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(Huutini)

Vom Erzählen und vom Schreiben

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Okay, ich hab ja schon des öfteren in letzter Zeit angedeutet, dass es in meinen Augen einen Unterschied gibt zwischen bloßem Erzählen und bloßem Schreiben.

 

Weil ich der Meinung bin, dass vielen Autoren die Existenz dieses Unterschiedes gar nicht bewusst ist, will ich hier mal die Diskussion eröffnen. Mit dem Versuch, eine Differenzierung darzustellen.

 

Das ganze ist etwas länger geworden als geplant, aber das Thema ist halt nicht ganz einfach, und ich bin nunmal weitschweifig.  ;D

 

Dass überhaupt ein Unterschied existiert, lässt sich durch zwei relativ simple Tatsachen zeigen:

 

Wer etwas schreibt, erzählt nicht zwangsläufig.

Wer etwas erzählt, schreibt nicht zwangsläufig.

 

Was genau ist aber nun eigentlich Erzählen?

 

Ich denke, jeder hier kennt Irgendjemanden, der kann einem ‚erzählen’, was er will: es macht einfach immer Spaß ihm zuzuhören. Egal, ob er nun von dem Friseurbesuch erzählt, vom Warten in der Supermarktschlange oder dem Telefonat mit der Versicherung: Wir hängen an seinen Lippen, lachen und weinen, leiden und freuen uns mit. Der Mensch kann einfach so gut erzählen, dass wir emotional gebunden sind, dass er uns mit seiner ‚Erzählung’ fesselt.

 

Es gibt eine wunderbare Szene im letzten Star Wars Film, in dem der goldene Roboter C3PO den kleinen, bärenähnlichen Ewoks ‚erzählt’, welche Abenteuer er und die anderen Helden erlebt haben. Er tut das in der Alien-Sprache der Ewoks, untermalt von typischen Soundeffekten, die wir aus den Filmen schon kennen, und allein dadurch, auch wenn man keine Wort davon versteht, was C3PO da sagt, erlebt man die Erlebnisse der früheren Filme noch einmal mit.

Besonders rührend sind jedoch die Reaktionen der Ewoks: Sie verkriechen sich vor Angst, wenn vom Bösewicht erzählt wird, sie freuen sich, wenn vom Happy End erzählt wird, seufzen, wenn die Liebesgeschichte erwähnt wird, sie diskutieren und streiten miteinander.

 

Diese Szene ist für mich eines der besten Beispiele dafür, was ‚Gutes Erzählen’ ist.

Erzählen bedeutet, dass der Erzähler es schafft, denjenigen, dem er erzählt, emotional an das zu binden, WAS er da erzählt.

 

 

Was ist hingegen Schreiben?

 

Natürlich kann man auch mit dem Schreiben etwas erzählen: Bücher, Berichte, Reportagen, viele Briefe und andere Textsorten erzählen etwas. Aber was genau heißt „gutes Schreiben“?

 

Nehmen wir, um das zu erläutern, etwas anderes, das man ebenfalls schreiben kann: Einen Einkaufszettel.

Nun mag man meinen: Ein Einkaufszettel ist nichts, das man wirklich schriebt, es ist eher eine Notiz, hingeschliert, und außerdem gibt es keine Möglichkeit, einen Einkaufszettel GUT zu schreiben, ganz im Gegensatz zu einem Roman, den man gut oder schlecht schreiben kann.

Aber das stimmt so nicht ganz. Es gibt sehr wohl eine Möglichkeit, einen Einkaufszettel gut zu SCHREIBEN.

Anstatt einfach aufzukritzeln, was man noch braucht, in der Reihenfolge wie es einem einfällt, könnte man sich Gedanken machen: Wie sieht mein Supermarkt aus? Wenn ich durch die Schranke trete, kommen als erstes die Gemüse, dann die Konserven, und dahinter das Brot.

So kann man anfangen, eine Struktur in seinen Einkaufszettel zu bringen: Man sortiert die Waren in der Reihenfolge, wie die Waren im Supermarkt sortiert sind.

Welche Möglichkeiten hat man noch?

Man könnte neben jede Ware den Preis schreiben, und am Ende unterm Strich den Gesamtpreis notieren.

Weiterhin könnte man, theoretisch, anmerken, wieviele Tüten man braucht, um die Waren nach Hause zu transportieren, man könnte notieren, ob ein kleiner roter Einkaufskorb ausreicht, oder ob man einen Einkaufswagen braucht.

 

Anders gesagt: Man kann die Informationen, die man auf den Einkaufszettel schreibt, strukturieren, und die Informationen optimieren.

Ein gut geschriebener Einkaufszettel optimiert den Einkauf: Kein überflüssiges Geld, kein Herumsuchen im Supermarkt oder auf dem Zettel, sondern ein möglichst glatter und optimaler Gang von Anfang des Zettels bis zum Ende.

 

Es gibt also sehr wohl gut geschriebene Einkaufszettel, und jedem sollte klar sein, dass ein Einkaufszettel nun wahrlich nichts erzählt.

 

Und eben das ist gutes Schreiben: Strukturierung und Optimierung von Text.

 

Aber, mag ein Autor nun meinen, das ist doch Unsinn, wenn ich schreibe, denke ich darüber nach, wie ich schreibe, also auch darüber, wie ich erzähle.

 

Das ist zumindest nicht ganz falsch. In erzählender Prosa greifen gutes Schreiben und gutes Erzählen ineinander, sie bestehen nebeneinander, das eine ergänzt das andere. Trotzdem sind es verschiedene Dinge mit verschiedenen Techniken.

Der klassische Schreibratgeber befasst sich mit eben dem: Schreiben! Was für Charaktere nutze ich? Welche Konflikte erschaffe ich? Wie verteile ich die Informationen? Wie ziehe ich die Spannungsschraube hoch?

 

All das sind Elemente des Schreibens: Optimierung und Strukturierung des Textes.

 

Moment, könnte man jetzt einwenden: Wenn ich einen Text spannend gestalte, appelliert er an die Emotionen des Lesers. Die Frage, wie ich einen Text spannend mache, hat also etwas damit zu tun, wie ich erzähle, nicht wie ich schreibe.

So einleuchtend dieser Gedanke auf den ersten Moment auch zu sein scheint: er ist falsch.

Spannung hat nichts mit Emotionen zu tun. Sondern mit Informationsmanagement.

Stirbt am Beginn eines Krimis ein alter Mann, wird Spannung erzeugt. Aber wo sind da die Emotionen? Kein Leser kennt den Mann, er ist tot, und das Buch erst eine Seite alt. Dennoch ist der Leser neugierig: Wer hat ihn umgebracht?

Von dieser Grundneugier aus kann ein ganzes Buch spannend sein, ohne dass der Leser auch nur eine Sekunde emotional an den Text gebunden ist.

Neugier ist eine Eigenschaft des Menschen, aber keine emotionale Bindung an den Text.

 

Wo fängt also das Erzählen an?

Genau da, wo man emotional in einem Text steckt. Wenn man mit den Charakteren mitleidet, mitfühlt, wenn man, so wie ich, am Ende von Todesmarsch Tränen in den Augen hat, ist die Geschichte gut ERZÄHLT, aber nicht zwangsläufig gut geschrieben.

 

Das ist ein weiterer wichtiger Punkt: Ein Text kann verdammt gut erzählt sein, aber schlecht geschrieben. Die sogenannte Trivialliteratur hat viele Vertreter dieser Spezies. Man leidet mit den Menschen mit, obwohl man von Anfang an genau weiß, was passiert, und die Charaktere klingen noch lange nach.

Witze sind hier ein weiteres schönes Beispiel: Es ist eine Kunst, einen Witz gut zu erzählen, da ein Witz per Definition an die Emotion eines Zuhörers appelliert. Es ist nicht wirklich wichtig, wie er strukturiert ist. Man sollte die Pointe nicht versauen, aber selbst wenn man die Pointe schon kennt, kann ein Witz immer noch so erzählt werden, dass er lustig ist.

 

Ebenso kann ein Text verdammt gut geschrieben sein, aber schlecht erzählt. In Thrillern findet man das häufig: Vor Spannung nagt man an den Fingernägeln, hetzt durch die Geschichte, will unbedingt wissen wie es ausgeht, und am Ende weiß man nicht mal mehr, wie die Charaktere hießen. Es blieb irgendwie stumpf und leer, ohne Leben, hat einen nicht berührt, und nach zwei Tagen kann an sich nicht mal mehr an die Handlung erinnern.

 

Und so wie es Techniken gibt, gut zu ‚schreiben’ (Schmelztiegel, Show, don’t tell, Zwiespältige Charaktere etc.) gibt es eben auch Techniken, gut zu erzählen. Die Perspektive, die Erzählstimme, Distanz des Erzählers zum Erzählten, Geschwindigkeit, alles was dafür verantwortlich ist, wieviel Distanz der Leser zu den erzählten Ereignissen hat, wirkt sich auf die emotionale Bindung aus.

 

Kurz gesagt: Erzählt der Erzähler von etwas, das irgendwann mal irgendwo irgendwem geschehen ist, kann es noch so gut strukturiert sein, es wird schwierig werden, sich emotional an den Ereignissen zu beteiligen.

Ebenso ist es nicht sehr dienlich, wenn deutlich wird, dass nur jemand erzählt. Jedesmal, wenn der Erzähler als Erzähler auftritt, vergrößert sich die Distanz des Lesers zum Text. Je unsichtbarer der Erzähler, desto näher ist der Leser dem ganzen, desto emotionaler ist er beteiligt. Wenn ein Leser sagt: „Ich war da, ich hockte neben der toten Julia und habe mit Romeo geweint“, ist eine Geschichte gut erzählt, nicht gut geschrieben.

 

Etwas zu erzählen ist medienunabhängig. Man kann auch verbal erzählen, oder mit Bildern (ein Film erzählt mit Bildern, nicht mit Text, ist darum auch nicht geschrieben!!), oder wer weiß, wie sonst noch.

Natürlich sollten auch diese Geschichten strukturiert und optimiert sein. Aber sie müssen es nicht.

 

Vor der Erfindung der Schrift wurde ebenfalls bereits erzählt. Und dabei war die Struktur meist total unwichtig. Zum Teil merkt man das noch an Werken der Antike, wie der Odysee, deren Ereignisse in der Zeit vor Schriftfindung durchaus regelmäßig durcheinandergewürfelt wurden.

Auch ein Film kann querbeet erzählt werden: Es sind die Bilder, die Emotionen schaffen, die Perspektive der Kamera, der Ausdruck der Schauspieler, nicht die Strukturierung der Bildreihenfolge.

 

All diese ‚Privilegien’ hat ein Text nicht. Ein Text ist die langsamste und umständlichste Erzählform der Welt, dazu eine der am schnellsten abzubrechenste: Ein Buch zuzuschlagen dauert eine halbe Sekunde, selbst den Fernseher auszuschalten dauert länger. ;)

 

Daher kann man in etwa sagen:

 

Alles, was dazu dienlich ist, dass der Leser das Buch nicht zuschlägt, und nicht den Faden verliert, und wissen will, was weiter passiert, heisst: gutes Schreiben!

Dann ist ein Text strukturiert und optimiert.

 

Alles, was dazu dienlich ist, dass der Leser (oder Filmzuschauer oder Zuhörer) meint, er säße neben den Protagonisten im Auto, dass er mitlacht, mitweint, dass er sich unter der Decke verkriecht wenn das Monster kommt und nicht wagt umzublättern, weil er das Grauen nicht sehen will, heißt: gutes Erzählen!

Dann hat der Leser eine emotionale Bindung zu dem Text.

 

Natürlich gibt es auch hier wieder Ausnahmen oder fragwürdige Fälle: Lyrik beispielsweise. Ist es nun ein geschriebener Text, oder nur notierte Worte? Sie lösen Emotionen aus, mit sehr wenig Text, was jedoch nur funktioniert, wenn der Text entsprechend knapp und perfekt geschrieben ist.

Da Lyrik aber nicht im eigentlichen Sinne erzählt, sondern eben nur Emotionen weckt, fällt sie aus dieser Analyse heraus.

 

Leider, und hier kommt mein Fazit, konzentrieren sich viele Autoren auf die Frage: Wie schreibe ich gut? Sie denken, ob jemand mit ihren Charakteren mitleidet, ob ihr Roman also gut erzählt ist, sei quasi Zufall und es komme auf den Leser an. Das ist aber ebenso falsch: Man kann gezielt gut erzählen. Darum halte ich es für wichtig, dass Autoren sich mehr mit der Frage beschäftigen, wie sie gut erzählen, nicht nur damit, wie sie gut schreiben. Und ich denke, es sollte auch endlich mehr ’Ratgeber’ geben, die sich nicht ausschließlich mit dem Schreiben befassen, sondern auch mit dem Erzählen.

 

So, die Diskussion, wer bis hierhin durchgehalten hat, sei eröffnet. Ich hoffe, das war halbwegs verständlich ausgedrückt. Die Unterschiede sind fein, aber da, und ich habe versucht, sie so deutlich wie möglich zu zeigen. ;)

 

Liebe Grüße,

Marco! :s17

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Prima, Marco! Eigentlich ganz einfach, also. Einfach eine Geschichte so erzählen, dass jeder sie zuende hören will. Ich dachte immer, das wäre eine Grundvorraussetzung für jeden Schreiber, gerade im U-Sektor. Deshalb wundert es mich ein bisschen, dass darüber offenbar immer noch soviele Worte verloren werden müssen.

Ist das nicht genau das, worüber in dem Buch referiert wird, das Du zur Zeit so wohlwollend beschreibst? Jetzt muss ich das Buch nicht mehr lesen, oder? ;D

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Prima' date=' Marco! Eigentlich ganz einfach, also. Einfach eine Geschichte so erzählen, dass jeder sie zuende hören will.[/quote']

Äh, nein, da missverstehst du mich.  ;)

Das ist ja gerade das, was schreiben ausmacht. Nicht erzählen.

 

Ich dachte immer, das wäre eine Grundvorraussetzung für jeden Schreiber, gerade im U-Sektor.

Auch wieder missverstanden:

Schreiber: ja. Erzähler: nein.

 

Deshalb wundert es mich ein bisschen, dass darüber offenbar immer noch soviele Worte verloren werden müssen.

Du redest hier wieder vom schreiben. Eben darum gingen all die vielen Worte ja nicht. Die gingen ums erzählen.

 

Ist das nicht genau das, worüber in dem Buch referiert wird, das Du zur Zeit so wohlwollend beschreibst? Jetzt muss ich das Buch nicht mehr lesen, oder? ;D

Falsch. das Buch referiert über die TECHNIKEN des Erzählens, nicht darüber, was erzählen vom schreiben unterscheidet. Es ist das Lesen also nach wie vor wert.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

 

P.S. Ich habe nie behauptet, es wäre einfach... Ganz im Gegenteil.

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Weil ich der Meinung bin, dass vielen Autoren die Existenz dieses Unterschiedes gar nicht bewusst ist, will ich hier mal die Diskussion eröffnen.

 

Und weil ich der Meinung bin, daß in den FAQ-Bereich auch nur FAQs gehören, verschiebe ich diese Diskussionsaufforderung mal ins Kaffeehaus.

 

Gruß

Jan

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Hallo Marco!

 

Danke, dass Du Dir die Arbeit gemacht hast, es so ausführlich zu erklären, das hilft mir sehr!

 

Ich habe mir nun schon zum zweiten Mal das Buch von Otto Kruse: "Kunst und Technik des Erzählens" aus der Bücherei geholt.

 

Beim ersten Mal hatte noch Skrupel, ob ich, die ja das Schreiben lernen will, es überhaupt lesen sollte.  

 

Trotzdem: Ich hatte und habe ein inneres Interesse daran, genau wie ich es auch an Büchern zum Drehbuchhandwerk habe.

 

Aber ich habe mich bis jetzt (neben dem Zeitmangel) noch nicht so richtig getraut das zu lesen, weil ich dachte, dass ich durcheinadner kommen könnte, da mir Erzählen und Schreiben eben nicht dasselbe zu sein schienen und Drehbuch und Romane schreiben ja schon mal gar nicht zusammen zu passen scheinen.

 

Aber ich wollte und will immer noch wissen: Was haben diese drei Formen miteinander zu tun? Was trennt sie voneinander und wo vermischen sich die Techniken?

 

Wenn ich das verstehen auseinander halten kann, bin ich einen Schritt weiter.

 

Durch Deinen Thread hat sich in mir das Fazit geformt:

 

Wer es schafft, nicht nur gut zu schreiben, sondern dabei auch noch gut erzählen kann, der hat den Joker!

 

Emotionen (Sympathie, Empathie, Identifikation) UND Strukturierung, Optimierung, Techniken. Wer das alles ganz unverkrampft zu kombinieren in der Lage ist, der wird seine Leser begeistern und süchtig machen.

 

Ich werde sehen, dass ich nun endlich dazu komme, Otto Kruses Buch zuende zu lesen, damit ich auch selbst an meinen Texten erkennen kann: wo habe ich nur gut erzählt, wo habe ich nur gut geschrieben und wo habe ich geschafft, gutes Erzählen mit gutem Schreiben zu vereinigen.

 

Ich denke gerade, vielleicht könnte jemand in Textkritiken eine Kurzgeschichte einstellen, die dann vielleicht nur auf die beiden Aspekte "Erzählen" und "Schreiben" durchleuchtet werden könnte.

Wäre das von Interesse?

 

Für mich auf jeden Fall!

 

Liebe Grüße

von Ilona

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Ich habe mir nun schon zum zweiten Mal das Buch von Otto Kruse: "Kunst und Technik des Erzählens" aus der Bücherei geholt.

 

Ah, gute Idee. Hab ich während meiner Filmzeit auch mal gelesen, du hast Recht, das sollte ich mir ebenfalls nochmal zu Gemüte führen.

 

Durch Deinen Thread hat sich in mir das Fazit geformt:

 

Wer es schafft, nicht nur gut zu schreiben, sondern dabei auch noch gut erzählen kann, der hat den Joker!

 

Emotionen (Sympathie, Empathie, Identifikation) UND Strukturierung, Optimierung, Techniken. Wer das alles ganz unverkrampft zu kombinieren in der Lage ist, der wird seine Leser begeistern und süchtig machen.

 

Jepp, darauf wollte ich hinaus. Wer das in meinen Augen einfach perfekt beherrscht, ist Stephen King, obwohl der tatsächlich noch besser erzählen als schreiben kann, aber dahinter vermute ich seine (ja berechtigte) Popularität.

 

Ich denke gerade, vielleicht könnte jemand in Textkritiken eine Kurzgeschichte einstellen, die dann vielleicht nur auf die beiden Aspekte "Erzählen" und "Schreiben" durchleuchtet werden könnte.

Wäre das von Interesse?

 

Ich halte das ja für schwierig, und bezweifle, dass es viele Leute gibt, die mitmachen würden.

Falls doch,ätte ich aber noch einen, sehr alten, Text, in dem ich eben das versucht habe: schriftlich zu erzählen, und in dem ich viel experimentiert habe, um an die Emotionen des Lesers zu appellieren und ihn sich identifizieren zu lassen. (Ob mir das mit den zarten achtzehn, die ich war, gelungen ist, steht dabei natürlich auf einem ganz anderen Blatt...  ::))

 

Falls noch andere Interesse haben, würde ich meinen Giftschrank öffnen, und das gute Stück dafür zur Verfügung stellen.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Äh, lieber Marco,

da habe ich wohl in der Tat etwas missverstanden, denn Erzählen und Schreiben ist für mich (U-Lit, ganz klar, das wolen wir nicht vergessen) das GLEICHE, das SELBE und total IDENTISCH. Also, bevor ich mich hinsetze und schreibe, mache ich mir doch erstmal Gedanken darüber, auf welche Art ich die Geschichte am besten zum Hörer, äh, Leser transportiere. D.h. meistens sind solche Gedanken sogar gänzlich überflüssig, da die Erzählmethode sich automatisch ergibt. Immer wenn ich mir über sowas Gedanken mache, leidet das Ergebnis ...

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Äh, lieber Marco,

da habe ich wohl in der Tat etwas missverstanden, denn Erzählen und Schreiben ist für mich (U-Lit, ganz klar, das wolen wir nicht vergessen) das GLEICHE, das SELBE und total IDENTISCH.

 

Siehste, und um genau mit diesem Irrtum mal aufzuräumen, habe ich diese wunderbare Abhandlung verfasst. Es ist nämlich absolut nicht das Gleiche, oder identisch.  :)

 

Dass es eben nicht das gleiche sein KANN, hab ich ja oben mit einer recht simplen Beobachtung bewiesen:

Wer etwas schreibt, erzählt nicht zwangsläufig.

Wer etwas erzählt, schreibt nicht zwangsläufig.

 

Die Frage: "Wie erzähle ich etwas" wird halt nur von den meisten Autoren nie bewusst gestellt, während sie ihre Geschichten schreiben. (So wie du es ja auch schilderst.)

 

Und ein zweiter Irrtum ist, das nur auf U-Lit zu beziehen. Die Unterscheidung zwischen Erzählen und Schreiben gibt es in allen Genres, Sparten und "Qualitätsstufen".

 

Man kann hingegen, grob vereinfacht(!), sagen: U-Lit konzentriert sich mehr aufs Erzählen (Emotionen zu den Charakteren), E-Lit eher aufs Schreiben (Gute Wortwahl, gute Struktur etc.).

Das ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss, in meinen Augen aber eine relativ gute Faustregel, um einen Text überhaupt erst einmal grob einsortieren zu können.

 

 

Also, bevor ich mich hinsetze und schreibe, mache ich mir doch erstmal Gedanken darüber, auf welche Art ich die Geschichte am besten zum Hörer, äh, Leser transportiere.

Das meine ich damit, dass der Autor das bei seiner Arbeit meist vermengt, was auch nicht schlimm ist, aber:

 

D.h. meistens sind solche Gedanken sogar gänzlich überflüssig, da die Erzählmethode sich automatisch ergibt.

Genau DAS ist wieder falsch und eben der schrecklichste Irrtum gar überhaupt!! Es ergibt sich nicht automatisch, man handelt nur intuitiv, aus dem heraus, was man weiß und kennt. Das ist aber nicht immer das beste Ergebnis.

 

Immer wenn ich mir über sowas Gedanken mache, leidet das Ergebnis ...

Dann wählst du entweder intuitiv stets die besten Erzähltechniken, oder du machst dir die falschen Gedanken oder, was auch gut sein kann: Du kennst die Möglichkeiten und Techniken des Erzählens einfach nicht. Wie auch, die werden ja eben nirgendwo behandelt, weshalb ich das andere Büchlein ja endlich mal vorgestellt hab, da findet sich nämlich einiges dazu.

 

Ich hatte hier ja mal versucht, anhand eines Experiments zu zeigen, dass die Intuition und das, was uns auf den ersten Blick richtig und logisch erscheint, nicht immer auch richtig ist. Leider hat der böse Jan das ja sofort gesperrt mit dem Argument, es hätte nix mit dem Schreiben zu tun.  :

Auf jeden Fall, soviel kann ich mal feststellen, kann uns die Intuition manchmal halt trügen.

 

Wie gesagt: ich glaube, da viele Autoren die Mittel und Techniken des Erzählens gar nicht kennen, KÖNNEN sie sich darüber gar keine Gedanken machen, handeln also eher intuitiv und nach bestem Wissen und Gewissen, und leben, wie du, in dem Glauben, man könne das ohnehin nicht beeinflussen, oder gezielt daran arbeiten.

 

In meinen Augen bist du da ein Klasse Beispiel, und einer der Gründe, weshalb ich das Thema anschneide und sage: Hey, die Erzählform ergibt sich NICHT automatisch, man kann daran arbeiten, man muss sich nur mal mit dem Erzählen und seinen Techniken befassen, sich die Methoden und Werkzeuge aneignen, die es da gibt, denn wenn man nicht weiß, was in der Wundertüte alles drinsteckt, wie soll man es dann nutzen?

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ich hab mich durch den Text gehangelt und bin ein paar Mal von der Liane gefallen, Marco.

Also erstens die Ewoks hören der Schrottkiste nicht zu, weil sie so toll erzählen kann, sondern weil sie kleine, pelzige Freaks sind. Die fesselt die Geschichte, aber wahrscheinlich wären die auch von den Teletubbies gefesselt.

Zweitens: Deine Definition Erzählen ist nicht gleich Schreiben ja, aber wer Kanu fährt betreibt einen Sport, aber wer Sport betreibt fährt noch lange kein Kanu. Wenn in einem Kanuforum von "Sport" geredet wird, ist dennoch Kanufahren damit gemeint.

Drittens: Diese Unterscheidung zwischen "gut schreiben" und "emotional ansprechen" würde ich nie und nimmer ziehen. Ein Text, mit dessen Figuren mich nichts verbindet, würde ich nicht als gut geschrieben bezeichnen. Ich frage mich, wie überhaupt Spannung aufkommen kann, wenn mir die Figuren wurscht sind. Das passiert bei mir nicht. Für mich bedeutet dieses "emotinal Binden", was du unter Erzählen verbuchst, "Glaubwürdige Charaktere, gute Motivationen, dichte Perspektiven" und all das gehört nach deiner Definition auch zum "Schreiben".

Ich glaube sogar "Emotionale Nähe" ist in vielen Fällen das Resultat eines plastischen Stils, der im Kopf seiner Figuren klebt. Das hängt viel mit Stilmitteln der Gedankenwiedergabe zusammen und wie gut der Autor sie beherrscht, also eindeutig Handwerkszeug.

Von daher sehe ich diesen Unterschied einfach nicht in der konkreten Form. Wir können ja mal irgendeine Geschichte nehmen, die Passagen, die du unter "Erzählen" verbuchst, grün markieren und das, was du unter "schreiben" verbuchst, rot. Ich frage mich, wo da was grünes stehen soll, was man nicht auch rot markieren kann.

Also vielleicht habe ich dich mißverstanden, aber in dieser Form leuchten mir deine Ausführungen einfach nicht ein.

 

Gruß

Peter

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Also erstens die Ewoks hören der Schrottkiste nicht zu' date=' weil sie so toll erzählen kann, sondern weil sie kleine, pelzige Freaks sind. Die fesselt die Geschichte, aber wahrscheinlich wären die auch von den Teletubbies gefesselt.[/quote']

Da hängst du dich an der falschen Stelle auf.

 

wer Kanu fährt betreibt einen Sport, aber wer Sport betreibt fährt noch lange kein Kanu. Wenn in einem Kanuforum von "Sport" geredet wird, ist dennoch Kanufahren damit gemeint.

Öhm - ja und?

 

Drittens: Diese Unterscheidung zwischen "gut schreiben" und "emotional ansprechen" würde ich nie und nimmer ziehen. Ein Text, mit dessen Figuren mich nichts verbindet, würde ich nicht als gut geschrieben bezeichnen.

Das tut mir leid. Um das zu erläutern, habe ich den Text schließlich geschrieben.

 

Ich frage mich, wie überhaupt Spannung aufkommen kann, wenn mir die Figuren wurscht sind.

Von 'wurscht sein' hab ich nie was gesagt. Es geht aber in die richtige Richtung. Ich hab da ein tolles Beispiel gebracht, hat was mit Krimis zu tun, die Spannend sind, obwohl man noch niemanden kennt.

 

Für mich bedeutet dieses "emotinal Binden", was du unter Erzählen verbuchst, "Glaubwürdige Charaktere, gute Motivationen, dichte Perspektiven" und all das gehört nach deiner Definition auch zum "Schreiben".

Falsch!

Die Charaktere gehören zum Schreiben.

Perspektiven und Motivationen gehören zum Erzählen.

 

Ich glaube sogar "Emotionale Nähe" ist in vielen Fällen das Resultat eines plastischen Stils, der im Kopf seiner Figuren klebt.

Was auch immer das heissen mag. Was hat denn Stil nun mit der ganzen Sache zu tun?

 

Das hängt viel mit Stilmitteln der Gedankenwiedergabe zusammen und wie gut der Autor sie beherrscht, also eindeutig Handwerkszeug.

Richtig. Und zwar erzählerisches Handwerkszeug.

 

Von daher sehe ich diesen Unterschied einfach nicht in der konkreten Form. Wir können ja mal irgendeine Geschichte nehmen, die Passagen, die du unter "Erzählen" verbuchst, grün markieren und das, was du unter "schreiben" verbuchst, rot.

Das würde nicht funktionieren, weil es nicht um 'Passagen' geht. Ich hab doch gesagt, es verbindet sich in einem Text.

Es geht um das, was man WÄHREND und VOR dem aufschreiben plant, und was sich schließlich im gesamten Text findet.

Du verlangst, in einem fertigen Gericht den Zucker und das Salz mit Farben zu markieren...

 

Also vielleicht habe ich dich mißverstanden, aber in dieser Form leuchten mir deine Ausführungen einfach nicht ein.

Überrascht mich nicht. Erfahrungsgemäß leuchten dir meine theoretischen Ausführungen niemals ein, was vermutlich an meinen Ausführungen liegt.  :-/

So oder so: ganz richtig verstanden hast du mich offenkundig nicht, aber das ist ja auch gar nicht nötig, da du ohnehin einen gänzlich anderen und rein Intuitiven Ansatz ans Schreiben hast, und für dich solche Kategorisierungen vermutlich eher hinderlich wären, weil sie ein geplantes Schreiben voraussetzen, und soviel ich weiß betreibst du das nicht.

Jedenfalls nach allem, was du immer über deine Art zu schreiben erzählst.

 

Von daher, wenn ich so schreiben würde, wie du es tust, würd ich mir gar nicht so furchtbar viele Gedanken darum machen. (Und das mein ich jetzt ganz und gar nicht böse, sondern aufgrund dessen, was ich weiß, ganz ehrlich.)

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Lieber Marco,

ich habe deine Ausführungen sehr aufmerksam - und mit einem gewissen Lächeln - gelesen.

 

In ihnen steht sehr deutlich, warum ich mit Schreibratgebern noch nie etwas anfangen konnte.

 

Gheron und ich beschäftigen uns schon lange mit den Fakten 'Erzählen' und (Auf-)'Schreiben'. Bei uns beginnt die Arbeit an jedem Roman mit 'Erzählen' - wörtlich genommen.

 

Gruß

Sysai

z.Zt. durch Unfall (fast) außer Gefecht :s07 - und kurz vor der nächsten (Recherche-)Reise

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Gheron und ich beschäftigen uns schon lange mit den Fakten 'Erzählen' und (Auf-)'Schreiben'. Bei uns beginnt die Arbeit an jedem Roman mit 'Erzählen' - wörtlich genommen.

 

Was man euren Büchern auch anmerkt, und weshalb ich und so viele andere sie so mögen. :)

 

Wünsche Gute Besserung und 'Gute Reise'! :D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Ist das hier nicht ein ganz eindeutiges Handwerks_thema und viel zu schade fürs Kaffeehaus, Jan? :s21

 

Marco, ich habe alles kapiert, was in deinem Text steht (danke für die Arbeit!) und bin froh, dass die Thematik endlich mal zur Sprache kommt. Wenn man unseren Handwerksbereich anschaut, geht es da nämlich meist ähnlich zu wie im Schreibratgeber: es geht ums nackte Schreiben. Wie man aber gut erzählt... da lassen einen die meisten Ratschläge im Regen stehen.

 

Ich finde deshalb für mich persönlich z.B. Verweise auf Filme und andere Medien immer als sehr spannend. Weil ich als Ausgangsmaterial eine Geschichte zu erzählen habe, die bei mir eigentlich aus dem mündlichen Medium kommt. Mir würde wahrscheinlich ein Kurs für Märchenerzähler mehr bringen als eine Abhandlung über Plottechniken. Entsprechend interessant ist für mich dann das Experimentieren mit meiner Geschichte im Kopf. Ich stelle mir vor, wie sie als Film aussehen würde, wie auf einer Theaterbühne etc. D zeigen sich völlig unterschiedliche Nuancen und Schwerpunkte. Das inspiriert mich wiederum darin, fürs Aufschreiben (nicht "Schreiben"!) den richtigen Ton zu finden. Sicher auch ein Grund, warum ich meine Geschichten "hören" muss.

 

Schöne Grüße,

Petra

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.. spannender thread, aber ich bin derzeit nicht in der lage solche Textmengen (hallo marco :s09 ) zu lesen- eine anregung, keine kritik: ging es nicht etwas geraffter, dass auch jene mitdiskutieren können, die momentan nicht so viel lesezeit haben? :-/

 

herzlichst: jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Danke, Jueb! Du sprichst mir aus der Seele.

Nicht zuletzt das Überangebot an Text hat mich die letzten Monate hier verstummen und (beinahe) an meiner Auffassungsfähigkeit zweifeln lassen....

 

Herzliche Grüße

Gabi

Schachzüge, Störfaktor, Grenzenlos nah, Infinity/ alle bei Thienemann, &&http://www.gabriele-gfrerer.at&&http://teamor61.blogspot.com/

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Naja, mit Verlaub: Ihr müsst es ja nicht lesen! Es ist doch alles nur ein Angebot. Es rennt euch doch nichts weg. ;)

 

Aber bitte hier jetzt nicht anfangen über das Textangebot im Forum zu diskutieren, das gehört hier nicht her. Dafür macht lieber einen eigenen Thread auf.

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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und (beinahe) an meiner Auffassungsfähigkeit zweifeln lassen....

 

Herzliche Grüße

Gabi

 

aber nicht doch.....

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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Ist das hier nicht ein ganz eindeutiges Handwerks_thema und viel zu schade fürs Kaffeehaus, Jan?  :s21

 

 

Stimmt, Petra - war mein Fehler, wahrscheinlich weil es mir ähnlich wie Gabi und jueb geht: ich komme kaum dazu, mitzulesen... vor allem nicht bei kilometerlangen Vorträgen  ;)

 

Also - ab ins Handwerk damit!

 

Gruß

Jan

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Hallo Marco,

 

leider kann mich schon die Grundkonzeption der Idee nicht überzeugen. Vielleicht mißverstehe ich auch deinen Post.

 

Das Grundproblem:

Die Trennung zwischen Schreiben und Erzählen ist hier das zweischneidige Messer, mit dem das komplexe Gewebe einer Erzählung in kleine Elemente zerschnitten wird. Danach wird jedes Element nach dem Prinzip entweder oder in eine der beiden Schubladen einsortiert.

Das Problem dieser Untersuchung ist, dass aus dem Studium die Idee einer zweiteilige Analysemethode "Schreiben" und "Erzählen" gewonnen wurde, die dann die Basis für dieses Buch darstellt. Wie oft ist es jedoch so, dass diese Zweiteilung rein akademisch ist, und der Wirklichkeit nicht gerecht wird.

 

Konkret: Erzählen

Wenn man sich einen Erzähler anhört, dann erkennt man hier rein eindeutige Parallelen zu einer Erzählfigur, und je nach Sichtweise auch zu verschiedenen Perspektiven und weiteres.

Weil der Erzähler als Vermittler auftritt, seine Erzählung mittels verschiedener Mittel erzählt, wie z.B. Schauspielerei, verschiedener Mimik, Gestik und paraverbalen Dingen- und wie auch bei Romanen als Beteiligte Person, als allwissender Erzähler oder auch als Ich-Erzähler auftreten kann.

Dabei entsteht sogar ein Kommunikationsmodell, in dem der Zuhörer eine Funktion in der Geschichte übernimmt, oder übernehmen kann.

 

Und gleichzeitig gibt es hier das Phänomen des Mythos, der ja in Dutzenden von Publikationen als eigenes Thema vorkommt. Gerade das Erzählen greift auf bestimmte Themen zurück, da eine mündliche Erzählung eben nicht von einer ausgreifenden Charaktisierung lebt. Viele Elemente moderner Erzählung wurden erst nachträglich in psychologische oder andere Erklärungsmodelle eingeteilt, oder sind zu ihrer Begründung herangezogen wurden.

 

Und ganz ehrlich: wer einmal einem großen Erzähler zugehört hat, der wird bemerken, dass die Struktur oft von mythischen Erzählungen stammt, und viele Struktur und Ordnungselemente eben aus dem Erzählen kommen.

 

Konkret: "Schreiben"

 

Das "Schreiben" nun wieder ist einfach die schriftliche Ausformulierung bestimmter Gedankengänge, in verschiedenen Ansätzen. Sowohl das lineare, das nichtlineare oder assoziative, sowie andere Schreibmodelle entstammen sicherlich diesem Bereich. Obwohl das so ist, so liegt die Grundbasis dieser Modelle eben in erzählenden Texten (und zwar in einer Zeit, bevor es überhaupt das "Schreiben" gab). Das "Schreiben" hat sie nur weiterentwickelt.

Diese Untersuchung hängt sich an der Entstehung des erzählenden Schreibens auf, als also die "Erzählungen" verschriftlicht wurden. In dieser Zeit wurden neue Methoden entwickelt, oder aus anderen Bereichen hinübergezogen, um die Erzählung auf das neue Medium "Schrift" zu übersetzen.

Eine Teilung in "Schreiben" und "Erzählen" kann nur akademisch sein, weil das Schreiben dem Erzählen entstammt, aber eine eigene Traditionslinie gebildet hat.

Gleichzeitig gibt es keine Trennung, weil beide sich immer in einem großen Maße beeinflussen. Die (Weiter-)Entwicklung bestimmter Schreibtechniken beeinflusste das Schreiben, genauso, wie bestimmte Erzähltechniken sich in das Schreiben hineinschlichen.

 

Fazit:

Nun stellt sich die Frage, ob eine Trennung eines Textes durch die zweischneidige Analyse "Schreiben" und "Erzählen" sinnvoll ist- weil sie ja offensichtlich möglich ist.

Ich glaube, dass die Auslassung der Verbindungslinien und der Gemeinsamkeiten dazu führt, dass die Unterscheidungslinien absichtlich ungenau gezogen werden. Somit ist der Gewinn zwar da, weil man noch einmal abstrakt über praktische Probleme nachdenkt.

Es ist aber teuer bezahlt, weil gerade die mehrfachen Verflechtungen enorm produktiv sein können.

 

Etwas konkreter:

Wenn man z.B. die Perspektiven und Erzählweisen einmal genau betrachtet, und versucht die verschiedenen Verbindungen zu zeigen, dann findet sich weit mehr, als nur Verbindungen zum "Schreiben" oder "Erzählen". Es gibt kommunikationsspezfische Momente in allen Perspektiven und Erzählweisen, die alle produktiv für einen Text zu nutzen sind. Es gibt mythische Ideen für Erzählfiguren und Erzählern, die ebenfalls sehr wirksam in einem Text sein können.

Auch die Sprache ist eine Sache, die eben nicht in einen der beiden Bereiche gehört, sondern beide Bereiche gehören in die Sprache hinein.

Und ich könnte so weiter machen.

 

Dementsprechend könnte man auch sagen: Diese Trennung ist wieder einmal als Reduktion der textlichen Wirklichkeit durchaus interessant. Weil Dinge in der Reduktion leichter zu verstehen sind, als in ihren komplexen Verbindungen.

Aber gleichzeitig blendet sie mindestens genauso wie alle anderen Untersuchungen, weil sie ihren Untersuchungsschwerpunkt wichtiger hängt als die Wirklichkeit. Und somit die Reduktion, wie so oft (siehe Dekonstruktion oder Diskursthorie und andere) auch den Blick auf Möglichkeiten verstellt, weil diese durch die Untersuchung ausgeschlossen werden.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo Thomas,

ich glaube, Marco kommt auf die Trennung, weil sich sein Thread aus der Buchkritik des Martinez-Scheffel entwickelt hat. Dort habe ich ihm vorhin ein Beispiel gebracht, wo die reine akademische Trennung nicht mehr funktioniert. Wäre fein, wenn wir es in der Rubrik "Handwerk" irgendwann dazu bringen könnten, beides gleichzeitig zu sehen (Marco, dein Reden ist über Handwerk, tatsächlich!). Wobei ich immer das Gefühl habe, dass sich einfach die reinen Schreibvorgänge leichter in Pseudoregeln a la Ratgeber fassen lassen, die Komplexität aber eher ausgeklammert wird. Vielleicht, weil die Methoden, damit umzugehen, so individuell verschieden sind?

 

Schöne Grüße,

Petra

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Das Grundproblem:

Die Trennung zwischen Schreiben und Erzählen ist hier das zweischneidige Messer, mit dem das komplexe Gewebe einer Erzählung in kleine Elemente zerschnitten wird. Danach wird jedes Element nach dem Prinzip entweder oder in eine der beiden Schubladen einsortiert.

Das Problem dieser Untersuchung ist, dass aus dem Studium die Idee einer  zweiteilige Analysemethode "Schreiben" und "Erzählen" gewonnen wurde, die dann die Basis für dieses Buch darstellt. Wie oft ist es jedoch so, dass diese Zweiteilung rein akademisch ist, und der Wirklichkeit nicht gerecht wird.

 

Nichts anderes als eine theoretischen, daher akademischen Ansatz suche und versuche ich doch. Es geht gar nicht so sehr um das Buch, sondern es geht darum, nach Unterscheidungen zu suchen.

 

Ich habe doch schon das Beispiel mit dem fertigen Gericht gebracht, in dem Salz und Zucker sind. Natürlich ist beides vermengt darin, dennoch ist beides drin enthalten. Es gibt keine 'reale' Möglichkeit, die beiden jemals wieder zu trennen und aus dem Gericht zu lösen, ergo muss man Grenzen setzen, theoretische Entscheidungsformen finden und Gedankenspiele konstruieren.

 

Ich habe niemals behauptet, wie Peter es ja auch verlangt, einen Text in zwei Teile zerschneiden zu können, einen Haufen Erzähltechniken, einen haufen Schreibtechniken.

Ich sage nur, dass es überhaupt eine solche Unterscheidung gibt, und versuche, zu ergründen und zu begründen, worin diese Unterscheidungen liegen. Ja, das ist theoretisch und damit nicht Jedermanns Sache, aber damit kann ich ganz gut leben. Das ist Labskaus schließlich auch. ;D

 

 

Konkret: Erzählen

Wenn man sich einen Erzähler anhört, dann erkennt man hier rein eindeutige Parallelen zu einer Erzählfigur, und je nach Sichtweise auch zu verschiedenen Perspektiven und weiteres.

Weil der Erzähler als Vermittler auftritt, seine Erzählung mittels verschiedener Mittel erzählt, wie z.B. Schauspielerei, verschiedener Mimik, Gestik und paraverbalen Dingen- und wie auch bei Romanen als Beteiligte Person, als allwissender Erzähler oder auch als Ich-Erzähler auftreten kann.

Dabei entsteht sogar ein Kommunikationsmodell, in dem der Zuhörer eine Funktion in der Geschichte übernimmt, oder übernehmen kann.

 

Okay, kann ich unterschreiben.

 

Und gleichzeitig gibt es hier das Phänomen des Mythos, der ja in Dutzenden von Publikationen als eigenes Thema vorkommt. Gerade das Erzählen greift auf bestimmte Themen zurück, da eine mündliche Erzählung eben nicht von einer ausgreifenden Charaktisierung lebt. Viele Elemente moderner Erzählung wurden erst nachträglich in psychologische oder andere Erklärungsmodelle eingeteilt, oder sind zu ihrer Begründung herangezogen wurden.

 

Und ganz ehrlich: wer einmal einem großen Erzähler zugehört hat, der wird bemerken, dass die Struktur oft von mythischen Erzählungen stammt, und viele Struktur und Ordnungselemente eben aus dem Erzählen kommen.

 

Okay, kann ich auch unterschreiben. Sehe aber bisher keinen Widerspruch zu meinem Ansatz.

 

Konkret: "Schreiben"

 

Das "Schreiben" nun wieder ist einfach die schriftliche Ausformulierung bestimmter Gedankengänge, in verschiedenen Ansätzen. Sowohl das lineare, das nichtlineare oder assoziative, sowie andere Schreibmodelle entstammen sicherlich diesem Bereich. Obwohl das so ist, so liegt die Grundbasis dieser Modelle eben in erzählenden Texten (und zwar in einer Zeit, bevor es überhaupt das "Schreiben" gab). Das "Schreiben" hat sie nur weiterentwickelt.

Diese Untersuchung hängt sich an der Entstehung des erzählenden Schreibens auf, als also die "Erzählungen" verschriftlicht wurden. In dieser Zeit wurden neue Methoden entwickelt, oder aus anderen Bereichen hinübergezogen, um die Erzählung auf das neue Medium "Schrift" zu übersetzen.

 

Unterschreib ich ebenfalls, sehe dennoch keinen Widerspruch. :-/

 

Eine Teilung in "Schreiben" und "Erzählen" kann nur akademisch sein,

Jein. Nicht unbedingt akademisch, aber theoretisch.

 

weil das Schreiben dem Erzählen entstammt, aber eine eigene Traditionslinie gebildet hat.

Ich hab meinen Ong jetzt nicht hier, aber der legt sehr sehr schön dar, dass das Schreiben aus der Not entstand, Wissen festzuhalten, zu fixieren und möglichst unverändert weiterzutragen, da, und hier übergehst du etwas, sowohl die Erzählungen, als auch der WISSENSSTAND Dimensionen annahm, die Mnemotechnische Erzählarten bis an die Grenzen ausreizten.

Das Weltwissen wurde früher in Geschichten verpackt, da man es anders nicht fixieren konnte, und Geschichten leichter zu merken waren.

Als das Wissen jedoch so groß wurde, dass die Geschichten zu lang wurden, begann man, es schriftlich zu fixieren.

Das Schreiben entwickelte sich also nicht aus dem Erzählen, es hat das Erzählen als Wissensspeicher ABGELÖST.

 

Recht hast du, dass beides eigene Traditionslinien entwickelt hat, dennoch gibt es eben in erzählenden Texten Elemente aus der Welt des Erzählens, und aus der Welt des Schreibens.

 

Gleichzeitig gibt es keine Trennung, weil beide sich immer in einem großen Maße beeinflussen. Die (Weiter-)Entwicklung bestimmter Schreibtechniken beeinflusste das Schreiben, genauso, wie bestimmte Erzähltechniken sich in das Schreiben hineinschlichen.

An und für sich unterschreib ich das, bis auf den Punkt: Es gibt sehr wohl eine Trennung. Es gibt immer eine Trennung.

Kirche und Staat, Krieg und Frieden, Kultur und Politik, Pop und Rock, Süß und Salzig - es beeinflusst sich immer gegenseitig, die ganze Welt ist eine riesige Melange sich gegenseitig beeinflussender Elemente. Einen Text vom Rest des Seins abzulösen ist eine ebenso künstliche, 'akademische' Trennung, wie einen Text intern auf Erzähltechniken und Schreibtechniken hin zu trennen, und nicht weniger legitim oder falsch.

 

Ein Text hat sogar noch erheblich MEHR Elemente: Schreiben, Erzählen, Klang, Sprache, Grammatik, Aussage, und das nur auf Seiten des Autors. Auf Seiten des Lesers kommen noch Erfahrungen, Verständnis, Einsicht, Übereinkunft etc. hinzu. All das ist Text, und dennoch hat keiner hier Probleme, einen Text auf seine Grammatik zu reduzieren. Ich habe mir schlicht zwei Elemente eines Textes herausgesucht, nämlich das Schreiben und das Erzählen, und versuche eine Definition und eine Unterscheidung.

 

Dass die nicht einfach ist, ist ebenso klar, wie dass sie künstlich und theoretisch ist. Das macht sie aber nicht falsch. ;)

 

 

Fazit:

Nun stellt sich die Frage, ob eine Trennung eines Textes durch die zweischneidige Analyse "Schreiben" und "Erzählen" sinnvoll ist- weil sie ja offensichtlich möglich ist.

Ich glaube, dass die Auslassung der Verbindungslinien und der Gemeinsamkeiten dazu führt, dass die Unterscheidungslinien absichtlich ungenau gezogen werden. Somit ist der Gewinn zwar da, weil man noch einmal abstrakt über praktische Probleme nachdenkt.

Es ist aber teuer bezahlt, weil gerade die mehrfachen Verflechtungen enorm produktiv sein können.

 

Dein Fazit unterschreibe ich generell ebenso, bis auf den Negativen Ton, den du herausliest. Den Versuch einer Trennung, oder eine Trennung anhand der sichtbaren (und ja durchaus diskutablen) Grenzlinien, mag ich nicht als negativ oder kontraproduktiv betrachten.

Niemand, ich am allerwenigsten, sge: Man sollte nur nach dem einen oder dem anderen Schreiben. Wie eingangs erwähnt, geht es mir doch nur darum, überhaupt zu ZEIGEN, dass es eine solche Trennung gibt, und dass das, was viele Autoren, Rocker hatte es erwähnt, als quasi 'Gottgegeben' und 'Nicht beeinflussbar' betrachten, eben DOCH beeinflussbar ist, und mit handwerklichen Mitteln gezielt in einen Text gebracht werden kann.

 

Ich will ja nichts kleinreden, oder schlecht machen, sondern ganz im Gegenteil, das Instrumentarium und das Panoptikum erweitern.

Wenn die Leute natürlich keine neuen Werkzeuge und Instrumentarien haben wollen, sei es ihnen gegönnt.

 

Etwas konkreter:

Wenn man z.B. die Perspektiven und Erzählweisen einmal genau betrachtet, und versucht die verschiedenen Verbindungen zu zeigen, dann findet sich weit mehr, als nur Verbindungen zum "Schreiben" oder "Erzählen". Es gibt kommunikationsspezfische Momente in allen Perspektiven und Erzählweisen, die alle produktiv für einen Text zu nutzen sind. Es gibt mythische Ideen für Erzählfiguren und Erzählern, die ebenfalls sehr wirksam in einem Text sein können.

Auch die Sprache ist eine Sache, die eben nicht in einen der beiden Bereiche gehört, sondern beide Bereiche gehören in die Sprache hinein.

Und ich könnte so weiter machen.

Das habe ich ja nun oben bereits kommentiert: Natürlich ist eine solche Trennung nur theoretisch und, wie es so schön heißt, idealtypisch möglich. Das find ich aber weder schlimm, noch falsch. Studiertes du nicht auch Literaturwissenschaft??

Also, wir machen sowas jeden Tag! ;D

 

Dementsprechend könnte man auch sagen: Diese Trennung ist wieder einmal als Reduktion der textlichen Wirklichkeit durchaus interessant. Weil Dinge in der Reduktion leichter zu verstehen sind, als in ihren komplexen Verbindungen.

Nicht nur leichter zu verstehen, sondern manchmal überhaupt erst einmal sichtbar!!! Und darum, wie gesagt, hab ich das ganze hier ja angefangen. Sichtbar machen. Um das zu schaffen, habe ich reduziert, denn anders kann man es nicht sichtbar machen, wie die Erfahrung zeigt.

 

Aber gleichzeitig blendet sie mindestens genauso wie alle anderen Untersuchungen, weil sie ihren Untersuchungsschwerpunkt wichtiger hängt als die Wirklichkeit. Und somit die Reduktion, wie so oft (siehe Dekonstruktion oder Diskursthorie und andere) auch den Blick auf Möglichkeiten verstellt, weil diese durch die Untersuchung ausgeschlossen werden.

 

Naja, das ist aber ja nun auch weder neu, noch schlecht. Man KANN immer nur EINEN Aspekt beleuchten, es gibt keine Möglichkeit, die gesamte Kemplexität des Universums auf einmal zu erfassen.

Dafür gibt es doch die Wissenschaften. Himmel, die Chemie klammert die Physik aus und andersherum, die Biologie kümmert sich um beides, klammert aber die Mathematik aus etc.

 

Ich sehe aber keine verlorenen Aspekte, nur weil ich mich auf einen Apsekt konzentriere, den ich klarmachen will, und den Rest ausblende.

 

Wie gesagt, ich gestehe, dass ich Klang und Rythmus eines Textes ausblende, aus dem ganz einfachen Grund weil es für den Punkt, den ich klarmachen will, keine Bedeutung hat. Mein Punkt ist der Versuch, zu zeigen, dass Schreiben nicht automatisch Erzählen ist, und andersherum, dass es unterschiedliche Mittel und Techniken für BEIDES gibt, was interessiert da der Klang? Oder die Grammatik? Oder die Rechtschreibung oder die (Deutsch, Englisch, Chinesisch) Sprache eines Textes??

 

Dass das am Ende alles in einen Text hineinspielt, ist klar, ein Text ist immer mehr als NUR Erzähltes und NUR Geschriebenes. Das habe ich aber weder bestritten, noch ist es für das, worum es mir hier geht, von Belang.

 

Akademische Grüße,

Marco! :s17

 

P.S. Lieber jueb, entschuldige die Länge. ;D Für dich die Kurzform: Lieber Thomas, du hast recht, aber das ist nicht ausschlaggebend für das, worum es mir hier geht.

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Wobei ich immer das Gefühl habe' date=' dass sich einfach die reinen Schreibvorgänge leichter in Pseudoregeln a la Ratgeber fassen lassen, die Komplexität aber eher ausgeklammert wird. Vielleicht, weil die Methoden, damit umzugehen, so individuell verschieden sind?[/quote']

 

Ich glaube, das macht es einfach leichter verständlich und verdaulich.

 

Sprachlehrbücher behandeln doch auch nur eine Lektion nach der anderen, einen Aspekt der Sprache nach dem anderen, und nicht einfach gleich die gesamte Fremdsprache in ihrer vollen Komplexität, weil das unübersichtlich wird. :-/

(Auch wenn ich weiß, dass du Sprachen mit Donald Duck lernst. ;D Aber allgemein didaktisches Vorgehen ist das ja nunmal nicht.)

 

Sprachlehrgeplagt,

Marco! :s17

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Das Schreiben entwickelte sich also nicht aus dem Erzählen' date=' es hat das Erzählen als Wissensspeicher ABGELÖST. [/quote']

Ich hab mal vor einiger Zeit die Weltgeschichte der Schrift recherchiert und da kommen Wissenschaftler ziemlich geschlossen zur gleichen Meinung: Schrift entstand weltweit nicht aus dem Erzählen von Geschichten, sondern aus dem Rechnen, die ersten entwickelten Zeichen bezeichneten Handelsposten neben den Preisen, Schrift ermöglichte es, über zeitliche und räumlich Grenzen hinweg besser Handel zu führen. Nicht Geschichtenerzähler oder Autoren haben Schrift entwickelt, sondern Kaufleute. Die ersten Ritzbollen, die man gefunden hat, heißen demnach auch "calculi" und nicht "erzählerli" ;)

Nach den Kaufleuten kamen erst mal die Herrscher und Juristen... siehe Hammurabis steinerne Gutenachtgeschichten.

Auch die ersten "Literaten" haben Schriftzeichen nicht dazu genutzt, neue Geschichten zu entwickeln, sondern dazu, bereits bestehende Geschichten zu konservieren und womöglich zu verschicken.

 

Schöne Grüße,

Petra

 

PS: Dass du dich noch an meine Ente erinnerst!

:s10

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Hallo marco,

 

jetzt komme ich endlich dazu, mich mit dem Thread zu beschäftigen

Okay, ich hab ja schon des öfteren in letzter Zeit angedeutet, dass es in meinen Augen einen Unterschied gibt zwischen bloßem Erzählen und bloßem Schreiben.

[...]

Was genau ist aber nun eigentlich Erzählen?

 

Diese Szene ist für mich eines der besten Beispiele dafür, was ‚Gutes Erzählen’ ist.

Erzählen bedeutet, dass der Erzähler es schafft, denjenigen, dem er erzählt, emotional an das zu binden, WAS er da erzählt.

Das wäre das Ideal. Nicht jeder Erzähler schafft das ;-).

 

Was ist hingegen Schreiben?

[...]Es gibt also sehr wohl gut geschriebene Einkaufszettel, und jedem sollte klar sein, dass ein Einkaufszettel nun wahrlich nichts erzählt.

 

Und eben das ist gutes Schreiben: Strukturierung und Optimierung von Text.

Da hat deine Argumentation ein Loch: Weil es uns hier nicht um gut geschriebene Einkaufszettel geht und auch nicht um Rechnungen, Buchhaltung oder Lexika. Sondern um Geschichten.

 

Und ganz nebenbei: Auch Erzählen, auch mündliches Erzählen erfordert strukturierung und Optimierung, noch mehr als schriftliches. Weil der Zuhörer nicht zurückblättern kann. Nicht später weiterzuhören.

 

Der klassische Schreibratgeber befasst sich mit eben dem: Schreiben! Was für Charaktere nutze ich? Welche Konflikte erschaffe ich? Wie verteile ich die Informationen? Wie ziehe ich die Spannungsschraube hoch?

Nenne mir einen, nur einen guten Erzähler, der sich nicht um Charaktere, Konflikte Gedanken macht und darum, wie er die Spannungsschraube anzieht! Das ist keineswegs aufs Schreiben beschränkt. Hörbücher arbeiten mit verschiedenen Stimmen für unterschiedliche Personen.

 

Hast du mal eine Lesung mit Rafik Schami zugehört? Der erzählt seine Bücher frei, ganz anders als das geschriebene Buch und doch ist es die gleiche Geschichte. Und natürlich ist da Struktur, Personen, Spannung wichtig. Wobei es andere Mittel gibt: Perspektive, Nähe/Ferne wird anders genutzt, um die Spannungsschraube anzudrehen, die emotionen anzusprechen.

 

All das sind Elemente des Schreibens: Optimierung und Strukturierung des Textes.

Das halte ich für Unsinn, entschuldige. Weil beides sowohl fürs Schreiben wie fürs Erzählen gilt.

 

Spannung hat nichts mit Emotionen zu tun. Sondern mit Informationsmanagement.

Stirbt am Beginn eines Krimis ein alter Mann, wird Spannung erzeugt.

Die wird nur erzeugt, wenn Emotionen im Spiel sind, sorry. Die Leiche an sich ist absolut unspannend. Aber ich weiß als Krimi-Leser, da kommt jetzt was. Und wenn der Autor mir das nicht bringt, die Emotionen in irgendeiner Form, klappe ich das Buch zu, egal wieviele Leichen da rumliegen. Das ist der alte Irrtum vieler, die glauben, man muss nur möglichst viele umbringen, möglichst viel Blut verspritzen, um ein spannendes Buch zu schreiben. Das funktioniert aber nicht, oder nur begrenzt (begrenzt deshalb, weil Tote immer bis zu einem gewissen Grad Emotionen auslösen).

 

Dennoch ist der Leser neugierig: Wer hat ihn umgebracht?

Von dieser Grundneugier aus kann ein ganzes Buch spannend sein, ohne dass der Leser auch nur eine Sekunde emotional an den Text gebunden ist.

Neugier ist eine Eigenschaft des Menschen, aber keine emotionale Bindung an den Text.

Da liegt der Denkfehler. Neugier ist eine emotion (ein Trieb) und bezieht sich nicht auf beliebiges (sonst würden die Leute Lexika lesen statt Romane), sondern auf das, was Emotionen weckt. Das ist übrigens gut untersucht in der Verhaltensforschung.

 

Genau da, wo man emotional in einem Text steckt. Wenn man mit den Charakteren mitleidet, mitfühlt, wenn man, so wie ich, am Ende von Todesmarsch Tränen in den Augen hat, ist die Geschichte gut ERZÄHLT, aber nicht zwangsläufig gut geschrieben.

Sie ist vielleicht nicht gut geschrieben im Sinne von: Stil, literarisch, etc.

 

Das ist ein weiterer wichtiger Punkt: Ein Text kann verdammt gut erzählt sein, aber schlecht geschrieben. Die sogenannte Trivialliteratur hat viele Vertreter dieser Spezies. Man leidet mit den Menschen mit, obwohl man von Anfang an genau weiß, was passiert, und die Charaktere klingen noch lange nach.
Ja, da hat der Autor die Emotionen angesprochen.

Aber ich denke, das spielt beim Schreiben keine Rolle? Und hier sagst du, dass man mit den *Menschen* mitleidet. Also wecken die Personen die Emotionen.

 

Witze sind hier ein weiteres schönes Beispiel: Es ist eine Kunst, einen Witz gut zu erzählen, da ein Witz per Definition an die Emotion eines Zuhörers appelliert. Es ist nicht wirklich wichtig, wie er strukturiert ist.
Witze brauchen Struktur. Ich kann dir jeden Witz so erzählen, dass du gähnst. Das genau richtige Tempo an der richtigen Stelle, der Spannungsaufbau, was du sagst und was du nicht sagst, ist enorm wichtig. Natürlich geht es um Emotionen. Aber wie du den Witz erzählst hat viel damit zu tun, ob du es schaffst, die Emotionen zu wecken.

 

Ebenso kann ein Text verdammt gut geschrieben sein, aber schlecht erzählt. In Thrillern findet man das häufig: Vor Spannung nagt man an den Fingernägeln, hetzt durch die Geschichte, will unbedingt wissen wie es ausgeht, und am Ende weiß man nicht mal mehr, wie die Charaktere hießen. Es blieb irgendwie stumpf und leer, ohne Leben, hat einen nicht berührt, und nach zwei Tagen kann an sich nicht mal mehr an die Handlung erinnern.
Aber während des Lesens hat es einen berührt. Warum sonst hetzt du durch das Buch?

 

Oder willst du hier "Spannung" von "Emotion" trennen? Das geht leider nicht. Beides hängt eng zusammen. Ein Text, der dich kalt lässt (=keine Emotion) ist für mich nicht spannend. Neugier, wie geht es aus? sind Emotionen, ebenso wie Lebensgefahr. Gerade Thrillern und Trivialromanen wird oft vorgeworfen, dass sie nur an Emotionen appellieren. Auf Tränendrüsen drücken.

 

Die Perspektive, die Erzählstimme, Distanz des Erzählers zum Erzählten, Geschwindigkeit, alles was dafür verantwortlich ist, wieviel Distanz der Leser zu den erzählten Ereignissen hat, wirkt sich auf die emotionale Bindung aus.
Nicht nur. Da sind die Personen, die Spannung, die handlung viel, viel wichtiger. Natürlich hängt die Spannung von der gewählten richtigen Distanz ab. Aber längst nicht nur. Und ich sehe keinen Grund, warum die Distanz wichtiger für's Erzählen und die Emotionale Bindung sind als die Figuren.

 

Kurz gesagt: Erzählt der Erzähler von etwas, das irgendwann mal irgendwo irgendwem geschehen ist, kann es noch so gut strukturiert sein, es wird schwierig werden, sich emotional an den Ereignissen zu beteiligen.
Das ist richtig, gilt aber gleichermaßen fürs Schreiben.

 

Wenn ein Leser sagt: „Ich war da, ich hockte neben der toten Julia und habe mit Romeo geweint“, ist eine Geschichte gut erzählt, nicht gut geschrieben.
Wieso ist das nicht gut geschrieben? Und ich dachte, die Personen sind für's erzählen nicht so wichtig? Offenbar ist Romeo und Julia als Personen doch wichtig?

 

Natürlich sollten auch diese Geschichten strukturiert und optimiert sein. Aber sie müssen es nicht.
Sie sind es aber fast immer, egal ob erzählt oder geschrieben.

 

Und dabei war die Struktur meist total unwichtig. Zum Teil merkt man das noch an Werken der Antike, wie der Odysee, deren Ereignisse in der Zeit vor Schriftfindung durchaus regelmäßig durcheinandergewürfelt wurden.

Nichtsdestotrotz sind sie strukturiert, auch wenn bei verschiedenen Fassungen etwas unterschiedlich. Sie werden überliefert, erstaunlich gut überliefert.

 

Auch ein Film kann querbeet erzählt werden: Es sind die Bilder, die Emotionen schaffen, die Perspektive der Kamera, der Ausdruck der Schauspieler, nicht die Strukturierung der Bildreihenfolge.
Struktur ist ja ein bißchen mehr als Reihenfolge der Bilder. Und selbst die ist nicht willkürlich. Gerade Filme sind hochstrukturiert.

 

All diese ‚Privilegien’ hat ein Text nicht. Ein Text ist die langsamste und umständlichste Erzählform der Welt, dazu eine der am schnellsten abzubrechenste: Ein Buch zuzuschlagen dauert eine halbe Sekunde, selbst den Fernseher auszuschalten dauert länger. ;)
Einem Erzähler nicht mehr zuzuhören geht noch schneller. Du kannst einfach weitergehen und der Märchenerzähler auf dem Marktplatz hat Pech gehabt. Du musst das Buch nicht mal weglegen, nicht vom Sofa aufstehen ;-)

 

Alles, was dazu dienlich ist, dass der Leser das Buch nicht zuschlägt, und nicht den Faden verliert, und wissen will, was weiter passiert, heisst: gutes Schreiben!
All das gilt aber auch fürs Erzählen. Auch dort darf der Leser nicht den Faden verlieren, soll wissen wollen, wies weitergeht. Das ist ein Grundprinzip jeden erzählens, egal ob mündlich, filmisch oder im Buch.

 

Alles, was dazu dienlich ist, dass der Leser (oder Filmzuschauer oder Zuhörer) meint, er säße neben den Protagonisten im Auto, dass er mitlacht, mitweint, dass er sich unter der Decke verkriecht wenn das Monster kommt und nicht wagt umzublättern, weil er das Grauen nicht sehen will, heißt: gutes Erzählen!
Und insbesondere ist obiges eng mit den Figuren verknüpft (der LEser meint, er sitzt neben dem *protagonisten* im Auto ...). Warum sollte er sonst weinen, sich unter der Decke verkriechen ...

 

Leider, und hier kommt mein Fazit, konzentrieren sich viele Autoren auf die Frage: Wie schreibe ich gut? Sie denken, ob jemand mit ihren Charakteren mitleidet, ob ihr Roman also gut erzählt ist, sei quasi Zufall und es komme auf den Leser an.
Eben, das ist es nicht. Und jetzt sagst du ja selbst, wie wichtig der Charakter ist: Die Leser sollen mit ihm mitleiden, das ist Element des Erzählens.

 

Das ist aber ebenso falsch: Man kann gezielt gut erzählen. Darum halte ich es für wichtig, dass Autoren sich mehr mit der Frage beschäftigen, wie sie gut erzählen, nicht nur damit, wie sie gut schreiben.
Wenn du eine andere Definition von "schreiben" hättest, würde ich dir sogar zustimmen. Es gibt ein "emotionsloses" Schreiben, oft sogar bewußt, als Abgrenzung zu "kitsch", "Klischee", "auf die Tränendrüsen drücken". Vor allem bei literarisch anspruchsvollen kommt es häufig vor. Aber da sind nicht Personen wichtig oder Spannung, sondern Stil, Ausdruck, Metaphern, Anspielungen, etc. Dinge, die tatsächlich Schreiben von Erzählen unterscheiden.

 

Nur dass Perspektive, Nähe, etc. zum Erzählen gehören und Emotionen wecken, während Personen, Konflikt zum Schreiben gehören und keine wecken, stimmt einfach nicht. In deiner Argumentation kommen ja immer wieder Personen als Emotionsträger vor: Der LEser soll mit den Figuren "mitleiden", etc. Ich denke, du hast zwar einen wichtigen Unterschied angesprochen: Erzählen ./. Schreiben, aber weist dem Schreiben Eigenschaften zu, die seit jeher zum Erzählen gehören.

 

Hans Peter

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