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(Peter D. Lancester)

Der feige Autor ist langweilig

Empfohlene Beiträge

Hallo Lionne,

 

wenn es das ist, was ich denke, in dieser Hinsicht kann ich Dich schonmal beruhigen. Das reicht soweit vollkommen! :)

 

Wie ich oben schon andeutete, es ist eigentlich eine Kunst nicht mehr und nicht weniger "schlimmes" zu schreiben, als für eine Handlung, die Spannung und das "Mitgefühl" und "Dabeisein" des Lesers nötig ist. Und wenn man im düsteren Genre herumschleicht, reicht es manchmal durchaus, wenn man anreisst (übrigens hilft es mir bei "unumgänglicher" Finsternis, zu schreiben, wenn ich stocksauer bin ;-))

 

Tröstende Grüße

 

Anja

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(Peter_Dobrovka)

Zu meinen eigenen Ängsten gehören Themen wie z.B.:

- ungewollt ein Lügner sein

- verlassen zu werden und jmd. verlassen wollen

- unschuldig schuldig zu sein

- andere ungewollt zu verletzen

- mein Gegenüber nicht wirklich wahrzunehmen

- mich Kritik und Konflikten zu stellen anstatt davor wegzulaufen

- werde ich es schaffen, mein Leben richtig zu leben, anstatt nur davon zu träumen?

- Und, um nochmal auf die Todsünden zurückzukommen: werde ich jemals schaffen, eine produktive Schriftstellerin zu werden?

Das sind sehr seichte Ängste, die erst dann interessant werden, wenn sie dich daran hindern, ein normales Leben zu führen bzw. zu Taten veranlassen, die wenigstens eine Randnotiz in der Lokalzeitung bewirken.

Das sind Ängste, die (wenn man sie nicht selbst hat) langweilig und unbedeutend sind. Das trifft aber letztlich auf jede Art von Angst zu, nur gibt es halt Ängste, die sind geläufiger und solche, die sind exotischer. Die exotischeren laufen immer Gefahr, von vielen Lesern mit einem Schulterzucken abgetan zu werden.

 

Hier sehe ich eine weitere Falle, nämlich wenn der Autor mit etwas emotionell so verbunden ist, daß er sich sagt: "das, was ich hier habe, ist schon schlimm genug, mich selbst jedenfalls gruselt das enorm." Dann hat er esrt mal keine Veranlassung, das noch schlimmer darzustellen.

Das wurde in anderer Form schon angesprochen, als es darum ging, warum so viele Leute Autobiographisches in ihre Romane packen und sich dann wundern, warum es auf andere Leute nur geringe bis keine Wirkung hat.

Auch hier gilt: So etwas kann ein Grundstoff sein, eine Grundstimmung, aber die eigentliche Geschichte muß etwas Heftigeres sein. Da ist man als Autor eigentlich in der Pflicht, sozusagen, die Dinge zu übertreiben. Die Protas müssen Dinge tun, die nicht alltäglich sind. Dinge, die aufhorchen lassen. Dann ist das Klassenziel erreicht, nämlich nicht langweilig zu sein.

 

Im Falle der obigen Liste könnte man daraus die Geschichte einer Frau stricken, die von ihrer Umgebung hemmungslos schikaniert und ausgenutzt wird und nicht in der Lage ist, sich zu wehren, weil sie überhaupt nicht begreift, was falsch läuft. Und dann irgendwann tut sie es doch.

 

Peter

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Die Protas müssen Dinge tun' date=' die nicht alltäglich sind. Dinge, die aufhorchen lassen. Dann ist das Klassenziel erreicht, nämlich nicht langweilig zu sein.[/quote']

 

Gibt es in der FAQ schon ein Thread zu dem Thema? Falls nicht, sollte dieser Satz als Sticky-Thread da reingehängt werden, das ist nämlich das oberste Gebot, noch vor SDT oder was es sonst noch an Ratschlägen gibt!!

 

Gruß,

Marco! :s17

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(Peter_Dobrovka)

 

Gibt es in der FAQ schon ein Thread zu dem Thema? Falls nicht, sollte dieser Satz als Sticky-Thread da reingehängt werden, das ist nämlich das oberste Gebot, noch vor SDT oder was es sonst noch an Ratschlägen gibt!!

 

Gruß,

Marco! :s17

Es gibt einen Thread über die Vermeidung von Langweiligkeit, wenngleich er nur eine Ausgangsbasis ist und seit geraumer Zeit nichts mehr in ihn geschrieben wurde. Der Schwerpunkt war ein anderer als hier.

(Link ungültig)

 

Peter

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Hallo,

 

kam ja schon ein paar Mal: Dass viele Autoren ihrem Stoff ausweichen.

 

Und ich habe ein wundervolles Beispiel gefunden, die Kurzfassung einer zentralen Szene aus "Garp" von John Irving:

 

"Garp tritt aufs Gaspedal, obwohl er weiß, dass es Glatteis gibt. Die Eifersucht hat ihn blind gemacht. Hinter ihm sitzen die Kinder. Garp gibt noch mehr Gas. In der Einfahrt vor seinem Haus parkt ein Auto. Garp weiß, wem es gehört. Mit Vollgas biegt er ein. Der Wagen schlingert. Das ist ja wie im Traum, sagt der kleine Walt.

 

Mit dem nächsten Kapitel wachen wir wieder auf und begreifen, dass Walt tot ist und der junge Freund von Garps Ehefrau kastriert. Nicht der Schatten eines Zweifels, wie das geschehen ist. Diese Familie besteht aus einem betrogenem Ehemann, der Amok gefahren ist, einer ehebrecherischen Frau, die ihrem jungen Lover infolge eines Auffahrunfalls leider den Schwanz abgebissen hat, und einem leicht verletzt überlebenden Sohne, der für den Rest seiner Tage unrettbar traumatisiert sein muss. Das ist alles unsäglich schmerzhaft und lächerlich zugleich. Es ist Literatur. Möchten Sie dafür gradestehen?"

 

Besser nicht, würden viele Autoren sagen. Wie sähe die Version der Szene aus, geschrieben von einem ängstlicheren Autor, der sich nicht blamieren will?

 

So: Garp biegt in die Einfahrt ein. Aber in letzter Sekunde fängt er sich. Nein, er ist ein verantwortungsvoller Mann und Autofahrer. Der Wagen schlingert, aber er kann ihn abfangen. Er berührt den Wagen in der Einfahrt nur leicht.

 

Walt hat einen Kratzer an der Stirn. Der Lover einen Kratzer am Schwanz. Sozusagen als Mahnung, die Finger (und andere Körperteile) von den Frauen anderer Männer zu lassen. Garp und seine Frau springen aus ihren Wagen und fallen sich in die Arme. Sie weinen vor Glück. Tusch! Der Vorhang fällt.

Niemand muss sich dafür genieren. Weder die Frauenbeauftragte noch die Kirche wird Einspruch erheben. Keine Peinlichkeit. Es ist Kitsch.

 

Kitsch und Literatur sind eng miteinander verbandelt und sie trennt nicht viel.

 

Natürlich könnte mir auch das als Autor noch viel zu peinlich sein. Appell an die niederen Instinkte. Um die Einschalthurenquote zu gewinnen.

Ich bin Literat. Sowas mache ich nicht. Hebe dich hinweg, Versucher!

 

Garp ahnt, das seine Frau einen Lover hat. Es treibt ihn hinaus in Eis und Schnee. Es zerquält in zutiefst. Hat sie oder hat sie nicht? Er sieht den Schwanz des anderen, kann das Verrat sein? Oder ist er prüde? Muss nicht die Welt eine Gerechtigkeit haben? Aber nein, sagt er sich, die Welt ist nicht gerecht. Wer hat dir das versprochen?

Nach 350 Seiten Gedankenakrobatik kehrt er aus dem Schneesturm verfroren zurück. Und sieht in der Einfahrt das Auto. Auf dem Beifahrersitz ein junger Mann, den er nicht kennt. Dann erhebt sich das erschrockene Gesicht seiner Frau aus dessen Schoß.

Garp schließt die Tür auf. Morgen würde es tauen.

 

Manche Rezensenten (Gottseidank nicht alle) würden das als wort- und bildmächtige Allegorie auf den Verrat feiern. Die Verstoßenheit des modernen Mannes, der seiner nicht sicher ist, der unter der Kälte der Welt leidet, sich quälend seiner selbst zweifelnd, auf billige Effekte verzichtend ...

 

Das ist Als-Ob-Literatur. Literaturgenre eben.

 

Autoren weichen ihren Geschichten gerne aus. Ich will nicht Kitsch schreiben, ich will keine billigen Effekte. Leider geht das meist in die Hose. Oder, was das gleiche ist, in die Langweile.

 

Hatten wir ja schon ein paar Mal, dieses Thema.

 

Die erste Zusammenfassung habe ich aus "Schule des erzählens", das seit wenigen Tagen wieder erhältlich ist. Lohnt sich.

 

Und hat mich eben dazu verleitet, das Thema nochmals aufzugreifen.

 

Hans Peter

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Das Beispiel von Irving, das ich vorher hier postete, zeigt auch sehr schön, dass eine gute Geschichte aus der Person folgt, mit aller Konsequenz, der man nicht ausweichen darf, will man die Geschichte nicht ruinieren.

 

Wobei wir beim Thread von Marco sind: erst die Figur (Link ungültig)). Sie hat absolute Priorität.

 

Hans Peter

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Mir geht es so, dass solche "krassen" Szenen auch einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich habe neulich 60 Romane einer Fantasy-Serie quergelesen, weil ich auf der Suche nach einer ganz bestimmten sehr drastischen Szene war. Diese Szene war in die Nebenhandlung eingebettet; ich konnte mich gar nicht mehr an die Haupthandlung erinnern, nur bruchstückhaft an die Nebenhandlung, aber diese eine Szene hatte ich noch genau vor mir und als ich sie dann endlich fand, war sie tatsächlich genau so, wie ich sie noch im Kopf hatte.

Und so geht es mir bei vielen Geschichten. Diese "krassen" Szenen, die deutlich an einem Ende der Skala liegen, kommen mir als erstes in den Sinn, wenn ich an einen Roman oder einen Film denke.

Beim Lied von Eis und Feuer denke ich zu erst an den kleinen Bran, der in die Tiefe stürzt, beim Paten zuerst an die Aufräumaktionen am Ende jedes Films, usw. usf.

 

 

Gruß

Peter

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:s20

 

Liebe Leute,

 

also ich habe diesen Thread nur kurz überflogen und nicht alle Beiträge gelesen. Trotzdem drängt sich mir die Frage auf: muß Literatur immer drastisch und brutal sein? Es gab Autoren, die ohne das Ganze auskamen.

Literatur und Kitsch können nahe beieinander liegen. Aber es gibt auch Literatur, die absolut nicht kitschig ist. Wenn jemand Kitsch oder blutrünstiges Gemetzel beschreiben will, um sich gut zu verkaufen, dann ist das absolut legitim. Aber mutig ist für mich ein Autor, der versucht, auf derartige Effekthascherei zu verzichten.

 

Was real stattgefundene Verbrechen wie die Nazizeit betrifft, so wäre ein wirklich gutes Buch für mich eine Art Gratwanderung zwischen Verharmlosung, indem man Dinge verschweigt, und menschenverachtender Ausschlachtung von historischen Verbrechen, um Leser aufzugeilen. Bei extrem brutalen Büchern oder Filmen wie z.B Hostel -was ich nicht gesehen habe und mir nicht einmal anschauen würde, wenn man mir 100 Euro dafür gibt - zeigt sich eine in meinen Augen gefährliche Tendenz, statt Mitleid mit dem Opfer Faszination an der Gwalt an sich zu vermitteln. Damit mag man zwar gutes Geld verdienen, aber bevor ich mich auf so etwas einlasse, bleibe ich lieber bei meinem langweiligen Bürojob.

 

Für mich zählt der psycholgische Aspekt. Ein gutes Buch vermittelt Einblick in die Ursachen des Verbrechens, die Motive der Täter und die Folgen für die Opfer, falls diese überleben. "Der Vorleser" von Bernhard Schlinck war in meinen Augen ein gutes Buch über die Nazizeit. Da wurde zwar Grausamkeit erwähnt, aber man musste nicht im Detail lesen, wie Knochen splittern und Augen ausgestochen werden. So etwas will ich weder lesen noch auf der Leinwand sehen. Es fasziniert mich nicht, im Gegenteil, ich kriege davon nur schlechte Laune. Traurig genug, dass es in der Realität passiert. Warum soll ich es im Detail vor Augen haben? Und über diese Haltung meinerseits bin ich ehrlich gesagt ganz froh.

 

Viele Grüße

 

Celia

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:s20

also ich habe diesen Thread nur kurz überflogen und nicht alle Beiträge gelesen. Trotzdem drängt sich mir die Frage auf: muß Literatur immer drastisch und brutal sein?

Hallo Celia,

 

hier in diesem Thread geht es nicht darum, wie drastisch man eine Szene schildert, also ob das Blut nur so spritzt, etc.. Bei Irving spritzt es nicht.

Es geht darum, ob eine Geschichte konsequent zu Ende geführt wird oder nicht, ob der Autor dem ausweicht, was sich aus seinen Figuren als Konsequenz ergibt. Eine Geschichte konsequent zu Ende erzählen kann man, ohne explizit auch nur einen Tropfen Blut zu erwähnen.

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)

Celia,

 

ich glaube, es geht nicht wirklich darum, so viel Sex und Gewalt wie möglich in eine Geschichte einzubauen. Vielmehr geht es in meinen Augen darum, keinen Bogen um Konflikte zu machen, auch nicht um richtig böse Konflikte.

Wie diese dann geschildert werden, ob mit oder ohne splitternde Knochen und ausgestochene Augen, ist zweitrangig. Wesentlich ist nur, daß der Prota danach einen Gips bzw. eine Augenklappe trägt, sozusagen.

 

Und es geht auch nicht unbedingt darum, solche Konflikte einzubauen, sondern darum, wenn sie sich anbieten, nicht vermeiden zu wollen. Wobei es durchaus so sein kann, daß man einen Konflikt verschlimmern muß, um Langeweile zu vermeiden. Es wird ja oft zitiert, daß ein guter Autor auch aus einer Alltagsbeschreibung ein Kunstwerk machen kann, aber ich bin der festen Überzeugung, daß nicht jede Geschichte es wert ist, erzählt zu werden.

 

Peter

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Also irgendwie ist das doof....Ich muss ein Grossfeuer beschreiben, wo die Heldin das Haus ihres Vaters verliert, aber dammich nochmal...obwohl der Heldin das scheissegal ist, mir geht das völlig gegen den Strich....STRANGE! :s09

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