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(MartinaC)

Bildhaft beschreiben

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Hallo !

 

Um einige Gefühle, Empfindungen und Emotionen zu beschreiben, google ich manchmal nach Sympthomen. zB. bei Angst - nach "Panikattaken", beim Erstarren - nach "psych. Schock" usw. Manchmal bringt mich das auf ganz interessante Aspekte, die ich am Anfang nicht bedacht habe. Das bereichert ungemein.

 

Diesen Hinweis finde ich interessant (Wikipedia) und könnte vielleicht ganz gut in die Schilderung von "erstarrenden" Menschen eingebaut werden: glaube auch, dass man eher zu zittern beginnt bei Angstzuständen als zu erstarren.

 

Die körperlichen Symptome der Angst sind physiologische (also nicht krankhafte) Phänomene, die in einer Gefahrensituation das Überleben sichern sollen. Sie sollen ein Lebewesen auf eine "Kampf- oder Flucht-Situation" vorbereiten:

 

* Erhöhte Aufmerksamkeit, Pupillen weiten sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher

* Erhöhte Muskelanspannung, erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit

* Erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck

* Flachere und schnellere Atmung

* Energiebereitstellung in Muskeln

* Körperliche Reaktionen wie zum Beispiel Schwitzen, Zittern und Schwindelgefühl

 

mlG

Christine

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Finde den einfachsten Weg etwas auszudrücken und schreibe es so NICHT.

 

 

Hm... Ehrlich gesagt halte ich gerade den einfachsten Weg für den erstrebenswertesten, und daran halte ich mich bei Fact und Fiction. Ich glaube auch, dass gerade Leute wie Herr Hemingway darüber kollabiert sind, den einfachsten Weg zu finden, etwas in einem klaren Satz auszudrücken.

 

...und frohes neues Jahr by the way! Viele Grüße, Sven

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Dieser von mir gepostete Satz über den einfachsten Weg bezog sich auf was, Leute! Ich habe das nicht als generelle Regel für JEDEN Satz im ganzen MS aufgestellt.*kopfschüttel*

 

LG

Joy  :p

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Hallo Peter D.,

 

An dieser Stelle setzt wieder mein bekanntes Genörgel ein: Du hast, um eine "abgedroschene Phrase" zu vermeiden, den Inhalt der Erzählung verändert. Das empfinde ich als unlauter. Wenn von Anfang an auf der inhaltlichen Ebene bist und sagst, Erstarren als solches sei ein Klischee und die meisten Menschen zeigen sehr individuelle Reaktionen auf unerhörte Sinneseindrücke, dann habe ich kein Problem mit deiner Lösung und befürworte sie. Ist der Grund für die Änderung jedoch sprachlich-ästhetischer Natur, dann mag ich dir nicht folgen.

 

Ich habe mit der Ablehnung aus sprachlich-ästhetischer Natur begonnen, und versucht dann einen Weg zu finden, wie ich die gleiche Aussage auf anderem Weg treffen kann. Und bin damit zur Körpersprache gekommen.

Ich habe mich theoretisch und sehr praktisch (Rhetorikseminar, Schauspielerei) mit der Körpersprache beschäftigt, und sehr interessiert Menschen beobachtet. Erstarren ist für mich eine Metabeschreibung, also die Zusammenfassung mehrerer Elemente der Körpersprache, die zusammen betrachtet das "Erstarren" ergeben.

Weil es aber die Zusammenfassung ist, hat der Leser nur ein allgemeines Bild im Kopf. Wenn ich aber konkrete Elemente der Körpersprache zeige, die individuell auf die Figur zugeschnitten sind (wie im gesamten Roman), dann wissen die meisten Leser sofort das ich "Erstarren" meine. Und sie haben ein viel klareres Bild der Situation, weil meine Variante weniger üblich ist, und die Leser reagieren im Prinzip auf die Körpersprache, ganz unbewusst, und empfinden die Situation besser mit.

Deshalb verwende ich nur noch in Ausnahmesituationen "Metabeschreibungen". Wenn die Situation unwichtig ist.

 

Gleichzeitig ist es wichtig nicht zu viel direkte Körpersprache zu verwenden, sondern auch in anderen Bereichen zu suchen, wie die gewünschte Wirkung erzielt werden kann. Und somit habe ich neben der Körpersprache auch weitere Elemente der nicht-verbalen Sprache dazugenommen, und das alles noch ein paar Mal um weitere Dinge erweitert.

Wie kann ich indirekt die Reaktion anzeigen. Also z.B. indem ich eine andere Figur auf die Reaktion der Prot. reagieren lasse. Oder indem ich Gegenstände verwenden, die die innere Anspannung anzeigen. Wie verwende ich den Hintergrund, den Raum, die Dialoge um so etwas anzuzeigen.

 

Im Prinzip ist die Ablehnung von "Metabeschreibungen" Teil meiner Schreibphilosophie. Ich will wesentlich direkter an die Figuren heran, (auch über die Charaktisierung mittels Körpersprache) und will auf alles verzichten, was aus der Geschichte hinausführt.

Deshalb habe ich experimentiert, und versucht möglichst viele Mittel zu finden, wie ich Metabeschreibungen ersetzen kann. Ziel war es gleich gute oder bessere Wege (aus meiner Sicht) zu finden, mit dem Ziel das szenisch zu machen, bildlich und sehr direkt.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo Joy,

 

ich würde gerade am Anfang versuchen den "einfachen" Weg zu hinterfragen, weil der einfache Weg häufig dazu verleitet nicht genug sich mit den handwerklichen Möglichkeiten zu beschäftigen. Dabei ist der "einfachere" Weg sicherlich nicht prinzipiell falsch. Aber je mehr Handwerkszeug ein Autor hat, desto mehr Möglichkeiten hat er.

Deshalb würde ich jedem Autor empfehlen den einfacheren Weg zu hinterfragen, oder eine Zeit auf ihn zu verzichten. Und ganz wichtig. Bei schwierigen Stellen ist der einfache Weg oft der schlechteste Weg. Denn die meisten Autoren neigen dazu schwierigen Passagen auszuweichen, die aber für die Geschichten besonders wichtig sind. Oder mit Scheinlösungen zu arbeiten, wie Deus Ex Machina oder dem Zufall, oder Konflikte zu harmonisieren.

 

Deshalb finde ich den Satz nicht falsch, sondern gerade für Anfänger interessant. Aber es ist wie immer bei einzelnen Sätzen. Sie sind ein wenig zu dogmatisch und vereinfachend.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo,

 

das führt jetzt evtl. von der eigentlichen Frage weg, aber:

Sätze wie "Sie drehte sich um und erstarrte" wirken bei mir überhaupt nicht mehr als Beschreibungen. Sondern nur noch als Signal des Autors, dass jetzt gleich was passiert: "Sie drehte sich um. (Und jetzt kommt's!)"

 

Wenn ich in Versuchung bin, solche Sätze zuschreiben, frage ich mich darum erst mal, was ich da signalisieren will - welchen Bruch, welchen Schreck, welchen Wechsel des Blickwinkels etc. Denn meist kann man das doch anders lösen.

 

"Sie drehte sich um.

Da stand er. Keine zwei Meter entfernt. Von der Axt in seiner Hand tropfte das Blut." ;D

 

Da denkt man sich den Schreck doch automatisch dazu.

 

Etwas anderes ist es, wenn man erzählerisch nicht zu dicht an die Person heran will, sondern diesen Kamera-Blick auf die Person beibehalten möchte. Wenn also z. B. der Ich-Erzähler einen anderen beobachtet. Aber der sieht dann höchstwahrscheinlich kein Erstarren (ich habe noch nie jemand erstarren sehen), sondern solche Dinge, die hier schon genannt wurden. Ein Händezittern, dass ein Glas hinfällt. Oder er hört ein heftiges Einatmen etc.. Da wäre mir Genauigkeit wichtiger als jeder "bildhafte" Vergleich. Blumige Körpersprache ist für mich häufig ein Grund, ein Buch nicht weiterzulesen. Ich will nicht wissen, was für tolle Vergleiche der Autor sich ausdenken kann. Sondern was mit den Personen los ist.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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Hallo Joy,

 

ich würde gerade am Anfang versuchen den "einfachen" Weg zu hinterfragen, weil der einfache Weg häufig dazu verleitet nicht genug sich mit den handwerklichen Möglichkeiten zu beschäftigen. Dabei ist der "einfachere" Weg sicherlich nicht prinzipiell falsch. Aber je mehr Handwerkszeug ein Autor hat, desto mehr Möglichkeiten hat er.

 

In diesem Sinne war der Satz auch gemeint, danke, dass du das nochmal erwähnst.

 

Deshalb finde ich den Satz nicht falsch, sondern gerade für Anfänger interessant. Aber es ist wie immer bei einzelnen Sätzen. Sie sind ein wenig zu dogmatisch und vereinfachend.

 

Und für Anfänger sind meine Schreibtipps auch gedacht. Wenn man sich mal in der Literatur umsieht stellt man fest, dass gerade die longseller eben nicht mit einer allzu einfachen Ausdrucksweise arbeiten. "Hätte man das nicht interessanter ausdrücken können?", ist eine Frage, die Anfängern in Schreibkursen oft gestellt wird. Damit sie lernen BEWUSST mit solchen Aussagen umzugehen, anstatt einfach nur wie ein Sportreporter nüchtern zu beschreiben was da grade passiert. Lesen ist mehr als das, lesen soll auch sprachlich ein Genuß sein. Zumindest stelle ich diesen Anspruch.

 

LG

Joy

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Da denkt man sich den Schreck doch automatisch dazu.

 

Genau. Ich liebe es mir beim Lesen auch mal was dazudenken zu können. Ich möchte nicht alles vorgekaut bekommen. Deshalb finde ich eine Beschreibung dessen was passiert viel spannender, als ständig nur Reaktionen erzählt zu bekommen. "Sie erstarrte, er stutzte, er verharrte reglos, erschrocken blieb sie stehen...."

Viel lieber möchte ICH als Leser vor Schreck erstarren! ;) Das tue ich aber nicht bloß weil die Figur grade erstarrt. Sondern das tue ich, wenn furchtbare Dinge passieren, von denen ich automatisch annehme, dass diese jetzt auch die Figur erlahmen lassen. Da ist es unnötig das auch noch hinzuschreiben. Was ein sehr häufiger Anfängerfehler ist. Da wird alles beschrieben und erzählt, bis zum Umfallen und für eigenes Vorstellungsvermögen bleibt kein Raum mehr.

 

LG

Joy

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Hey Joy.

 

Habe den Thread jetzt nur überflogen, aber noch ein 'anderes' Problem bei der Sache. Bei mir beginnt das 'abgedroschene' gar nicht erst bei der Formulierung, sondern bereits bei der Tat. Ganz im Ernst: Ich bin nie im Leben 'Erstarrt', habe nie im Leben vor Angst 'gezittert' oder ähnliches. Das sind wieder so Darstellungen, die noch aus der Romantik stammen, da bin ich aber absoluter Naturalist. (So, wieder ein paar literaturwissenschaftliche Fachbegriffe in den Äther geschleudert!)

 

Anders gesagt, ich würde schon bei der Suche dessen beginnen, womit ich die Umstände umschreiben will. Anstatt also "Sie erstarrte", schreiben: "Sie stand da." Ist schonmal ein anderes Verb. Weil das aber auch etwas anderes aussagt, müsste man jetzt einen vergleich bringen, wie etwa: "Sie stand da wie ein Kaninchen vor der Schlange" (Mit Dank an Farin U.), was den 'erstarrungsumstand' umschreibt, ohne auch nur in die Nähe einer Erstarrung zu gelangen. Leider aber auch schon abgenutzt.

 

Ich persönlich, wie erwähnt, halte nichts von Erstarren. Wenn ich mich umdrehe, und erkenn, dass ein Monster auf mich zustürmt, mag mir die Blase versagen, ich mag meine Hose tränken, oder alle Kraft im Schoß verlieren, vielleicht mögen mir die Knie schwach werden, das Gefühl aus den Beinen gehen, oder ich zu Boden sinken, manchmal mag mir Adrenalin durch den Körper schießen, mag ich ungläubig die Augen schließen, oder ein Stoßgebet zum Himmel senden. Nur erstarren würde ich halt nie.

 

Ansonsten, wie Quidam schon anklingen ließ: je weiter die Umschreibung von der eigentlichen Tat ist, deso besser finde ich sie. Übe ich zurzet. wie üblich ist G.R.R. Martin wieder jemand, der das gut macht. Da ergibt man sich nicht, da beugt man das Knie. Man heiratet nicht, man tauscht die Mäntel. Man lässt keine Nachrichten übermitteln, sondern einen Raben frei.

 

Ich hab mal als Faustregel gelernt, dass es hilfreich ist, sich vor Augen zu halten: Jede Aktion wird von anderen Aktionen begleitet. Und jede Aktion lässt sich durch eine typische 'Begleitaktion' ebensogut beschreiben, meist sogar besser. Wenn man eine solche denn findet. Im banalen Beerich klingt das natürlich albern. Wenn ich statt "Er schenkte sich einen Tee ein" schreiben würde: "Er brachte den Roiboos zum tauchen", klingt das etwas übertrieben. Wobei das auf den Kontext ankommt.

Wenn ich aber statt "Er kaufte ein" schreibe: "Er gab sein Geld aus", oder "Er füllte seinen Kühlschrank", oder "Er schob seinen Wagen durch die Regalreihen", wirkt das schon netter.

 

Nun sind erstarren und zittern einfach so grundlegende Ausdrücke, dass sie schwer zu ersetzen sind. Aber wie gesagt, erstarren und (ganzkörper-)zittern tut in der Regel kein mensch. Entsetzen und Panik äußern sich anders. Und hier würde ich ansetzen.

Irgendwann hab ich mal geschrieben: "Er drehte sich um und spürte, wie seine Hose in die Wäsche musste."

Auch kein Meisterschlag, aber es umschreibt das was passiert halt recht treffend. ;D

 

ergo: Ich suche immer nach Nebenaktionen, nach Nebengeschehnissen, und versuche, durch deren Umschreibung zu schildern, was wirklich passiert (ist).

 

Gruß,

Marco!

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"Sie drehte sich um und erstarrte"

 

Das kann/will man eigentlich schon gar nicht mehr lesen. Platt und abgedroschen kommt dieser Satz daher. Und dennoch beschreibt er am besten und bildhaftesten was passiert, wenn sich eben jemand umdreht und etwas unerwartetes oder schockierendes sieht.

Hey Joy,

aus dem Kontext gerissen ist das wie du sagst "platt und abgedroschen". Aus dem Kontext gerissen sind das aber viele Sachen.

Es kommt auf das Textumfeld an. Als letztes Glied einer Satzkette kann so was funktionieren. Wenn ich vorher ausschweifend Gedankenrede fabuliere, kann so ein lapidares: Sie drehte sich um und erstarrte -alleine durch den Gegensatz- wunderbar wirken.

 

Wie haltet ihr es mit der Beschreibung von solchen Vorgängen? Schock, Überraschung, Angst ... oder auch andere Emotionen, die plötzlich auftreten sollen. Versucht ihr neue Redewendungen dafür zu finden?

Nein, ich versuche keine neuen Redewendungen zu finden. Ich mag es schlicht und althergebracht. Sprachliche Spielereien gehören in andere Bereiche. Beschreibungen, Gedankenrede, in solchen "Shockmomenten" mag ich es nackt und lapidar.

Die Vorschläge, die zum Beispiel Marco gerade gebracht hat, finde ich alle furchtbar. Das ist so Orginalität nach dem Lehrbuch, wirkt auf mich bemüht und ist des Teufels. Ich mag aber auch Sprache, die sich an dem gesprochenen Wort orientiert, und kann alles, was artifiziell anmutet, einfach nicht ausstehen.

 

Gerade in solchen Shockmomenten muss die Handlung stark genug sein, um praktisch für sich alleine stehen zu können. Sprachlicher Firlefanz drückt für mich oft eine Unsicherheit des Autors gegenüber seinem Stoff aus, so als verpacke man ein paar Socken in ein wahnsinnig teures und ausgefallenes Geschenkpapier.

 

Oder ist das Altgediente erprobt und gut genug? Nervt euch eine Häufung von simplen Aussagen wie diese in Büchern, oder lest ihr darüber hinweg?

Eine Häufung nervt fast immer, wenn sie, so wie du es implizierst, von Monotonie begleitet wird. Alles Gehäufte nervt. Aber auch "außergewöhnliche" Formulierungen brauchen das "Gewöhnliche", um sich von ihnen abzuheben. Das ist diese Kaviar auf Toast-Geschichte.

 

Erwartet ihr mehr Variationen beim Beschreiben menschlicher Aktionen und Reaktionen die jeder kennt und die automatisch ein übliches Bild im Leser erzeugen?

Auch das ist schwer zu beantworten. Das hängt mit der Erzählstimme zusammen und das sie zum Beschriebenen passen muss. Wenn die Geschichte und ihre Figuren sehr stark sind -aus sich selbst heraus- können sie von mir aus dreitausend Mal im Text die Brauen hochziehen, weil ich dann tatsächlich die Figur die Brauen hochziehen sehe und nicht den abgenutzten Satz lese. Wenn man es erstmal schafft, wirklich "bildhaft" zu schreiben, so dass der Leser die Bilder sieht und nicht den Text, ist alles verzeihlich und gut.

Für mich tritt wahnsinnig viel hinter den Grundton einer Erzählstimme zurück, hinter dieses Gesamterlebnis. Deshalb müsste man immer am Beispiel einer Erzählstimme diskutieren, welche Formulierung was taugt. Im luftleeren Raum sind viele Formulierungen mies, in einem erzählten Text gewinnen sie durch die Färbung der Grundstimme auf einmal Leben und nehmen richtig Fahrt auf.

 

Vielleicht habe ich zu viel gelesen (und geschrieben) und werde betriebsmüde?

Es liegt wahrscheinlich daran, dass man "wenn man sich überliest" dieses bildhafte Lesen verliert. Die nackten Worte verlieren schnell ihre Magie.

"L.A. Confidential" mal als Beispiel. Das ist in einer schlichten, treibenden Sprache geschrieben. Verbverzicht als Programm, usw. Aber durch die starken Figuren, das "Drumherum", die Komplexität der Persönlichkeitsstrukturen und ihrer Konflikte funktioniert diese Sprache hervorragend. In einem anderen Zusammenhang mit ärmeren, dünneren Figuren wäre die Sprache einfach nur billig.

Aber ein Roman erfordert im Prinzip immer, dass man sich auf ihn einlässt; tut man das nicht, weil man aus Pflichterfüllung liest oder so etwas, ödet Sprache schnell an.

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Hoi allerseits,

nur ein kleiner Schwank am Rande: Ich mag das Wort "erstarren" auch überhaupt nicht, aber passieren kann einem das schon: Nachtwanderung von der Pizzeria nach Hause, mitten zwischen den heiligen Uhrzeiten, sich gegenseitig eine Gruselstory nach der anderen erzählt, dann raus aus dem Wald und plötzlich springt irgendwas riesenhaftes auf den Weg und schnaubt uns an. Das war Erstarren, aber vom feinsten ;D Da hat sich keiner bewegt und konnte auch keiner. Tschö.

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Hallo,

 

ich werfe mal eine Variante in das Forum, wie ich hin und wieder versuche, etwas bildhaft zu beschreiben. Ich erfinde einfach neue Wort, die der Leser beim ersten Auftreten im Text beschrieben bekommt und die ich dann als Synonym für Gefühle, Handlung oder anderes verwende.

Vor langer, langer Zeit gab es einen Beitrag von mir in der Textkritik (Link ungültig) (Link ungültig) in dem genau so ein Begriff auftaucht - Von-Silke-Träumen-Kribbelgefühl. Dieser erfunde Begriff beinhaltet das Gefühl Verliebtheit. Es lässt dem Leser die Möglichkeit sich selbst das Bild der Verliebtheit aufzubauen, so wie er es gerne möchte, ohne das ich jedes Mal die verliebten Augen, Nase, Mund usw. beschreiben muss, wenn das Wort im Text auftaucht.

 

Viele Grüße

Dietmar

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...Orginalität nach dem Lehrbuch' date=' wirkt auf mich bemüht und ist des Teufels. Ich mag aber auch Sprache, die sich an dem gesprochenen Wort orientiert, und kann alles, was artifiziell anmutet, einfach nicht ausstehen.[/quote']

 

 

...oh ja, genau, und zum LA-Confidential-Beispiel mag ich es immer sehr gerne, wenn sich die Sprache der Geschichte unterordnet bzw. an sie anpasst. Form follows function. Ist zwar schon fünfzig Jahre alt und von einem Architekten, aber war ja nicht alles schlecht damals... Originalität auf Deubel komm raus macht mich wahnisnnig. Ich habe einige Kollegen, die hauen da manchmal so richtig drauf, dass mir übel wird, und die halten Dinge für kreativ wie: "Da das Kind nunmal in den Brunnen gefallen ist, ächzt und kracht es im Gebälk des Rathauses, und der Kämmerer muss sich sputen, das Säckel festzuschnüren, damit der Kreis nicht früher oder später zeigt, wo der Bartel den Most holt. Alle Akteure sind aufgerufen, am Honigtopf den Löffel abzugeben und die Situation genauestens auszuloten, bevor zu einem Blumenstrauß bunter Melodien eine kesse Sohle auf das Parkett gelegt wird..." Undsoweiter. Ich weiß. Das sind Hülsen aus der Blabla-Kanone und weniger Bilder. Aber das Äquivalent dazu findet sich auch in manchen Büchern wieder - manchmal mit Anspruch getarnt, manchmal einfach nur schlecht. So. An dieser Stelle musste das einfach mal raus... ;-) Sorry. Meine Lieblingsüberschrift ist "Veranstaltung fand statt." Das passt immer und klingt auch gut ;-) (...habe ich übrigens tatsächlich mal gelesen...)

 

Viele Grüße, Sven

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"Da das Kind nunmal in den Brunnen gefallen ist' date=' ächzt und kracht es im Gebälk des Rathauses, und der Kämmerer muss sich sputen, das Säckel festzuschnüren, damit der Kreis nicht früher oder später zeigt, wo der Bartel den Most holt. Alle Akteure sind aufgerufen, am Honigtopf den Löffel abzugeben und die Situation genauestens auszuloten, bevor zu einem Blumenstrauß bunter Melodien eine kesse Sohle auf das Parkett gelegt wird..." [/quote']

 

Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht, wie man bei uns sagt ;D

 

Gruß,

Capella

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Boah, ich habe dazu neulich mit meiner Muse eine längere Diskussion führen müssen, in der sie mich von den Feinheiten der Metaphorik überzeugen wollte.

Wenn ich schreibe: "Das Auto ist gelb", dann reicht das offenbar nicht. Nein, es muss ein "gelb, das an einen Briefkasten erinnerte" sein. Mein Einwand, dass ich überhaupt keine Gefühle in Richtung deutscher Post beim Leser wecken wollte, wurde dann hinweggewischt.

 

Warum, zum Teufel, kann man die Sachen nicht mal so beschreiben, wie sie sind?

 

"Guck mal, Mutti, wie viele tolle Wörter ich schon kenne und was mir hier für ein toller Vergleich eingefallen ist!" Brrrrrrrrrr...

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Rocker: LOL!

Nee, darum geht es ja gar nicht. Es geht darum eine Häufung von simplen Beschreibungen zu vermeiden und damit ständige Wortwiederholungen, die nichts mehr im Leser auslösen.

 

Dass damit simple Beschreibung an sich auf einmal iiih-bäh sein soll hat kein Mensch gesagt!!!!!!!

 

Es geht um sinnvolle Alternativen, und das wurde jetzt ja auch schön beantwortet, danke euch fürs Mitspielen.

 

LG

Joy

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Warum, zum Teufel, kann man die Sachen nicht mal so beschreiben, wie sie sind?

Weil das Aufgabe der Journalisten ist, und nicht der Prosaisten?

 

"Guck mal, Mutti, wie viele tolle Wörter ich schon kenne und was mir hier für ein toller Vergleich eingefallen ist!" Brrrrrrrrrr...

Ja, ganz schrecklich. Furchtbar!!! Solche Autoren mag ich auch überhaupt nicht... :s10

Bücher mit vielen verschiedenen Worten und tollen Vergleichen gehören verbrannt. :-/

 

Oder, warte - doch nicht!

 

Gibt auch Maler, die einfach Dinge malen, die gar nicht da sind, mit Farben, die es eigentlich gar nicht in der Natur gibt, und somit Gefühle wecken.

 

Soll auch Musiker geben, die einfach Wortkonstruktionen erfinden, die überhaupt nicht wirklich das zeigen, was gemeint ist.

 

Mal im Ernst, Rocker: Genau DARUM geht es doch bei der Prosa. Nicht darum, ewig und dauernd Post-Vergleiche zu bringen. Aber ganz genau darum, die Dinge eben NICHT "einfach nur so" zu beschreiben, wie sie sind. Denn das ist langweilig, und solche Texte sind es doch, welche die Lektorentische verstopfen!

 

Und was das Gelb betrifft: Das ist nicht zu unterschätzen. Glaub mir, ich hatte grade mit dem Problem zu kämpfen. Es gibt Postgelb, es gibt Ampelgelb, es gibt Eitergelb, und das sind enorme Unterschiede!

 

Gruß,

Marco!

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Genau DARUM geht es doch bei der Prosa. Nicht darum, ewig und dauernd Post-Vergleiche zu bringen. Aber ganz genau darum, die Dinge eben NICHT "einfach nur so" zu beschreiben, wie sie sind

Ich sollte vermutlich die Klappe halten, aber: Was, bitte schön, soll das denn heißen: "einfach so, wie die Dinge sind"?

 

Welches Autogelb ist denn das "richtige"? Das, das mir morgens aggressiv entgegenspringt, wenn ich verschlafen das Haus verlasse, missmutig, weil ich zur ungeliebten Arbeit muss - und genau in dem Augenblick fährt das Auto vorbei, leuchtend in der Morgensonne, bis obenhin mit Gepäck vollgestopft, weil die Leute in Urlaub fahren?

 

Oder das Gelb, das sich so schön in das Sandgelb der Dünen fügt, vor denen es parkt, und in das fahle Grünbeige des Strandhafers, das einen tief befriedigenden Kontrast mit dem Schwarz der Reifen bildet und mit dem Blau der Kühltasche, die mein Freund gerade aus dem Kofferraum hebt?

 

Wir nehmen nie "einfach so" wahr, wie die Dinge "wirklich" sind. Und genau darum geht es für mich beim Schreiben.

 

Ja, ja, ich weiß - völlig am Thema vorbei. Ich geh schon ... ;)

 

Barbara

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Ja, ja, ich weiß - völlig am Thema vorbei. Ich geh schon ... ;)

 

Für mich hast du ins Schwarze und den Nagel auf den Kopf getroffen, sechs Richtige gehabt, Treffer versenkt, Bingo und eine Punktlandung hingelegt. Oder, einfach so: Es passt genau zum Thema. :)

 

Gruß,

Marco!

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(Peter_Dobrovka)

Mal im Ernst, Rocker: Genau DARUM geht es doch bei der Prosa. Nicht darum, ewig und dauernd Post-Vergleiche zu bringen. Aber ganz genau darum, die Dinge eben NICHT "einfach nur so" zu beschreiben, wie sie sind. Denn das ist langweilig, und solche Texte sind es doch, welche die Lektorentische verstopfen!

Ich wage einen Einspruch.

Die Lektorentische werden verstopft mit langweiligem Zeug, aber das beginnt bereits auf inhaltlicher Ebene und setzt sich dann in sprachlicher ganz woanders fort. Anstatt nämlich die Dinge zu beschreiben, wie sie sind (wie der Autor sie vor sich sieht und der Leser sie sehen soll), wird nur gewertet bzw. die Ausarbeitung von Details einer Ochsenkarrenladung von Adjektiven überlassen.

Diese Fehlleistung schließt jedoch eine originelle Sprache nicht aus, sie findet sich oft genug mit ihr kombiniert:

Auf dem Nachtschrank trohnte ein Monsterweibchen. Es war häßlich wie ein Minenfeld und durchbohrte meine Seele mit siliziumkalten Augen. Es war so groß, daß mir ganz klein wurde.

 

Und was das Gelb betrifft: Das ist nicht zu unterschätzen. Glaub mir, ich hatte grade mit dem Problem zu kämpfen. Es gibt Postgelb, es gibt Ampelgelb, es gibt Eitergelb, und das sind enorme Unterschiede!

In der Tat. Wenn jemand eine eitergelbe Jacke trägt, lese ich wahrscheinlich gerade eine Satire. Oder einem Mann, für den die Farbnuancen eine besondere Bedeutung haben.

Im handelsüblichen Rahmen könnte das eine Über-Beschreibung sein. Wenn ich "Gelb" sage, stellt sich jeder Leser irgendein Standard-Gelb vor und ist zufrieden. Wenn ich "Postgelb" sage, wage ich zu behaupten, daß es kein anderes Bild erzeugt. Wenn ich "Ampelgelb" sage, werden sich einige Leser ein Leuchten vorstellen, andere einen Orangeton, wieder andere doch ein Postgelb und manche fliegen aus dem Text, weil sie sich nicht genau erinnern können, wie das Gelb von Ampeln eigentlich aussieht.

 

Ich muß mal ein wenig ausschweifen.

 

In der Prosa lenkt die Sprache die Phantasie des Lesers. Mal in engeren Bahnen, manchmal lockerer, aber die Bilder, die im Kopf entstehen, sind immer die lesereigenen. Zu versuchen, dieses Bild so exakt im Leserkopf nachzumalen wie es im Autorenkopf ist, ist ein Anfängerfehler.

 

Wie wir aus zahlreichen Diskussionen wissen, hat jede Zielgruppe (wenn nicht gar jeder einzelne Leser) sehr unterschiedliche Ansprüche, und es ist nicht möglich, alle zu begeistern, indem man etwas schreibt, das den höchstmöglichen Ansprüchen genügt. Die Ansprüche sind kein linearer Graph und keine Hierarchie, sie sind ein Netzwerk aus manchmal überlappenden und manchmal sich leider ausschließenden Wolken. Es ist interessant, wie jeder von uns, der es eigentlich besser wissen sollte (auch ich) immer wieder in die Falle tappt, den anderen von seiner Meinung überzeugen zu wollen, was denn nun von allen Möglichkeiten besser sei und was schlechter. Aber sei's drum, anders würden die Diskussionen sich auch nicht entwickeln können.

 

Ich habe, wie schon gesagt, nichts gegen den Satz "Sie drehte sich um und erstarrte". Und mit mir Millionen anderer Leser. Millionen andere mögen nun einwenden, das sei abgegriffen, langweilig, nicht plastisch genug, und überhaupt gäbe es ja gar kein Erstarren, usw. Auch sie haben recht, aber nur innerhalb ihrer eigenen Zielgruppe - Manche legen mehr auf die Sprache Wert, manchen ist sie nur Mittel zum Zweck, um den Inhalt zu transportieren - und teilweise noch nicht mal in dieser! Klar ist es immer mal nett, dem Leser etwas Originelles und sprachlich Besonderes zu bieten. Daß es grundsätzlich besser sei, immer originell zu sein und sprachlich was Besonderes zu bieten, ist eine Watzlawicksche Patendlösung (Kein Druckfehler sondern Schachtelwort aus Patent und Endlösung, ich empfehle als Literatur sein Buch "Vom Schlechten des Guten").

 

Das einzig wirklich "objektiv" Richtige, was hier im Thread angeklungen ist, ist, daß Häufungen gleichartiger Dinge nicht gut ankommen. Wenn es also darum geht, daß ein Autor immer nur "erstarren" einsetzt, vielleicht sogar noch mehrmals pro Roman oder gar pro Kapitel, dann ist das in der Tat verbesserungsfähig, aber es liegt nicht am Erstarren.

 

Fortgeschrittene Autoren dürfen dann auch noch gerne an den jeweiligen geistigen Aggregatzustand des Lesers denken, der idealerweise davon abhängt, was sie gerade lesen. Als Faustregel kann man hier sagen, daß spannende Passagen keine blumige Sprache benötigen bzw. Originalität hier viel eher als Störfaktor empfunden wird. Umgekehrt sind Passagen, die Gefahr laufen, langweilig zu sein, wie zum Beispiel Beschreibungen oder Rückblenden deren Sinn sich erst später erschließt, durch Originalität wunderbar kurzweilig zu gestalten.

 

Ich schließe mich übrigens Rocker an. Wenn ich ein gelbes Auto beschreibe, will ich nicht unbedingt Gefühle in Richtung Post wecken. Allerdings: Vielleicht will ich es ja doch, weil die Figur irgendeine Assoziation in dieser Richtung hat. Und hier zeigt sich für mich wieder einmal, daß Sprache im Dienste des Inhalts stehen sollte. Das Gelb zu spezifizieren, nur um es spezifiziert zu haben und dem Leser eine anspruchsvollere Sprache geboten zu haben, halte ich für einen Fehler. Halte ich für unlauter. Überarbeiten ja, mit Metaphern aufpeppen um der Originalität willen: Nein. Die Metaphern müssen von selbst zum Autor kommen, sie müssen stimmiges Resultat der Charakterzeichnung, der Erzählstimme, und der Gefühle sein, die beim Leser geweckt werden sollen. Es ist natürlich eine andere Geschichte, wenn sich im Kopf des Autors nichts abspielt, und sich deswegen niemals eine Metapher von selber anbietet.

Auf jeden Fall gilt hier, wie auch in Biologie, Medizin und Psychologie: Reizüberflutung schafft Abstumpfung. Oder Allergien.

 

Peter

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(Peter_Dobrovka)

Was, bitte schön, soll das denn heißen: "einfach so, wie die Dinge sind"?

 

Welches Autogelb ist denn das "richtige"? Das, das mir morgens aggressiv entgegenspringt, wenn ich verschlafen das Haus verlasse, missmutig, weil ich zur ungeliebten Arbeit muss - und genau in dem Augenblick fährt das Auto vorbei, leuchtend in der Morgensonne, bis obenhin mit Gepäck vollgestopft, weil die Leute in Urlaub fahren?

 

Oder das Gelb, das sich so schön in das Sandgelb der Dünen fügt, vor denen es parkt, und in das fahle Grünbeige des Strandhafers, das einen tief befriedigenden Kontrast mit dem Schwarz der Reifen bildet und mit dem Blau der Kühltasche, die mein Freund gerade aus dem Kofferraum hebt?

 

Wir nehmen nie "einfach so" wahr, wie die Dinge "wirklich" sind. Und genau darum geht es für mich beim Schreiben.

Einerseits richtig.

Andererseits: Wer ist "wir"? :s22

Ja zu deinem Standpunkt, weil wenn die Erzählstimme bzw. Figur, aus deren Perspektive das geschrieben ist, solche Assoziationen hat, diese gerne in den Erzähltext rein dürfen. Sie sollen es sogar. Es soll die Phantasie des Lesers lenken.

Nein zu deinem Standpunkt, weil es manchmal einfach dem Leser überlassen werden sollte, welche Assoziationen und Gefühle er hat. Weil weniger oft mehr ist. Weil man im Prinzip jeden Satz einer Beschreibung mit Assoziationen fluten könnte, damit aber nur einen unlesbaren Textbrocken fabrizieren würde. Für die meisten jedenfalls. Ich weiß immer noch, daß es für alles und jeden immer mindestens einen Leser gibt, der begeistert ist.

 

Peter

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Ich schließe mich übrigens Rocker an. Wenn ich ein gelbes Auto beschreibe, will ich nicht unbedingt Gefühle in Richtung Post wecken.

 

Naja, den Einspruch, den ich geltend mache, ist der, dass "Postgelb" nicht zwangsläufig an fröhlich radelndes Hundefutter in blauer Uniform erinnert. Oder Gefühle in Richtung Post weckt, was auch immer das für Gefühle sein mögen. :-/

Es geht um eine Farbe. Ich würde bei einem postgelben Auto ein speziellfarbiges Auto sehen, keine Schalterbeamten. Ich würde auch bei einem bananengelben Auto ein speziellfarbiges Auto sehen, keinen Obstsalat.

Welcher Mensch denkt oder fühlt bei Himmelblau an einen Himmel? Oder bei Königsblau an bärtige Männer auf großen Sesseln? (Ich denk da höchstens an einen Pelikan-Schreiber...)

 

Sorry, für meine Begriffe, ich sags ganz offen, ist das ein recht albernes Argument, sich um eine klare Aussage herum zu drücken und ein schwammiges Bild zu verteidigen. Der exakte Gelbton kann natürlich schnurzegal sein. Aber warum dann ÜBERHAUPT ein gelbes Auto? Warum nicht einfach ein Auto? Wenn der Erzähler schon das Gelb des Autos wahrnimmt, wird er auch irgendetwas damit verbinden... Ob nun Post, Bananen, Eiter, Post-Its oder die Plastikkapsel eines Ü-Eis.

 

Gruß,

Marco!

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Hatte Joy diesen Thread nicht schon vor einigen Tagen beendet?

 

Nun gut, ich muss mich noch mal eben verteidigen und gleichzeitig als Metaphernhasser outen. Blödes Beispiel, das gelbe Auto, aber auch hier gilt: es ist doch schietegol, was für ein Gelb das ist, die Tatsache, dass sich jemand freiwillig ein gelbes Auto zulegt, sagt eine Menge über den Charakter des Autobesitzers aus. Das ist wichtig - die Farbnuancen der Lackierung sind es nicht.

 

Generell finde ich, dass oft durch den übertriebenen Einsatz von Metaphern das bildhafte Beschreiben eher erschwert, gar verhindert wird. Während man sich also durch die elegantesten sprachlichen Verrenkungen liest, verliert man den Bezug zum beschriebenen Objekt. Plötzlich sehe ich einen Briefkasten, oh ja, ganz genau kann ich ihn vor mir sehen, wie er dort an der rotgeklinkerten Wand hängt, gleich nebenan vom Briefmarkenautomaten. Doch halt, das gelbe Auto, nein, das Auto sehe ich immer noch nicht.

 

Weil das Aufgabe der Journalisten ist, und nicht der Prosaisten?

Okay, Journalist bin ich nur mit der Kamera, was ein Prosaist ist, weiß ich nicht. Ich will eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte wohlgemerkt, keine kühnen Vergleiche meiner Personen und Gegenstände mit etwas völlig anderem.

 

Bücher mit vielen verschiedenen Worten und tollen Vergleichen gehören verbrannt.

Nicht unbedingt. Aber Bücher mit überflüssigem Gedöns, das mich vom Inhalt ablenkt, die will ich nicht lesen.

 

Gibt auch Maler, die einfach Dinge malen, die gar nicht da sind, mit Farben, die es eigentlich gar nicht in der Natur gibt, und somit Gefühle wecken.

Deshalb konnte ich auch mit Malerei noch nie etwas anfangen. Ich habe eine Kamera, die zeigt die Dinge so, wie sie sind, und sie reicht mir völlig aus. Weil ich auch mit der eingeschränkten Palette, die man hat, wenn man einfach nur die Wirklichkeit abbildet, ganz unterschiedliche Wirkungen erzielen kann. Und sich dabei trotzdem an die interessante Realität hält, ohne zu künstlichen/künstlerischen Mitteln greifen zu müssen.

 

Soll auch Musiker geben, die einfach Wortkonstruktionen erfinden, die überhaupt nicht wirklich das zeigen, was gemeint ist.

Nun ist Worteerfinden ja auch nicht der Job eines Musikers. Bei mir läuft ohnehin meistens Instrumentalmusik, da ich Gesang nicht ausstehen kann. Und wenn, dann auf keinen Fall in Deutsch, ich will nicht verstehen, was die da für Banalitäten von sich geben.

 

Genau DARUM geht es doch bei der Prosa. Nicht darum, ewig und dauernd Post-Vergleiche zu bringen. Aber ganz genau darum, die Dinge eben NICHT "einfach nur so" zu beschreiben, wie sie sind. Denn das ist langweilig, und solche Texte sind es doch, welche die Lektorentische verstopfen!

Wenn diesen Dingen eine besondere Bedeutung zukommt, dann sollte man sie auch gründlich beschreiben, schon richtig. Aber das funktioniert ganz prima auch ohne artifizielle Vergleiche. Dazu ist die deutsche Sprache doch sehr schön instande, genau auf den Punkt zu kommen, ohne Umwege. Meistens jedoch geht es gar nicht um den Gegenstand, sondern etwas ganz anderes. Warum sollte ich dann den Leser mit solchen Nichtigkeiten von der Geschichte ablenken.

"Meier sitzt im gelben Auto". Was interessiert mich jetzt mehr, das blöde Auto, das einfach nur ein Auto ist (wenn auch in einer beschissenen Farbe), oder ist es der Meier? Meier, ein offenbar interessanter Charakter, der sich freiwillig in ein gelbes Auto setzt, nonkonformistisch, so arm, dass er ausgemusterte Wagen von der Post kaufen muss, oder ist er einfach nur völlig geschmacksbefreit? Also, dieser Meier, der interessiert mich - das Auto hingegen nicht die Bohne.

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Andererseits: Wer ist "wir"? :s22

"Wir" ist in diesem Fall der Mensch an sich. ;D

 

Ich wollte auf die schlichte Tatsache hinweisen, dass unsere Wahrnehmung immer gefiltert und eingefärbt ist: durch Stimmungen, Kenntnisse, Erwartungen, Vorurteile usw.. Das ist natürlich kein handwerklicher Rat, sondern eine theoretische Feststellung - darum schrieb ich auch, dass es genau genommen nicht hierher gehört.

 

Mir ist diese Haltung "Ich schreibe die Welt ab, so wie sie ist" einfach zu simpel. Als ginge es nur darum festzulegen, welches Farbspektrum ich postgelb nenne, welches dottergelb, welches eitergelb - und dann hätte man die Sache im Griff. Das ist doch leblos. Lebendig wird ein Text für mich, wenn schon die Art zu erzählen eine subjektive Färbung hat. Die muss sich ja nicht unbedingt in weitläufigen Beschreibungen zeigen. Im Gegenteil, nichts wirkt doch stärker, als wenn man z.B. von einem gedrängt vollem Raum, in dem alle durcheinander reden und lachen, nur über ein einziges Gesicht schreibt.

 

Schöne Grüße

 

Barbara

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