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Viel Lesen - nützt das Autoren

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Hallo Montsegurler,

 

seit einiger Zeit beschäftigt mich eine Frage und eine Vermutung - ich spekuliere nun mal gern.

 

Immer wieder hört man den Ratschlag: Das wichtigste für junge Autoren sei Lesen, Lesen, Lesen. Nichts würde Autoren so viel weiterhelfen.

 

Habe ich früher auch gedacht. Aber ist das wirklich der Königsweg zum Schreiben, als den ihn viele hinstellen. Noch dazu so ausschließlich (besser als Seminare, besser als Schreibratgeber, besser als ...).

 

Ich habe mal ein Haus renoviert. Und wie das bei Renovierungsarbeiten so ist, da müssen eben auch Wände verputzt werden. Das hatte ich noch nie gemacht.

 

Natürlich hatte ich mir viele Wände angesehen, ich wußte, wie eine gut verputzte Wand aussieht. Aber wissen, wie es sein soll, heißt noch lange nicht, dass man's auch machen kann. Meine Putzarbeiten jedenfalls sahen aus wie die Biskaya bei Sturmflut.

 

Was ich damit sagen will: Dem Endprodukt sieht man nicht an, wie es gemacht worden ist. Ich kann sämtliche gut verputze Wände der ganzen Welt kennen, das heißt noch lange nicht, dass ich eine verputzen kann. Ich kann alle Klavierkonzerte hören, die je gespielt worden sind, deshalb bin ich noch lange kein Pianist. Ich kann alle Gemäldegalerien besuchen und ehrfürchtig vor den Bildern stehen bleiben, deshalb kann ich noch lange nicht malen.

 

Ich erinnere mich noch gut daran, als mir klar wurde, dass meine Dialoge ein Problem hatten. Sie hatten keinen "Biss", waren irgendwo langweilig. Ich konnte mir Dialoge bei Autoren ansehen, die ich schätzte (jon Irving, Stephen King, etc.), sehen, dass diese spannend, faszinierend waren, Tiefe hatten, aber das hieß nicht, dass ich selbst solche Dialoge schreiben konnte.

 

Natürlich gibt es Ratgeber (gute, schlechte und mittelmäßige). Da sieht man, welche Werkzeuge es gibt und wie man sie benutzt. Immerhin etwas näher dran am Problem. Andere haben bereits Wände verputzt, damit Erfahrungen gesammelt, niemand muss das Rad neu erfinden.

 

Immerhin. Jetzt sahen meine Wände nicht mehr aus wie Sturmflut, eher wie eine ruhige Meeresbrandung am Mittelmeer. Auch nicht das, was ich wollte, aber immerhin.

 

Wenn ich lange weitergearbeitet hätte, wären mir vielleicht irgendwann grade Wände gelungen. Denn für alles braucht man Erfahrung und Übung und das dauert. Bei den Wänden habe ich irgendwann aufgegeben. Bei den Dialogen nicht.

 

Zwei Bücher haben mir da sehr geholfen: Sol Stein "Über das Schreiben", der im Kapitel Dialog an einem Beispiel einen Dialog entwickelt hat, von dem ersten langweiligen "Wie geht's" bis zu einer sehr viel spannenderen Variante. Und Linda Seegers, die aus einem langweiligen Drehbuchdialog (Produzent trifft jungen Drehbuchautor) zwei verschiedene spritzige Dialoge entwickelt hat. Natürlich hilft auch hier das Lesen dieser Texte allein nicht weiter.

 

Aber immerhin sind es Ansatzpunkte. Und mit der Zeit und der Übung werden die eigenen Dialoge dann auch fetziger, habe ich selbst gelernt, auch anderen Hilfestellungen zu geben, an Dialogen zu arbeiten.

 

Noch etwas, was mir zum "Lesen, Lesen, Lesen!" einfällt. Schreibratgeber fördern "Dogmatismus", lautet ein Vorwurf, der sicher nicht aus der Luft gegriffen ist. Allerdings habe ich beobachtet, dass das gleiche auch für's Lesen gilt. Wer einen spannenden Autor entdeckt, wird schnell versuchen, genauso zu schreiben, so wie die Leser von Schreibratgeber sich bemühen, jeden Satz des Meisters zu befolgen.

 

Dogmatisch? Sicherlich. Aber auch normal wie ein Schnupfen im Winter. Das passiert eben. Und was schadet es? Schließlich reicht es nicht aus, einen Autor zu lesen, wer versucht, so wie dieser Autor zu schreiben, wird zweifelsohne mehr lernen.

 

Dieser Dogmatismus ist auch in anderen Disziplinen nicht unbekannt. Frisch gebackene Mediziner arbeiten strikt nach dem, was sie in den Büchern gelernt haben. Was sollten sie auch sonst tun? Die Erfahrung fehlt ihnen, die eben nötig ist, um zu erkennen, wann man den Büchern folgen sollte und wann nicht.

 

Wer also sechs Monate lang wie Raimund Carver schreibt, oder so, wie Sol stein es lehrt, was ist dagegen zu sagen? Das wächst sich aus. Hoffentlich.

Schnupfen im Winter ist normal, sogar nützlich, weil es die Abwehrkräfte stärkt.

 

Gefährlich wird es, wenn er chronisch wird. Wer nach sechs Jahren immer noch versucht, wie Carver zu schreiben, sklavisch Schreibregeln befolgt, hat ein Problem. Da ist der Dogmatismus nämlich chronisch geworden.

 

Soll man als Autor also nichts lesen? Eigentlich lesen alle Autoren, die ich kenne, viel, wenn auch manche sehr einseitig. Autoren das Lesen zu empfehlen, heißt Eulen nach Athen tragen. Allerdings hat mir Tom Liehr glaubhaft versichert, dass er lebende Exemplare der "Nicht-Lesen-Autoren" gesichtet habe.

 

Lesen, vor allem unterschiedlistes Lesen, kann sicher den Blick schärfen, zeigen, was man mit Worten alles erreichen kann. Von daher sicher sehr nützlich.

 

Aber es ist eben nicht der Stein des Weisen, sondern eine Methode, wie andere Methoden auch. Sie hat ihre Vorteile, aber auch ihre Nebenwirkungen - merke: Ein Medikament ohne NEbenwirkungen hat meist auch keine Wirkungen. Und sie kann nicht alles leisten.

 

 

So, dass war mal wieder eine Spekulation von mir, eine Gedankensammlung, von der ich nicht recht weiß, ob sie stimmt, oder ich einfach was übersehen habe.

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)

Vom Lesen lernt man das Schreiben nicht, das ist wohl wahr. Das Lesen ist dennoch wichtig, um sich weiterzubilden. Den Hoizont zu erweitern. Zu sehen, was die anderen so machen und WIE sie es machen. Es bringt vor allem (oder vielleicht sogar nur) dann etwas, wenn man Grundzüge des Handwerks bereits kennt und aufgrund dessen BEWUSST lesen kann.

 

Um es mit den verputzten Wänden zu vergleichen: Sich ohne jedes Wissen verputzte Wände anzusehen bringt nichts. Man muß schon mindestens einmal einem bei der Arbeit zugeguckt haben.

Aber danach, wenn man weiß, worauf man zu achten hat, bringt das Angucken von Wänden plötzlich was. Man weiß, welche Gipssorten es im Baumarkt gibt, und erkennt, welche davon offenbar am meisten verwendet werden. Und welche besser haften, welche Feuchtigkeit widerstehen, etc..

Wenn man die Werkzeuge kennt, sieht man an Hand eventueller feiner Rillen, wie beim Verputzen die Hand geführt wurde. Welche unterschiedlichen "Schmierstile" es gibt.

 

Wer nur einmal einem Putzer bei der Arbeit zugeuckt hat und dann zu den Amazonas-Indianern geht, wo es keine verputzten Wände gibt und dann da im Alleingang ein Haus baut, ohne Feedback und ohne Vergleichsmöglichkeit mit anderen Wänden, wird auch nicht brillieren.

 

Der Vergleich hinkt an einigen Stellen, aber das ist nun mal so mit Vergleichen.

 

Peter

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Hallo Hans Peter,

 

ich bin selbst kein Vielleser mehr. Als Jugendlicher ja. Aber nun ... Alle zwei Wochen ein Buch vielleicht, oft weniger, mehr lese ich nicht. Im Urlaub mal einfaches, reißerisches Thriller-Zeug, und sonst viel mehr Sachbücher als Romane.

 

Woran das liegt? Keine Ahnung - es gibt immer weniger Bücher, die mir wirklich gefallen. Nur wenige, einmal im Jahr oder so, die mir eine wirklich interessante Geschichte erzählen, die mir neu ist und die ich hören möchte, oder die tolle, neue Spezialeffekte (Sprache) verwenden. Immer häufiger lege ich Bücher im Laden gleich wieder hin, weil ich mir beim Klappentext denke: "Na und? Wen interessiert das?" oder ich klappe sie nach 50 Seiten zu, weil ich mich nicht weiter durchquälen möchte und in dieser Zeit lieber eine Doku im Fernsehen - und sei es über Marmorabbau - sehe, die ich noch nicht kenne.

 

Gerade hatte ich mir ein paar neue Versuche verordnet:

"Brabant" (Hans Pleschinski), "Die wunderbaren Jahre" (Rainer Kunze) und "Der kurze Brief zum langen Abschied" (Peter Handke).

Das erste hatte so etwas wie eine Handlung, war äußerst gewitzt, intelligent und stellenweise komisch, aber in Summe irrinnig lang - zu lang und zu geschwätzig. Der Punkt war schnell klar und hätte auf 300 Seiten Platz gehabt und sicher genauso gewirkt.

Das zweite war vollkommen uninteressant, weil banal. Es beschreibt Zustände, die man - auch wenn man nicht in der DDR gelebt hat - ausgiebig kennt, da sie sich so oder ähnlich in jedem totalitären System abspielen und weder sprachlich noch inhaltlich außergewöhnlich sind.

Nun, und Handke ist für mich eine Katastrophe. Etwas Uninteressanteres habe ich noch nie gelesen und werde es wohl auch nicht zu ende lesen. Mich interessieren die manisch-depressiven oder sonstigen Zustände mir völlig fremder Menschen nicht und reizen mich auch nicht zum nägelkauenden Ergründen der Ursachen und Folgen. Kafka ist ja wenigstens skurril.

 

Ich bin also ein Immer-Weniger-Leser, wenn auch kein Nicht-Leser. Und trotzdem schreibe ich

 

Ob Lesen wichtig ist? Sicher ist es das, zur Entwicklung des Sprachgefühls! Um möglichst viel Sprache gehört und gelesen zu haben, um "herumgekommen" zu sein. Um zu wissen, was geht, was wie schmeckt, und was eben nicht schmeckt, und um zu spüren, dass man nicht „Wie ein geölter Blitz lief er zum Kaufmann“ schreiben sollte.

Nicht, um das Handwerk zu lernen. Das lernt man durchs Schreiben. Aber mit den Grundlagen des Handwerks kann man dann wiederum noch aufmerksamer lesen und "Bauweisen" entdecken und verstehen.

 

Also ja: Natürlich ist lesen wichtig! Es ist sogar der allererste, wichtigste Schritt, wie ich finde! Aber es reicht natürlich noch lange nicht, um selbst zu schreiben. "Schreiben! Schreiben! Schreiben!" halte ich für die wichtigere Empfehlung. Das ständige Lesern kann dann eher helfen, weiterhin wach und umtriebig zu blieben und sich nicht festzufahren.

 

Gruß,

 

Andreas

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Ich glaube "viel Lesen" nützt dem Sprachgefühl. Das man einen Satz laut vorlesen kann und dann sagen kann: Der klingt richtig, der klingt gut. Dieses Rhythmus, Farbenzeug sowas. Aber das sind nicht solche wirklichen Kopfsachen, glaube ich, die sich richtig erklären lassen.

Aber so zu schreiben, dass ein Text wirklich eine bestimmte Sprachfarbe hat, einen Klang, geht ja nur mit diesem Sprachgefühl und das kommt von vielem Lesen. Gibt Texte, an denen handwerklich alles ok ist, und die so eine seltsam kratzende, klirrende Erzählstimme haben und dadurch Unmut bei mir auslösen.

 

Dass man nicht der Meister der Spannung wird, obwohl man sich durch die Gesamtausgabe Stephen Kings gearbeitet hat, ist auch logisch. Man muß schon reflektierend lesen und selbst Hand anlegen.

Also um beim Tapetenbeispiel zu bleiben. Tapete anschauen, selbst ein Mal probieren, versagen, wieder Tapete anschauen, selbst versuchen, versagen, usw. usf.

 

Ach ja, nen Knackigen Spruch anstelle von "Lesen!Lesen!Lesen!" oder "Schreiben!Schreiben!Schreiben!": "Denken!Schreiben!Überarbeiten!". Ich glaube das hilft am meisten. Dieses Zeug mit "Alle 100.000 Worte macht man einen Sprung" halte ich für ziemlichen Unsinn.

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Hi!

Lesen ist sicher besser, als es nicht zu tun. Aber daß nun jemand, der viel liest, automatisch zum Spitzenautor wird, will ich auch bezweifeln.

 

Seit ich schreibe, lese ich anders, analytischer. Manchmal, wenn eine Geschichte gut ist, tauche ich ganz weg. Trotzdem kann ich bei einer wirklich genialen Formulierung zwischendurch auch mal den Hut ziehen. Und ich erstelle eine gedankliche Liste von markanten Dingen, die ich nie, nie, nie in einer meiner Geschichten verwenden möchte. Man liest etwas und denkt sich: Meine Güte, ist das gemurkst! Und man denkt darüber nach, warum einem etwas gefällt, oder warum nicht. Das bringt einen beim Schreiben schon ein weiter, denke ich.

 

Ratgeber dienen allenfalls als Inspiration. Sie geben den ein oder anderen Denkanstoß. Aber zum Schriftsteller "ausbilden" können sie nicht.

 

Lesen und Schreiben wechseln sich bei mir ab. Selten mache ich beides an den gleichen Tagen. Wenn ich viel schreibe, lese ich oft wochenlang gar nichts. Irgendwie bin ich auch ein Saison-Leser, im Sommer lese ich mehr als im Winter.

 

Viele Grüße

Gabi

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Stefan Mühlfried

Sagen wir mal so: Ich möchte nicht wissen, wie du eine Wand verputzen würdest, wenn du noch nie eine verputzte Wand gesehen hättest! ;D

 

Durch das Lesen stellt man zumindest fest, was man mag und was nicht. Und automatisch guckt man auch ein bißchen ab, bei den Sachen, die man mag. Und man entwickelt auch ein Gefühl dafür, was schön klingt, was spannend ist. Wenn - ja, wenn man ein gewisses Talent mitbringt. Es ist richtig, aus einer Leseratte wird nicht automatisch ein guter Schreiberling - aber den möchte ich sehen, der nicht zumindest einen eigenen Lesegeschmack ausgeprägt hat, wenn er zu Schreiben anfängt.

 

Ich persönlich habe nichts bewußt beim Lesen gelernt, aber ganz bestimmt intuitiv. Ich habe ein Bauchgefühl entwickelt, was mir beim Lesen, ergo auch beim Schreiben gefällt, was für und wie viele Dialoge ich mag, welche Sorte Humor ich in Büchern toll finde. Und scheinbar bringe ich auch genug Talent mit, um das intuitiv auch so umzusetzen. (Protestiert jetzt oder schweigt für immerdar! :s08 )

So was wie "Show, don't tell" lernt man da natürlich nicht, und wie man schöne Charaktere zeichnet, das wohl auch nicht. Oder?

 

Vielleicht lernt man sogar mehr durch schlechte Bücher. Dann nämlich, wenn einem auffällt, was schlecht ist, und man schnell herausfindet, wie man es besser machen würde. Ich lese gerade Schätzings "Lautlos" - eigentlich ein tolles Buch, aber Hilfe, der Mann kann palavern, daß die Schwarte kracht. Über jeden Dialog dreimal mit dem Nudelholz gewalzt, bis sogar ich angefangen habe, Seiten zu überblättern.

Aber mich hat's was gelernt. Obwohl ich lieber gelernt hätte, wie man zu so genialen Plots kommt... :-/

 

Ach, und eins noch: Seit ich schreibe, komme ich kaum noch zum Lesen! :(

 

Liebe Grüße,

Stefan

"Schriftsteller sollten gar keine Adjektive haben. Sie sind keine französischen oder australischen Schriftsteller, sondern einfach Schriftsteller. Am Ende sind sie ohnehin nicht mal ein Substantiv, sondern ein Verb: Sie schreiben." - Richard Flanagan

Blaulichtmilieu   -   Zur Hölle mit der Kohle   -   Der steinerne Zeuge

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Hallo hpr,

 

also ich bin ja ein ausgewiesener Wenig-Leser. :s03

 

Wenn es also darum ginge, dass man duch Viel-Lesen lernt, würde ich wohl in den Kinderschuhen stecken. Bin sogar froh, nicht soviel gelesen zu haben, weil ich dadurch nicht stark beeinflußt wurde, bei meinem Schreiben.

 

Das wichtigste ist meiner Meinung nach, dass man sich den Kritiken stellt. Dass man eine Wand verputzt und sich nen Maurer holt und den fragt, was an der verputzten Mauer Mist ist. Und wenn der die Mauer lobt, weil er ein Verwandter ist, dann hole dir den nächsten Maurer. Einen, der sich nicht um deine Gefühle schert, der dir wirklich sagt, was da schief gelaufen ist.

Kritikunfähigkeit ist wohl das größte Hindernis auf dem Weg, das Handwerk zu erlernen.

 

Grüße

Quidam

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Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn Schriftsteller das Lesen anderer Schriftsteller einschränken.

Ich habe von jeher exzessiv gelesen. Das Lesen ist für mich eine enorme Bereicherung, und ich konnte meine Geschichten durch diese Auseinandersetzung mit den Büchern anderer Schriftsteller weiter entwickeln und immer intensiver im Erzählen werden.

 

Genau dasselbe gilt doch eigentlich für alle künstlerischen Bereiche, ob nun Schriftstellerei, Musik oder Malerei.

 

So wie ich beispielsweise als Autorin exzessiv lese, so sehe ich mir als Malerin exzessiv die Werke anderer Maler an. Ich setze mich laufend mit ihrem Werk auseinander – von den heißgeliebten und bewunderten alten Meistern bis hin zur Moderne heute.

 

Täte ich das nicht, würde ich mich umfassend um wichtige, grundlegende Impulse berauben und mir notwendige Entwicklungen versagen.

Meine Arbeiten würden ausdünnen und hohl werden.

 

Nicht die Bücher anderer Schriftsteller zu lesen, nicht die Werke anderer Maler zu sehen oder als Komponist nicht die Musik anderer Komponisten zu hören, das ist für mich wahrhaft eine grauslige Vorstellung…

 

Schöne Grüße - Elisabeth

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Hallo Simone,

 

es iat aber so, dass ich gerne lese! Nur lese ich unendlich langsam. Und wenn man sich dann einigermassen mit dem handwerk auskennt, liest man auch mit 'Genuß' und es wird 'lehrreich' Weil man dann Romane analysieren kann - und sich überlegen kann, wie man es besser hätte machen können. Denn jeder Roman ist zu verbessern.

 

Grüße

Quiddy

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Also ich persönlich fresse Geschichten wo es nur geht, gleichgültig ob sie mir als Film, Hörspiel, oder Buch serviert werden. Und ich bin auch der Meinung, dass mich das definitiv weiterbringt.  Sprachlích sowieso, man erkennt totgetrampelte Formulierungen und Metaphern, versucht sie natürlich bei sich zu vermeiden, und man lernt unglaublich viele Möglichkeiten kennen, Dinge darzustellen.

 

Plottechnisch: Auf jeden Fall! Auch da gibt es massenhaft Ausgelutschtes, vorhersehbare Wendungen und Konflikte aus dem Setzkasten, usw.

 

Aber ich kenne auch das Problem, das Andreas angesprochen hat: Irgendwann schlendert man durch das Buchgeschäft, und es findet sich rein überhaupt nichts, was einen anspricht. Deswegen rezensiere ich. Das reinste Schlaraffenland. Man bekommt die Neuerscheinen präsentiert, kann sich aussuchen was man möchte, kann lesen, bis einem die Augen ausfallen, aber das wichtigste daran ist: Man muss es bewusst lesen. Man muss auf genau die Dinge achten, auf die man bei sich selbst achten muss. Schwafelt der Autor, oder zeigt er? Wie sind die Figuren ausgearbeitet? Dialoge, rocken die, oder nicht? Und es ist tatsächlich so: Man lernt von schlechten Büchern mindestens genauso viel, wie von Meisterwerken, wenn nicht mehr.

 

Außerdem: Wer viel liest, weil ein Ratgeber sagt, er soll es tun, um besser schreiben zu können, wird wahrscheinlich recht geringe Beute in das eigene Schreiben schaffen. Wer aber einfach süchtig nach Geschichten ist, und wer mit dem Schreiben nur einer "aktiven Form" dieser Sucht frönt,  der wird Entscheidendes aus vielem Lesen gewinnen. Aber na ja, so jemand braucht ja auch keine Aufforderung dazu  ;)

 

Ciao!

Alf.

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Ich habe jetzt, um mich auf ein neues Manuskript, das in Richtung Thriller gehen soll, einzustimmen, mir Tom Clancy "Das Echo aller Furcht" bestellt -prominent verfilmt als "Der Anschlag". Ich dachte, der lässt es da mal richtig krachen, aber nach den ersten dreißig Seiten habe ich das Ding liebevoll zugemacht, weil ich wirklich Angst hatte, diesen verqueren Stil in mein Unterbewußtsein einsickern zu lassen.

Also als Nicht-Autor hätte ich wahrscheinlich wesentlich weiter gelesen.

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Ich habe jetzt, um mich auf ein neues Manuskript, das in Richtung Thriller gehen soll, einzustimmen, mir Tom Clancy "Das Echo aller Furcht" bestellt -prominent verfilmt als "Der Anschlag". Ich dachte, der lässt es da mal richtig krachen, aber nach den ersten dreißig Seiten habe ich das Ding liebevoll zugemacht, weil ich wirklich Angst hatte, diesen verqueren Stil in mein Unterbewußtsein einsickern zu lassen.

Also als Nicht-Autor hätte ich wahrscheinlich wesentlich weiter gelesen.

 

Tom Clancy, und du fängst mit "Echo Aller Furcht" an? Ich empfehle dir, von Clancy, etwas geraffteres: "Der Kardinal im Kreml" oder "Jagd auf Roter Oktober". (Alles was nach dem Kardinal kam, wurde immer ausufernder und - verquerer. Und ich hab fast alle Jack Ryan Dinger durch...)

 

Nur am Rande. :)

 

Gruß,

Marco! :s17

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Stephanie Schuster

Lesen ist für mich wie Essen und Schlafen. Während ich mich manchmal zum Schreiben überreden muss, lese ich sowieso.

Seit ich intensiv und täglich schreibe, kann ich manchmal keine Belletristik lesen, besonders nicht Literatur, die ähnliche Themen wie mein Projekt hat. Das ist die Zeit für Sachbücher, die ich wiederum sonst nicht so gerne mag, wenn ich einen guten Roman auf dem Nachttisch habe. Wenn es mit dem eigenen Schreiben gut läuft, kann ich auch Romane wieder lesen oder ich lese dutzende Bücher an und quer und sauge einfach den guten Klang von Wörtern ein, um mich zu entspannen und zu inspirieren.

Was mir absolut nicht weiterhilft ist das Lesen schlechter Texte, (um z. B. zu sagen, dass kann ich besser) funktioniert bei mir nicht. Schlechte Texte ziehen mich nur noch mehr runter, wenn ich an meinem Schreiben zweifle, dann lieber ein Lieblingsbuch wiederlesen und sich freuen.

Aber das Schreibhandwerk lernt man nicht vom Lesen, da bin ich auch der Meinung. Ein Schreinerlehrling kann hundertmal dem Meister zuschauen, wie man einen Tisch macht, erst wen er es selbst ausprobiert, kann es gelingen. Aber trotzdem bewundert der Lehrling den Meistertisch und streicht über die glatte Oberfläche, fühlt sich gestärkt für sein eigenes Werk!

Rebecca

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Hi,

 

also, ich denke schon, dass lesen, viel lesen, zum Schreibenlernen auf jeden Fall dazu gehört. Vieles von dem, was man gerne als "Talent" zum Schreiben bezeichnet, also ein gutes Sprachgefühl, aber auch zu wissen, wie man aus einer Idee eine stimmige Geschichte macht, wie man Spannung aufbaut, was einen Charakter glaubhaft macht und was ihn platt wirken lässt, das haben viele gute Autoren schlicht und einfach dadurch erworben, dass sie in ihrer Kindheit und Jugend viel gelesen haben und gute Bücher gelesen haben. Nichts prägt mehr als das, glaube ich.

 

Außerdem gehört eine Begeisterung fürs Lesen irgendwie dazu, wenn man selber schreiben möchte, selbst wenn man vielleicht selber im Erwachsenenalter nicht mehr so häufig dazu kommt und bei der Auswahl der Texte wählerischer wird. Aber ich glaube, wenn man nicht der Meinung ist, dass Lesen zu den schönsten Dingen gehört, die man als Mensch so tun kann, dann hat man auch gar nicht erst die Motivation, soviel Zeit und Arbeit zu investieren, um der Menschheit ein weiteres Buch zu schenken.

 

Ich merke bei mir selber durchaus, dass ich heute kritischer geworden bin beim Lesen. Obwohl: ich war schon immer kritisch, wenn mich ein Buch nicht fesseln konnte, habe ich es nicht weiter gelesen, aber heute habe ich ein besseres Vokabular (nicht zuletzt dank diverser Schreibratgeber) um ausdrücken zu können, was mich an dem Buch genau stört.

 

Lesen alleine ist mit Sicherheit nicht ausreichend, um gut Schreiben zu lernen. Da gehört mindestens auch noch viel selber Schreiben dazu. Insofern ist das Wand verputzen Beispiel vielleicht gar nicht so schlecht. Aber wenn man nicht von klein auf von verputzten Wänden umgeben gewesen wäre, wäre man wahrscheinlich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass da überhaupt Putz an die Wand gehört und hätte sich damit zufrieden gegeben, die Mauersteine anzustreichen oder so.

 

Gruß,

Capella

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Hallo zusammen,

 

ich lese gerne, finde aber wenig Zeit dafür, und komme gerade auf 80 Bücher im Jahr, vielleicht 100. Früher habe ich über 400 gelesen.

 

Ich habe das Schreiben sehr stark über den Erwerb des Lateinischen gelernt, weil ich meine gesamte Sprache hinterfragen musste, und durch das wissenschaftliche Schreiben, das immer mit dem analytischen Lesen verbunden ist. Und über die Anfertigung von Kritiken und die Diskussion von Kritiken und Kritikpunkten. Dazu kommt die stetige Umsetzung der Ideen aus diesen Bereichen in Texten.

Lesen alleine bringt mir gar nichts, vom Wortschatz einmal abgesehen- weil man beim normalen Lesen nur sehr wenig vom Aufbau, Gerüst, Charakterisierung mitbekommt. Zudem bringt Lesen immer nur etwas, wenn man seine Ideen daraus experimentell in Texte umsetzt.

Deshalb ist analytische Lesen für mich der ideale Weg, weil ich die Romane ins Handwerk dekodiere. Und häufig mit anderen darüber diskutiere, und versuche zu erkenne, was funktioniert und was nicht. Und beides teste ich dann in Texten aus, und hole mir Feedback.

 

Das ist aber nur ein Weg. Einige sehr begabte Autoren sind theoretisch Nieten, brauchen das aber auch nicht zu ihrer Weiterentwicklung, weil sie unbewusst viele Dinge aufsaugen. Durchs Lesen oder durch ihre Wahrnehmung von Dingen.

Wieder andere Autoren lesen nicht mehr, weil sie das Schreiben anders lernen, oder schon ihren Weg gefunden haben. Und weil fremde Texte sich manchmal in den eigenen Stehlen, unbewusste Stilübernahme.

Wer Kafka eine Stunde laut gelesen hat, und danach einen Text schreibt, ohne wirklich streng auf seinen Stil zu achen, der wird das sicher bemerkt haben.

Und es gibt Autoren, die Lesen nicht, sondern sehen Filme, schauen sich Bilder an- und übertragen Ideen aus anderen Medien in ihr Schreiben- und entwickeln daraus weiter.

 

Gruss

 

Thomas

"Als meine Augen alles // gesehen hatten // kehrten sie zurück // zur weißen Chrysantheme". Matsuo Basho

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Hallo Ihr Lieben,

 

bei mir stellt sich sofort die Frage - bezieht sich aber nur auf Belletrstik (ist bei Sachbüchern sicher anders):

 

Wie kommt man überhaupt dazu, einen Roman zu schreiben, wenn man nicht selbst liest?

 

Wenn man sich nicht selbst von Texten verzaubern und in andere Welten entführen lässt - wie soll man dann selbst auf Gedanken und Ideen kommen, dieses anderen Menschen zu vermitteln?

 

Ob "Viellesen" oder nicht den eigenen Stil beeinflussen, kann ich nicht beurteilen, bin aber der Meinung, dass jeder Autor nur das authentisch und gut zu Papier bringen kann, was einen auch selbst interessiert. Technische Details kann jeder erlernen, aber das besondere Etwas, was zwischen den Zeilen schwingen und die Leser fesseln sollte, nicht.

 

Ist ähnlich bei der Musik: Jeder kann mit Fleiß und Disziplin ein Musikinstrument erlernen und bestimmt auch gut nach Noten spielen. Aber nicht jeder kann auch eine Oper komponieren ... Besonders nicht, wenn er selbst keine Oper anhört ...

 

Krasse Meinung, ich weiß. Ist aber meine ganz prsönliche.

 

Schönes Wochenende und liebe Grüße

Rebecca

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Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, wenn Schriftsteller das Lesen anderer Schriftsteller einschränken.

Ich habe von jeher exzessiv gelesen. Das Lesen ist für mich eine enorme Bereicherung, und ich konnte meine Geschichten durch diese Auseinandersetzung mit den Büchern anderer Schriftsteller weiter entwickeln und immer intensiver im Erzählen werden.

...

Täte ich das nicht, würde ich mich umfassend um wichtige, grundlegende Impulse berauben und mir notwendige Entwicklungen versagen.

Meine Arbeiten würden ausdünnen und hohl werden.

 

Nicht die Bücher anderer Schriftsteller zu lesen, nicht die Werke anderer Maler zu sehen oder als Komponist nicht die Musik anderer Komponisten zu hören, das ist für mich wahrhaft eine grauslige Vorstellung…

 

Liebe Elisabeth,

eine wunderbare Antwort, die mir sehr aus der Seele spricht.

 

Ich kann auch die Begründung nicht ganz nachvollziehen, man finde einfach keine guten Bücher mehr... bei mir biegen sich die Regalbretter mit Stoffen, vor denen ich andächtig, staunend, überrascht und nahezu mit Hunger nach Lernen sitzen kann.

Allerdings suche ich diese Bücher auch nicht auf den Wühltischen der Buchhandlungen.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich habe immer viel gelesen, schon als Kind. Damals war mein erster Berufswunsch „Buchhändlerin“.

Seit ich mich mit dem Schreiben kritischer auseinandersetze, sind viele Romane nach 50 oder 100 Seiten im Papierkorb gelandet. Schade drum! Lernen konnte ich nichts von ihnen, langweilen wollte ich mich nicht länger lassen. Die Buchhandlungsbesuche haben gewaltig abgenommen.

 

Für mich persönlich habe ich jetzt herausgefunden, dass das Lesen guter Bücher inspirieren kann, sei es ein Roman, ein Sachbuch oder auch etwas Klassisches (dazu gibt es ja einen eigenen Thread). Selbst die Schreibratgeber hatten diese Funktion für mich und das Lesen von Texten befreundeter Autoren.

In meinem Urlaub (bin immer noch mittendrin) habe ich diesmal nur wenig gelesen und zwar einen Zeitungsartikel über den Bär Bruno, der dort in Kochel sein Unwesen trieb sowie Goethes „Urfaust“ und „Der Tragödie erster Teil“, nachts auf dem Balkon mit Blitz und Donner. Das war ungeheuer inspirierend!

 

Ich habe sehr viele Bücher gelesen (Romane und Sachbücher), die mit dem eigenen Genre zu tun hatten. Von dem Stil habe ich mich nicht beeinflussen lassen, sondern ihn – je nachdem – genossen oder als störend empfunden. Über die Möglichkeit, einen Roman aufzubauen, habe ich dabei viel gelernt. Die Ideen kamen mir eher weniger, sondern die begegnen mir unterwegs, zum Beispiel bei Ausflügen und Reisen.

 

Sonnige Grüße

Christa

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Die Grundlage des schreiberischen Handwerks sind immer noch Worte und Satzstrukturen. Und die kann man nun mal nur durch möglichst viele im Kontext gesehene Beispiele verinnerlichen. Das hat auch etwas mit dem vielgerühmten und unverzichtbaren "Sprachgefühl" zu tun, das ja nur dadurch entsteht, dass man Dinge "schon mal gesehen hat", und zwar so oft, dass man die Strukturen des "Richtigen" intuitiv erfassen kann.

 

Theoretische Ratgeber mögen ihren Nutzen haben - aber wie will man deren Ratschläge wirklich sprachlich umsetzen, wie will man ausdrücken, was man ausdrücken möchte, wenn die Ausdrucksmöglichkeiten durch einen verarmten Wortschatz diktiert werden? Wie will man einen Satz gestalten, wenn einem schon ein gängiges Stilmittel nur "falsch" - sprich: fremd! - vorkommt, weil man nie Texte gelesen hat, die solche Stilmittel verwenden?

Ich kann nur sagen: Es gibt wenig, was mich mehr quält, als einen Text zu lesen, wo die Wortwahl immer knapp daneben liegt. Wo gängige Redewendungen variiert weden, aber in deren Kern dann immer genau das falsche Synonym steht; oder wo schlichtweg ein Satz mit einem Synoym zu dem eigentlich treffenden Ausdruck gebildet wird, aber zielsicher genau mit dem leider doch nicht ganz so synonymen Synonym, das in diesem Kontext gerade nicht passt und den ganzen Text "gegen den Strich" gebürstet wirken lässt.

Ich habe noch keinen Ratgeber gefunden, der mich als Leser vor Sätzen wie "Er leckte die Zunge über die Lippen" schützt (zitiert aus meinem absoluten Gruselbuch dieses Jahres, das voll ist von solchen Formulierungen. Ich muss nur eine beliebige Seite aufschlagen und habe ein Beispiel - also doch ein wertvolles Geburtstagsgeschenk ;D). Davor schützt nur, dass irgendjemand im Herstellungsprozess mal genug gelesen hat, um zu wissen, wie man es richtig schreibt. Und ich glaube nicht, dass ein Autor sich darauf verlassen sollte, dass der Lektor derjenige ist, der das ausbügelt - ganz im Gegenteil: Ein Autor sollte auch den Willen haben, die Sprache selbst zu gestalten.

 

Und um das zu tun, muss er natürlich nicht viel lesen. Über den Sinn und Unsinn von Marktbeobachtung mag man viel diskutieren. Aber er muss zumindest irgendwann mal ein anständiges Pensum gelesen haben. Meinetwegen in der Jugend.

Und die "Schreibwerkstätten" im Internet sind voll von Leuten, denen es gerade daran fehlt, und die daher die Ratschläge einschlägiger "Ratgeber" sprachlich gar nicht umsetzen, nicht in ihrem Gültigkeitsbereich umgrenzen und auch nicht wirklich verstehen können. Ich kenne Leute, die Jahrzehnte in der Szene aktiv sind und immer noch Texte produzieren, für die ich mich als 16-Jähriger geschämt hätte - weil sie selbst außer Sachbüchern und den auch nicht so ausgereiften Texten ihrer Peergroup nichts lesen.

Auch wenn der Glaube heute modern sein mag, dass man alles auf dem einfachen Weg lernen kann - Fremdsprachen ohne Vokabellernen, Physik ohne Formeln, Programmieren "für Dummies" ... Das alles halte ich für eine Illusion, die erzeugt wird, um Ratgeber zu verkaufen an die vielen, die eine Abkürzung suchen. Aber ich denke: Jedes Fachgebiet hat eine Basis, und ohne die kommt man nicht weit.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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Spinners Ausführungen ist m. E. nichts mehr hinzuzufügen.

 

Ich habe das Problem beim Lesen, dass ich entweder auf die "Schreibe" des Autors oder auf die "Geschichte" achten kann - beides geht irgendwie nicht.

 

Freddy

"ROCKY, DIE GANGSTER UND ICH oder: Wie Mathe mir das Leben rettete (echt jetzt!)", Kinderbuch ab 9, Magellan, Jan. 2018

"ROCKY, DER BANKRAUB UND ICH oder: Wie mich ein stinkender Turnschuh reich machte (fast!)", Kinderbuch ab 9, Magellan, Jan. 2020

 

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Hallo Montsegurler,

 

danke, das finde ich ja spannend, dieses Spektrum der Antworten. Tatsächlich scheint es, was das Lesen angeht, ja sehr unterschiedliche Einstellungen zu geben. Früher hatte ich mal gedacht, dass alle Autoren viel lesen - aber ganz offensichtlich ist das nicht richtig. Man soll halt nicht von sich auf andere schließen, ich bin ein Lesen-Junkie ;-).

 

@Andreas: Ja, man wird kritischer, je mehr man liest und selbst schreibt. Da finden immer weniger Texte Gnade vor den Augen. Wenn ein Autor mich aus dem Text schmeißt - und das passiert mittlerweile häufiger als früher - dann hat er eben bei mir verschissen, dann denk ich kurz drüber nach, warum bin ich aus dem Text geflogen, und das war's dann. Wobei ich natürlich heute viel eher begründen kann, warum ein Text eine solche Wirkung auf mich gehabt hat. PeterD hat recht, wenn man Erfahrung hat, sieht man auch dem fertigen Gegenstand an, wie er gemacht wurde - egal ob Wandputz oder Text. Wobei Wände verputzen viel, viel schwieriger ist, zumindest für mich ;-).

@Stefan: Schlechte Texte, ja, das wird oft übersehen, sind ungeheuer wichtig, um Schreiben zu lernen. Weil da die Mängel deutlich werden und wie man's nicht machen sollte. Aber auch das funktioniert nicht bei allen, wie Rebecca zeigt.

 

@Spinner: Ja, durchs Lesen lernst du zu unterscheiden, siehst, was gut ist und was nicht. Verputzte Wände anstarren bringt was, weil du lernst, wie dein Verputz aussehen sollte.

Aber du weißt dann noch nicht, was du tun musst, um so ein Ergebnis zu bekommen.

Dafür musst du wirklich dich mit den Schreibmethoden auseinandersetzen und vor allem: "Schreiben, schreiben, schreiben!"

Niemand lernt Klavierspielen in einem Wochenendseminar oder dadurch, dass er mal nebenbei ein Buch übers Klavierspielen liest. Das ist manchmal eben auch Knochenarbeit, kann trotzdem high machen (aber auch down!), nur gibt's da keine Abkürzung.

 

Noch ein paar Anmerkungen von mir: Dass man den Stil und die Art des Erzählens anderer Autoren kopiert, ist normal. Das impliziert ja dieser Ratschlag "Viel Lesen, schauen wie andere es machen". Kurzzeitig ist es sicher lehrreich.

Wer es allerdings langfristig macht - und da kenne ich leider einige - hat ein Problem. Das größte ist, dass du nicht Carver (oder Tolkien, oder ...) bist, also auch keine Carver Geschichten schreiben kannst. Höchstens welche, die so aussehen wie Carver, Tolkien, etc.

Da hat das Lesen einfach auch seine Grenzen. Wenn du noch nicht viel Erfahrung hast, siehst du die Carver Geschichten. Aha, wie macht er es?

1. Er beobachtet viel.

2. Er schreibt aus der Distanz

3. Er schildert nie die Gedanken der Personen.

 

Also mache ich es so. Ich beobachte viel und bringe viele Details in meinen Text.

Nur funktioniert das so nicht. Denn dass Carver viele Details in seinen Geschichten beschreibt, ist das, was man der fertigen Geschichte ansieht. Ich glaube aber nicht, dass er seine Geschichten geschrieben hat, in dem er einfach viele Details aufnahm und mit der Gießkanne im Text verteilt hat (Okay, ich weiß nicht, wie Carver gearbeitet hat, ist nur eine Vermutung. Auf jeden Fall kann man als Nicht-Carver mit dieser Methode keine Carver-Geschichten schreiben, behaupte ich mal).

Viele Carver-Kopien sind offenbar auf diese Methode geschrieben worden. Die einen merken irgendwann, dass sie damit nicht weiterkommen. Andere klammern sich daran (Carver ist der Größte, wenn ich also schreib wie er, werde ich auch groß). Aber einfach die ELemente eines tollen, fertigen Textes verwenden, um selbst einen zu verfassen, bringt nicht notwendigerweise einen guten Text hervor, meist eher das Gegenteil. Es reicht eben nicht, wie oft behauptet, einen vorhandenen Text auseinanderzunehmen, um zu begreifen, wie er gebaut wurde, jedenfalls nicht, solange man nicht schon sehr viel Erfahrung mit Schreiben hat.

Gottseidank scheint die Carvermanie langsam wieder abzuflauen.

 

Was mich auch verblüfft, dass diese "Lesen!, Lesen!, Lesen!" Ratschläge meist von Leuten stammen, die Schreibratgeber ablehen, weil diese Ratschläge enthalten, die einen Königsweg zu einem "verdammt guten" Roman vorgaukeln. Sowenig es eine Medizin gibt, die allen Kranken bei allen möglichen Gebrechen hilft, sowenig gibt es diese "eine" Methode beim Schreiben. Ich weiß, keine sehr neue Erkenntniss, dennoch kann man es nicht oft genug wiederholen.

 

Und was ich aus euren Antworten mitnehme, ist sicher: "Lesen, Lesen, Lesen" ist nicht dieser Königswegs. Es ist eine Methode wie andere auch, für die meisten nützlich, aber offenbar nicht für alle.

 

Hans Peter

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Noch ein paar Anmerkungen von mir: Dass man den Stil und die Art des Erzählens anderer Autoren kopiert, ist normal. Das impliziert ja dieser Ratschlag "Viel Lesen, schauen wie andere es machen".

Hallo hpr,

das halte ich für einen seltsamen Logikschluss.

In der Auseinandersetzung mit anderen Autoren kann ich doch gearde meinen eigenen Stil viel besser einschätzen lernen! Oder mache ich da was falsch?

 

Übrigens möchte ich Simone beipflichten - Leben und Reife gehören zum "Handwerk" unbedingt dazu.

 

Schöne Grüße,

Petra

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das halte ich für einen seltsamen Logikschluss.

In der Auseinandersetzung mit anderen Autoren kann ich doch gearde meinen eigenen Stil viel besser einschätzen lernen!

Richtig, aber wo ist da der Widerspruch? Natürlich kannst du deinen Stil weiterentwickeln und entdecken, in dem du dich mit dem Stil anderer Autoren auseinandersetzt. Dass du dazu mal - bewußt oder unbewußt - deren Stil zu kopieren versuchst, halte ich für normal und gerechtfertigt (sofern du nicht bei dem Kopierversuch stehenbleibst, natürlich).

 

Hans Peter

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(Peter_Dobrovka)

Und was ich aus euren Antworten mitnehme, ist sicher: "Lesen, Lesen, Lesen" ist nicht dieser Königswegs. Es ist eine Methode wie andere auch, für die meisten nützlich, aber offenbar nicht für alle.

Mit dieser Schlußfolgerung bin ich nur so halb einverstanden.

Ich sag jetzt was, wofür mich manche vielleicht lychen werden:

Wer wenig bis kaum liest, schreibt qualitativ minderwertigere Texte, siehe dazu Spinners Ausführungen.

Aber wenn er ausgleichsweise eine in dieser Hinsicht anspruchslose Leserschaft hat, kann ihm das sowas von egal sein ...

 

Peter

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Was mich auch verblüfft' date=' dass diese "Lesen!, Lesen!, Lesen!" Ratschläge meist von Leuten stammen, die Schreibratgeber ablehen[/quote']

Nun ja, für mich hat das sicher damit zu tun, dass ich noch nie ein (nach meinen Maßstäben) brauchbares Buch von einem Autor gelesen habe, der sich auf Schreibratgeber berief und Lesen ablehnte; umgekehrt aber schon eine Menge gute Bücher von Autoren, die nichts von Schreibratgebern hielten, aber viel gelesen haben.

 

Also würde ich die Ratgeber auch nicht ablehnen, aber nötig sind sie sicher nicht, und man kann sie auch nicht in einem Atemzug und als Alternative zu dem nennen, was man durch Lesen lernen kann.

 

"Lesen' date=' Lesen, Lesen" ist nicht dieser Königswegs.[/quote']

Dazu muss man erst mal klären, was man unter "Königsweg" versteht: Den alleinseligmachenden Weg, oder eine unverzichtbare Komponente. Es scheint auch unterschiedliche Dinge zu geben, die man durch Lesen lernen kann. Manche scheinen sich durch Lesen inspirieren zu lassen, sich selbst in einem literarischen Umfeld verorten zu wollen ... das ist sicher eine Möglichkeit, für die es aber auch Alternativen gibt.

 

Ich will beim Thema Lesen den Blick in eine andere Richtung lenken: Nämlich auf den bloßen, nackten Erwerb kleinstschrittiger sprachlicher Verfügungsmasse. Und unter diesem Aspekt würde ich Lesen mit dem Vokabellernen in einer Fremdsprache vergleichen: Die Vokabeln allein reichen nicht aus, um die Fremdsprache zu sprechen. Aber ohne Vokabeln nutzen dir alle anderen Kenntnisse der Fremdsprache nichts, und die Zahl der Vokabeln, die du gelernt hast, wird dein Leben lang diktieren, was du in der Fremdsprache ausdrücken kannst - egal wie viel Sekundäres du sonst noch über die Sprache gelernt hast, wie viele grammatische und stilistische und sonstige Kenntnisse du ansammelst.

Und während das Lesen dem Vokabellernen einer Fremdsprache entspricht, entsprechen die "Schreibratgeber" den diversen "Arbeitsbüchern", die zu Fremdsprachen so angeboten werden. Die mögen das Lernen erleichtern, aber es geht auch ohne sie, und alle Lernstrategien nutzen einem nichts, wenn man sich nicht irgendwann doch die Vokabeln aneignet. Den Kontrast "Schreibratgeber" vs. "Lesen" empfinde ich also als recht künstlich aufgebaut.

Sinn ist keine Eigenschaft der Welt, sondern ein menschliches Bedürfnis (Richard David Precht)

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