Zum Inhalt springen
KerstinH

Wer ist der Antagonist in … ?

Empfohlene Beiträge

Sebastian Niedlich
vor 3 Stunden schrieb KerstinH:

Deswegen mag ich auch solche theoretischen Diskussionen wie diese hier und breche die gern vom Zaun. Im Nachdenken, Formulieren und Erklären wird mir oft selbst was klar. Und euer Input gibt mir dabei neue Sichtweisen und Aha-Erlebnisse.

Das ist das, weswegen ich auch einige Schreibratgeber so mag. Ich nutze ggf. nicht die ganzen Tipps oder Regeln, die darin vorkommen, aber allein das Nachdenken darüber gibt einem so viele Ideen, dass man wieder für Jahre Stoff hat. (Ich mag auch einige Schreibratgeber nicht, weil man bei denen merkt, dass irgendwer die anderen, besseren Bücher gelesen hat, und nun versucht selber noch etwas Geld abzugreifen, ohne irgendeinen Mehrwert zu erschaffen.)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich würde gern meine Frage von weiter vorn nochmal aufnehmen:

Inwieweit kann man die gesamte antagonistische Kraft eines Stoffs eigentlich aufteilen? Leidet die Geschichte darunter oder wird sie größer? Geben mehr antagonistische Kräfte die Würze oder schmälern sie die Kraft des eigentlichen Antagonisten? Ist das eine Addition, eine Multiplikation - oder geht es ins Minus?

Oder: Wann sind mehrere antagonistische Kräfte/Impulse/Ideen hilfreich - und wann nicht?

Wahrscheinlich ist die Antwort: Geht alles, wenn man es richtig macht. Aber vielleicht könnten wir gelungene Beispiele für jede Richtung sammeln und analysieren? Oder welche, bei denen es schiefging …

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Vieles hängt vom Setting ab. Wenn ich einen Kommissar habe und einen Ganoven, dann gibt es wenig zu teilen. Wenn mein Protagonist (Frodo) von einigen wichtigen Nebenfiguren begleiet wird (Gandalf, zwei Hobbits, Aragorn und ein Elfe plus Zwerg) und es unter den Menschen Feinde und Verbündete gibt. Dann habe ich je nach Betrachtungsweise eine aufgefaserte Protagonist/Antagonist Beziehung. @Sebastian Niedlich würde wahrscheinlich von gleich einer Fülle von Protagonist/Antagonist Beziehungen sprehcen, die alle lokaler Natur sind. Aber diese beiden Betrachtungen sind im Grunde identisch. Im zweiten Beispiel verstärkt die Auffaserung die Kraft der Geschichte. Würde de rAutor so ezwas bei einem klassischen Krimi versuchen, würde es die Kraft schwächen, behaupte ich jetzt einfach mal.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sebastian Niedlich

Uh ... das ist eine Frage, die vermutlich eine laaaaange Antwort erfordert. Und vermutlich eine schwammige ...

Ja, natürlich ... es geht alles irgendwie. Ob man da eine richtige "Formel" findet, weiß ich nicht. Und was ich hier schreibe, ist ein wenig Stream Of Consciousness, also entschuldigt bitte, wenn das vielleicht etwas wirr rüberkommt.

vor 5 Minuten schrieb Wolf:

 @Sebastian Niedlich würde wahrscheinlich von gleich einer Fülle von Protagonist/Antagonist Beziehungen sprehcen, die alle lokaler Natur sind. Aber diese beiden Betrachtungen sind im Grunde identisch. Im zweiten Beispiel verstärkt die Auffaserung die Kraft der Geschichte. Würde de rAutor so ezwas bei einem klassischen Krimi versuchen, würde es die Kraft schwächen, behaupte ich jetzt einfach mal.

Ja, würde ich. Wobei das bei der Frage von @KerstinH ein wenig anders gedacht war, meine ich. In einer Geschichte gibt es ja in der Regel einen Hauptkonflikt, insofern gibt es (in vielen Fällen, aber nicht immer) auch einen Hauptantagonisten. Es gibt aber auch ggf. viele kleine Nebenkonflikte, die eben für begrenzte Zeit "kleinere" Antagonisten zeigen. In meinem Artus-Beispiel oben eben der schwarze Ritter, der mit dem Hauptkonflikt erstmal nichts zu tun hat. (Wobei in dem Fall ... argh ... nehmt das jetzt erstmal so hin.)
Rein theoretisch könnte in irgendeiner Geschichte z.B. dem Protagonisten das Portemonnaie geklaut werden. Dann hat man in der Story zunächst mal einen kurzzeitigen Antagonisten, weil der Protagonist eben mit dem im Konflikt ist. Das hat aber eben zunächst mal nichts mit dem Hauptkonflikt und ggf. Hauptantagonisten zu tun. (Ob man sowas dann überhaupt einbauen sollte, weil es sonst mit nichts zu tun hat ... das lasse ich jetzt mal offen.)

Ansonsten gibt es natürlich die Möglichkeit, den Hauptantagonisten im Hintergrund zu halten. Weil ich einfach nicht genug Krimis lese bzw. schaue, bitte ich zu entschuldigen, dass ich wieder ein anderes Beispiel bemühen muss, was mir halt einfach schneller in den Kopf schoss: Herr der Ringe.
Im Grunde ist ja Sauron der Antagonist, aber eigentlich kommt keine der handelnden Personen und Protagonisten in direkten Kontakt mit ihm. (Wenn man mal beim Film die Szenen am Anfang außer Acht lässt.) Wenn man so will, findet also kein direkter Konflikt statt. (Bzw. sollte im Film Aragorn am Ende des dritten Teils eigentlich Sauron statt eines Trolls bekämpfen, aber dann dachte man "Nee, das ist doof.")
Deine Frage, @KerstinH, ob das also in irgendeiner Form die Kraft des Antagonisten schmälert, könnte man anhand dieses Beispiels mit "Nein" beantworten. Ich würde aber zu bedenken geben, dass das nur funktioniert, weil man konstant daran erinnert wird, dass die ständig wechselnden Neben-Antagonisten in "Herr der Ringe" alle quasi seine Handlanger sind und man ständig an seine "Macht" erinnert wird. In "Star Wars" funktioniert das auch sehr gut, weil man da Darth Vader zunächst mal als ultimativ Böse wahrnimmt und dann irgendwann mitkriegt "Ey, wie jetzt, der ist nur der Handlanger von einem? Wie krass muss DER Typ dann sein?". Und der Imperator zeigt dann eben auch, dass er noch ne Nummer härter ist. Thanos in den Marvel-Filmen hat man so ähnlich aufgebaut. "Star Wars" und die "Marvel"-Filme sind auch gute Beispiele für den gegenteiligen Effekt, wenn man die Haupt-Antagonisten zu diffus oder zu wenig gefährlich darstellt. In der Sequel-Trilogie von "Star Wars", die ja ohnehin nicht geplant war, hat man den Imperator nur nachgeschoben, um dann sagen zu können "Ähm ... das hat der schon immer geplant! Echt jetzt! Äh ... kauft doch etwas Spielzeug. Bitte." Kylo Ren wurde eigentlich in den ersten Filmen als Hauptantagonist aufgebaut. Der wurde aber leider zunächst mal als trotziges Kind dargestellt, weswegen man sich da nur bedingt fürchtete. Und bei Marvel ist in den neueren Filmen mit Kang als Big Bad ein Typ eingeführt worden, den wir in erster Linie als etwas trotteligen Typen sehen, der sogar von weniger wichtigen Helden besiegt werden kann. Da entsteht einfach keine Spannung.

Aufgeteilte Antagonisten schmälern manchmal ein wenig das Vergnügen, gerade dann, wenn es nicht mehr um die gleiche Sache geht. Hier auch wieder als Beispiel "Herr der Ringe", allerdings das Buch: Ganz am Ende kehren die Hobbits ins Auenland zurück und sehen dann, dass Saruman, der ehemalige Chefzauberer, die übrigen Hobbits versklavt hat. Mal abgesehen davon, dass die eigentliche Geschichte bereits zu Ende ist, hat man auch nie das Gefühl, dass Saruman hier ggf. die Weltherrschaft übernehmen könnte, ganz im Gegensatz zu Sauron. Es ist gleich in mehrfacher Hinsicht erzähltechnisch völlig daneben und wurde im Film (bis auf ein paar kleine Verweise) dadurch berechtigterweise gestrichen.

vor 3 Stunden schrieb KerstinH:

Oder: Wann sind mehrere antagonistische Kräfte/Impulse/Ideen hilfreich - und wann nicht?

Kommt darauf an? Vor allem auf das Thema, um das es in der Geschichte eigentlich geht. Also die Kernfrage, die man zu beantworten sucht. Und auf das Setting.

Wenn man eine Survival-Story schreibt, wird es sich vermutlich in erster Linie irgendwie um "Mensch Vs. Natur" drehen. Die antagonistischen Kräfte wären also diverse Naturgewalten. Vermutlich wäre es sehr eintönig, wenn es immer dieselben wären. Insofern wären hier mehrere antagonistische Kräfte sogar wünschenswert. Aber es kommt darauf an welche. Würde man das jetzt noch mit anderen Dingen verknüpfen, also müsste der Protagonist nicht nur gegen die Natur kämpfen, sondern auch gegen Drogenbosse, Killerroboter, Außerirdische und das jamaikanische Bob-Team ... dann fragt man sich irgendwann: Wird hier nur wahllos irgendwelches Zeug gemischt? Hat das ganze eine Aussage? Und wenn ja, welche genau?
Vielleicht gibt es ja eine Möglichkeit das alles miteinander zu einem sinnvollen Ganzen zu verbinden, aber dazu müsste man sich halt über die Frage, die man beantworten will, im Klaren sein, denn die bestimmt eben auch, welche antagonistischen Kräfte wir akzeptieren und welche nicht.

Würden wir z.B. einen Krimi schreiben, in dem es um die Frage geht "Sind auch gute Polizisten unter den richtigen Umständen korrumpierbar?", so müsste man natürlich antagonistische Kräfte haben, die genau diese Frage immer wieder aufwerfen. In dem Fall müssten die nicht mal etwas miteinander zu tun haben. Aufgrund der Frage müsste der Polizist halt gegen Korruption kämpfen und selber damit konfrontiert werden. Wenn der Polizist z.B. gegen irgendeinen Gangsterboss ermittelt, der seine Kollegen schmiert, aber von einem Kleinganoven, der mit dem nichts zu tun hat, eine kleine Bestechung akzeptiert, könnte man die Frage mit "Ja" beantworten. Da ginge es wahrscheinlich weniger um EINEN einzigen Antagonisten, als um eine ganze Reihe, die quasi das antagonistische Thema "Korruption" oder "Verführung" symbolisieren.

Mir fallen tatsächlich gerade wenige bis keine Beispiele ein, wo es nur einen Antagonisten gibt. In der Regel hat man immer mal zwischendurch Mini-Antagonisten, die halt dem oder den Protagonisten in die Quere kommen. In vielen Verfilmungen von "Der Graf von Monte Cristo" werden die vielen Antagonisten des Buches oftmals zu einem Antagonisten zusammengefasst. Das spart natürlich Zeit und macht das Ziel weniger vage. In irgendwelchen "Zwei Frauen streiten sich um einen Mann" oder "Zwei Kerle streiten sich um eine Frau"-Geschichten gibt es halt auch relativ klare Antagonisten.

Insofern würde ich vielleicht viel allgemeiner sagen wollen: Antagonisten sind die Personen oder Kräfte, welche in dem gegebenen Setting am besten einen Konflikt zum Protagonisten herstellen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 11.1.2024 um 09:59 schrieb KerstinH:

Inwieweit kann man die gesamte antagonistische Kraft eines Stoffs eigentlich aufteilen? Leidet die Geschichte darunter oder wird sie größer? Geben mehr antagonistische Kräfte die Würze oder schmälern sie die Kraft des eigentlichen Antagonisten? Ist das eine Addition, eine Multiplikation - oder geht es ins Minus?

Nehmen wir an, es geht in einer Geschichte um Feminismus. Protagonistin ist einer Frau, die sich für Gesellschaft und Politik zunächst nicht besonders interessiert, aber dies im Lauf der Geschichte mehr und mehr tut. Antagonist sind patriarchalische Strukturen/Vorstellungen. Da wäre es mE geradezu zwingend, die antagonistische Kraft aufzuteilen: Auf welche Weise zeigen sich patriarchalische Strukturen in ihrer Beziehung, in ihrem Beruf, bei den Vorstellungen ihrer Eltern uvm. Wenn wir zB nur die Frau in der Auseinandersetzung mit ihrem Mann/festen Freund zeigen würden, könnte das gesellschaftliche Thema zu sehr auf ein persönliches reduziert werden.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Guter Einwand (von euch beiden): Das übergeordnete Thema bestimmt. Wenn es das gibt, kann man auch im Krimi weg von einer eindimensionalen Täter/Ermittler-Jagd.

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 11.1.2024 um 14:17 schrieb Sebastian Niedlich:

Aufgeteilte Antagonisten schmälern manchmal ein wenig das Vergnügen, gerade dann, wenn es nicht mehr um die gleiche Sache geht.

Die Spannung kann dadurch aber auch extrem gesteigert werden.

In den Serien "Breaking Bad" und "Ozark" sind die Protagonisten Menschen, die durch die Umstände zu "kleinen" Verbrechern wurden. Und es gibt drei Antagonisten: die Polizei und zwei konkurrierende Gangsterbanden. Dadurch gibt es riesige Möglichkeiten wechselnder Allianzen und Bedrohungen.

Bei "The Amaricans" gibt es das russische Agentenehepaar und den FBI-Mann, der zufällig ihr Nachbar ist. Die Kinder der Agenten, die nicht wissen, dass ihre Eltern Agenten sind, die russischen Auftraggeber und die Vorgesetzten des FBI-Mannes.

Bei "Mad Men" (Werbeagentur) und "The Good Wife" (Anwaltskanzlei) sind so gut wie alle Figuren Protagonisten und Antagonisten zugleich, und auch hier entsteht ein Großteil der Spannung aus wechselnden Allianzen.

Auch in Holgers "Die Toten von Marnow" gibt es übrigens zwei Antagonisten: die einen mit dem Ziel Rache, die anderen mit dem Ziel Vertuschung.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 7.1.2024 um 13:19 schrieb Ulrike:

 ... ich würde so gerne ja mit euch mal John Truby besprechen.

So, ich hab jetzt damit angefangen und komme schon über die ersten Seiten nicht hinaus. Bereits beim Punkt Prämisse: Was unterscheidet die eigentlich vom Thema? Und was die Prämisse vom Pitch? Ich mach dazu aber keinen neuen Thread auf, weil es im Forum erstens schon so viele dazu gibt (in denen ich gerade herumschmökere), weil zweitens die Antworten bestimmt noch im Buch kommen und weil drittens ich durch eigenes Nachdenken ganz gut in meinen eigenen Text reinkomme. Also, das waren jetzt eher rhetorische Fragen. 

Edit: Gute zwei Stunden später beginne ich klarer zu sehen, wie und in welchen Situationen diese Begriffe/Tools/Definitionen mir helfen (werden), und dass sie tatsächlich unterschiedliche Funktionen haben, obwohl sie eng miteinander verzahnt sind.

Das Gute an solchen Ratgebern ist, dass man selbst wieder ins Reflektieren kommt. Deshalb nochmal danke für die Anregung, @Ulrike :-) .

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 8 Stunden schrieb KerstinH:

Bereits beim Punkt Prämisse: Was unterscheidet die eigentlich vom Thema? Und was die Prämisse vom Pitch?

Ich habe über diese und andere Begriffe schon stundenlang recherchiert. Ich glaube, wir müssen uns damit abfinden, dass es keinen Definitionspapst gibt, der diese Begriffe eindeutig und unveränderlich definiert. Insofern kann es in unseren Unterhaltungen auch immer wieder zu Missverständnissen kommen.

Davon abgesehen ist "The Anatomy of Story" genau wie "Story" von McKee ein großartiges Buch, das mir viele neue Einsichten, Sichtweisen und Ideen gebracht hat. Sehr gefällt mir zB die Unterscheidung zwischen "Need" und "Desire". Und später auch der Rat, die Konstruktion einer Geschichte mit dem Moment der "Self-revelation" zu beginnen.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 13 Stunden schrieb HenningS:

Ich glaube, wir müssen uns damit abfinden, dass es keinen Definitionspapst gibt, der diese Begriffe eindeutig und unveränderlich definiert.

Stimmt. Ich habe das jetzt vor allem für mich selbst klargekriegt. Also so, dass es mir hilft. Interessanterweise haben die (meine) Definitionen vor allem mit der Funktion des entsprechenden Tools zu tun, also, in welchen Situationen ich es anwende und ob überhaupt. Also nicht im Sinne von: „Ein Pitch ist eine konzentrierte Inhaltsangabe von zwei bis drei Sätzen, während eine Prämisse nur einen beinhaltet“, sondern eher so: „Ein Pitch ist ein Verkaufstext, während eine Prämisse … usw.“

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 25.1.2024 um 12:15 schrieb KerstinH:

So, ich hab jetzt damit angefangen und komme schon über die ersten Seiten nicht hinaus. Bereits beim Punkt Prämisse: Was unterscheidet die eigentlich vom Thema? 

 

Vielleicht helfen dir diese Gedanken weiter: Du kannst das Thema auch den Wert der Geschichte nennen. Welchen Wert behandelt / untersucht dein Roman? Beispiele dafür können sein: Toleranz, Würde, Verrat, Freiheit, usw. Es ist super hilfreich, wenn man das Thema tatsächlich mit einem Wort beschreibt, diese Knappheit führt zu Klarheit und Präzision.

Eine Prämisse nenne ich persönlich lieber „These“. Damit meine ich die Arbeitsthese, die du im Lauf deiner Geschichte zeigst / beweist. Ein Beispiel: Nehmen wir an, dein Roman behandelt das Thema „Freiheit“. Zu diesem Thema / Wert kann es ja völlig unterschiedliche Thesen geben. Zum Beispiel :

Variante 1:

·        Thema: Freiheit

·        These: Freiheit ist das höchste Gut. Nur so ist Selbstentfaltung und Individualität möglich.

Variante 2:

·        Thema: Freiheit

·        These: Freiheit ist gefährlich. In der Fülle der Möglichkeiten findet sich niemand mehr zurecht, es fehlt an Orientierung, Chaos ist die Folge.

Variante 3:

·        Thema: Freiheit

·        These: Freiheit macht einsam. Freiheit führt zur Ich-Zentrierung und Trennung zur Menschenherde.

Die These muss sich natürlich nicht mit deiner persönlichen Haltung decken. Aber sie ist die Haltung, die du als Autor:in im Verlauf der Geschichte durch den Plot und die Figurenentwicklung beweist. Je nach These ergeben sich völlig unterschiedliche Geschichten. Manche Autor:innen (insbesondere Bauchschreiber:innen) formulieren die These lieber als Frage.

Kurz geschrieben: Thema und These geben der Geschichte eine Richtung, ein Ziel. Mit dem Tandem Thema/These werfen Autor:innen die zentrale Frage der Geschichte auf. Durch die Handlungen der Figuren werden Thema und These für Leser:innen sichtbar.

 

Liebe Grüße,

Bettina

 

 

Bearbeitet von Bettina Wüst

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Super, vielen Dank, Bettina.

Inzwischen habe ich mir meine Prämisse/These schon extrahiert und sehe dadurch tatsächlich klarer (das Thema hatte ich schon, aber das reichte offensichtlich nicht). Und ja, eine These/Prämisse hat per se weder was mit Moral noch was mit der persönlichen Haltung des Autors zu tun, kann es aber (und es schreibt sich wahrscheinlich leichter, wenn man nicht gegen seine Einstellungen anschreiben muss, weil dann das Unbewusste besser mitarbeiten kann). Wichtig auch: Eine Prämisse ist nicht allgemeingültig.

Abgesehen davon, dass die Prämisse der Geschichte also eine Richtung gibt, wie du schreibst, half mir das jetzt auch, mich im Wust meiner Ideen zurechtzufinden. Im Grunde muss so ziemlich jede Szene an der Prämisse zu messen sein, ansonsten verwässert sie die Story nur, die Geschichte mäandert ... Dieses Wissen hilft mir sehr, die ich durch meine Heftromane in sehr engen Grenzen zu schreiben gewohnt war - und das befreiend fand, weil ich dadurch ein stabiles Gerüst hatte und gleichzeitig testen konnte, inwieweit sich diese Grenzen verschieben lassen, ohne dass man das Genre verlässt und die Leser enttäuscht. Quasi wie ein Zweijähriges an der sicheren Hand der Mutter, das zu gleicher Zeit überall hinstolpern will, weil die Welt plötzlich so groß geworden ist. Im Krimi war für mich dahingehend, weil ich die Gesetzmäßigkeiten noch nicht verinnerlicht habe, plötzlich zu viel Freiheit da …

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sehr gerne, Kerstin.

Es lohnt sich übrigens, das Thema, den Wert genauer unter die Lupe zu nehmen. Und auch den Gegenwert und die verschiedenen Facetten dieser Werte zu beleuchten. Dadurch kann man auf wunderbare Ideen hinsichtlich des gesamten Romanpersonals kommen :).

" Winterschwestern" (AT)
Figuren- und Storypsychologie

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Sollte das schon thematisiert worden sein, sorry. Der Herr der Ringe ist für mich auch deshalb so genial, weil der Held, Frodo, letztlich versagt, den Ring herzugeben, aber dadurch, dass er seinen Antagonisten, nämlich Gollum, der m.E. sein alter Ego ist, vor dem Tod bewahrt hat, der Ring doch noch zerstört wird.

_________________________________________________

www.martinconrath.de

Jede Art des Schreibens ist erlaubt - nur nicht die langweilige (Voltaire)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb Ulrike:

Habe leider die Grippe und kann nicht mitdiskutieren. Nur, damit ihr euch nicht wundert. Kann nicht so gut denken...

Liebe Grüße

Ulrike

Ging mir über Weihnachten auch so, Ulrike. Krass, wie das derzeit grassierende Grippevirus das Denkvermögen ausschaltet. (Kommt aber zum Glück wieder ;-) ).

Gute Besserung!

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 28.1.2024 um 13:15 schrieb KerstinH:

die ich durch meine Heftromane in sehr engen Grenzen zu schreiben gewohnt war - und das befreiend fand, weil ich dadurch ein stabiles Gerüst hatte und gleichzeitig testen konnte, inwieweit sich diese Grenzen verschieben lassen, ohne dass man das Genre verlässt und die Leser enttäuscht.

Kerstin, wieder einmal werde ich neugierig auf deine Heftromane. :s18

„… so glaubhaft, dass man am liebsten nach Little Nymfield reisen möchte." 

"… eine meiner am meisten geschätzten Wohlfühlreihen.:s13

"Mama, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem eigentlich gar nicht so viel passiert, dass aber trotzdem soooo schön ist

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 7.1.2024 um 00:29 schrieb KerstinH:

Liebe Montis, 

ausgehend von der Frage in Ulrikes Thread, wer in bestimmten Büchern oder Filmen eigentlich als Antagonist fungiert, mache ich diesen Thread mal auf mit zwei von Holgers Beispielen:

  1. Wer ist der Antagonist in "2001 - Odyssee im Weltraum"?
  2. Wer ist der Antagonist in "Und täglich grüßt das Murmeltier"?

Und warum seht ihr das so?

Auf eine spannende Diskussion und viele weitere interessante Beispiele.

Ich habe von den beiden Filmen nur "Und täglich grüßt das Murmeltier"  for mehr als 25 Jahren gesehen, aber entfernt hat mich der Plot und damit auch die Frage nach dem Antagonisten an "Pretty Woman" erinnert.
Wenn ich mich recht erinnere, gelingt es der Hauptfigur bei "Und täglich grüßt das Murmeltier", den eigenen Zynismus durch die Beziehung zu einer Frau zu überwinden. Bei "Pretty Woman" ist es ähnlich, in diesem Fall überwindet die männliche Hauptfigur ebenfalls seinen zynischen raubtierhaften Trieb, in diesem Fall den Kauf und die Zerschlagung von Firmen, durch die Liebe zu einer Frau, die seine primitive Natur bändigt und ihn dazu bringt, die Firmen, die er kauft, nicht mehr zu zerschlagen, sondern weiterzuführen. Der Kern einer Liebesgeschichte ist für mich der Konflikt zwischen den beiden Hauptfiguren, wobei der zynische Mann der Antagonist ist, dessen rohe Natur die Frau überwindet und somit zur Heldin der Geschichte wird.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Da hier naheliegenderweise Hanibal Lecter angesprochen wurde, und mich das Thema sehr interessiert: Es gibt eine sehr klare Antwort darauf, was einen Antagonisten ausmacht, da der Archetyp des Antagonisten in der menschlichen Psyche tief verwurzelt ist, und wir ihn wiedererkennen, wenn wir ihn in einer Erzählung sehen.

Warum sind Hanibal Lecter und Darth Vader solche Ikonen der modernen Popkultur, obwohl sie an sich den Antihelden sowie den Antagonisten repräsentieren, die der Held der Geschichte überwinden muss?
In beiden Fällen stehlen sie sogar den Helden der Geschichte die Show: Hanibal Lecter und Darth Vader haben einen stärkeren Wiedererkennungswert als Clarice Starling und Luke Skywalker.

Das ist keine rethorische Frage, sondern es gibt eine klare Antwort darauf, die den Kern des Antagonisten klar beschreibt: Der Antagonist ist immer ein Abbild des Archetyps des tyrannischen Vaters, dessen Respekt der Held der Geschichte verdienen muss. Da der Vater oft der erste Mensch im Leben ist, vor dem sich ein Mensch fürchtet, weil seine Fürsorge mit Autorität verbunden ist, hat diese Rolle in Erzählungen einen Wiedererkennungswert, den Menschen jeglicher Herkunft instinktiv verstehen können.

In "Das Schweigen der Lämmer" und "Star Wars: A new Hope" (der 1. Star Wars Film) ist dieser Archetyp des tyrannischen Vaters nicht nur ausgezeichnet und beispielhaft dargestellt, es gibt wenige Filme, die sich in Handlung, Dramaturgie, Charakterentwicklung und szenischer Abfolge so ähnlich sind wie diese beiden Filme.

"Archetyp des tyrannischen Vaters" klingt negativ. Doch dieser Archetyp, der in jeder Guten Geschichte vorkommt, ist vielschichtiger, als der Begriff andeutet, und ist der Grund, warum Hanibal Lecter und Darth Vader solche Ikonen sind: Das Entscheidende ist nicht, dass der tyrannische Vater ein Tyrann ist, sondern dass er die Fähigkeit hat, seinen tyrannischen Character durch den Einfluss des Helden der Geschichte abzulegen und die Leistung des Helden anzuerkennen.

In "Das Schweigen der Lämmer" ist die erste Begegnung zwischen Hanibal Lecter und Clarice Starling exemplarisch: Er verhöhnt sie, erwähnt ihre billigen Schuhe, ihre billige Handtasche, ihren verwahrlosten Südstaaten-Hintergrund sowie die Tatsache, dass ihr FBI Ausweis nur noch eine Woche lang gültig ist und sie nur ein Lehrling sei.

Der Kontrast dazu ist die Schlussszene: Als er sie nach erfolgreicher Flucht aus den Bahamas anruft, ist er respektvoll und redet mit ihr wie auf gleicher Augenhöhe, da sie mit ihrer erfolgreich abgeschlossenen Fahndung nach dem Serienmörder Buffalo Bill seinen Respekt verdient hat: Die Hauptfigur hat den Archetyp des tyrannischen Vaters überwunden.

In "Star Wars: A new Hope" ist es der gleiche Handlungsablauf: Beim ersten Aufeinandertreffen verhöhnt Darth Vader Luke Skywalker, und am Ende des Films, nachdem die Hauptfigur die dramaturgische Entwicklung gemeistert hat, sagt er anerkennend beim Flugduell am Todesstern: "Beeindruckend. Höchst beeindruckend."

Für die gelungene Darstellung des Antagonisten ist jedoch der Antagonist alleine nicht genug: Der Archetyp des tyrannischen Vaters braucht den Kontrast mit dem Archetyp des bedingungslos liebenden Vaters.

In "Das Schweigen der Lämmer" wird der bedingungslos liebende Vater von Jack Crawford dargestellt, dem väterlichen Chef von Clarice Starling, der sie beauftragt, mit Hanibal Lecter ein Interview zu führen.

In "Star Wars: A new Hope" ist Obi Wan Kenobi der bedingungslos liebende Vater, der Luke Skywalker von Darth Vader erzählt und ihn die Jedi-Mythologie einführt.

Ohne den Kontrast mit dem Vater, der der Hauptfigur bedingungslose Liebe anbietet, funktioniert der Archetyp des tyrannischen Vaters nur bedingt, da dem Publikum der Bezugspunkt fehlt, um diese einzuordnen.

Unter öffentlichen Figuren ist der Archetyp des tyrannischen Vaters ebenfalls allgegenwärtig: Millionen Menschen sehen Dieter Bohlen und Gordon Ramsay dabei zu, wie sie in Casting- und Reality Shows die Lehrlinge und Bewerber zu Grund und Boden schimpfen, ihnen Tiraden and den Hals werfen und sie selbst bei kleinen Fehlern ihrer Laune aussetzen.

Wenn sie nur dies täten, würden sich nicht viele Leute für sie interessieren. Interessant werden sie dadurch, dass ab und zu ein Kandidat vor ihnen steht, dessen Leistung sie ehrlich anerkennen. Das ist der Held, der den tyrannischen Vater überwunden hat, und diese Dramaturgie ist für jeden Menschen verständlich, da sie auf ein instinktiv erlerntes Prinzip zurückgreift.

Wer bis hierhin gelesen hat: Danke, Fragen oder Kommentare gerne ;)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 33 Minuten schrieb AlexanderW:

Wenn sie nur dies täten, würden sich nicht viele Leute für sie interessieren. Interessant werden sie dadurch, dass ab und zu ein Kandidat vor ihnen steht, dessen Leistung sie ehrlich anerkennen. Das ist der Held, der den tyrannischen Vater überwunden hat, und diese Dramaturgie ist für jeden Menschen verständlich, da sie auf ein instinktiv erlerntes Prinzip zurückgreift.

Sehr spannend. Allerdings wurde hier im Verlauf des Threads - ich habe beide Filme nicht vollständig gesehen - erwähnt, dass Hannibal Lector eher eine Mentorenrolle besetzen würde. Wobei einem Antagonisten, sobald er zum Wachstum des Helden beiträgt (was ja ein Teil seiner dramaturgischen Aufgabe ist), diese Rolle wohl sowieso innewohnt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 5 Stunden schrieb AlexanderW:

Wenn sie nur dies täten, würden sich nicht viele Leute für sie interessieren. Interessant werden sie dadurch, dass ab und zu ein Kandidat vor ihnen steht, dessen Leistung sie ehrlich anerkennen. Das ist der Held, der den tyrannischen Vater überwunden hat, und diese Dramaturgie ist für jeden Menschen verständlich, da sie auf ein instinktiv erlerntes Prinzip zurückgreift.

Ich habe mich letztens auch damit beschäftigt, was einen schillernden Antagonisten ausmacht. Meine Erkenntnis deckt sich in diesem Punkt mit deiner.
Schillernde Antagonisten haben zwei widersprüchliche Seiten an sich. Hanibal Lecter ist grausam, aber zudem intelligent, hilfsbereit und höflich. Annie aus Misery ist sadistisch aber auch fürsorglich und begeisterungsfähig. Diese Widersprüchlichkeit in ihrem unumstößlichen Charakter macht sie so faszinierend.

Ob Hanibal Antagonist ist oder nicht, sei mal dahingestellt, mich interessierte, warum es „böse“ Figuren gibt, die so eine Faszination ausüben.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 40 Minuten schrieb Sabine:

Hanibal Lecter ist grausam, aber zudem intelligent, hilfsbereit und höflich. Annie aus Misery ist sadistisch aber auch fürsorglich und begeisterungsfähig. Diese Widersprüchlichkeit in ihrem unumstößlichen Charakter macht sie so faszinierend.

Das ist interessant. Ich habe das bis jetzt immer so gesehen, dass ein Antagonist nicht plump sadistisch oder böse nur der Rolle wegen sein sollte, sondern dass irgendwas sein Handeln motivieren muss, was zumindest ansatzweise nachvollziehbar (nicht gutzuheißen!) sein sollte. Aber diese „sympathische“ Eigenschaft im Bösen, das ihn im gegenwärtigen Moment faszinierend macht, das finde ich grade sehr spannend. 

Wenn ich weiter drüber nachdenke, scheint mir das fast der Mechanismus vom Stockholm-Syndrom zu sein: Die Gefahr wirkt beherrschbarer, wenn man ihr auch ein paar gute Seiten abgewinnen kann. Im Fall von fiktiven Geschichten, also Krimis, Triller usw., liegt der Reiz also im scheinbar beherrschbaren Spiel mit dem Feuer? Man glaubt, dem Bösen auf einer Ebene, die man kennt, beikommen zu können?

Bearbeitet von KerstinH
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Um es mit dem Stockholm-Syndrom gleichzusetzen müsste aber doch das Opfer im Roman diese Seiten am Antagonisten schätzen, bzw der Leser identifiziert sich mit dem Opfer und empfindet deshalb so. Ich glaube, da hinkt der Vergleich ein wenig. Der Leser findet den Antagonisten ja faszinierend, während er nicht in der Rolle des Opfers ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Jaaaaiiiiin ... Ich kann Filme, wenn sie zu gruslig sind, nicht zu Ende schauen. Bei "Schweigen der Lämmer" ging es mir ähnlich. Aber Antonin Hopkins hat auch in dieser Rolle etwas verborgen Gentlemanlikes, etwas Faszinierendes, das mir erlaubte, trotz der Gefahr, die ich spürte (natürlich für die Heldin, aber mit der identifiziere ich mich als Leserin ja oder fühle zumindest mit ihr mit), dem Film doch eine Weile zu folgen. Dieses Galante - so will ich es mal nennen - reduzierte die Gefahr, den Grusel irgendwie für mich. Natürlich war das grundfalsch, aber es machte mir die Figur eben grade noch erträglich. In diesem Sinne meinte ich das. Stockholm-Effekt zwischen Leser*in und Antagonist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Bitte melde Dich an, um einen Kommentar abzugeben

Du kannst nach der Anmeldung einen Kommentar hinterlassen



Jetzt anmelden


×
×
  • Neu erstellen...