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InezCo

Lektoratsfrage: Artikel von französischen Begriffen/Namen im deutschen Text

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Liebe Kolleg:innen,

ich bearbeite gerade das Verlags-Lektorat zu meinem nächsten Roman und habe eine Frage (bei einer eigenen Recherche habe ich dazu nichts gefunden).

Ich habe geschrieben (spielt 1912):

Der Gare de l’Est in Paris war einer der größten Bahnhöfe, die Joanna je gesehen hatte, (...).

Meine Lektorin macht daraus:

Die Gare de l’Est in Paris war einer der größten Bahnhöfe, die Joanna je gesehen hatte, (...).

Sie schreibt noch eine Anmerkung zum veränderten Artikel: „La gare ist im Frz. feminin; das Geschlecht wird am besten angepasst. Es heißt auch die Place (Platz) de la République oder der Pont (Brücke) Neuf.“

Auch wenn ich meine Lektorin und ihre Arbeit sehr schätze: Für mich hört sich „die Gare de l’Est“ einfach nur seltsam an. Wie seht ihr das? Kennt ihr diese Regel?

Liebe Grüße

Inez

Rebel Sisters 1: Die Pilotin (Lübbe, Juli 2024)

www.inez-corbi.de

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Die Regel kenne ich nicht, aber ich habe beim Lesen deiner Frage etwas Spannendes festgestellt.
Eingangs war ich nämlich gefühlsmäßig ganz klar bei "Hä? Natürlich nimmt man den deutschen Artikel. Der Gare de l'Est".
Aber je öfter ich die französische Form las, desto charmanter fand ich sie. Und jetzt bin ich eher für "die Gare de l'Est".

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Sebastian Niedlich

Ich find's auch merkwürdig.

Ich hab noch nie von jemanden gehört, der es "der Pont-Neuf" genannt hat. Oder "die Place de la Concorde". Fühlt sich völlig falsch an und entbehrt auch, mMn, jeglicher Logik, weil man dann als jemand, dem irgendwelchge Sprachen nicht geläufig sind, bei allen Sprachen wissen müsste, wie das da gehandhabt wird. Das erscheint mir widersinnig.

Der Logik folgend wäre es auch "das amerikanische Präsident", weil es im Englischen keine männlichen oder weiblichen Artikel gibt?

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Ich wohne an der Sprachgrenze D/F und habe so etwas, was deine Lektorin dir vorschlägt, noch nie gehört. Von einer Regel weiss ich auch nichts.  :-? 

Es mag vermutlich - keine Ahnung - grammatikalisch korrekt bzw. üblich sein, aber deutsche Leser:innen werden bei so etwas stocken und denken, dass es ein Fehler ist. Deutsche und Französisch ist ja so eine Sache. ;D

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Du könntest das Problem umgehen, indem du schreibst: Der Bahnhof Paris-Est...

Sonst geht es mir wie Margot. Eine diesbezügliche Regel ist mir nicht bekannt. Ich würde das fallweise entscheiden - der Place de la Concorde hört sich für mich als Französischkenner in jedem Fall sperriger als die Place (la place) de la Concorde an. Beim Bahnhof geht es mir genau umgekehrt.

 

 

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vor 2 Stunden schrieb InezCo:

Sie schreibt noch eine Anmerkung zum veränderten Artikel: „La gare ist im Frz. feminin; das Geschlecht wird am besten angepasst. Es heißt auch die Place (Platz) de la République oder der Pont (Brücke) Neuf.“

Ich glaube nicht, das es eine Regel ist, das Geschlecht anzupassen, sonst würde man ja auch sagen "la lune-die Mond" oder "le soleil-der Sonne".;) "Die Place de la République" klingt eindeutig falsch! Bei Wikipedia und beim Pariser Tourismusbüro wird es unterschiedlich gehandhabt. Bei Wikipedia heißt es "Der Gare de lést", im Tourismusbüro "Die Gare de lèst". Bei Pont Neuf geht für mich beides: Der Pont Neuf und die Pont Neuf.

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Ich denke, das Problem tritt hier vor allem deshalb auf, weil das Subjekt in dieser speziellen Konstruktion (in einem Satz mit "sein") zweimal genannt wird, das Subjekt also mit dem Objekt identisch ist - hier aber innerhalb des Satzes nun plötzlich sein Geschlecht wechseln soll. 

Die Gare de l’Est in Paris war einer der größten Bahnhöfe, die Joanna je gesehen hatte ...

Deshalb klingt es für unsere Ohren seltsam. Beim Verb sein rekurriert man im deutschen Satz auf dieselbe Sache.
Das wäre auch mein Argument gegenüber meiner Lektorin, in diesem Fall beim maskulinen Artikel zu bleiben (oder aber den Satz so umzubauen, dass er zumindest nicht mehr mit einer Form von sein - hier: war - gebildet wird).

Bearbeitet von KerstinH
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Antwort des Zwiebelfischs alias Sebastian Sick auf eine ähnliche Frage:

Die Place oder der Place – darüber lässt sich trefflich streiten! Als Romanist habe ich selbst lange Zeit dem französischen Geschlecht Vorrang erteilt und Sätze gesagt wie »Wir trafen uns auf der Place Vendôme« und »Wir trennten uns an der Gare du Nord«. Inzwischen aber bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass in deutschen Sätzen auch nach deutscher Grammatik verfahren werden sollte. Schließlich ist nicht jeder des Französischen mächtig. Und müsste man dann nicht auch bei jedem anderen Gebäude der Welt nach dem Geschlecht forschen, das ihm die jeweilige Landessprache zuweist?
(…) Wer übrigens in Paris die U-Bahn benutzt, der fährt mit "der Metro" – nicht mit "dem Metro", auch wenn es auf Französisch "le métro" heißt.

 

Krimi-Forum: „Liebevoll, teils schrullig, teils unglaublich witzig gezeichnete Figuren.“ Privatdetektivin Billie Pinkernell

 

 

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Ihr Lieben,

vielen Dank für eure Antworten, die ja doch - größtenteils - recht eindeutig sind. Dann bleibe ich bei meiner Version. Den Satz umbauen möchte ich eigentlich nicht - und mir ging es da auch darum, ob es da eine Regel gibt (offenbar nicht). Und es soll ja nicht klingen, als würde ich was Falsches schreiben ;-).

Nochmals danke!

Inez

Rebel Sisters 1: Die Pilotin (Lübbe, Juli 2024)

www.inez-corbi.de

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Ach, das habe ich jetzt erst gesehen. Das ist eine Frage bei dir, @InezCo , die eigentlich in die Übersetzungswissenschaft gehört, nämlich die Frage danach, ob man ein Nomen in einer Übersetzung mit einem Artikel ausstattet, dessen Genus der Ziel- oder der Herkunftssprache entspricht. Die Übersetzer und ihre Lehrbücher entscheiden da nach mehreren Gesichtspunkten. Mal richtet man sich nach Lautwerten, mal nach Sprachgesetzen in der Zielsprache,  nach durchgesetzten Gewohnheiten und mal nach dem Bekanntheitsgrad der referierten Sache selbst.

Z. B.  wird das russische Wort Wodka, das in der Herkunftssprache (mit seiner Endung a) eindeutig feminin ist, im Deutschen als Maskulinum – der Wodka – dargestellt, in Rücksicht auf eine Regel bei uns, die besagt, dass starke alkoholische Getränke zu den Maskulina gehören (der Whiskey, der Schnaps, der Likör). Dem japanischen Wort Kimono hat man in deutschen Texten ein der vorangestellt, was Japaner verblüffen dürfte, denn das Japanische besitzt gar kein nominales Genus. Da hat man wohl nach einer assoziativ gedachten lautlichen Zuordnung o = männlich (vgl. Otto, Timo etc.) entschieden. Ich hatte mal in einem Text das griechische Bouzouki. In der Herkunftssprache wird es mit einem Jota am Ende geschrieben (μπουζουκι), was ein eindeutiges Signal für Neutrum ist, die Lektorin machte die Bouzouki daraus, ich nehme an, sie hat den Auslaut so wahrgenommen, wie er in der lateinischen Schrift erscheint, nämlich als I, dieses mit weiblich assoziiert (Steffi, Evi, Miezi) und sich zusätzlich an einem deutschen Schlagertext orientiert. Ich hab das akzeptiert, wahrscheinlich geht es den Lesern ja ähnlich wie der Lektorin.

Das Thema ist schon ein eher großer Acker, auf dem unter Übersetzern (die im Übrigen zu den verträglichsten Menschen überhaupt gehören) viel diskutiert wird. Recht eindeutig ist die Lage allerdings bei weltberühmten Dingen wie etwa Bauwerken. Wenn der Kreml im Russischen maskulin ist und die Akropolis im Griechischen feminin, dann wird das in deutschen Texten auch so übernommen. Ich denke, das ist bei deinem Gare de l’Est genau so. 

 

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Vielen Dank, Angelika! Das gibt mir eine weitere, versierte Argumentationshilfe gegenüber meiner Lektorin. :)

Rebel Sisters 1: Die Pilotin (Lübbe, Juli 2024)

www.inez-corbi.de

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Am 14.3.2024 um 11:02 schrieb Margot:

Ich wohne an der Sprachgrenze D/F und habe so etwas, was deine Lektorin dir vorschlägt, noch nie gehört. Von einer Regel weiss ich auch nichts.  :-? 

Es mag vermutlich - keine Ahnung - grammatikalisch korrekt bzw. üblich sein, aber deutsche Leser:innen werden bei so etwas stocken und denken, dass es ein Fehler ist. Deutsche und Französisch ist ja so eine Sache. ;D

Dem schließe ich mich an. Und ich wohne ebenfalls an der Sprachgrenze, spreche mittelmäßig Französisch.
Eine beispielhafte Unterhaltung: 

Wo bist du jetzt? 
Am Place de la Concorde. 
Dann treffen wir uns gleich auf der Champs Elysées. 

Lt. der Lektorin müsste es ja heißen. 
Auf der Place de la Concorde. 
Dann treffen wir uns auf den Champs Elysées. 

Noch nie gesagt oder gehört. 

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Intuitiv würde ich den Artikel der Ursprungssprache benutzen:. »Wir treffen uns gleich auf der Piazza Navona.« (ital.) oder »Wir treffen uns gleich auf der Plaza de arriba.« (spanisch) In beiden Fällen ist der Artikel weiblich im Gegensatz zum deutschen "Platz". Der Beispielsatz wirft das Problem auf, dass die Gare de l'Est (fem.) anschließend beschrieben wird als einer der größten Bahnhöfe, ... (masc.). Als Deutscher ärgere ich mich immer darüber, dass Spanier ausländische Begriffe - obwohl weltweit bekannt - in spanischer Aussprache nutzen. Wenn ich von den "be-at-les" höre, sträuben sich mir die Nackenhaare. Als hisapano-affiner Mensch bevorzuge ich den Artikel in der Quellsprache, also die Gare de l'Est. Daran ändert sich für mich auch die nachfolgende Definition nicht - hier sehe ich keinen Gegensatz, da der Artikel zum Nomen gehört.

Krimis, Stories, Fantasy - in drei Welten unterwegs

Autor und Buchverbesserer

https://autor-michael-kothe.jimdofree.com/

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Hm, ich neige dazu, der Meinug der Lektorin zu folgen. Ich würde es instinktiv genauso aussprechen. Bei ähnlichem persönlichem Hintergrund wie meine Vorrednerinnen: Ich bin in Saarbrücken aufgewachsen …

Roland Muller: EISRAUSCH (erschienen am 13.08.2024 als Aufbau Taschenbuch, Hörbuch und E-Book)

https://roland-mueller-thriller.de und https://www.cafedigital.de

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Danke auch für die letzten Beiträge. Offenbar habe ich meine Lektorin überzeugt - oder sie hat es aufgegeben ;-) - jedenfalls bleibt es jetzt bei meiner Version.

LG

INez

Rebel Sisters 1: Die Pilotin (Lübbe, Juli 2024)

www.inez-corbi.de

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gut so!!

"Dem von zwei Künstlern geschaffenen Werk wohnt ein Prinzip der Täuschung und Simulation inne."  

AT "Aus Liebe Stahl. Eine Künstlerehe."

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