Zum Inhalt springen
Bettina_Admin

Der Herzschlag deines Romans

Empfohlene Beiträge

vor 18 Minuten schrieb Holger:

 "emotionales Echo" 

Dieser Begriff gefällt mir eigentlich von allen am Besten. Ich habe die ganze Zeit überlegt, was es eigentlich ist, was mich an bestimmte Bücher zurückdenken lässt. Es ist das, was sie in mir ausgelöst, eine Wärme, die sie mir gegeben haben, eine Erinnerung, Bilder, Einsichten.

Wenn ich mir wie Roland ein Orchester vorstelle, hat jedes Instrument seinen wichtigen Platz, damit alles zu einer Einheit verschmilzt, zu einer Harmonie. Kann natürlich auch Disharmonisches dabei sein, was in Erinnerung bleibt, ein Drama. Der Herzschlag bei einem Orchester oder bei einer Rockband wäre für mich das Schlagzeug/die Pauke.

Man könnte auch mal an seine eigenen Bücher zurückdenken. Was gibt es da für ein emotionales Echo, jetzt, nachdem sie abgeschlossen sind?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 36 Minuten schrieb KerstinH:

Ich bezog mich auf diesen Satz:

Das würde es doch aber auch, wenn es einen Herzschlag gäbe. Wenn es streckenweise sterbenslangweilig wäre.
Oder meintest du, dann könne es sich solche Strecken leisten?
Oder aber, dann gäbe es solche Strecken nicht?

Ich ging von Letzterem aus. Aber falls das so gemeint war - deswegen hatte ich ein Fragezeichen hinter mein Wort Schlussfolgerung gesetzt - kann man das durch einen guten Plot vermeiden. Da bin ich Sabines Meinung.

Ich meinte: Falls das einzige Anliegen ist, dass man unterhalten will, dann sollte dieses "Unterhalten" auch den Roman antreiben, und lange nicht-unterhaltende Strecken sind dann das Gegenteil, langweilig. Hier ist das Anliegen zu unterhalten vielleicht dieser Herzschlag. Dafür braucht es dann einen entsprechenden Plot, richtig, und natürlich auch eine entsprechende Dramaturgie. Andere Romane möchten aber vielleicht nicht hauptsächlich oder ausschliesslich unterhalten, sondern etwas bedeuten oder verstören oder herausfordern - hier kann es durchaus Strecken geben, die experimentell, intellektuell oder kontemplativ sind. Hier könnte das Gegenteil, das, was den Roman auf den Bauch fallen lässt, "Banalität" sein, egal wie gut der Plot oder wie spannend es ist. Leser beurteilen Paulo Coelhos Bücher eher selten deswegen als langweilig, weil ihnen der Plot und die Spannung fehlen würden, denn das wollen diese Romane gar nicht. Aber die sie nicht mögen, sagen meist, dass sie Botschaft und Bedeutung (was ich als "Herzschlag" dieser Bücher bezeichnen würde) als banal empfinden (- übrigens gute Beispiele für Bücher mit Herzschlag, die trotzdem nicht zwangsläufig bei jedem ankommen oder hängenbleiben, "Der kleine Prinz" ist auch so ein Fall).

Ich halte es allgemein nicht so für förderlich, jeden geschriebenen Satz hier zu sezieren, da werden immer mal Unschärfen drin sein, also in meinen Textwänden ganz sicher. Für mich geht es hier um ein Prinzip und Gefühl, mit dem man sich entweder spontan verbunden fühlt (was bei mir und auch vielen anderen ganz am Anfang der Threads der Fall war), oder nicht. Sich ein Gefühl, eine Verbundenheit, intellektuell zu erschliessen oder perfekt technisch zu definieren, ist vermutlich schlecht möglich, und vielleicht ist dieser Ansatz dann auch nicht der richtige für einen. Den Vergleich mit der Komposition von Musik finde ich zum Beispiel auch sehr schön, aber auch dieser hängt davon ab, wie sehr man selbst Musiker ist und Musik spürt. Jemand, für den Musik überhaupt keine Rolle im Leben spielt (ich kenne solche Menschen), oder der Musik zwar nach Noten spielen aber nicht selbst komponieren kann (gibt es auch; Leute, die Musik zwar technisch reporduzieren können, sie aber nicht im Blut haben und nicht erschaffen können), kann mit dieser Metapher vermutlich weniger anfangen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb Christa:

Der Herzschlag bei einem Orchester oder bei einer Rockband wäre für mich das Schlagzeug/die Pauke.

Der Begriff "Herzschlag" wurde aber von Bettina auf Geschichten angewendet. Das, was Bettina als "Herzschlag" bezeichnet, hat mit der Percussion in der Musik überhaupt nichts zu tun, sondern es geht um das, was dem Stück Leben verleiht, was sich als roter Faden durch das Stück zieht, was ich als Gefühl mit nach Hause nehme, was hängenbleibt.

Ich habe das Gefühl, wir hängen uns hier immer wieder zu sehr an Begrifflichkeiten inklusive sämtlicher individuellen Assoziationen der Wörter auf.

Statt zu spüren, was gemeint ist.

Bearbeitet von Andreas
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Eigentlich ist dieses Ungefähre, schwer zu Greifende und individuell völlig unterschiedlich Interpretierbare in unserem Diskurs genau das, was mich hoffen lässt, dass sich eine trainierte KI noch eine ganze Weile damit schwertun wird, mit uns zu konkurrieren. KI spürt nichts!

Roland Muller: EISRAUSCH (13.08.2024, nominiert für den GLAUSER 2025), EISFALLE (17.09.2025), jeweils als Aufbau Taschenbuch, Hörbuch und E-Book

https://roland-mueller-thriller.de und https://www.cafedigital.de

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 3 Minuten schrieb RolandM:

Eigentlich ist dieses Ungefähre, schwer zu Greifende und individuell völlig unterschiedlich Interpretierbare in unserem Diskurs genau das, was mich hoffen lässt, dass sich eine trainierte KI noch eine ganze Weile damit schwertun wird, mit uns zu konkurrieren. KI spürt nichts!

Genau! Das denke ich auch.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn ich den Herzschlag etwas mehr wörtlich nehme, dann ist er das, was einer Geschichte leben gibt. Ein anderes Wort dafür ist Spannung. (Lasst jetzt bitte nicht die Klappe Spannungsliteratur fallen.) Geschichten ohne Spannung sind oft langweilig. Damit die Spannung nicht in viele Einzelszenen zerbröselt, muss die Geschichte eine Richtung haben. Nicht umsonst werden immer wieder Konflikte gefordert. Eine Prämisse tut einer Geschichte also gut, reicht aber nicht aus. Auch die Dynamik spielt eine Rolle und der Twist.

James Clavells TaiPan hat alles, was man braucht. Jahre später stolperte ich über einen ähnlichen Roman, der ganz offensichtlich dieselben Quellen benutzt hat. Auch die Geschichte war ähnlich, aber stinklangweilig.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 1 Stunde schrieb Andreas:

Der Begriff "Herzschlag" wurde aber von Bettina auf Geschichten angewendet. Das, was Bettina als "Herzschlag" bezeichnet, hat mit der Percussion in der Musik überhaupt nichts zu tun, sondern es geht um das, was dem Stück Leben verleiht, was sich als roter Faden durch das Stück zieht, was ich als Gefühl mit nach Hause nehme, was hängenbleibt.

Ich habe das Gefühl, wir hängen uns hier immer wieder zu sehr an Begrifflichkeiten inklusive sämtlicher individuellen Assoziationen der Wörter auf.

Statt zu spüren, was gemeint ist.

Ich gebe dir recht, Andreas, man sollte nicht jedes Wort, das in einer solchen Diskussion über das richtige Verständnis eines Begriffs geäußert wird, auf die Goldwaage legen, man kann sich immer an dieser oder jener Unschärfe aufhängen und jeder hat ein wenig andere Assoziationen. Andererseits ging es aber, so wie ich Bettinas Postings verstanden habe, schon darum, nicht nur etwas zu spüren, sondern etwas bewusst zu machen, das der Geschichte fehlt und wodurch ich sie besser machen kann. Da braucht es dann eben doch Klarheit, worüber man eigentlich spricht. Was dieser Herzschlag also sein könnte – an dieser Diskussion will ich mich nicht beteiligen. Nur so viel: Mir kommt es ein bisschen so vor, als wolle man versuchen, zu definieren, was Charisma ist. Man erkennt es, wenn es einem begegnet (und erkennt es, wenn es fehlt), man kann vielleicht sogar ein paar Zutaten benennen, aber was es dann am Ende ausmacht – nun, man weiß es nicht.

An einem Punkt dieser Diskussion möchte ich dann aber doch einhaken. Hier wurde schon mehrfach behauptet, es sei nicht klar, was eine Prämisse ist bzw. es gebe je nach Schreibschule unterschiedliche Definitionen davon. Ich habe wahrlich nicht alle Schreibratgeber, die es inzwischen gibt, gelesen, aber die, die ich kenne und die mit diesem Begriff arbeiten, sind in ihrer Definition der Prämisse sehr einfach und klar.

Schon bei Wikipedia steht:

"Die Prämisse (v. lat.: praemissum = das Vorausgeschickte) fasst in knapper Form die Verwandlung zusammen, die eine Romanfigur im Laufe der Handlung durchmacht. Sie enthält Ausgangspunkt, Konflikt und Lösung der Figur in einem kurzen Satz."

Frey definiert in Wie man einen verdammt guten Roman schreibt (nach einer zunächst wolkigen Einführung zum Thema, die er sich besser gespart hätte):

„Die Prämisse einer Geschichte ist einfach eine Feststellung dessen, was mit den Figuren als Ergebnis des zentralen Konflikts der Geschichte passiert.“ 

Noch klarer wird es mit den Beispielen, die er gibt:

Hemingway, Der alte Mann und das Meer. Prämisse: Mut führt zu Erlösung.

Nabokov, Lolita. Prämisse: Große Liebe führt zum Tod.

Fritz Giesing kritisiert in Kreativ Schreiben, dass eine so formulierte Prämisse zu schlicht für einen anspruchsvollen literarischen Roman ist, ja, wie eine Karikatur sei. Nicht zuletzt deshalb finde ich die Frageform auch besser: Wie führt Mut zu Erlösung? Wie führt Liebe zum Tod? Damit wird stärker der Prozess in den Mittelpunkt gerückt, in seiner Vielschichtigkeit und Ambivalenz.

 

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 19 Stunden schrieb AndreasG:

 

„Die Prämisse einer Geschichte ist einfach eine Feststellung dessen, was mit den Figuren als Ergebnis des zentralen Konflikts der Geschichte passiert.“ 

Noch klarer wird es mit den Beispielen, die er gibt:

Hemingway, Der alte Mann und das Meer. Prämisse: Mut führt zu Erlösung.

Nabokov, Lolita. Prämisse: Große Liebe führt zum Tod.

Fritz Giesing kritisiert in Kreativ Schreiben, dass eine so formulierte Prämisse zu schlicht für einen anspruchsvollen literarischen Roman ist, ja, wie eine Karikatur sei. Nicht zuletzt deshalb finde ich die Frageform auch besser: Wie führt Mut zu Erlösung? Wie führt Liebe zum Tod? Damit wird stärker der Prozess in den Mittelpunkt gerückt, in seiner Vielschichtigkeit und Ambivalenz.

 

Jetzt habe ich wieder einmal verstanden, warum ich beim Romanschreiben mit der Prämissen-Strategie hadere.

Ich möchte mit meiner Geschichte keine These behaupten und auch keine Zwangsläufigkeiten erzählerisch umsetzen. Man kann solche Prämissen als wunderbare Schreibgrundlage verwenden, sie aber auch für kitschig halten: Große Liebe führt zum Tod? Mut führt zur Erlösung? Aber hallo!

Interessanter ist es für mich - das, was Andreas hier schon andeutend ausgeführt hat - eine existentielle Frage aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Was kann Mut leisten und was nicht? Was hat Liebe mit dem Tod zu tun? Kann man lieben, ohne den Tod vor Augen? Was verbindet Tod und Liebe? Vielleicht der absolute Anspruch? Oder wie auch immer.... Und meine Vorstellung geht da eher in die Richtung, dass ein Roman keine eindeutige Antwort liefert, sondern unter Umständen erst recht noch mehr Fragen aufwirft...

Liebe Grüße

Jürgen

 

 

Bearbeitet von jueb

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Stunden schrieb RolandM:

Eigentlich ist dieses Ungefähre, schwer zu Greifende und individuell völlig unterschiedlich Interpretierbare in unserem Diskurs genau das, was mich hoffen lässt, dass sich eine trainierte KI noch eine ganze Weile damit schwertun wird, mit uns zu konkurrieren. KI spürt nichts!

Dickes, fettes LIKE dafür.

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Liebe Montis,

ich möchte hier abschließend nochmals auf einige Antworten eingehen. Mit Herzschlag meine ich nicht das zitierte Herzblut, das haben einige ja schon festgestellt. Sondern das, was ich in meinen beiden Postings beschrieben habe. Allerdings war das Wort „Leidenschaft“ unglücklich gewählt, weil es in die falsche Richtung führte.

Was mir wichtig erscheint: Anstatt sich an einer strikten Terminologie festzuhalten, halte ich es für zielführender, sich mit dem dahinterliegenden Konzept auseinanderzusetzen. Wer sich für das WARUM auch in anderen Lebensbereichen interessiert, dem empfehle ich The Golden Circle von Simon Sinek (kein Schreibratgeber, aber thematisch relevant).

Noch etwas hierzu: 

Zitat

 

Andreas G:

„Nur so viel: Mir kommt es ein bisschen so vor, als wolle man versuchen, zu definieren, was Charisma ist. Man erkennt es, wenn es einem begegnet (und erkennt es, wenn es fehlt), man kann vielleicht sogar ein paar Zutaten benennen, aber was es dann am Ende ausmacht – nun, man weiß es nicht.“

 

Ich glaube schon, dass man hier von einem allgemeinen Verständnis  ausgehen kann. Ich würde Charisma folgendermaßen bezeichnen: Charisma ist eine besondere Ausstrahlung, eine besondere Präsenz oder Energie, die man empfindet. WAS genau hingegen man als besonders empfindet, kann sehr individuell sein. Ähnlich kann man den Herzschlag empfinden.

Und: Ich wollte hier wahrlich keine Diskussion über den Begriff der Prämisse lostreten. Auf dieses Statement jedoch möchte auch nochmals eingehen:

Zitat

Hier wurde schon mehrfach behauptet, es sei nicht klar, was eine Prämisse ist bzw. es gebe je nach Schreibschule unterschiedliche Definitionen davon. Ich habe wahrlich nicht alle Schreibratgeber, die es inzwischen gibt, gelesen, aber die, die ich kenne und die mit diesem Begriff arbeiten, sind in ihrer Definition der Prämisse sehr einfach und klar.

Schon bei Wikipedia steht:

"Die Prämisse (v. lat.: praemissum = das Vorausgeschickte) fasst in knapper Form die Verwandlung zusammen, die eine Romanfigur im Laufe der Handlung durchmacht. Sie enthält Ausgangspunkt, Konflikt und Lösung der Figur in einem kurzen Satz."

„Frey definiert in Wie man einen verdammt guten Roman schreibt (nach einer zunächst wolkigen Einführung zum Thema, die er sich besser gespart hätte):

„Die Prämisse einer Geschichte ist einfach eine Feststellung dessen, was mit den Figuren als Ergebnis des zentralen Konflikts der Geschichte passiert.“ 

Es gibt andere Definitionen, oder besser gesagt Formulierungen (oder „Schulen“ - ich hatte dieses Wort absichtlich in Anführungszeichen gesetzt). Sie meinen im Endeffekt alle dasselbe, nutzen jedoch andere Ausgangs- oder Schwerpunkte.

Hier eine Übersicht über verschiedene Ansätze und Definitionen:

  • Lajos Egri betrachtet die Prämisse als eine klare Aussage, die das Wesen der Geschichte zusammenfasst und sowohl den zentralen Konflikt als auch die Schlussfolgerung impliziert.
  • James N. Frey: The premise is a statement the story proves through its narrative progression. The premise is a causal relationship between character actions and the story’s outcome.
  • Robert Mc Kee schreibt: Die Prämisse ist die Idee, die den Wunsch des Autors eine Story zu erschaffen auslöst. Man sollte sie jedoch mit der beherrschenden Idee (controlling idea) verbinden. Diese beherrschende Idee wäre dann die Bedeutung der Story. Er sieht eine Prämisse eher als Frage und nicht als eine abgeschlossene Aussage.
  • John Truby beschreibt die Prämisse als den grundlegenden Kern einer Geschichte, der die Hauptfigur, die zentrale Handlung und das zugrunde liegende Thema umfasst.
  • Blake Snyder bezeichnet die Prämisse als das "Was ist es?" einer Geschichte. Es sei die grundlegende Idee, die in einem einzigen Satz zusammengefasst werden kann.
  • Sol Stein spricht nicht explizit von einer Prämisse, jedoch von der Quintessenz der Geschichte, idealerweise in einem Satz zusammengefasst.
  • John Costello: Die Prämisse beschreibt, worum es in der Story geht. Die Idee oder das Konzept im Herzen der Geschichte, zusammengefasst in so wenig Worten wie möglich.
  • Dara Marks spricht nicht von einer Prämisse, jedoch vom Thema und dem thematic point of view of the story / of the author. Aber auch sie arbeitet mit einer Verknappung als Leitlinie für die Geschichte (conflict – action – goal).
  • Michael Tierno: In seinem Buch Aristotle's Poetics for Screenwriters interpretiert Tierno die Prämisse als die grundlegende Idee oder das Thema, das eine Geschichte antreibt.
  • Linda Seger beschreibt die Prämisse als die zentrale Idee oder Botschaft, die der Autor vermitteln möchte.

Zusammenfassend könnte man sagen: Eine Prämisse kann eine kausale Aussage sein, die sich durch die Geschichte beweist. Sie kann auch als struktureller Ausgangspunkt, Kern und zentrale Idee der Geschichte betrachtet werden. Andere widerum nähern sich der Prämisse eher über das Thema und die Botschaft oder sie konzentrieren sich auf eine Frage und nicht eine Aussage.

Die Diskussion um die Prämisse ist ein gutes Beispiel dafür, dass es in der Schreibtheorie selten eine einzige, endgültige Wahrheit gibt. Wie ich schon in vorherigen Postings schrieb, geht es ja nicht um richtig und falsch. Es lohnt sich, die verschiedenen Perspektiven zu kennen – doch noch wichtiger ist es, herauszufinden, welche Definition oder Fragestellung für das eigene Schreiben am hilfreichsten ist.

 

 

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb jueb:

Jetzt habe ich wieder einmal verstanden, warum ich beim Romanschreiben mit der Prämissen-Strategie hadere.

Ich möchte mit meiner Geschichte keine These behaupten und auch keine Zwangsläufigkeiten erzählerisch umsetzen. Man kann solche Prämissen als wunderbare Schreibgrundlage verwenden, sie aber auch für kitschig halten: Große Liebe führt zum Tod? Mut führt zur Erlösung? Aber hallo!

Interessanter ist es für mich - das, was Andreas hier schon andeutend ausgeführt hat - eine existentielle Frage aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Was kann Mut leisten und was nicht? Was hat Liebe mit dem Tod zu tun? Kann man lieben, ohne den Tod vor Augen? Was verbindet Tod und Liebe? Vielleicht der absolute Anspruch? Oder wie auch immer.... Und meine Vorstellung geht da eher in die Richtung, dass ein Roman keine eindeutige Antwort liefert, sondern unter Umständen erst recht noch mehr Fragen aufwirft...

Liebe Grüße

Jürgen

 

 

Man darf dabei nicht vergessen, dass die allermeisten Modelle, die in den Schreibschulen gelehrt werden, aus der Dramen- und Filmdramaturgie kommen. Anders als ein Roman haben ein Film und ein Drama eine begrenzte Zeit zur Verfügung, um ihre Geschichte (und, wenn man so will, ihre Botschaft) rüberzubringen. Ein Roman wird anders rezipiert. (Im Film ähneln dem inzwischen die Serien, die sich auch größere erzählerische Freiheiten nehmen können.)

Eine Prämisse wie: "Große Liebe führt zum Tod" finde ich erstmal auch nicht besonders spannend, weil schon oft da gewesen. Aber was wäre mit einer Prämisse wie: "Neid führt zu Glück" bzw. "Wie führt Neid zu Glück"?

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Minuten schrieb Bettina_Admin:

Liebe Montis,

ich möchte hier abschließend nochmals auf einige Antworten eingehen. Mit Herzschlag meine ich nicht das zitierte Herzblut, das haben einige ja schon festgestellt. Sondern das, was ich in meinen beiden Postings beschrieben habe. Allerdings war das Wort „Leidenschaft“ unglücklich gewählt, weil es in die falsche Richtung führte.

Was mir wichtig erscheint: Anstatt sich an einer strikten Terminologie festzuhalten, halte ich es für zielführender, sich mit dem dahinterliegenden Konzept auseinanderzusetzen. Wer sich für das WARUM auch in anderen Lebensbereichen interessiert, dem empfehle ich The Golden Circle von Simon Sinek (kein Schreibratgeber, aber thematisch relevant).

Noch etwas hierzu: 

Ich glaube schon, dass man hier von einem allgemeinen Verständnis  ausgehen kann. Ich würde Charisma folgendermaßen bezeichnen: Charisma ist eine besondere Ausstrahlung, eine besondere Präsenz oder Energie, die man empfindet. WAS genau hingegen man als besonders empfindet, kann sehr individuell sein. Ähnlich kann man den Herzschlag empfinden.

Und: Ich wollte hier wahrlich keine Diskussion über den Begriff der Prämisse lostreten. Auf dieses Statement jedoch möchte auch nochmals eingehen:

Es gibt andere Definitionen, oder besser gesagt Formulierungen (oder „Schulen“ - ich hatte dieses Wort absichtlich in Anführungszeichen gesetzt). Sie meinen im Endeffekt alle dasselbe, nutzen jedoch andere Ausgangs- oder Schwerpunkte.

Hier eine Übersicht über verschiedene Ansätze und Definitionen:

  • Lajos Egri betrachtet die Prämisse als eine klare Aussage, die das Wesen der Geschichte zusammenfasst und sowohl den zentralen Konflikt als auch die Schlussfolgerung impliziert.
  • James N. Frey: The premise is a statement the story proves through its narrative progression. The premise is a causal relationship between character actions and the story’s outcome.
  • Robert Mc Kee schreibt: Die Prämisse ist die Idee, die den Wunsch des Autors eine Story zu erschaffen auslöst. Man sollte sie jedoch mit der beherrschenden Idee (controlling idea) verbinden. Diese beherrschende Idee wäre dann die Bedeutung der Story. Er sieht eine Prämisse eher als Frage und nicht als eine abgeschlossene Aussage.
  • John Truby beschreibt die Prämisse als den grundlegenden Kern einer Geschichte, der die Hauptfigur, die zentrale Handlung und das zugrunde liegende Thema umfasst.
  • Blake Snyder bezeichnet die Prämisse als das "Was ist es?" einer Geschichte. Es sei die grundlegende Idee, die in einem einzigen Satz zusammengefasst werden kann.
  • Sol Stein spricht nicht explizit von einer Prämisse, jedoch von der Quintessenz der Geschichte, idealerweise in einem Satz zusammengefasst.
  • John Costello: Die Prämisse beschreibt, worum es in der Story geht. Die Idee oder das Konzept im Herzen der Geschichte, zusammengefasst in so wenig Worten wie möglich.
  • Dara Marks spricht nicht von einer Prämisse, jedoch vom Thema und dem thematic point of view of the story / of the author. Aber auch sie arbeitet mit einer Verknappung als Leitlinie für die Geschichte (conflict – action – goal).
  • Michael Tierno: In seinem Buch Aristotle's Poetics for Screenwriters interpretiert Tierno die Prämisse als die grundlegende Idee oder das Thema, das eine Geschichte antreibt.
  • Linda Seger beschreibt die Prämisse als die zentrale Idee oder Botschaft, die der Autor vermitteln möchte.

Zusammenfassend könnte man sagen: Eine Prämisse kann eine kausale Aussage sein, die sich durch die Geschichte beweist. Sie kann auch als struktureller Ausgangspunkt, Kern und zentrale Idee der Geschichte betrachtet werden. Andere widerum nähern sich der Prämisse eher über das Thema und die Botschaft oder sie konzentrieren sich auf eine Frage und nicht eine Aussage.

Die Diskussion um die Prämisse ist ein gutes Beispiel dafür, dass es in der Schreibtheorie selten eine einzige, endgültige Wahrheit gibt. Wie ich schon in vorherigen Postings schrieb, geht es ja nicht um richtig und falsch. Es lohnt sich, die verschiedenen Perspektiven zu kennen – doch noch wichtiger ist es, herauszufinden, welche Definition oder Fragestellung für das eigene Schreiben am hilfreichsten ist.

 

 

 

 

Liebe Bettina,

nur zwei Punkte.

1. Du schreibst ja selbst, dass es sich eher um unterschiedliche Formulierung der mehr oder weniger selben Definition handelt. Das meinte ich ja. Es gibt eine Definition, die meines Erachtens eigentlich nicht besonders kompliziert ist. Davon ausgehend kann natürlich jeder alles machen.

2. Mir geht es nicht um "Wahrheiten" in der Dramaturgie, nicht um richtig oder falsch. Es gibt ja durchaus unterschiedliche Dramaturgien. (Ich persönlich verwende die Prämisse vor allem bei der Stofffindung und -ordnung und später, wenn ich das Gefühl habe, ich habe mich verirrt. Beim Schreiben selbst überlasse ich mich der Geschichte und den Figuren.) Es geht mir ausdrücklich nur darum, Werkzeuge zu entwickeln, die nützlich sind. Die Diskussion um die Prämisse zeigt mir eher, wie ein Werkzeug stumpf wird, wenn zu viele daran herumschrauben.

Abgesehen davon bin ich aber immer offen für Diskussionen über das Schreiben, die über das bloß dramaturgisch Nützliche hinausgehen.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sebastian Niedlich

Auch wenn ich hier schon mehrmals meinen Senf dazugegeben habe, möchte ich noch einmal auf den Eingangspost von Bettina verweisen:

Zitat

Viele glauben, eine gute Story braucht nur starke Charaktere, Konflikte und eine Prise Magie. Aber das reicht nicht.
Denn wenn dein Buch keine innere Wahrheit in sich trägt, bleibt es an der Oberfläche.

Dein Buch kann eine geniale Handlung haben. Aber wenn es nicht weiß, warum es existiert, bleibt es an der Oberfläche.

Deine Hauptfigur kann faszinierend sein. Aber wenn sie keine Frage stellt, die unter die Haut geht, bleibt sie nur eine Figur – keine Stimme, die nachhallt.

Deine Szenen können wunderschön sein. Aber wenn sie keinen inneren Kern haben, verpuffen sie wie ein Feuerwerk – kurz beeindruckend, dann vergessen.

Der wahre Kern einer Geschichte ist nicht ihr Plot. Es ist die Wahrheit, die sie atmet.

Ich habe die gefetteten Stellen hervorgehoben.

Wenn man sich das genau anschaut, dann geht es ganz einfach um die Aussage der Geschichte. Ob man das Ding jetzt als Prämisse, Herzschlag, innere Wahrheit, Leitmotiv, emotionales Echo oder Leberwurststulle bezeichnet, ist eigentlich egal. Es ist ebenfalls egal, ob man die Aussage banal findet oder nicht. Wie man an den Beispielen oben sehen kann, kann es super banale Aussagen geben, aber die Umsetzung macht es.

Vielleicht sollten wir hier lieber diskutieren, WIE man selbst banale Aussagen interessant gestalten kann. Oder WIE man eine Aussage mit dem Plot verknüpft. Ob es mehrere Aussagen geben kann ... oder vielleicht sogar zu viele?

Eine interessante Frage finde ich z.B., ob die Aussage der Geschichte unbedingt aus dem Plot hervorgehen muss? Ich denke nämlich nicht unbedingt. Umgekehrt schon eher. Wenn man sich z.B. die meisten 08/15-Krimis anschaut, was ist die Aussage? Manche Autoren denken vielleicht "Kriminalität ist voll blöd und so", aber das ist ja keine Aussage.

Meiner Meinung ist bei der Aussage / dem Herzschlag eine Sache wichtig, nämlich dass sie uns im Innersten berührt. Es wird eine existenzielle / philosophische Frage beantwortet und mehrmals im Werk abgeklopft.
"Die Menschheit ist böse und nicht wert, dass man um sie kämpft." (Der Film "Sieben" beantwortet den ersten Teil der Frage mit ja, den letzten Teil mit nein. Geradezu buchstäblich.)
"Kann man im Angesicht der Übermacht von bösen Elementen auf der Welt die Hoffnung behalten?" (Herr der Ringe)
"Kann man auch bei systemischer Ungerechtigkeit die Hoffnung behalten?" (Die Verurteilten)
"Ist es möglich als Frau in einer Welt von aggressiven Männern zu bestehen?" (Das Schweigen der Lämmer)

Ich denke, dass dieser philosophische Aspekt der ist, der Bücher wie "Das Schweigen der Lämmer" zu einem Klassiker des Genres macht, wohingegen die meisten anderen Krimis absolut nicht im Gedächtnis haften bleiben. (Sicher, hier kommen noch die interessanten Figuren hinzu, aber, wie gesagt, das ist ja auch nur ein Aspekt des Ganzen.)

Also meine These wäre, dass die Aussage / der Herzschlag zumindest ein existenzielles / philosophisches Element haben muss.

Was meint ihr? Bin ich völlig auf dem Holzweg?
Vielleicht seht ihr die Aussagen in manchen der Geschichten auch ganz anders. Würde mich interessieren.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich kann nur beschreiben, wie ich es mache, und nehme ls Beispiel meine Paraneae- Trilogie, weil die vergriffen ist. So kann es nicht als verdeckte Werbung verstanden werden.

1. Mein erster Schritt war meine Grunidee, die ich bei Murakami entlehnt habe und nichts Besonderes ist. Einige Freunde, die in der Jugend engverbunden war, trennen sich und treffen sich später wieder. Was wird daraus? (Meistens nichts. Das Leben trribt sie auseinander.)

2. Ich schrieb damals ausschließlich Fantasy. Deshalb ließ ich ein Titanenschwert zerbrechen, aus dessen Teilen neue Waffen geschmiedet wurden, die neue Träger fanden. Die Träger wussten schnell, dass sie besondere Waffen hatten, aber das war es auch schon. Da sich die Scherterteile wieder zusammenfinden wollten, brachten sie auch ganz unterschiedliche Menschentypen zusammen. (Einen Dorf- und Stadtgründer, einen Richter, einen Fischer, der sich später als Pirat und Händler mauserte, eine Teebäuerin. Damit es spannend wird, kam noch ein Antagonist dazu, ein Halbidiot mit einem Knochenschwert.

3. Die Kunst bestand nun darin fünf unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinander treffen zu lassen, die überdies eine magische Verbindung zu ihren Waffen hatten, wobei nicht immer klar ist, wer Herr und wer Diener ist. Über den Plot brauhte ich mir keine Gedanken zu machen. Als Bauchschreiber fange ich an, der Plot entsteht, und wenn ich fertig bin, bin ich fertig.

4. Wo steckt denn nun in den drei Bänden die Wahrheit. Ganz bestimmt nicht an der Oberfläche, denn Titanen gibt es nicht und magische Schwerter auch nicht. Aber der Vorteil eines hohen Alters ist es, dass man im Leben etwas gelernt hat (haben sollte), vor allem wenn es vielfältig war wie meines. Die drei Bände enthalten meine Lebensansichten, aber auch die anderer Menschen, denen ich begegnet bin, weil nicht jede Einsicht von jedem Menschentypen geteilt werden kann. Aber gerade dort, wo es knallt, entstehen sehr schnell neue Fragen, wobei der omnipräsente Tod zu pragmatischen Lösungen zwingt.

Die Grunidee war banal, nicht banal war meine Art und Weise damit umzugehen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...