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WolfgangG

Stören Aufzählungen den Lesefluss?

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Liebe Montis!

Vor kurzem hat mich ein Testleser meines Romance-Thriller-Projekts gebeten, ich solle  doch weniger Aufzählungen verwenden, sie würden den Lesefluss stören. Da ich mich mit der Thematik noch nie auseinandergesetzt hatte, habe ich den Text akribisch zerlegt und bin für mich zum Schluss gekommen, dass ich es im besagten Kapitel wohl damit übertrieben hatte.  Daraufhin habe ich beim Lesen anderer Texte bewusst darauf geachtet und bemerkt, dass ich nicht der Einzige bin, der gerne mit Aufzählungen arbeitet. In literarischen Texten werden sie sogar bewusst als Stilmittel eingesetzt.

Wie geht es euch denn damit? Stören sie den Lesefluss oder verstärken sie, im Gegenteil, sogar die Dramatik? Macht die Dosis das Gift oder muss man das von Fall zu Fall betrachten?

Freue mich auf eure Einschätzung.

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vor 14 Minuten schrieb WolfgangG:

... oder muss man das von Fall zu Fall betrachten?

Genau so, würde ich sagen.

Für mich ist zum Beispiel gar nicht ersichtlich, was du mit Aufzählungen meinst. Durch Kommas getrennte Wörter? Sätze? Ganze Abschnitte? 

Und dann halt die Funktion: Wozu dienen sie? Verdeutlichung? Beweisführung? Regulierung der Satzmelodie? Show off vom Autor?

Das wären so meine Überlegungen dazu ...

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Generell stören sie ein wenig, wenn sie über a, b und c hinausgehen. An Anna, Berta und Charlotte stößt sich niemand. Das ist unauffällig.

Was darüber hinausgeht kann stören, ist auf jeden Fall auffällig und hat dann womöglich auch eine besondere Funktion über die reine Aufzählung hinaus (Stilmittel).

Das habe ich aus keinem Ratgeber, das ist mein höchstsubjektives Leseempfinden.

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@KerstinH Meist geht es mir dabei um eine Verdeutlichung, manchmal auch um eine Intensivierung der Kernaussage oder der erlebten Gefühle der betreffenden Figur. Ich möchte aber anmerken, dass ich solche Aufzählungen beim Schreiben selten bewusst einsetze, sonst wäre mir die Häufung selbst aufgefallen. Zur Verdeutlichung (!) hier die ersten Absätze meines Romaneinstiegs (Aufzählungen fettgedruckt).  Ich wähle bewusst die ursprüngliche Fassung, damit klar wird, was gemeint ist.

 

Für die meisten Männer ist der vierzehnte Dezember einer dieser durchgetakteten Vorweihnachtstage. Ich hatte an diesem Tag die Frau meiner Träume gefunden. Eineinhalb Jahre, bevor sie unter mysteriösen Umständen aus meinem Leben verschwand.

Schweren Herzens schloss ich die Bürotür auf, stellte meine Tasche ab und kippte das Fenster, um die raue Winterluft hereinzulassen. Als Reiseleiter hätte ich kein eigenes Büro gebraucht, aber seit Elodies Verschwinden fiel mir daheim die Decke auf den Kopf, weshalb ich einen Co-Working-Space am Ortsrand von Murnau gemietet hatte. Viel gab es dort nicht zu tun: Routen planen, mit den Reiseveranstaltern telefonieren, Kosten kalkulieren und Angebote erstellen, Aufgaben, die ich zwischen meinen Touren, vor allem aber während der Wintermonate erledigte. Im Sommer war ich die meiste Zeit unterwegs: im Bus zu den touristischen Hot-Spots der Alpen, auf Kamelsafari in der nordafrikanischen Wüste oder mit einer Handvoll Rucksacktouristen in den Canyons der Cevennen. Reisen war meine Leidenschaft, die Triebfeder meiner unversiegbaren Neugier. Aber jetzt war es auch eine Art Flucht. Vor meinen Erinnerungen, meiner Einsamkeit und meinem Schmerz.

Der vernunftgetriebene Teil von mir fragte sich manchmal, weshalb ich achtzehn Monate nach Elodies Verschwinden am Ritual festhielt. Befriedigte ich damit eine masochistische Ader, von der ich nicht wusste? Gefiel ich mir darin, im Schmerz aufzugehen und meiner Sehnsucht nach vergangenem Glück nachzuspüren? Oder ging es um den Schwur, den wir geleistet hatten? Womöglich gab mir die Wanderung auch nur Gelegenheit, meiner Trauer nachzuspüren, jenen Teil meiner Gefühlswelt auszuloten, den ich von Berufs wegen unter Verschluss halten musste.

Ich heftete den Stoß Rechnungen ab, der auf meinem Schreibtisch lag, goss die Yucca-Palme in der Ecke neben dem Bücherboard, schloss das Fenster, prüfte, ob alle Schubladen geschlossen waren, versperrte die Bürotür und eilte zu meinem Wagen. 10.20 Uhr. Um 11.30 Uhr war ich damals mit Elodie gestartet.

Bearbeitet von WolfgangG
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Für mich ist dieser Text vollkommen in Ordnung. 'Aufzählungen' sehe ich da nicht, stattdessen eine Veranschaulichung mit der mir der Erzähler seine Welt näherbringt. Was ich immens wichtig finde, weil dadurch hier auch die Stimmung und der Ton entsteht, in dem erzählt wird.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 52 Minuten schrieb KerstinH:

Und dann halt die Funktion: Wozu dienen sie? Verdeutlichung? Beweisführung? Regulierung der Satzmelodie? Show off vom Autor?

Find ich auch wichtig.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 27 Minuten schrieb WolfgangG:

@KerstinH Meist geht es mir dabei um eine Verdeutlichung, manchmal auch um eine Intensivierung der Kernaussage oder der erlebten Gefühle der betreffenden Figur. Ich möchte aber anmerken, dass ich solche Aufzählungen beim Schreiben selten bewusst einsetze, sonst wäre mir die Häufung selbst aufgefallen. Zur Verdeutlichung (!) hier die ersten Absätze meines Romaneinstiegs (Aufzählungen fettgedruckt).  Ich wähle bewusst die ursprüngliche Fassung, damit klar wird, was gemeint ist.

 

Für die meisten Männer ist der vierzehnte Dezember einer dieser durchgetakteten Vorweihnachtstage. Ich hatte an diesem Tag die Frau meiner Träume gefunden. Eineinhalb Jahre, bevor sie unter mysteriösen Umständen aus meinem Leben verschwand.

Schweren Herzens schloss ich die Bürotür auf, stellte meine Tasche ab und kippte das Fenster, um die raue Winterluft hereinzulassen. Als Reiseleiter hätte ich kein eigenes Büro gebraucht, aber seit Elodies Verschwinden fiel mir daheim die Decke auf den Kopf, weshalb ich einen Co-Working-Space am Ortsrand von Murnau gemietet hatte. Viel gab es dort nicht zu tun: Routen planen, mit den Reiseveranstaltern telefonieren, Kosten kalkulieren und Angebote erstellen, Aufgaben, die ich zwischen meinen Touren, vor allem aber während der Wintermonate erledigte. Im Sommer war ich die meiste Zeit unterwegs: im Bus zu den touristischen Hot-Spots der Alpen, auf Kamelsafari in der nordafrikanischen Wüste oder mit einer Handvoll Rucksacktouristen in den Canyons der Cevennen. Reisen war meine Leidenschaft, die Triebfeder meiner unversiegbaren Neugier. Aber jetzt war es auch eine Art Flucht. Vor meinen Erinnerungen, meiner Einsamkeit und meinem Schmerz.

Der vernunftgetriebene Teil von mir fragte sich manchmal, weshalb ich achtzehn Monate nach Elodies Verschwinden am Ritual festhielt. Befriedigte ich damit eine masochistische Ader, von der ich nicht wusste? Gefiel ich mir darin, im Schmerz aufzugehen und meiner Sehnsucht nach vergangenem Glück nachzuspüren? Oder ging es um den Schwur, den wir geleistet hatten? Womöglich gab mir die Wanderung auch nur Gelegenheit, meiner Trauer nachzuspüren, jenen Teil meiner Gefühlswelt auszuloten, den ich von Berufs wegen unter Verschluss halten musste.

Ich heftete den Stoß Rechnungen ab, der auf meinem Schreibtisch lag, goss die Yucca-Palme in der Ecke neben dem Bücherboard, schloss das Fenster, prüfte, ob alle Schubladen geschlossen waren, versperrte die Bürotür und eilte zu meinem Wagen. 10.20 Uhr. Um 11.30 Uhr war ich damals mit Elodie gestartet.

Ich finde den Text auch gut lesbar und sehe da keine unnötigen Aufzählungen. Einzig der Schmerz, die Einsamkeit und die Erinnerungen werden im folgenden Absatz noch einmal wiederholt und verstärkt.

Unter "Aufzählungen" verstehe ich auch etwas anderes. Zum Beispiel bei Beschreibungen der Umgebung kann es leicht geschehen, dass man zu viel "aufzählt" und es dann bandwurmartig wird.;)

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Okay. Ich denke, es ist klar, dass es dazu verschiedene Meinungen geben wird. Ich gehe deshalb jetzt einfach mal in den Text und zeige, wie ich es machen würde. Dazu tue ich mal ein bisschen penibel (bitte nicht als Kritik werten, sondern ebenfalls nur als Verdeutlichung dessen, was ich meine :-) ). Und ich beziehe mich auch nur auf die Aufzählungen. Also:

Für die meisten Männer ist der vierzehnte Dezember einer dieser durchgetakteten Vorweihnachtstage. Ich hatte an diesem Tag die Frau meiner Träume gefunden. Eineinhalb Jahre, bevor sie unter mysteriösen Umständen aus meinem Leben verschwand.

Schweren Herzens schloss ich die Bürotür auf, stellte meine Tasche ab und kippte das Fenster, um die raue Winterluft hereinzulassen. Als Reiseleiter hätte ich kein eigenes Büro gebraucht, aber seit Elodies Verschwinden fiel mir daheim die Decke auf den Kopf, weshalb ich einen Co-Working-Space am Ortsrand von Murnau gemietet hatte. Viel gab es dort nicht zu tun: Routen planen, mit den Reiseveranstaltern telefonieren, Kosten kalkulieren und Angebote erstellen (das finde ich nicht zu viel, denn das ist das, was dein Protagonist zu tun hat und verdeutlicht eine gewisse Langeweile, die er empfindet), Aufgaben, die ich zwischen meinen Touren, vor allem aber während der Wintermonate erledigte. Im Sommer war ich die meiste Zeit unterwegs: im Bus zu den touristischen Hot-Spots der Alpen, auf Kamelsafari in der nordafrikanischen Wüste oder mit einer Handvoll Rucksacktouristen in den Canyons der Cevennen (auch das ist für mich okay, das ist das gezeigte Gegenteil seiner Schreibtischarbeit, nämlich Abwechslung). Reisen war meine Leidenschaft, die Triebfeder meiner unversiegbaren Neugier. Aber jetzt war es auch eine Art Flucht. Vor meinen Erinnerungen, meiner Einsamkeit und meinem Schmerz (auch das stimmt für mich, Flucht vor drei verschiedenen Dingen, wobei sich andeutet, dass alles miteinander zu tun hat).

Der vernunftgetriebene Teil von mir fragte sich manchmal, weshalb ich achtzehn Monate nach Elodies Verschwinden am Ritual festhielt. Befriedigte ich damit eine masochistische Ader, von der ich nicht wusste? Gefiel ich mir darin, im Schmerz aufzugehen (hier sehe ich eine Wiederholung auf derselben Ebene - der Beschreibung von emotionalem Masochismus. Da würde ich entweder einen Teil rausnehmen oder nochmal umformulieren, so dass noch ein weiterer Aspekt des Unwohlseins reinkommt) und meiner Sehnsucht nach vergangenem Glück nachzuspüren? Oder ging es um den Schwur, den wir geleistet hatten? Womöglich gab mir die Wanderung auch nur Gelegenheit, meiner Trauer nachzuspüren (auch hier ist es im Grunde derselbe Sachverhalt: ein Glück ist vergangen, deshalb herrscht Trauer, und der ganzen Geschichte wird nachgespürt. Die Doppelung des Worts nachspüren reißt mich zusätzlich raus), jenen Teil meiner Gefühlswelt auszuloten, den ich von Berufs wegen unter Verschluss halten musste. (diesen letzten Satz finde ich stark)

Ich heftete den Stoß Rechnungen ab, der auf meinem Schreibtisch lag, goss die Yucca-Palme in der Ecke neben dem Bücherboard, schloss das Fenster, prüfte, ob alle Schubladen geschlossen waren, versperrte die Bürotür (hier ist mir die Aufzählung zu lang, denn: Oben geht es um existentielle Dinge. Hier plötzlich um völlig belanglose. Für mich stimmt die Gewichtung nicht. Hier würde ich tatsächlich ein paar Tätigkeiten streichen - wo genau die Yucca-Palme steht, ist ja eigentlich völlig egal, es sei denn, sie wird nochmal zum Kampfmittel) und eilte zu meinem Wagen (Falls es der letzte Bürobesuch ist, bevor seine Reise startet, würde ich dasjenige betonen, was diese Letztmaligkeit ausmacht). 10.20 Uhr. Um 11.30 Uhr war ich damals mit Elodie gestartet.

Bearbeitet von KerstinH
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Danke euch,  insbesondere an Kerstin für die Detailanalyse.

Ich schließe daraus, dass man die Themenfrage nicht pauschal beantworten kann, also immer schauen, ob die Aufzählung einen Mehrwert bietet oder redundant ist. Mein Testleser berief sich bei seinen Anmerkungen (der Text ging ja noch weiter) auf Sol Stein, der sinngemäß postulierte, so wenig Aufzählungen als möglich zu verwenden, zumal in der Spannungsliteratur. Ich habe seine Schreibratgeber vor langer Zeit auch mal gelesen, die betreffende Stelle aber ad hoc nicht gefunden. Werde da nachhaken, weil es mich interessieren würde, wie er das meint.

 

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Gerade eben schrieb WolfgangG:

... so wenig Aufzählungen als möglich zu verwenden, zumal in der Spannungsliteratur.

Würde ich so pauschal eben auch nicht sagen. Das kann die Spannung auch erhöhen. Es sind halt viele Parameter, die da reinspielen.

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Jede Aufzählung für sich in deinem Text finde ich okay. Im Detail kann man sich fragen, ob hier oder da gekürzt werden sollte. Ob ich die Aufzählungen ohne deinen HInweis aber überhaupt bemerkt hätte? Da bin ich nicht sicher ...

vor einer Stunde schrieb WolfgangG:

Routen planen, mit den Reiseveranstaltern telefonieren, Kosten kalkulieren und Angebote erstellen, Aufgaben, die ich

Bei meinen eigenen Texten beschränke ich mich im Allgemeinen auf drei Elemente

vor 1 Stunde schrieb WolfgangG:

Reisen war meine Leidenschaft, die Triebfeder meiner unversiegbaren Neugier.

Die Begriffe Leidenschaft und Triebfeder finde ich sehr nah beieinander. Evtl könntest du "meine Leidenschaft" streichen.

vor 1 Stunde schrieb WolfgangG:

Ich heftete den Stoß Rechnungen ab, der auf meinem Schreibtisch lag, goss die Yucca-Palme in der Ecke neben dem Bücherboard, schloss das Fenster, prüfte, ob alle Schubladen geschlossen waren, versperrte die Bürotür und eilte zu meinem Wagen.

Rechnunge liegen im Allgemeinen auf Schreibtischen und wie erheblich ist es, dass die Yucca-Palme in der Ecke neben dem Bücherboard steht? Andererseits: Aus Sicht von Show dont Tell zeigt uns diese Aufzählung sehr schön den Charakter des Ich-Erzählers.

vor 53 Minuten schrieb WolfgangG:

Sol Stein, der sinngemäß postulierte, so wenig Aufzählungen als möglich zu verwenden,

Sol Stein gibt viele gute Anregungen. Insgesamt fand ich ihn aber zu selbstverliebt und zu absolut in seinen Aussagen. Darum finde ich, man sollte seine Ratschläge mit Vorsicht genießen.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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Kerstins Analyse finde ich ausgezeichnet. Macht einem selbst auch wieder so manches bewusst.

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Ich halte den Schreibratgeber von sol Stein für einen der besten, den Anfänger in die Finger bekommen können. Aber auch für Sol Stein gilt, dass eine Empfehlung in einen kurzen Satz gegossen damit zum Gesetz erhoben wird. Und das kann niemals gut sein. Jedenfalls nicht beim Schreiben.

Ich kann übrigens auch ganz gut leben mit Deinem Text @WolfgangG . Ich hätte nur einen Satz geändert. Die zweite Aufzählung "im Bus ..." ähnelt mir zu viel der ersten.
Die erste passt, macht klar, dass es da zu tun gibt noch und nöcher und das wird durch die Länger der Aufzählung unterstrichen. Aber dann weiß ich es und muss es nicht nach dem gleichen Rezept ein zweites Mal gezeigt bekommen. Alle anderen Aufzählungen haben eine andere Form und fallen daher nicht so sehr auf.

Aber s.o.
Meine Meinung. nichts anderes.

 

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vor 2 Stunden schrieb Wolf:

Ich halte den Schreibratgeber von sol Stein für einen der besten, den Anfänger in die Finger bekommen können.

Für regelgläubige Menschen halte ich Sol Steins Ratgeber für sehr problematisch. Er betont an mehreren Stellen, dass nur seine Sichtweise, die richtige ist. Und er lässt andere Auffassungen nicht gelten.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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Lol
Warum ist mir das nie aufgefallen?, @HenningS 

Vielleicht hast Du recht, Henning. Aber regelgläubige Menschen werden niemals brauchbare Autoren werden können, weil es beim Schreiben keine oder kaum Regeln gibt.
Oder wenn es Regeln gibt, dann gibt es so viele Ausnahmen davon und Beispiele, dass es auch anders geht, dass es eine Regel ohne Wert ist. Ich mache mir bei Steins Ratgeber keine Sorgen. Wer Schreiben aus Büchern lernen will, muss erst wissen, wie man aus Büchern lernt. Ratgeber sind Ratgeber und keine Gesetzestexte.

Immer wieder schön mit Dir. Wo Du Deine Gedanken herzauberst? Und das ist jetzt ganz lieb von mir gemeint. Ich bewundere das bei Dir, durfte ich ja schon oft mit Dir diskutieren. Aber hier jetzt nicht mehr. Ist OT

 

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Der Dalai Lama hat  - vor inzwischen 25 Jahren in seinen Empfehlungen zum neuen Jahrtausend - mal folgenden schönen Satz gesagt:
Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.

Ich denke, damit lag er nicht ganz falsch. ;-) 

 

Bearbeitet von KerstinH
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Jonathan Franzen verwendet Aufzählungen als Stilmittel. Es sind regelrechte Kadenzen von Dingen oder Sachverhalten, die manchmal über fast eine halbe Seite gehen, und der Effekt beim Lesen ist der, dass man ein Gefühl des "Übersprudelns" bekommt, von Überfülle, was dann meistens auch zu dem passt, was vor sich geht.

Hemmt es den Lesefluss? Eigentlich nicht. Aber ich stelle mir vor, dass es den Schreibfluss hemmen muss, sich so viele zusammengehörige Elemente auszudenken. Vielleicht, sage ich mir, setzt er beim Schreiben erst mal nur eine Notiz in den Text "(hier jede Menge Gewürze/Erinnerungen/Gegenstände/… aufzählen)", schreibt dann weiter und kehrt später dahin zurück, um die Leerstelle auszufüllen.

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Am 27.11.2024 um 19:51 schrieb HenningS:

Für regelgläubige Menschen halte ich Sol Steins Ratgeber für sehr problematisch. Er betont an mehreren Stellen, dass nur seine Sichtweise, die richtige ist. Und er lässt andere Auffassungen nicht gelten.

Erinnere mich an Stellen, in denen er auch Gegenbeispiele gebracht hat, um zu zeigen, dass zwar der "Schreibanfänger" (wohl auch Normalautoren und -autorinnen) gut beraten ist, sich erst einmal an gewisse handwerkliche Regeln zu halten, es auf der anderen Seite jedoch Menschen gibt, die irgendwo ein angeborenes Schreibtalent haben, das dann nicht unbedingt diesen Regeln folgt, trotzdem aber genial ist. In einem Beispiel ging es dabei um die Regel Adjektive möglichst zu vermeiden. Das Gegenbeispiel, das nur so vor Adjektiven strotzte, zeigte dann, dass es eben auch anders geht. ABER man muss es halt irgendwie auch können. Und das ist dann halt die Art von Können, die man nicht erlernen kann, die man hat oder nicht hat.

Bearbeitet von Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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vor 5 Stunden schrieb Ramona:

ABER man muss es halt irgendwie auch können. Und das ist dann halt die Art von Können, die man nicht erlernen kann, die man hat oder nicht hat.

Nö, so was kann man schon auch lernen. Die ganzen Stilmittel und Erzähltechniken kann man durch Üben, durch Aussortieren, durch Abwandeln in die eigene Art zu erzählen einbauen, dann das Ganze ins Blut übergehen lassen und daraus entsteht dann ein ganz eigener Erzählton. Bzw, wenn man die Techniken dahinter kennt, kann man den Erzählton auch variieren, je nachdem, welcher Erzähler spricht, welche Geschichte man erzählen will. Aber es passiert auch sehr viel intuitiv, da hast du recht. Vielleicht auch durch Lese-Vorbilder, die man unbewusst übernimmt, weil sie einem gefallen.

Wolfgangs Textbeispiel oben hat für mich einen sehr souveränen Erzählton, deshalb hätte ich als Testleserin bei diesem Text niemals in den Stil eingegriffen. Man spürt, dass der gut eingeschliffen ist.

Bearbeitet von Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 10 Stunden schrieb Ramona:

Erinnere mich an Stellen, in denen er auch Gegenbeispiele gebracht hat, um zu zeigen, dass zwar der "Schreibanfänger" (wohl auch Normalautoren und -autorinnen) gut beraten ist, sich erst einmal an gewisse handwerkliche Regeln zu halten, es auf der anderen Seite jedoch Menschen gibt, die irgendwo ein angeborenes Schreibtalent haben, das dann nicht unbedingt diesen Regeln folgt, trotzdem aber genial ist. In einem Beispiel ging es dabei um die Regel Adjektive möglichst zu vermeiden. Das Gegenbeispiel, das nur so vor Adjektiven strotzte, zeigte dann, dass es eben auch anders geht. ABER man muss es halt irgendwie auch können. Und das ist dann halt die Art von Können, die man nicht erlernen kann, die man hat oder nicht hat.

 

vor 4 Stunden schrieb Susann:

Nö, so was kann man schon auch lernen. Die ganzen Stilmittel und Erzähltechniken kann man durch Üben, durch Aussortieren, durch Abwandeln in die eigene Art zu erzählen einbauen, dann das Ganze ins Blut übergehen lassen und daraus entsteht dann ein ganz eigener Erzählton. 

Wolfgangs Textbeispiel oben hat für mich einen sehr souveränen Erzählton, deshalb hätte ich als Testleserin bei diesem Text niemals in den Stil eingegriffen. Man spürt, dass der gut eingeschliffen ist.

Ich habe das in einer Textwerkstatt ganz hautnah erlebt. Sol Stein war dort das Nonplusultra, und jeder, der neu reinkam, erlebte sein blaues Wunder: Da wurde "Show don`t tell" gefordert, Adjektive wurden gestrichen, und als ich mal Adverbien statt Adjektive verwendete, schrieb jemand, das seien zu viele Adjektive. (Dieser Satz ist eine Aufzählung, die ich auch durch Punkte oder altmodische Semikolons hätte trennen können). Ich habe das dann internalisiert und auch bei anderen angewendet. Bis ich mitkriegte, dass einer einen Text so sehr zusammenstrich, dass er nur noch ein Gerippe war. Irgendwann kam in dieser Werkstatt die Einsicht, dass Stein eben nicht in Stein gemeißelt sein sollte ( in Steins eigenem Roman habe ich übrigens nichts von seinen guten Lehren wiedergefunden.) Auf jeden Fall habe ich eine Menge daraus gelernt und meinen eigenen Stil weiterentwickelt. "Tellen" finde ich heute noch schlecht zu lesen.

Wolfgangs Textbeispiel kannte ich schon, und ich erinnere mich, dass ich beim letzten Satz das Gefühl hatte, er sei zwei, drei Nebensätze zu lang. Beim eigenen Überarbeiten fällt es mir auf, wenn ich zu viele Aufzählungen mache. Zum Beispiel hatte ich das Leben in einem Tross mal so ausführlich beschrieben, dass ich ein Drittel davon wieder kürzte.

Aber was Jonathan Franzen angeht (den ich nicht gelesen habe), glaube ich, dass extensives Aufzählen die Wirkung einer Geschichte steigern kann. Ich habe es bei Peter Härtling gesehen, der einen Aufzählsatz über drei Seiten schrieb, an dem ich keinen einzigen hätte streichen oder kürzen mögen.

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vor 13 Stunden schrieb Christa:

Ich habe das in einer Textwerkstatt ganz hautnah erlebt. Sol Stein war dort das Nonplusultra, und jeder, der neu reinkam, erlebte sein blaues Wunder: Da wurde "Show don`t tell" gefordert, Adjektive wurden gestrichen, und als ich mal Adverbien statt Adjektive verwendete, schrieb jemand, das seien zu viele Adjektive …

Vergessen sollte man dabei vielleicht nicht, dass Jünger/Jüngerinnen meist härter urteilen als der Meister/die Meisterin selbst. Was wohl auch daran liegt, dass die Erfahrung und das Wissen des Meisters/der Meisterin dann doch wieder auf einem anderen Level schwingen. 

Bearbeitet von Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Am 27.11.2024 um 21:53 schrieb Wolf:

Aber regelgläubige Menschen werden niemals brauchbare Autoren werden können, weil es beim Schreiben keine oder kaum Regeln gibt.

Aber noch eine Anmerkung zur Regelgläubigkeit: Ich war wohl 15 Jahre alt, da habe ich mir ein Buch über klassische Harmonielehre besorgt. Darin hieß es, dass sogenannte "Quintenparallelen" beim Komponieren nicht erlaubt sind. Das hat mich viele Jahre lang beim Komponieren von Rockmusik gehemmt, weil ich nach den klassischen Regeln arbeiten wollte, aber mir nicht bewusst war, dass in der Rockmusik vollkommen andere Regeln gelten.

Durch diese Erfahrung habe ich ein sehr ambivalentes Gefühl zu "Regeln". (Siehe auch unten mein Zitat von E. George)

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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Es sind aber doch gar keine "Regeln", sondern in erster Linie Anleitungen für Anfänger und fortgeschrittene Anfänger. Ich habe ja nun so einige "Schreibratgeber" für den "Tempest" rezensiert und eigentlich ist mir bei den guten Ratgebern keiner begegnet, der Regeln als in Stein gemeißelte Verordnungen behandelt hätte. Was mir aber in Autorenforen immer wieder mal auffällt, ist, dass es Autorinnen und Autoren gibt, die das felsenfest behaupten. 

Bearbeitet von Ramona

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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Ich finde ja diese angebliche Regel mit den Adjektiven schräg und kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwo wirklich so steht. Wieso sollte man eine Wortart ausklammern wollen? Ich habe manchmal den Eindruck, das ist wie Stille Post oder wie Zweit- oder Drittübersetzungen, irgendwann verkehrt sich manches sogar ins Gegenteil. Angeblich heißt es ja im Aramäischen in der Bibel auch "Du sollst Vater- und Mutterschaft ehren ..."

Bearbeitet von KerstinH
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