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Tom Finn

Plötzlich ...

Empfohlene Beiträge

Liebe Montsegurler,

 

habt ihr auch schon mal von Begriffen gelesen/gehört, die angeblich einem schreiberischen Tabu unterliegen?

 

Mir ist selbiges vor drei Jahren mit dem Begriff "plötzlich" so ergangen.

Angeblich ganz schlechter Stil. Also hastig alle "plötzlichs" vermieden, oder in "jäh", "unvermittelt" und "ansatzlos" umgewandelt.

 

Tja, und dann stößt man gleich auf der ersten Seite von Michael Endes Unendlicher Geschichte auf ein "plötzlich".

 

Wie dem auch sei, ich gestatte mir den Begriff seit dieser Entdeckung, frage mich seitdem aber ernsthaft, ob ich nicht bloß einer Tabu-Modewelle aufgesessen bin?

 

Viele Grüße Tom

www.thomas-finn.de

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Da bin ich ja der richtige! :)

 

Okay, die unendliche Geschichte ist halt schon etwas älter.

 

Aber ich persönlich bin ein begeisterter 'Plötzlich' Hasser!

 

Die meisten werden dir jetzt wieder sagen: "Es gibt keine Tabu-Worte", und sie haben Recht. Kein Mensch wird sich an irgendeinem 'plötzlich' stören.

 

Ich persönlich kann 'plötzlich' nicht leiden, weil jeder Autor beinahe NUR NOCH plötzlich schreibt. Da passiert alles plötzlich, nur weil es unerwartet kommt. All die Alternativen zu plötzlich werden daher so gut wie gar nicht mehr genutzt. Warum abrupt, unerwartet, jäh, unvorbereitet, aus heiterem Himmel, mit einem Mal oder sonst was, wenn alles auch plötzlich passieren kann?

Gegen ein einzelnes plötzlich hier und da hätte ich ja gar nichts...

 

Da das Übermaß an plötzlich in meinen Augen die Schriftlandschaft verödet, habe ich persönlich mir auf die Fahnen geschrieben, das Wort plötzlich einfach gar nicht mehr zu verwenden. Um zu zeigen, dass man auch ganze Romane wunderbar ohne plötzlich schreiben kann und etwas Farbe ins Spiel zu bringen.

 

Aber das ist meine persönliche Philosophie, und den meisten hier ist das Wort plötzlich ziemlich egal. Wir hatten die Diskussion irgendwann schonmal, als es um Tabu-Wörter ging... (Die es natürlich nicht gibt!)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ja, zu diesem Thema hatten wir hier auch im Forum vor einigen Monaten (oder letztes Jahr?) einmal einen Thread.

 

Offenbar gibt's solche "Phasen". Auch zu beobachten, wie die Zwiebelfischkolumne immer wieder für Gesprächsstoff sorgt, und ganz plötzlich im Fernsehen alle korrekterweise "Endes dieses Jahres" (statt "diesen Jahres") und "wir Deutsche" (statt "wir Deutschen") sagen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob Bastian Sick etwas über "plötzlich" hat verlauten lassen, aber auf ähnliche Weise kann das etwas ins Bewusstsein der Allgemeinheit gedrungen sein.

 

Ich habe nichts gegen "plötzlich". Das vierte Wort meines Romans ist "plötzlich". Mir gefällt's, und bisher hat sich im Verlag noch keiner darüber beschwert.

 

Andreas

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Ich verwende plötzlich inzwischen nur dann, wenn wirklich etwas sehr Unerwartetes geschieht.

Ansonsten suche ich gern nach Alternativen.

 

Für manche Situationen gibt es aber kein Wort, das treffender wäre.

 

Liebe Grüße

Monika

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Hallo Tom

 

ich habe aus eben jenem Grund eine Zeit lang versucht alle Plötzlichs aus meinen Texten zu verbannen. Und was war das Ergebnis? Die Testleser meinten dann immer: Hier wäre ein "plötzlich" ganz schön. Und das nicht zu selten.

 

Inzwischen versuche ich es sehr gezielt einzusetzen. Mal ein plötzlich, mal ein unerwartet. Je nachdem, was gerade passender ist. Und ich empfinde es wie Monika, dass es einfach manchmal Situationen gibt, wo nichts anderes besser passt.

 

Gruß Ronya

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Mir ist selbiges vor drei Jahren mit dem Begriff "plötzlich" so ergangen.

Angeblich ganz schlechter Stil. Also hastig alle "plötzlichs" vermieden, oder in "jäh", "unvermittelt" und "ansatzlos" umgewandelt.

 

Jäh klingt irgendwie veraltet , unvermittelt bürokratisch und ansatzlos nach einem Begriff aus der Sportsprache (Frings- ansatzloser, trockener Schuß unten rechts!).

Auch Marcos Alternativen: abrupt, unerwartet, unvorbereitet, aus heiterem Himmel, mit einem Mal haben ja alle eine spezielle Sprachfärbung und einen anderen Klang.

Von daher hat "Plötzlich" durchaus seine Berechtigung. Warum auch nicht? Ist für mich auch die "natürlichste" Art etwas Plötzliches zu beschreiben.

 

Jäh öffnete sich die Tür vor ihm.

Ansatzlos öffnete sich die Tür vor ihm.

Abrupt öffnete sich die Tür vor ihm.

Auf einmal öffnete sich die Tür vor ihm.

Mit einem Mal öffnete sich die Tür vor ihm.

Plötzlich öffnete sich die Tür vor ihm.

 

Jeder Satz sagt das gleiche aus, aber jeder einzelne lässt auf einen anderen Erzähl-Typen, auf ein anderes Sprachniveau schließen, vielleicht auch auf ein anderes Genre.

Ich mag "Plötzlich" sehr gerne, für die Art von Geschichten, die ich erzähle, und für meine Protagonisten passt es für etwas "Plötzliches" sehr oft am besten. Aber natürlich sollte man auch Alternativen kennen, wenn das Plötzliche überhand nimmt oder man mit Figuren als Perspektivträger arbeitet oder Situationen beschreibt, in denen ein "Abrupt" oder "Jäh" angemessener wäre.

 

Gruß

Peter

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Ja, bei mir hat sich das auch eingebrannt seit der "Plötzlich"-Diskussion.

Jedesmal, wenn ich "plötzlich" schreiben will, muss ich daran denken, pötzblitz >:(Oft schreibe ich dann nicht "plötzlich ging die Tür auf", sondern "Die Tür ging auf." Irgendwas ist ja schon dran, denn das Plötzliche ist im Aufgehen der Tür aus heiterem Himmel ja schon impliziert. Ich glaube, bis jetzt habe ich es noch nicht verwendet, aber wahrscheilich wird es Zeit dafür.

 

Ein anderes angebliches Unwort ist/ sei "Dann". Dann ging er ... er ging ...

Das verwende ich manchmal.

Bei dem, was PeterN aufgelistet hat, gefällt mir übrigens "plötzlich" am besten. Und dass Andreas im Projekt Babylon schon recht bald dieses Wort eingeführt hat, ist mir gar nicht aufgefallen.

 

Ich werde diese modernen Schreibregeln jetzt einfach ignorieren und immer dann, wenn es passt, ein "plötzlich" oder "dann" hinsetzen.

 

Regelbefreite Grüße

Christa

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Jeder Satz sagt das gleiche aus' date=' aber jeder einzelne lässt auf einen anderen Erzähl-Typen, auf ein anderes Sprachniveau schließen, vielleicht auch auf ein anderes Genre.[/quote']

 

Das nun sicher nicht, aber jedes Beispiel lässt auf eine andere Situation schließen.

Wenn sich eine Tür jäh öffnet, hat das etwas Bedrohlicheres, als wenn sie sich unerwartet öffnet...

Plötzlich finde ich dabei irgendwie so - neutral und ungefärbt...

 

Gruß,

Marco! :s17

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PeterN hat recht, wenn er sagt, jeder dieser Ausdrücke "lässt auf einen anderen Erzähl-Typen, auf ein anderes Sprachniveau schließen, vielleicht auch auf ein anderes Genre".

Aber ich bestreite vehement, dass jeder das Gleiche aussagt. Wenn man sie genau interpretiert, werden je andere Situationen vorgestellt (oder Unsinn, weil sich einen Tür nicht "ansatzlos" öffnet). Jäh ist der Bewegungsmodus, abrupt macht nur Sinn, wenn vorher eine andere Bewegung war, die dadurch abgebrochen wird, "auf einmal" entsteht aus einem Moment der Unbewegtheit, Ruhe, Besinnung, ..., "mit einem Mal" ist dasselbe, nur verschwiemelt, und "plötzlich" ist die einzige Aktionsform mit unerklärtem (sc. unerklärlichem) Überraschungsmoment.

 

Meine Erklärungen mögen alle falsch oder ungenau sein. Aber meint Ihr nicht, dass das Hören auf solche Unterschiede erst den Schriftseller ausmacht.

FG Phi

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Ich halte das ganz simpel für Unfug. Wer Sprachgefühl hat, wird auch das Wörtchen "plötzlich" vernünftig einsetzen. Und wem es an Sprachgefühl mangelt, der wird auch mit solchen Regeln nicht glücklich werden.

 

Manchmal denke ich, dass Menschen so einfache Konzepte brauchen, um sich sicher zu fühlen. Wenn in einem Text kein "plötzlich" ist, dann ist er gut. Noch ein paar ähnlich einfach gestrickte Regeln dazu und fertig. Allerdings bezweifle ich, dass so wirklich gute Texte entstehen.

 

Christoph

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Jäh ist der Bewegungsmodus' date=' abrupt macht nur Sinn, wenn vorher eine andere Bewegung war, die dadurch abgebrochen wird, "auf einmal" entsteht aus einem Moment der Unbewegtheit, Ruhe, Besinnung, ..., "mit einem Mal" ist dasselbe, nur verschwiemelt,  und "plötzlich" ist die einzige Aktionsform mit unerklärtem (sc. unerklärlichem) Überraschungsmoment (...) meint Ihr nicht, dass das Hören auf solche Unterschiede erst den Schriftseller ausmacht.[/quote']

 

Naja, zumindest halte ich deine Definitionen für gut analysiert und werde sie mir rot umrandet neben den Computer hängen  :s20

 

Liebe Grüße Tom

www.thomas-finn.de

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PeterN hat recht, wenn er sagt, jeder dieser Ausdrücke "lässt auf einen anderen Erzähl-Typen, auf ein anderes Sprachniveau schließen, vielleicht auch auf ein anderes Genre".

Aber ich bestreite vehement, dass jeder das Gleiche aussagt.

Ja, du hast recht, da habe ich mich mit meiner Fokussierung auf die Sprachmelodie Mist gebaut.

Wobei der Otto-Normal-Leser wahrscheinlich nicht alle Bedeutungsunterschiede in dieser feinen Nuancierung wahrnehmen kann, aber als Autor sollte man sich darum bemühen, sicherlich. Das meiste macht man wohl intuitiv richtig, was auch eine ziemliche Erleichterung darstellt, denn bei jeder Synonym oder vermeintlichen Synonym-Möglichkeit so in die Tiefe zu gehen, wäre extrem anstrengend.

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Hallo zusammen,

 

mein Manuskript hat inzwischen etwas über 100 Seiten, und ich habe das Wort plötzlich bisher nicht verwendet, und werde es wohl auch nicht verwenden. Genau wie ich die Ersetzungen von plötzlich nicht verwende.

 

Plötzlich bedeutet, dass etwas passiert, das nicht in dem Zusammenhang mit den bisherigen Ereignissen steht. Zudem betont das plötzlich häufig ein äußeres Einwirken, und deutet an: Hier wird es gleich spannend, weil etwas unvorhersehbares passiert.

Dabei hat das Wort plötzlich auch einen Bruch im Sprachrhyhtmus zur Folge.

 

Wenn etwas unvorhersehbares bei mir passiert, oder etwas ohne Zusammenhang mit vorherigen Ereignissen, kündige ich das über die Reaktionen der Figur an, nicht über das auktoriale plötzlich, das für mich fast immer wie ein Erzählerkommentar wirkt. Und die Betonung des plötzlich emfinde ich in meinen Texten so unangenehm, dass ich es gar nicht oder fast gar nicht verwende.

Zudem ist der Spannungsfaktor bei dem plötzlich nicht so hoch, als wenn ich die Szene auf andere Art einleite, und über die Reaktionen und Ereignisse nach und nach Spannung aufbaue.... bevor etwas passiert, oder während es passiert.

 

Ich halte plötzlich nicht für eine schriftstellerische Sünde, würde es aber wie Adjektive vorsichtig verwenden, um die vorhandene Wirkung des Wortes in besonderen Szenen zu nutzen, und es nicht damit zu übertreiben.

Denn die Wirkung basiert auf dem auktorialen Faktor und dem Rhyhtmusbruch, so daß eine häufige Verwendung Texte rhythmisch verstümmelt. Wie auch viele seiner Ersetzungen.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Aber meint Ihr nicht' date=' dass das Hören auf solche Unterschiede erst den Schriftseller ausmacht.[/quote']

Das nicht allein, aber es gehört sicher dazu. Tabus eher weniger. ;)

findet plötzlich und unvermittelt Petra

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Naja, zumindest halte ich deine Definitionen für gut analysiert und werde sie mir rot umrandet neben den Computer hängen  :s20

 

Liebe Grüße Tom

Wenn ich sowas lese - und ich lese es öfters - und mir dann vorstelle, wie der mit Zetteln und Post-Its vollgehangene Arbeitsplatz eines durchschnittlichen Autors aussehen muß, muß ich immer schmunzeln.

 

Aber jetzt mal ehrlich, das hast du doch auch schon vorher gewußt, so wie wir alle, oder?

 

Peter

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Moin zusammen,

 

Adjektive sind ja ohnehin ein schwieriges Thema beim Schreiben. Ich denke, dass sie meist das Gegenteil von dem bewirken, das sie eigentlich sollen.

 

In der Regel wird ein Adjektiv benutzt, um das zugehörige Substantiv zu verstärken, besser zu beschreiben. Die Kontrollfrage dazu lautet in der deutschen Grammatik: Wie ist etwas?

 

Das Adverb dagegen wird zur Vestärkung des Verbs genutzt. Hier lautet die Kontrollfrage: Wie macht man etwas?

 

Wenn man nun also genauer hinschaut, merkt man, dass das Adjektiv 'plötzlich' heutzutage in aller Regel als Adverbial genutzt wird. "Plötzlich öffnete sich die Tür."

 

Wie öffnete sich die Tür? Sie öffnete sich plötzlich. Ich denke, wenn nicht vorher jemand angeklopft hat, wird sich eine Tür immer plötzlich öffnen, oder?

 

Anders liest es sich mMn, wenn plötzlich als Adjektiv genutzt wird. "Das plötzliche Öffnen der Tür ließ sie zusammenfahren."

 

Wie war das Öffnen? Es war plötzlich. Das passt, denn normalerweise schrickt niemand zusammen, wenn eine Tür sich öffnet.

 

Kurz und gut: "Plötzlich" ist IMO meist redundant.

 

Und das Weglassen verstärkt die Aussage. Um einen Meister zu zitieren:

 

"Und sieh! und sieh! an weißer Wand,

da kams hervor wie Menschenhand;"

 

Wenn HH hier

 

"kams plötzlich hervor wie Menschenhand"

 

geschrieben hätte, wäre er vermutlich ausgelacht worden. Zu Recht, denke ich.

 

Gruß

 

HW

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Stefan Mühlfried

Ich finde "plötzlich" in einigen Situationen als einzig passend, weil das Wort selbst rein vom Klang her etwas explosionsartiges, polteriges hat; Nur zwei Silben, mit einem Plopplaut am Anfang und Betonung auf der ersten Silbe.

Ich stelle mir dazu gerade mal ein Hörbuch vor. Dramatische Sprechpause bei höchster Spannung. In die Stille hinein platzt der Erzähler: "Plötzlich sprang die Tür auf..."

Oder: "Mit einem Mal sprang die Tür auf...".

Das "mit einem Mal" hat da geradezu etwas... öhm... Scharpinghaftes an sich ("Langsaaaaam..."). Es knallt einfach nicht so schön.

 

Für mich wäre die Alternative nur das Weglassen des Anfangswortes, ersetzt durch ein ebenso knalliges Adverb o.ä.: "Krachend flog die Tür aus den Angeln..."

 

Schöne Grüße,

Stefan

"Schriftsteller sollten gar keine Adjektive haben. Sie sind keine französischen oder australischen Schriftsteller, sondern einfach Schriftsteller. Am Ende sind sie ohnehin nicht mal ein Substantiv, sondern ein Verb: Sie schreiben." - Richard Flanagan

Blaulichtmilieu   -   Zur Hölle mit der Kohle   -   Der steinerne Zeuge

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Stefan Mühlfried
"kams plötzlich hervor wie Menschenhand"

geschrieben hätte, wäre er vermutlich ausgelacht worden.  Zu Recht, denke ich.

Unter anderem, weil er ein unschuldiges Versmaß rücklings gemeuchelt hätte. Aber Recht hast du schon. ;)

 

Liebe Grüße,

Stefan

"Schriftsteller sollten gar keine Adjektive haben. Sie sind keine französischen oder australischen Schriftsteller, sondern einfach Schriftsteller. Am Ende sind sie ohnehin nicht mal ein Substantiv, sondern ein Verb: Sie schreiben." - Richard Flanagan

Blaulichtmilieu   -   Zur Hölle mit der Kohle   -   Der steinerne Zeuge

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Moin Stefan,

 

 

Für mich wäre die Alternative nur das Weglassen des Anfangswortes, ersetzt durch ein ebenso knalliges Adverb o.ä.: "Krachend flog die Tür aus den Angeln..."

 

 

Davon abgesehen, dass es sich auch bei 'krachend' um ein Adverbial handelt: Das hat eine ganz andere Bedeutung. Wenn jemand langsam Anlauf nimmt und langsam mit der Schulter die Tür krachend aus den Angeln drückt, ist da nichts mehr plötzliches drin.

 

Und der Gebrauch von plötzlich soll ja oft Spannung erzeugen. Leider ist es meist nur Pseudospannung.

 

Gruß

 

HW

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Hallo Heinz-Werner,

 

dein Beispiel hinkt aber:

Wenn man nun also genauer hinschaut, merkt man, dass das Adjektiv 'plötzlich' heutzutage in aller Regel als Adverbial genutzt wird. "Plötzlich öffnete sich die Tür."

Wie öffnete sich die Tür? Sie öffnete sich plötzlich. Ich denke, wenn nicht vorher jemand angeklopft hat, wird sich eine Tür immer plötzlich öffnen, oder?

Es ist doch ein sehr großer Unterschied, ob man schreibt:

 

- Die Tür öffnete sich.

- Langsam öffnete sich die Tür.

- Plötzlich öffnete sich die Tür.

 

Das "plötzlich" hat auch in diesem adverbialen Beispiel ganz eindeutig eine bestimmte, nicht redundante Aussage. Und wie auch schon ein paarmal dargelegt, ist das Ersetzen von "plötzlich" durch Alternativen wie "mit einem Mal" oder "unvermittelt" usw., zwar jederzeit möglich, bewirkt aber eine andere Melodie, einen anderen Stil, mithin auch eine andere Bedeutung.

 

Und dass dein Beispiel

 

"Und sieh! und sieh! an weißer Wand,

da kams plötzlich hervor wie Menschenhand;"

ebenfalls hinkt und zum Unterstreichen deines Postings überhaupt nicht taugt, ist dir ja sicher selbst klar.

 

Andreas

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Ich stelle mir dazu gerade mal ein Hörbuch vor. Dramatische Sprechpause bei höchster Spannung. In die Stille hinein platzt der Erzähler: "Plötzlich sprang die Tür auf..."

 

Sowas kann man meiner Ansicht nach nicht an der Wortwahl festmachen, sondern nur am Sprecher. Ausserdem wäre ein 'jäh wurde die Tür aufgerissen' sogar NOCH explosionsartiger.

Oder man verabschiedet sich ganz von der Unerwartbarkeit, dann kann die Tür auch laut aufspringen. Oder, was hier auch ginge: "Da sprang die Tür auf." Noch kürzer, noch knalliger.

 

Aber wie gesagt, ein guter Erzähler lässt es sogar bei "mit einem Mal" richtig spannend explodieren.

 

Und der Gebrauch von plötzlich soll ja oft Spannung erzeugen. Leider ist es meist nur Pseudospannung.

 

Sehe ich ähnlich. Zumal 'plötzlich', wie Thomas schon sagte, ein absolut auktoriales Wort ist, das keinerlei wertende Färbung hat. Kein Charakter würde etwas als 'plötzlich' empfinden, deshalb hat es immer ein bisschen den Beigeschmack, dass der auktoriale Erzähler (nicht aber der Charakter) hier dem Leser mit Holzhammer und Schleifchen drumherum sagen will: "Na, das kommt jetzt überraschend, oder? Damit haste nicht gerechnet, stimmts?"

 

So oder so: Wenn man streng aus der Sicht und Empfindungswelt eines Charakters erzählen will, dürfte man 'plötzlich' eigentlich gar nicht verwenden, weil es nur ein wertfreies Substitut für 'an dieser Stelle unerwartet' ist...

 

Gruß,

Marco! :s17

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Davon abgesehen' date=' dass es sich auch bei 'krachend' um ein Adverbial handelt: Das hat eine ganz andere Bedeutung. Wenn jemand langsam  Anlauf nimmt und langsam mit der Schulter die Tür krachend aus den Angeln drückt, ist da nichts mehr plötzliches drin.[/quote']

Hallo HW, dass "krachend" nicht plötzlich sei, ist - sorry - Quatsch. Vor allen Dingen, wenn du dich hinter der Tür befindest, und von nichts ahnst ;)

 

Aber statt um einzelne Wörter zu streiten, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, vernünftige Geschichten zu schreiben, denen - wenn sie gut genug sind - ein "plötzlich" mehr oder weniger nichts anhaben kann. Diese Mikroskopie erscheint mir allzuoft nichts anderes als eine Flucht vor der eigentlichen Arbeit zu sein, kann das nicht sein?

 

Andreas

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So oder so: Wenn man streng aus der Sicht und Empfindungswelt eines Charakters erzählen will' date=' dürfte man 'plötzlich' eigentlich gar nicht verwenden, weil es nur ein wertfreies Substitut für 'an dieser Stelle unerwartet' ist...[/quote']

??? ??? ???

 

Andreas

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Aber statt um einzelne Wörter zu streiten' date=' sollte man sich lieber darauf konzentrieren, vernünftige Geschichten zu schreiben, denen - wenn sie gut genug sind - ein "plötzlich" mehr oder weniger nichts anhaben kann. Diese Mikroskopie erscheint mir allzuoft nichts anderes als eine Flucht vor der eigentlichen Arbeit zu sein, kann das nicht sein?[/quote']

 

Hi Andreas,

 

Du sprichst mir aus der Seele, wie zuvor auch schon Christoph.

Ich lese gerade "Der Schatten des Windes", in dem es von Adjektiven und Abverben wie "plötzlich" nur so wimmelt. Hätte ein Montsegurer einen Ausschnitt davon in die Textkritiken gestellt, wäre man darüber hergefallen.

Trotzdem ist das Buch ein Meisterwerk, weil Geschichte und Stil grandios sind. Die Adjektivlastigkeit beeinträchtigt das kein bisschen.

 

Gruß Christoph

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Moin Andreas,

 

Diese Mikroskopie erscheint mir allzuoft nichts anderes als eine Flucht vor der eigentlichen Arbeit zu sein, kann das nicht sein?

 

 

Heißt das jetzt Mikroskopie? Nicht mehr Montsegur? :s22

 

Ich stimme dir zu. Aber ich 'abe fertich, ich darf das ...

 

Gruß

 

HW

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