiden.

Und hier betreten wir das Gebiet, das ich immer meine, wenn ich sage, man könne Bücher und Filme nicht miteinander vergleichen.

Da Bücher sequentiell aufgebaut sind, das bedeutet, nur eine Sache nach der anderen darstellen KÖNNEN, bleibt einem Autor bei einer Gleichzeitigkeit von Ereignissen gar keine andere Wahl, als erst das eine, und dann das andere darzustellen.

Von daher ist es eine schriftstellerische Notwendigkeit,in solchen Situationen, und kann eigentlich nicht als "schlecht" betrachtet werden.

Wenn ein Leser so etwas nicht mag, darf er nur Romane lesen, in denen eine Sache strikt auf die andere folgt. Obwohl es sicherlich auch solche Leser gibt. :)

 

Und genau hier beginnt auch die "Kunst", oder die Arbeit des ERZÄHLERS im Autor: Was erzähle ich zuerst? Warum ist es wichtig, dass ein Leser Information A vor Information B erhält, wenn beides gleichzeitig stattfindet? Und was, wenn ich es andersherum zeige?

Eine DER existentiellen Fragen, mit denen man sich, für gewöhnlich, als Autor und Schriftsteller auseinandersetzen MUSS!

 

Hm, da fällt mir was ein, das ich dich (und alle anderen) hier konkret fragen kann.

Okay, konkrete Frage, konkrete Antwort. Die ich unkonkret oben schon gegeben habe:

Die Frage, ob du zunächst Friedrich zeigst und dann Eva, oder zunächst Eva und dann Friedrich, hängt davon ab, was du erreichen willst.

 

Geht es dir um ein sonderbares Ereignis, das neugierig machen soll, und dann lernt der Leser die Personen kennen, um die es geht?

 

Oder soll der Leser zunächst eine Person kennenlernen, und sich anschließend, wenn die seltsamen Ereignisse eintreten, damit beschäftigen können, wie diese Person damit umgeht?

 

Willst du den Fokus auf Eva legen? Sie darstellen, und sagen: "Hey Leute, das hier ist Eva. Kennt ihr sie jetzt? So, dann guckt mal, was die Kellertreppe heraufkommt..." Sowas wirft automatisch die Frage auf: "Oh, ich weiß, dass es um Eva geht, und jetzt passiert was. Diese Ereignisse werden später noch mit Eva in Kontakt kommen. Mal sehen, wie sie reagieren wird."

 

Oder andersherum: Fokusierst du dich darauf, dass ungewöhnliche Dinge passieren. Dann wird ein Leser sich vermutlich fragen: "Hmm, seltsam. Was kommt denn da die Treppe herauf? Und wie reagiert dieser Friedrich darauf? Mal sehen, was passiert. Ah, die Eva. Die wird auch etwas damit zu tun haben..."

 

Was möchtest du erreichen?

 

Im Grunde ist das die Frage nach der Einladung zur Samstagabendparty: Schaust du erst nach, wer sonst noch auf der Gästeliste steht, überlegst dir dann, ob du da überhaupt hinwillst, und schaust dann, was auf dem Showprogramm steht, und ob dich das noch einmal umstimmen kann?

Oder siehst du erst ins Programm, überlegst dir, ob dich das überhaupt interessiert, und wirfst dann einen Blick auf die Gästeliste, mit wem du das (gute oder schlechte) Showprogramm gemeinsam ertragen/genießen musst/darfst?

 

Das ist die Kunst des Schreibens: Man sollte sich immer fragen, was man beim Leser erreichen will, und wie sich die Reihenfolge, die man wählt, vermutlich auswirkt.  :)

 

Gruß,

Marco!

 

P.S. Die "billigen" Tricks funktionieren grundlegend am besten. Frag mal die Trickbetrüger...  ;D

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Für mich wäre Beispiel 2 und 3 in Ordnung, besonders wenn ich damit zwei Handlungsstränge verbinden könnte. Bei Beispiel 1 würde mich irritieren, dass der Protagonist vor der Rückblende hingemetzelt wird. Ich weiß ja wie es ausgeht, : da bleibt nicht viel Spannung übrig. Erinnert mich an eine Zeitlupenwiederholung beim Fernsehen. Besonders beim dritten Beispiel würde es mich interessieren, wie sich beide Handlungsstränge zusammenfügen.

 

Grüße Jörg

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Also ich finde Bücher genial, in denen vordergründig zwei getrennte Handlungsstränge ablaufen, die sich, wenn sie gegen Ende des Buches zusammentreffen, als lediglich zwei Zeitebenen derselben Geschichte, einfach aus unterschiedlichen Perspektiven herausstellen. Kann zu enormen AHA-Erlebnissen der Leserschaft führen.

Problem hierbei ist es nur, die liebe Leserschar während der Lektüre nicht intellektuell zu überfordern.

Ich persönlich sehe mich gerade im Lektorat meines Buches mit der (leichtfertigen) Anwendung verschiedener Zeitebenen konfrontiert (mit Plusquamperfektdiskussionen und allem, was so dazu gehört :s03)

 

Gruss,

Matti.

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(Peter_Dobrovka)

Ich habe neuerdings Bekanntschaft mit etwas gemacht, das ich so noch nicht kannte (oder wenn ich es kannte, hatte ich es vergessen): Rückblendoider Erzählstil.

Da ist ein Kapitel, das endet mit einem spannenden Moment. Einem Cliffhanger sozusagen. Im nächsten / übernächsten Kapitel wird dann das Fehlende via Rückblende nachgeholt. Und so geht das den ganzen Roman lang.

Also sozusagen ein beständiges Zurückspulen. Ein eigener, eigenständiger Erzählrhythmus. Ich hab mich trotzdem nicht daran gewöhnen können.

 

Habt ihr sowas schon mal gesehen? Wenn ja, was haltet ihr davon?

 

Peter

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Hi Peter,

 

ich bin von so einer Ezählweise fasziniert (und gebe zu, dass ich sie selbst auch in kleinen Bereichen (!) anwende). Ist für mich wie "Dalli-Klick": Immer wieder wird ein weiteres kleines Informationsteilchen preisgegeben, ich fange an zu ahnen, worum es geht - die Ahnung wird weiter gefüttert - und schließlich sehe ich am Ende das ganze Bild.

Wenns gelingt, ist das eine tolle Methode, mich bei der Stange zu halten.

Ich versuch das auf jeden Fall!

 

Liebe Grüße

Gabi

Schachzüge, Störfaktor, Grenzenlos nah, Infinity/ alle bei Thienemann, &&http://www.gabriele-gfrerer.at&&http://teamor61.blogspot.com/

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Das Zurückspulen werde ich auch bei meinem momentanen Projekt machen. Eine Schlacht wird es geben und die wird quasi angehalten und fünf, sechs Perspektiven werden daraufhin diese Szene reflektieren ...

 

Bin gespannt, ob das funktionieren wird...

 

Grüße

Quidam

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(Peter_Dobrovka)

Rückblendoider Erzählstil.

Eine Frage zwischendurch: Kann man diesen Begriff abwertend verstehen? Gibt es in der Literaturwissenschaft eventuell eine richtige Bezeichnung?

 

Peter

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Rückblendoider Erzählstil.

Eine Frage zwischendurch: Kann man diesen Begriff abwertend verstehen?

Ich wüsste nicht wieso... klingt etwas seltbstgemacht, aber nicht abwertend.

 

Gibt es in der Literaturwissenschaft eventuell eine richtige Bezeichnung?

Eine richtige bestimmt nicht.

 

Ich vermute mal, dass wir im Seminar das, je nach Kontext und Umfeld, "Rückgerichtetes Erzählen", "Erzählen auf zwei oder mehr Zeitebenen" oder "durch Rückblenden entschlüsseltes/bestimmtes Erzählen" nennen würden.

 

Aber Fachwörter gibt es natürlich: Da Lämmert von "Rückwirkung", und Genette von Analepse (Link ungültig) (Link ungültig) spricht, wenn wir hier eine Rückblende meinen, kannst du ruhigen Gewissens von einem "Rückwirkenden Erzählstil", oder einem "Analeptischen Erzählstil" sprechen, wenn du viele Analepsen hast.

(Vergleiche Hierzu: Den Scheffel/Martinez (Link ungültig) (Link ungültig), Seite 33.)

 

Lieben Gruß,

Marco!

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Ich habe neuerdings Bekanntschaft mit etwas gemacht, das ich so noch nicht kannte (oder wenn ich es kannte, hatte ich es vergessen): Rückblendoider Erzählstil.

Da ist ein Kapitel, das endet mit einem spannenden Moment. Einem Cliffhanger sozusagen. Im nächsten / übernächsten Kapitel wird dann das Fehlende via Rückblende nachgeholt. Und so geht das den ganzen Roman lang.

Also sozusagen ein beständiges Zurückspulen. Ein eigener, eigenständiger Erzählrhythmus. Ich hab mich trotzdem nicht daran gewöhnen können.

 

Habt ihr sowas schon mal gesehen? Wenn ja, was haltet ihr davon?

 

Mal Butter bei die Fische: Wo hast du das denn gesehen?

Ich kenn das nur aus einem Film ("Memento") und den lieb ich heiß und innig. Würde mich mal wirklich interessieren, wie das schriftstellerisch konsequent umgesetzt wirkt.

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(Peter_Dobrovka)

Mal Butter bei die Fische: Wo hast du das denn gesehen?

Das darf ich leider nicht verraten.

Was unglücklich ist, da ich mit dem Autor abgesprochen hatte, hier darüber zu diskutieren, er sich durch meine Wortwahl jedoch angegriffen fühlt und nun ...

Hach, die Welt ist so kompliziert.

 

Peter

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