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KerstinH

Wer ist der Antagonist in … ?

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@KerstinHs Eingangsfrage verursacht bei mir eine leichte Panikattacke. Denn das sind genau solche Fragen, die ich nie beantworten kann. Ich denke schlichtweg nie über derartige Fragen in Bezug auf das Schreiben nach. Das mag auch der Grund sein, warum ich noch keinen Bestseller geschrieben habe. Ich bekomme da sofort ein schlechtes Gewissen, nie über das Schreiben nachzudenken. Die Diskussion hier habe ich mit Interesse verfolgt, doch kann ich das nie auf mein eigenes Schreiben übertragen. Das ist genau der Grund, warum ich mit Schreibratgebern nichts anfangen kann. Ich bekomme den Transfer zu meinem Schreiben nicht gebacken. Und die Antagonisten-Diskussion hier, so spannend sie ist, verunsichert mich gerade sehr. Denn ich merke, ich will nicht über das Schreiben nachdenken, sondern einfach schreiben.

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vor 46 Minuten schrieb ChristophM:

@KerstinHs Eingangsfrage verursacht bei mir eine leichte Panikattacke. Denn das sind genau solche Fragen, die ich nie beantworten kann. Ich denke schlichtweg nie über derartige Fragen in Bezug auf das Schreiben nach. Das mag auch der Grund sein, warum ich noch keinen Bestseller geschrieben habe. Ich bekomme da sofort ein schlechtes Gewissen, nie über das Schreiben nachzudenken. Die Diskussion hier habe ich mit Interesse verfolgt, doch kann ich das nie auf mein eigenes Schreiben übertragen. Das ist genau der Grund, warum ich mit Schreibratgebern nichts anfangen kann. Ich bekomme den Transfer zu meinem Schreiben nicht gebacken. Und die Antagonisten-Diskussion hier, so spannend sie ist, verunsichert mich gerade sehr. Denn ich merke, ich will nicht über das Schreiben nachdenken, sondern einfach schreiben.

Dann mach das, Christoph. Über das Schreiben nachzudenken, ist doch kein Garant, einen Bestseller zu schreiben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich kann den ganzen Tag nachdenken und trotzdem Mist schreiben. :-) Denk nicht nach, wenn du das nicht willst. Schreib einfach. Wir sind alle unterschiedlich. Wir schreiben alle unterschiedlich und es gibt da kein Richtig oder Falsch. Ich meine das total ernst! Lass dich bloß nicht verunsichern.

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Ich würde nochmal gern etwas zu Forrest Gump sagen. Tatsächlich ist bei mir eine Bösartigkeit oder generell unterschwellige Aggression auf linke Intellektuelle nicht angekommen. Ich habe es aus feministischer Perspektive gesehen. Jennys Lebensweg war für mich von Anfang bis Ende die Geschichte einer Frau, die von Männern missbraucht wurde, ganz egal, woher sie kamen. Bis auf Forrest Gump, der ja diesem allgemeinen Männlichkeitswahn nicht gefolgt ist.

Der Kapitän war für mich da ein Paradebeispiel für einen Mann, der sich keine Schwäche zugestehen wollte, und zutiefst gedemütigt war, auf Hilfe angewiesen zu sein. Er stammte aus einer Familie, der Männer über Generationen in den Krieg zogen. Die Heirat mit seiner Frau war für mich ein Zeichen, dass er in Fremden keine Feinde mehr sah und Frieden geschlossen hatte.

Und das gehört schon alles zum Thema. Was oder wer ist hier der Antagonist? Spannend.

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vor 5 Stunden schrieb ChristophM:

@KerstinHs Eingangsfrage verursacht bei mir eine leichte Panikattacke. Denn das sind genau solche Fragen, die ich nie beantworten kann. Ich denke schlichtweg nie über derartige Fragen in Bezug auf das Schreiben nach. Das mag auch der Grund sein, warum ich noch keinen Bestseller geschrieben habe. Ich bekomme da sofort ein schlechtes Gewissen, nie über das Schreiben nachzudenken. Die Diskussion hier habe ich mit Interesse verfolgt, doch kann ich das nie auf mein eigenes Schreiben übertragen. Das ist genau der Grund, warum ich mit Schreibratgebern nichts anfangen kann. Ich bekomme den Transfer zu meinem Schreiben nicht gebacken. Und die Antagonisten-Diskussion hier, so spannend sie ist, verunsichert mich gerade sehr. Denn ich merke, ich will nicht über das Schreiben nachdenken, sondern einfach schreiben.

Lieber Christoph, da brauchst du keine Panik zu kriegen, denn jeder schreibt doch mit seiner eigenen Tinte bzw. seiner Tastatur. Ich habe vor zehn, 15 Jahren einige  der Schreibratgeber gelesen und mir das rausgepickt, was ich brauchte. Aus dieser spannenden Diskussion hier habe ich mitgenommen, dass ich meinen derzeitigen fast fertigen Roman mal kurz unter dem Aspekt betrachtet habe. Und auch, wenn ich jetzt einen Film sehe, achte ich darauf, wer da eigentlich Prota und wer Anta ist und wie das gehandhabt wird. (es sei denn, er ist so spannend, dass ich es vergesse.)

Die Diskussion, besonders bei den Filmen, die ich gesehen oder den Büchern, die ich gelesen habe, hat mir gezeigt, wie sie eigentlich funktionieren (besonders beim Herrn der Ringe und 2001.)

Bearbeitet von Christa
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Am 7.1.2024 um 13:21 schrieb KerstinH:

Also, ich lese das auf jeden Fall mal, wenn du es so lobst. :-) 

Ich habe das Buch auch gelesen. Es ist sehr hilfreich und hat mir viele Erkenntnisse und Ideen gebracht.

Aber ich glaube, es hat ein Problem, das ich auch schon bei anderen Schreib-Ratgebern (zB Sol Stein und Syd Field) gefunden habe: Eine gute Idee (zB Protagonist u Antagonist verfolgen das selbe Ziel) wird zu einer Art "literarischer Weltformel" ausgeweitet und soll dann auf alles passen. Wenn man als Künstler einem solchen Modell zu sehr folgt, kann es einen in die falsche Richtung treiben oder sogar behindern.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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vor 12 Stunden schrieb HenningS:

Ich habe das Buch auch gelesen. Es ist sehr hilfreich und hat mir viele Erkenntnisse und Ideen gebracht.

Aber ich glaube, es hat ein Problem, das ich auch schon bei anderen Schreib-Ratgebern (zB Sol Stein und Syd Field) gefunden habe: Eine gute Idee (zB Protagonist u Antagonist verfolgen das selbe Ziel) wird zu einer Art "literarischer Weltformel" ausgeweitet und soll dann auf alles passen. Wenn man als Künstler einem solchen Modell zu sehr folgt, kann es einen in die falsche Richtung treiben oder sogar behindern.

Henning, ich treffe auf solche Einwände immer wieder, und ich kann damit nicht so viel anfangen. Das ist für mich so, als wenn ich versuche zu verstehen, wie ein Auto fährt. Und mir dann jemand sagt, dass ich aber aufpassen muss, dadurch nicht mehr Autofahren zu können.

Es geht doch hier um Theorie. Darum, was gute Geschichten brauchen. Es geht nicht darum zu sagen, wie jemand schreiben soll. Ich interessiere  mich für die Theorie, und wenn ich eine Geschichte schreibe, hilft Theorie mir zu verstehen, woran ich noch arbeiten könnte. In welche Richtung ich denken könnte. Es geht nicht darum, eine Formel zu finden. Und gerade Truby beginnt sein Buch mit einem Aspekt, der oft in anderen Schreibratgebern vernachlässigt wird: die Vorlieben des Autors/der Autorin. Und er stellt sich explizit gegen mechanische Modelle wie von Syd Field.

Ich habe für den TEMPEST mal sein Buch vorgestellt: https://www.autorenforum.de/?view=article&id=1322:ausgabe-24-11-20-november-2022&catid=75&highlight=WyJ0cnVieSJd#Buchbesprechung

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@ChristophM: Ich analysiere halt gern. Ich mag es, wenn sich für mich aus einem diffusen Gewirr Gesetzmäßigkeiten herausschälen. Und ich bin ein Fan nicht vom Dalai Lama, aber von seinen Empfehlungen für das Neue Jahrtausend. Nr. 5: Lerne die Regeln, damit du sie richtig brechen kannst.

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vor 13 Stunden schrieb HenningS:

Aber ich glaube, es hat ein Problem, das ich auch schon bei anderen Schreib-Ratgebern (zB Sol Stein und Syd Field) gefunden habe: Eine gute Idee (zB Protagonist u Antagonist verfolgen das selbe Ziel) wird zu einer Art "literarischer Weltformel" ausgeweitet und soll dann auf alles passen. Wenn man als Künstler einem solchen Modell zu sehr folgt, kann es einen in die falsche Richtung treiben oder sogar behindern.

Das ist doch sehr "verallgemeinernd", Hennig. Ich habe etliche Ratgeber gelesen, darunter auch Sol Stein etc. (um sie für den "Tempest" zu besprechen), und hatte bei keinem den Eindruck, dass mir da eine "literarische Weltformel" aufgedrückt werden sollte. Was ich jedoch aus all den unterschiedlichen Büchern mitnahm, waren viele sehr interessante Anregungen, denn gerade als Anfänger muss man das Rad wahrlich nicht neu erfinden wollen. Und auf Ratgeber alleine sollte man natürlich nicht bauen. Die echten Lehrmeister und Lehrmeisterinnen sind (zumindest für mich) top geschriebene Romane. Deren Satz-, Text- und Aufbaugewebe zu studieren, ist besonders bereichernd.

Inspiration exists, but it has to find us working! (Pablo Picasso)

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@HenningS: Ich denke schon auch wie du, dass sich verschiedene Schreibratgeber auf bestimmte Regeln, Abfolgen, Sheets usw. konzentrieren. Das resultiert halt daraus, was für die entsprechenden Autoren in der Realität funktioniert hat. Und klar verfolgen sie da ihr Konzept. Das, was für sie gewirkt hat. Man muss das ja nicht alles befolgen. Mir macht es aber Spaß, Dinge, die sich bewährt haben, zu kennen.

Genau deswegen lese gern immer mal wieder einen anderen Schreibratgeber. Meist nur für die Theorie. Wenn da zum Beispiel die Heldenreise von allen Seiten betrachtet wird (z.B. in "Die Seele des Drehbuchschreibens"), dann ist das spannend für mich, auch wenn ich persönlich das nicht auf Krimis anwenden kann. Die Heldenreise passt für mich eher zu Fantasy. Aber Teile daraus kann ich verwenden, wenn ich, wie ich weiter oben schrieb, z.B. auf die größte Angst meines Ermittlers rekurriere und wie - vor allem: in welcher Situation - er sie überwindet. Das bräuchte ich für ein Krimirätsel eigentlich nicht, aber es gibt ihm hoffentlich mehr Würze. Ich könnte den Mörder auch anders stellen, durch irgendeinen Action-Showdown. Aber wenn ich das mit der Angst koppele, wird es spannender.

Ich persönlich kann z.B. mit Blake Snyders Beat Sheet (Rette die Katze) nicht viel anfangen. Ich kriege diese Stufen nicht hin. Aber: Warum nicht trotzdem diese Szene nehmen und eine Katze retten - also, übertragen gesprochen. Dieser Grundgedanke der anfänglichen Sympathiesteuerung gefällt mir gut. Und wenn ich den irgendwo wiederfinde, finde ich das spannend. Z.B. "House of Cards" - in der ersten Szene tötet Frank Underwood einen angefahrenen Hund. Also Umkehrung des Prinzips. Nicht Save the Cat, sondern Kill The Dog. Ich finde diese Szene phänomenal, über die kann man stundenlang nachdenken. Wir sehen ja den Hund nicht mal, hören aber sein Winseln, zuvor ein scharf bremsendes Auto und dann den Schuss. Es braucht eine gewisse Einstellung und Stärke, ein Tier töten zu können, aber es kann ein Akt der Barmherzigkeit sein, und die Grausamkeit darin liegen, dass man es unterlässt, weil man angeblich so tierlieb ist. Was sagt uns die Szene also über Frank Underwood: Ist das jetzt Grausamkeit oder Empathie? Wie stimmt sie uns ein auf das, was wir von ihm zu erwarten haben. Diese Szene ist für mich eine geniale Brechung der Gesetzmäßigkeit "Save the Cat". 

Der beste i.S.v.  praktischste Schreibratgeber war für mich übrigens Anna Baseners: Heftromane schreiben und veröffentlichen. Ich bin dem Schritt für Schritt gefolgt, ganz mechanisch, und zack: Manuskript angenommen. 

Bearbeitet von KerstinH
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Protgonist und Antagonist wollen das gleiche?
Dem kann ich mich nicht anschließen. Das ist viel zu eng. Was ist mit einem Antagonisten, der einfach da ist wie ein Felsblock auf dem Weg? Zu mechanisch? Nicht mehr, wenn dieser Felsblock einen wandelbaren charkter hat, der auf den Antagonisten reagiert oder auch nicht reagiert. Wobei der Felsblock jetzt  nicht mehr als ein Bild ist.
Ich mag einen anderen Antagonisten viel lieber. Er ist die Welt oder das Leben, und der Protagonist will etwas und bekommt es nicht. Weil er das Leben nicht kennt oder versteht. Weil es in der Welt auch noch andere Menschen gibt, die den Protagonisten womöglich gar nicht kennen - oder dochP?

Mit diesem Ansatz habe ich alle schriftstellerischen Freiheiten. Ich muss aber auch so gut schreiben können (Ideen, Handwerk), dass ich diese Freiheiten auch zu nutzen weiß.

Und zu den Ratgebern. Das ist doch kein Thema von für und wider. Jeder schreibt anders. Jeder lernt anders. Jeder sollte das benutzen, was er braucht und für nützlich hält. Ich kann mit den meisten Schreibkursen wenig anfangen, weil ich gruns#tzlich anders vorgehe, als dort als Königsweg beschrieben wird. Taugen deshalb Schreibkurse nichts? So weit würde ich nie gehen wollen. Es gibt Spezialkurse mit gutem Programm und es gibt vor allem Kurse für andere Schreiber als mich. Ich liebe Schreibratgeber!!! :D

 

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vor 7 Minuten schrieb Wolf:

Protgonist und Antagonist wollen das gleiche?

Ich habe das weiter oben auch angezweifelt. Aber die Idee lässt mich nicht los. Weil so eine Verschränkung natürlich genial wäre für die Story, für das, was ich als Autorin in den Leser/innen ablaufen lassen möchte (weil ich persönlich denke, dass der Bucherfolg - zumindest auch - über die Emotionen gesteuert wird, die beim Lesen in den Leser/innen ablaufen). Wie tief ins Archaische oder wohin auch immer, ins Unbewusste, muss ich also gehen, um so eine Verschränkung zu finden - falls es sie gibt. Das interessiert mich. Deswegen habe ich mir diesen Schreibratgeber bestellt.

Bearbeitet von KerstinH
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Sebastian Niedlich
vor einer Stunde schrieb Wolf:

Protgonist und Antagonist wollen das gleiche?

Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Protagonist und Antagonist wollen nicht unbedingt das Gleiche. Das kann auch vorkommen, ist aber nicht allgemein so. Natürlich nicht. Es geht vielmehr darum, dass die Ziele von Protagonist und Antagonist sich um ein Thema drehen. Das ist halt auch oft der philosophische Konflikt in der Geschichte.
Wie schon oben geschrieben: Batman und Joker kämpfen um die Seele Gothams. In dem Sinne geht es Ihnen um das Gleiche. Sie haben aber andere Ansätze. Batman will Ordnung, Joker Chaos.
Bei Krimis geht es ja auch oft darum, dass die Polizei versucht ein Verbrechen zu verhindern, während die Kriminellen das halt begehen wollen. Beiden geht es insofern um das Gleiche, nämlich das Verbrechen.

Der Punkt ist, dass eine Geschichte nicht klappt, wenn der Protagonist eine Sache will und es dem Antagonist um irgendwas völlig anderes geht. Da entsteht ja keine Reibung. Beide müssen etwas wollen, was sie in direkten Konflikt bringt.

Bearbeitet von Sebastian Niedlich
Wortsalat entwirrt.
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vor 33 Minuten schrieb Sebastian Niedlich:

Bei Krimis geht es ja auch oft darum, dass die Polizei versucht ein Verbrechen zu verhindern, während die Kriminellen das halt begehen wollen. Beiden geht es insofern um das Gleiche, dass es um das Verbrechen geht.

Wobei mir das zu wenig wäre, als dass ich diese Formel - wenn es denn eine ist - hier schon erfüllt sehen würde. Da muss für mich mehr mitschwingen.

Nehmen wir z.B. „Das Versprechen“ oder „Es geschah am helllichten Tage“. Da wird es persönlich. Und emotional. Es geht um dieses spezielle Kind, das, genaugenommen, vom Kommissar missbraucht wird,  damit er an sein Ziel kommt. Es geht also um die Frage: Darf man opfern, um zu retten? Vor allem, wenn das Opfer nicht das eigene ist. Darf „der Gute“ sich etwas herausnehmen, was wir anderen nicht zugestehen? Das berührt tiefe philosophische Fragen in uns. Das geht uns was an. Immerhin, in einer der Versionen ist der Täter längst tot und der Kommissar sitzt weiter und weiter in dieser Tankstelle … Opfert er damit im Grunde sein Leben? Oder ist das seine „Bestrafung“ durch das „Schicksal“ - das ihm im übertragenen Sinne sein Leben nimmt für jenes, das er wissentlich in Gefahr gebracht hat … 

Welche Version wirkt letztlich stärker? Die, die den Kommissar für diese Vermessenheit „bestraft“ oder die, die den Mörder schließlich doch stellt?

Bearbeitet von KerstinH
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Sebastian Niedlich
Gerade eben schrieb KerstinH:

Wobei mir das zu wenig wäre, als dass ich diese Formel - wenn es denn eine ist - hier schon erfüllt sehen würde. Da muss für mich mehr mitschwingen. Nehmen wir z.B. „Das Versprechen“ oder „Es geschah am helllichten Tage“. Da wird es persönlich. Und emotional. Es geht um dieses spezielle Kind, das, genaugenommen, vom Kommissar missbraucht wird,  damit er an sein Ziel kommt. Es geht also um die Frage: Darf man opfern, um zu retten? Wer ist hier -auch - Täter? Darf „der Gute“ sich etwas herausnehmen, was wir anderen nicht zugestehen? Das berührt tiefe philosophische Fragen in uns. Das geht uns was an.

Ich würde wirklich nicht von Formel sprechen. Eine Formel klingt so nach "in Form gegossen" oder 1:1 wiederholbar. Das ist gerade bei Geschichten ja nicht ganz so einfach.

Ansonsten stimme ich dir insofern zu, dass das Runterbrechen von Polizei/Verbrecher auf das Verbrechen selbst natürlich sehr ... simpel gestrickt ist. In der absoluten Basisform ist es aber genau das. Man kann so eine Geschichte schreiben und versteht sofort, warum Polizei und Verbrecher eben gegenseitige Antagonisten sind. Mehr braucht es erstmal nicht.

Macht das eine gute Story aus? Nicht unbedingt. Dein Beispiel von "Das Versprechen" lebt natürlich davon, dass es persönlich wird. Ebenso z.B. die Morde in "Sieben". Die zusätzlichen Fragen, die dadurch aufgerufen werden, machen diese Storys dadurch interessanter als den Einheitsbrei, um das mal salopp auszudrücken. Aber die Geschichten könnten auch ohne das erzählt werden. Sicher, wir sind uns einig, dass sie bei weitem nicht die Kraft hätten, aber es wäre möglich. Insofern braucht es zunächst mal nichts weiter für den Antagonisten.

Wenn wir uns aber über philosophische Konflikte und dergleichen unterhalten, also das, was eine tiefgehende Geschichte ausmacht, dann betrifft das zwar durchaus den Antagonisten, geht aber vielleicht über die eigentliche Fragestellung dieses Threads hinaus ...

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Protagonist und Antagonist eng zu verschränken ist beinahe so, wie in der Ich-Perspektive zu schreiben. Man ist ganz nah dran. Und so kann ich @KerstinH verstehen, dass sie das fasziniert. Es ist aber nur eine Möglichkeit unter vielen.

@Sebastian Niedlich simme ich völlig zu, dass ohne Reibung alles nichts ist. Allerdings nicht in dem Punkt, dass Null Reibung entsteht, wenn es Protagonist und Antagonist um völlig unterschiedliche Dinge geht. Das liegt vielleicht daran, dass ich keine Krimis schreibe, sondern Fantasy, wo es häufig um ganz andere Themen geht. Jedenfalls bei mir. In meiner Drachentöchter-Serie gibt es unter anderem um einen Konflikt zwischen einer Menschenfrau mit etwas Drachen- und Elfenblut und einem narzisstischen übermächtigen Drachen, der sich für einen Gott hält. Der Drache kennt kein anderes Ziel als die Anerkennung zu bekommen, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Die Frau betrachtet sich als Werkzeug des Schicksal und versucht die Welt von ihren Selbstmordgedanken abzubringen. (Ja, ja, ich weiß, das klingt schräg. Deshalb kam ich ja auch nicht mit einem Band aus, sondern brauchte 12.)
Die Frau kommt dem Drachen immer wieder in die Quere, und er versteht nicht, warum er sie nicht verstehen kann. Es gibt aber noch andere Konfliktlinien und mindestens einen anderen mächtigen Antagonisten, der die halbe Welt für sich will, was ihm leider nicht gestattet werden kann. Es ist ein Kampf um die Zukunft, wobei es auch möglich ist, dass Teile davon vorbestimmt sind. Aber das bleibt offen.

Solche Konstruktionen gehen mit dem Thema Protagonist und Antagonist völlig anders um, bis auf die eine Ausnahme: Es gibt einen Konflikt mit verdammt viel Reibung. Oder mehrere davon.
In diesem Sinne.
Wolf

Bearbeitet von Wolf
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vor 17 Minuten schrieb Sebastian Niedlich:

Wenn wir uns aber über philosophische Konflikte und dergleichen unterhalten, also das, was eine tiefgehende Geschichte ausmacht, dann betrifft das zwar durchaus den Antagonisten, geht aber vielleicht über die eigentliche Fragestellung dieses Threads hinaus ...

Sorry, ich hatte mein Posting oben noch erweitert, während du schon geantwortet hast. Aber da beschreibe ich so eine Verzahnung. Und ich finde, die gehört schon noch in das Thema rein. Die Frage wäre: Darf der Gute im Namen des Guten böse Mittel anwenden? Im Falle meines Beispiels: Darf er ein „unschuldiges“ Kind für seine Zwecke benutzen und es in die Aufmerksamkeit eines Kindermörders bringen? Handelt er nicht im Grunde wie der Antagonist?

Edit: Klar, es geht mir natürlich darum, wie simple Geschichten spannender werden. Vielleicht eben, wenn es zwischen Protagonist und Antagonist eine Art Verzahnung gibt, die auf den ersten Blick nicht sichtbar, aber fühlbar ist. Wenn da ein Unbehagen im Rezipienten entsteht, ohne dass er weiß, warum … Wenn ihn da was über das Buch hinaus nicht loslässt.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 18 Minuten schrieb Wolf:

…. und einem narzisstischen übermächtigen Drachen, der sich für einen Gott hält. Der Drache kennt kein anderes Ziel als die Anerkennung zu bekommen, die ihm seiner Meinung nach zusteht. Die Frau betrachtet sich als Werkzeug des Schicksal und versucht die Welt von ihren Selbstmordgedanken abzubringen

Na, wenn das mal keine Verzahnung ist! ;-) Der eine hält sich für Gott, die andere für ein Werkzeug Gottes. Beide fühlen sich ermächtigt, sind quasi die Auserwählten … Thema: Ohnmacht vs. Ermächtigung?

Bearbeitet von KerstinH
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Sebastian Niedlich
vor 22 Minuten schrieb Wolf:

@Sebastian Niedlich simme ich völlig zu, dass ohne Reibung alles nichts ist. Allerdings nicht in dem Punkt, dass Null Reibung entsteht, wenn es Protagonist und Antagonist um völlig unterschiedliche Dinge geht. Das liegt vielleicht daran, dass ich keine Krimis schreibe, sondern Fantasy, wo es häufig um ganz andere Themen geht.

Nee, das kann nicht sein. Und ich bin auch 100%ig der Meinung, dass bei dir da ein direkter Interessenskonflikt zumindest in einem Punkt besteht, sonst würde das nicht klappen.

Natürlich KANN es sein, das Protagonist und Antagonist andere Ziele haben. Wenn man mal auf's ganz Große blickt. Wenn Beispiel König Artus nach dem heiligen Gral sucht, was sein eigentliches Ziel ist, und ihn der schwarze Ritter aufhält, nur weil er eine Brücke oder was auch immer bewacht, dann heißt das nicht, dass der schware Ritter auch den heiligen Gral will. Es heißt aber, dass die beiden IN DEM MOMENT direkt im Konflikt sind, weil es beiden um dasselbe geht. In dem Fall nämlich um die Überquerung der Brücke. Das ist zwar nicht das Hauptziel von König Artus, aber das Ziel just zu diesem Zeitpunkt. Während das Ziel des schwarzen Ritters ist ihn und alle anderen davon abzuhalten. Beide streiten sich um dasselbe. Es geht ihnen also um das gleiche, die Überquerung der Brücke.
Wenn Artus aber über die Brücke gewollt hätte und der schwarze Ritter steht nur daneben, weil er gerade nach Pilzen sucht ... dann kommen die sich nicht ins Gehege und gehen einfach aneinander vorbei.

vor 9 Minuten schrieb KerstinH:

Na, wenn das mal keine Verzahnung ist! Der eine hält sich für Gott, die andere für ein Werkzeug Gottes.

Qued erat demonstrandum.

vor 16 Minuten schrieb KerstinH:

Sorry, ich hatte mein Posting oben noch erweitert, während du schon geantwortet hast. Aber da beschreibe ich so eine Verzahnung. Und ich finde, die gehört schon noch in das Thema rein. Die Frage wäre: Darf der Gute im Namen des Guten böse Mittel anwenden? Im Falle meines Beispiels: Darf er ein „unschuldiges“ Kind für seine Zwecke benutzen und es in die Aufmerksamkeit eines Kindermörders bringen?

Ich hatte das schon gesehen. Wie gesagt, das ist ja gerade das, was "Das Versprechen" so interessant macht. Es ist aber nicht der zwingende Grund, weswegen der Kommissar gegen den Kindermörder ermittelt. Antagonisten sind sie sich gegenseitig auch so, dazu bräuchte es nicht die fragwürdigen Maßnahmen des Kommissars. Ohne die wäre das Buch allerdings langweilig.

Vielleicht sollte man die Eingangsfrage lieber in "Wie schreibe ich einen INTERESSANTEN und IN ERINNERUNG BLEIBENDEN Antagonisten" umändern. ;)

Bearbeitet von Sebastian Niedlich
Tippfehler
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vor 15 Minuten schrieb KerstinH:

Darf er ein „unschuldiges“ Kind für seine Zwecke benutzen und es in die Aufmerksamkeit eines Kindermörders bringen? Handelt er nicht im Grunde wie der Antagonist?

Nein, er legt das Kind als Köder aus, um dieses Kind (und weitere) zu retten.
Der Antagonist will es töten.
Das ist es eben: ein Hund und ein Knochen ist langweilig. Zwei Hunde und ein Knochen ist Drama.


Ich finde an dieser Konstellation genau das faszinierend: der Kommissar geht ein ungeheures Risiko ein, das moralisch fragwürdig ist. Und genau hier liegt die Würze, die auch für eine Leserschaft sehr spannend ist: wie würde ich mich an seiner Stelle verhalten? Mir gefällt apropos die Version besser, in der er immer noch an dieser Tankstelle sitzt.

Und zu den Schreibratgebern: das sind m. E. handwerkliche Hilfsmittel. Ich hatte es davon auch schon mal auf meiner Homepage (https://www.holger-karsten-schmidt.de/drehbuch/field-s-3-akt-modell/). Wer sein Handwerk komplett beherrscht, wird sie in den wenigsten Fällen benötigen. Aber als ich anfing, war ich dankbar über die Orientierung (oder auch Bestätigung!), die ich dadurch erfahren habe. 
Man sollte sie nicht als Dogma verstehen, sonst stellt man Schablonen her.

 

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vor 16 Minuten schrieb Holger:

Nein, er legt das Kind als Köder aus, um dieses Kind (und weitere) zu retten.
Der Antagonist will es töten.

Ja eben, er geht das Risiko des Todes dieses Kindes ein. Für einen guten Zweck. Der Antagonist will es töten, für seinen Lustgewinn. Da gibt es doch eine Verzahnung - der mögliche Tod des Kindes.

Oder wäre das als Grundkonstrukt für eine Verzahnung von Antagonisten und Protagonisten zu weit hergeholt? Ergibt sich das nur nebenbei?

Bearbeitet von KerstinH
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vor 4 Minuten schrieb KerstinH:

Ergibt sich das nur nebenbei?

Nein, hier sind wir mitten im Kern. Das ist ja exakt so angelegt, das ist kein Zufall, das ist so beabsichtigt. Und genau hier geht der Stoff über beliebige Polizist-jagt-Mörder-und-kann-im-letzten-Augenblick-Mord-verhindern-Stoffe von der Stange hinaus. Er stellt eine philosophische Frage. Er stellt den Kommissar in ein Dilemma: mache ich mir die Finger schmutzig, indem  ich ein Kind als Köder missbrauche? Oder mache ich mir die Finger schmutzig, indem ich den Täter nicht ködere und damit das Risiko eingehe, ihn weitere Kindsmorde begehen zu lassen?
Schmutzig macht er sich die also in gewisser Hinsicht so oder so.
Es stellt sich darüber hinaus ja auch die allgemeingültige Frage, wie weit man gehen kann, sollte, muss, um einen Antagonisten zu stoppen. Was ist der Preis? Als Thema der Geschichte..

 

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@Ramona @KerstinH und @Ulrike Ich bin, was solche Regeln betrifft, ein gebranntes Kind.

Ich war etwa 16, da habe ich ein Buch über Harmonielehre gelesen. Darin wurde als Regel gesagt, dass im mehrstimmigen Satz Oktav- und Quintparallelen verboten sind. Mir war nicht klar, dass sich das nur auf klassische Musik bezieht, und es hat mich jahrelang beim Komponieren gehemmt. Bis mir bewusst wurde, dass Rockkomponisten, das völlig ignorieren.

Darum betone ich so sehr, dass künstlerische Regeln immer im Kontext gesehen werden sollten.

Es gibt keine Regeln, nur sachkundige Entscheidungen. Und sachkundige Entscheidungen könnt ihr nur treffen, wenn ihr euch sachkundig macht.

Elizabeth George

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Das ist natürlich übel. Aber deswegen schrieb ich weiter oben, dass die Regeln zu kennen noch nicht heißt, sie in jedem Fall auch anzuwenden.

Oder doch. Aber eben anders. Ich habe zum Beispiel für letztes Weihnachten eine Weihnachtsromance geschrieben und darin den lieben alten Familienhund sterben lassen. Nicht nur in einem Satz, sondern allmählich, erst verweigert er das Futter, schließlich das Wasser, der herbeigerufene Tierarzt gibt nochmal was zur Stärkung, aber an Heiligabend stirbt er dann doch. Die Geschichte ist mir nicht um die Ohren geflogen, sondern im Gegenteil, sie kam gut an. Ich habe darin was ganz Grundsätzliches über Kompensation gelernt. Einfach so hätte ich den Hund nicht sterben lassen dürfen. Aber ich kannte die Regeln und habe sie auf eine Art gebrochen, dass es stimmig war, obwohl ich hier mit den gegensätzlichen Gefühlen sowohl von Romance als auch von Weihnachten gearbeitet habe.

Das ist das, was ich weiter vorn mit der Kill the dog-Szene beschrieben habe. Regelkenntnis hilft, wenn man sie zum rechten Zeitpunkt beiseite lässt. Aber nicht wahllos. Manche haben dafür ein Bauchgefühl, andere nicht. Ich lieg da so dazwischen. Ich musste  mir schon bewusst machen, wie ich das angehe. Aber als ich es schrieb, habe ich von mir selbst überraschend was über Verhältnismäßigkeit gelernt.

Deswegen mag ich auch solche theoretischen Diskussionen wie diese hier und breche die gern vom Zaun. Im Nachdenken, Formulieren und Erklären wird mir oft selbst was klar. Und euer Input gibt mir dabei neue Sichtweisen und Aha-Erlebnisse.

Bearbeitet von KerstinH
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