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DirkH

Spannungsbogen

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Ach ja - fast vergessen. Ich als absoluter Struktur-Fan will hierauf die Antwort nicht schuldig bleiben:

vor 4 Stunden schrieb Susann:

Richtig. Aber wie entsteht diese Struktur? Wenn ich jetzt zum Beispiel keine Ahnung hätte, wie man einen Krimi schreibt, und deinen Ratschlägen in deinem Beitrag folgen würde, ich denke, dann würde ich mich recht rasch verzetteln. Meiner Ansicht nach sollte man sich zuerst den einen großen über allem liegenden Spannungsbogen erarbeiten, dessen Struktur du ja in dem Zitat oben schilderst. Wenn man den wasserdicht beisammen hat, dann schaut man, auf welchen Ebenen noch weitere Hindernisse aufgebaut werden können, auf der physischen Ebene, auf der psychischen des Ermittlers, durch falsche Fährten, Nebenfiguren, die ablenken usw. .

Meiner Meinung nach entsteht dieser die ganze Geschichte überspannende Spannungsbogen, bzw. die Drei-Akte-Struktur, im Krimi aus dem Zusammenspiel zwischen Protagonist und Antagonist. Das war es, was ich die ganze Zeit versucht habe zu erläutern - vielleicht ist es jetzt klarer geworden, keine Ahnung.

Der Antagonist ist meist der Mörder. Kann sicher auch mal eine andere Figur sein, fällt mir aber spontan kein Beispiel zu ein. Auch möglich ist sicher, dass der Antagonist im Inneren der Ermittlerfigur sitzt, sich also als innerer Widerstand manifestiert. Dann allerdings müsste der Ermittler tief im Innern die Aufklärung des Verbrechens verhindern wollen. Sein Unterbewusstsein würde also gegen sein Streben, den Fall zu lösen, agieren. Weil die Wahrheit, wenn sie ans Licht kommt, etwas über ihn selbst verrät, ein Trauma wiederholt oder eine Schuld, die er verdrängt hat. Sicher spannend, aber auch nicht ganz einfach zu schreiben, denke ich.

Das wäre so zusammengefasst meine (nun durch diese Diskussion manifesten :-)) Gedanken, die ich hier mitnehme. Man muss es nicht so machen. Wenn man lieber intuitiv unterwegs ist, dann braucht man andere Tricks und Kniffe. Ist auch okay.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Wenn man intuitiv an eine Geschichte herangeht, heißt das ja nicht, dass man sich nicht an die Struktur hält. 
Beim Aneignen von Know-How gibt es vier Phasen:

1. Unbewusste Inkompetenz (man hat sich noch nie mit Krimischreiben beschäftigt und weiß entsprechen gar nicht, was man nicht kann)

2. Bewusste Inkompetenz (man will einen Krimi schreiben, hat aber noch keine Ahnung wie man dabei vorgeht)

3. Bewusste Kompetenz (Man setzt sich mit dem Handwerkszeug und der Struktur einer Geschichte auseinander und bastelt anhand dessen einen Krimi)

4. Unbewusste Kompetenz (Man hat schon Erfahrung mit Krimi schreiben und lesen, sodass das ganze Handwerkzeug und ein Repertoire an Tricks und Kniffen bereits in einem verankert sind. Auslösendes Ereignis, Midpoint, das was ein Figurengeflecht leisten muss, Wendungen und und und findet wie von Geisterhand an den richtigen Stellen seinen Platz, auch wenn man noch so chaotisch plottet)

Deshalb bin ich schon eher der Meinung, dass es was mit Erfahrung zutun hat, ob man diese Struktur-Schablonen braucht oder nicht (die ja überhaupt erst durch das Analysieren von intuitiv geschrieben und funktionierenden Geschichten entstanden sind). Was natürlich nicht bedeutet, dass nicht beides zu einem guten Ergebnis führen kann.

Und vielleicht arbeitest du ja doch intuitiver als du glaubst, Susann. Nur dass du dir die Struktur mehr vergegenwärtigst und beim plotten systematisch vorgehst. Erlaubt ist ja alles, solange das Ergebnis den Leser begeistert.

 

Bearbeitet von Sabine
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vor 17 Stunden schrieb MaschaV:

Vielleicht kann ich es so besser erklären: Die Struktur ist wie der tägliche Weg zur Arbeit, der sich einem so eingeprägt hat, dass man nicht mehr bewusst auf ihn achten muss und während des Fahrens über andere Dinge nachdenken kann.

Ja. Der Vergleich passt übrigens auf die meisten Menschen, wenn sie einen Witz erzählen wollen, das können fast alle von selber (bis auf einen, mir persönlich gut bekannten ...); er hat auf mich gepasst, solange ich Kurzgeschichten geschrieben habe – ohne überhaupt zu wissen, dass es eine Struktur dafür gibt, habe ich das irgendwie hingekriegt. Als ich meinen ersten Roman versucht habe, hat das nicht mehr geklappt, da habe ich theoretische Hilfe gebraucht. Weil es halt wirklich ein Bogen ist, der über eine lange Strecke gebogen bleiben muss.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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vor 19 Stunden schrieb MaschaV:

Vielleicht kann ich es so besser erklären: Die Struktur ist wie der tägliche Weg zur Arbeit, der sich einem so eingeprägt hat, dass man nicht mehr bewusst auf ihn achten muss und während des Fahrens über andere Dinge nachdenken kann.

Das trifft es meiner Ansicht nach sehr gut. Bevor ich geschrieben habe, habe ich sehr, sehr viel gelesen (und tue es immer noch) - da blieben dann die Spannungsmomente sozusagen im Lesegedächtnis hängen. (Dass es eine Heldenreise gibt, lernte ich auch erst, nachdem ich die Irrfahrten des Odysseus gelesen hatte).

So habe ich zum Beispiel auch die Cliffhänger kennengelernt-die können fein dosiert ebenfalls Spannung erhöhen (auch wenn es nicht jedermanns Sache ist).
Die habe ich allerdings auch so überdosiert gesehen, dass ich vor lauter Spannung ganze Perspektivseiten überlesen habe.8-)

Bearbeitet von Christa
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Die Frage nach der Spannung hat sich ja in eine interessante Richtung entwickelt, die aber mit meiner eigenen Bauchschreiberei wenig zu tun hat. Um Struktur beispielsweise kümmere ich mich gar nicht. Kann ich ja auch nicht, weil ich gar keinen Plan habe und auch nicht weiß, wohin mich meine Geschichte führt.

Was ich aber immer habe, sind ein ausreichend deutliches Setting, was sich mit der Geschichte weiterentwickelt, eine übergeordnete Idee oder Konflikt und einige, manchmal am Anfang auch nur eine Figur, der dann aber schnell andere folgen.

Und die Spannung? Wird gleich in die erste Szene hineingebracht, weil ich nicht will, dass ein Leser nach der ersten Seite das Buch wieder zuschlägt. Also baue ich Spannungselemente ein, die Erwartungen wecken. Und da gibt es unzählige Möglichkeiten: Andeutungen auf etwas, das noch nicht erzählt, aber wichtig ist, einen kleinen oder großen Konflikt zwischen zwei Personen, ein Hadern mit sich selbst, ein Bruch der Routine etc.

Und die Struktur? Wenn ich das Gefühl habe, jetzt habe ich genug einfach linear erzählt, jetzt muss es einen Twist geben, dann schlage ich an der Stelle einen Haken. Bis es zum ersten Twist kommt, kenne ich die beteiligten Figuren ja bereits recht gut. Und da ich das zu Erwartende kenne, baue ich das Unerwartete ein.

Ich mache es also genau so, wie Dirk seine Frage anfangs gestellt hat. Ich bringe die Spannung in den Textteil hinein, den ich gerade schreibe.
Das ist kein Widerspruch zu meiner früheren Aussage, dass es Spannungsbögen auf allen Ebenen gibt. Die entstehen ganz automatisch mit den jeweiligen Teilplots und die wiederum entstehen aus den Figuren heraus.

Bei meiner augenblicklichen Serie ist es das erste Mal, dass ich das Ende kenne. Sonst wusste ich immer nur, dass es eine Art Showdown geben musste.

 

Liebe Grüße
Wolf

Bearbeitet von Wolf
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Was ich nicht ganz verstehe, ist, wie man in einem Krimi/Thriller falsche Fährten legen und den Leser wirklich überraschen kann, wenn man vorher gar nicht die Handlung plant.

Baut man die falschen Fährten dann im Nachhinein ein, oder wie funktioniert das?

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Ich schreibe Fantasy/Spannungsliteratur. Ob das Thriller sind, lasse ich mal dahingestellt. Aber um Tod und Leben geht es da auch.

Bearbeitet von Wolf
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Am 7.11.2021 um 23:28 schrieb Susann:

Ach ja - fast vergessen. Ich als absoluter Struktur-Fan will hierauf die Antwort nicht schuldig bleiben:

Meiner Meinung nach entsteht dieser die ganze Geschichte überspannende Spannungsbogen, bzw. die Drei-Akte-Struktur, im Krimi aus dem Zusammenspiel zwischen Protagonist und Antagonist. Das war es, was ich die ganze Zeit versucht habe zu erläutern - vielleicht ist es jetzt klarer geworden, keine Ahnung.

Der Antagonist ist meist der Mörder. Kann sicher auch mal eine andere Figur sein, fällt mir aber spontan kein Beispiel zu ein. Auch möglich ist sicher, dass der Antagonist im Inneren der Ermittlerfigur sitzt, sich also als innerer Widerstand manifestiert. Dann allerdings müsste der Ermittler tief im Innern die Aufklärung des Verbrechens verhindern wollen. Sein Unterbewusstsein würde also gegen sein Streben, den Fall zu lösen, agieren. Weil die Wahrheit, wenn sie ans Licht kommt, etwas über ihn selbst verrät, ein Trauma wiederholt oder eine Schuld, die er verdrängt hat. Sicher spannend, aber auch nicht ganz einfach zu schreiben, denke ich.

Das wäre so zusammengefasst meine (nun durch diese Diskussion manifesten :-)) Gedanken, die ich hier mitnehme. Man muss es nicht so machen. Wenn man lieber intuitiv unterwegs ist, dann braucht man andere Tricks und Kniffe. Ist auch okay.

Ich hab es verstanden, Susann, und darüber nachgedacht, ob ich das genauso sehe. Das Ergebnis des Nachdenkens: Das Katz-und-Maus-Spiel ist eine Möglichkeit, einen Spannungsroman aufzuziehen, die sehr dynamisch und dramatisch werden kann. Aber man kann es auch ganz anders machen.

Ich habe eine gute (englische) Genrebeschreibung gelesen, die Spannungsliteratur in Crime, Mystery und Thriller einteilt.
Bei Crime geht es darum, den Täter zu jagen und zu fassen (Katz und Maus), bei Mystery darum, das Rätsel zu lösen (Maus sitzt im Versteck, Katze folgt der Spur), und beim Thriller darum, ein Verbrechen zu verhindern (Katz und Maus, nur anders).

Im Mystery (nach englischer Definition) ist der Antagonist das Rätsel selbst, würde ich sagen. Der/die Täter:in kann nur unschuldig tun und hoffen, dass niemand ihr/ihm auf die Spur kommt. Er/sie sitzt sozusagen im Mauseloch, während die Katze der Spur folgt.

Und wie immer gibt es natürlich Mischformen.

Bearbeitet von MaschaV
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vor einer Stunde schrieb MaschaV:

Im Mystery (nach englischer Definition) ist der Antagonist das Rätsel selbst, würde ich sagen.

Ja, und so kann man es im Krimi im Grunde auch sehen, darauf wollte ich weiter oben hinaus. Denn die falschen Spuren und Red Herrings müssen nicht unbedingt etwas mit dem Täter zu tun haben, sondern führen … halt in die Irre. Natürlich sollte es irgendeinen thematischen Bezug geben, aber es ist nicht unbedingt der Täter, der (ständig) die Fäden zieht. Der Ermittler muss das Rätsel lösen, und sein eigentlicher Antagonist ist der Autor, der das Rätsel konstruiert hat und der das größte Interesse dran hat, dass es erst am Ende des Romans gelöst wird, und dem Protagonisten (und dem Leser) deshalb alle Steine in den Weg wirft, derer er habhaft werden kann.

Bearbeitet von KerstinH
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Mascha, das, was ich oben geschrieben hatte, war gar nicht so sehr auf dich bezogen. Es sollte vielmehr eine Zusammenfassung meiner Gedanken sein, die sich im Verlauf dieser Diskussion konkretisiert haben, weil ich mich zum Beispiel an vieles aus meiner Ausbildung wieder erinnert habe. Und damit das hier jetzt nicht so aussieht, als stünde ich mit meiner mysteriösen Ausbildung allein auf weiter Flur, hab ich eben zusätzlich nochmal in meiner Literatur geschmökert und folgendes gefunden.

Ich zitiere:

"Wie ich bereits erwähnt habe, ist der Mörder - und nicht Sie! - der Autor des Plots hinter dem Plot. Der Plot hinter dem Plot ist die Geschichte des Mörders: Warum er oder sie mordet, wen er oder sie ermordet, und wie er oder sie plant, ungeschoren davonzukommen. (...) Der Mörder ist die Schlüsselfigur in einem verdammt guten Krimi. Eine Schlüsselfigur, ist eine Figur, die die Handlung vorantreibt; diejenige, die Dinge geschehen lässt, auf die andere Figuren, der Held/Detektiv eingeschlossen, reagieren müssen."

Aus: James N.Frey, Wie man einen verdammt guten Kriminalroman schreibt (Seite 37) - übrigens ein unbedingt lesenswertes Buch. :)

Bearbeitet von Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Ich finde, ihr macht das alles viel zu kompliziert.

Mit Struktur kommt man auch nicht weiter, wie Wolf als Bauchschreiber gerade erklärt hat. Und wie das bei Krimi, Mistery oder anderen Genres zu handhaben ist, darüber kann man lange diskutieren, aber im Grunde ist die Sache doch einfach:

  • Der Protagonist hat ein für ihn (vielleicht lebens-) wichtiges Ziel. Mit dem Leben davonzukommen, einen schweren Fall aufzuklären, die Liebe seines Lebens zu erobern ... was auch immer, aber es sollte bedeutsam sein.
  • Dann passieren eine Menge Dinge, die es ihm schwer machen oder es unmöglich erscheinen lassen, dass es gelingt. Je dramatischer die Lage, je tiefer der Fall, je persönlicher die drohende Niederlage, je emotionaler es wird, umso besser.
  • Schließlich reißt sich der Protagonist zusammen, kämpft sich klug und verbissen aus dem Loch, verschafft sich Verbündete, die ihm helfen und kommt irgendwie am Ende ans Ziel. (Oder auch nicht, aber das wird von Leser weniger geschätzt.)

Das Ganze kann man akribisch planen oder auch nicht. Funktioniert genauso für Bauchschreiber.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor 18 Stunden schrieb Ulf Schiewe:

Ich finde, ihr macht das alles viel zu kompliziert.

Ganz ehrlich, Ulf, aber manchmal wünscht ich mir, der ein oder andere Kollege (Anwesende natürlich alle ausgenommen) würde es sich ein bisschen komplizierter machen. Ich bin ja auch begeisterte Leserin. Gerade jetzt wieder erlebt (Buch gestern ausgelesen): Ein Krimi, der dann im letzten Viertel einen Psychopathen als Mörder aus dem Hut zaubert und dessen Motiv auch noch mit küchenpsychologischen Abhandlungen erklärt. Oder der Krimi, den ich davor gelesen habe: Eine dustere kriminelle Vereinigung verfolgt ihr undurchsichtiges Geschäft mehr oder weniger parallel zu den Ermittlungen von zwei Privatpersonen, die herausfinden wollen (aus Neugier, mehr Motivation hab ich nicht finden können), was da abläuft. Die Wege kreuzen sich immer dann, wenn eine der Privatpersonen sich in wilde Gefahr begibt, um etwas über diese Geschäfte herauszufinden. Am Ende werden die Bösen in James Bond Manier gestellt und - natürlich ohne einzige Schramme bei den Helden - besiegt.

Klar, ich hab keine Ahnung, woher diese oben geschilderten Dinge kommen, ob jetzt Zeitrduck dahinter steht oder einfach vielleicht Unwille, ob da Bauchschreiber oder Vorabplaner oder Mischformen dahinterstecken. Woher es auch kommen mag, aber für mich sind das echte und leicht zu erkennende Strukturschwächen in der Konstruktion dieser Geschichten. Und weil sie so einfach zu erkennen sind, wären sie ja auch leicht zu beseitigen, wenn da ein Wille wäre. Deshalb finde ich es gut, wenn wir hier diskutieren und Gedanken und Erfahrungen austauschen. Ich weiß, das wolltest du auch gar nicht in Frage stellen, aber ich hatte jetzt einfach das Bedürfnis, das nochmal so zu sagen.

Ich liebe Krimis, die vom Ende her gedacht sind. Bei denen ich mich am Schluss zurücklehnen kann und sagen kann, das war es wert, dass ich diesem Buch meine Zeit und mein Geld gewidmet habe.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 9 Minuten schrieb Susann:

Ganz ehrlich, Ulf, aber manchmal wünscht ich mir, der ein oder andere Kollege (Anwesende natürlich alle ausgenommen) würde es sich ein bisschen komplizierter machen. Ich bin ja auch begeisterte Leserin. Gerade jetzt wieder erlebt (Buch gestern ausgelesen): Ein Krimi, der dann im letzten Viertel einen Psychopathen als Mörder aus dem Hut zaubert und dessen Motiv auch noch mit küchenpsychologischen Abhandlungen erklärt. Oder der Krimi, den ich davor gelesen habe: Eine dustere kriminelle Vereinigung verfolgt ihr undurchsichtiges Geschäft mehr oder weniger parallel zu den Ermittlungen von zwei Privatpersonen, die herausfinden wollen (aus Neugier, mehr Motivation hab ich nicht finden können), was da abläuft. Die Wege kreuzen sich immer dann, wenn eine der Privatpersonen sich in wilde Gefahr begibt, um etwas über diese Geschäfte herauszufinden. Am Ende werden die Bösen in James Bond Manier gestellt und - natürlich ohne einzige Schramme bei den Helden - besiegt.

Klar, ich hab keine Ahnung, woher diese oben geschilderten Dinge kommen, ob jetzt Zeitrduck dahinter steht oder einfach vielleicht Unwille, ob da Bauchschreiber oder Vorabplaner oder Mischformen dahinterstecken. Woher es auch kommen mag, aber für mich sind das echte und leicht zu erkennende Strukturschwächen in der Konstruktion dieser Geschichten. Und weil sie so einfach zu erkennen sind, wären sie ja auch leicht zu beseitigen, wenn da ein Wille wäre. Deshalb finde ich es gut, wenn wir hier diskutieren und Gedanken und Erfahrungen austauschen. Ich weiß, das wolltest du auch gar nicht in Frage stellen, aber ich hatte jetzt einfach das Bedürfnis, das nochmal so zu sagen.

Ich liebe Krimis, die vom Ende her gedacht sind. Bei denen ich mich am Schluss zurücklehnen kann und sagen kann, das war es wert, dass ich diesem Buch meine Zeit und mein Geld gewidmet habe.

Ich denke, du vermischt hier Einiges. Spannung ist nur ein Element in einem Roman. Spannung alleine macht keinen guten Roman. Ohne ein bisschen Spannung geht es aber auch nicht. Die Dinge, die du in deinem Post kritisierst, würden mich auch nerven. Aber hier handelt es sich einfach um schlecht gemachte Plots. Das ist dann aber wieder eine andere Baustelle. Ich dachte, wir diskutieren hier nur darüber, wie man Spannung erzeugt. Ich halte das nicht für so schwer. Aber zu einem guten Roman gehört natürlich viel mehr als das. Authentische Figuren, ein glaubwürdiges Szenario, usw, usw. Nur, das war hier nicht das Thema.

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Zitat

Im Mystery (nach englischer Definition) ist der Antagonist das Rätsel selbst, würde ich sagen. Der/die Täter:in kann nur unschuldig tun und hoffen, dass niemand ihr/ihm auf die Spur kommt. Er/sie sitzt sozusagen im Mauseloch, während die Katze der Spur folgt.

Diese Art von Geschichten finde ich sogar wesentlich spannender als das klassische "Katz- und-Maus-Spiel", obwohl der Antagonist im Hintergrund bleibt.  Natürlich braucht er auch hier ein starkes Motiv, eine Biografie und einen nachvollziehbaren Antrieb, aber er prägt nicht die ganze Geschichte. 

 

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vor 43 Minuten schrieb Susann:

Ein Krimi, der dann im letzten Viertel einen Psychopathen als Mörder aus dem Hut zaubert und dessen Motiv auch noch mit küchenpsychologischen Abhandlungen erklärt.

Ja, das ging mir auch schon so, und es ärgert mich, es verleidet mir das Buch - und den Autor - im Nachhinein. Ich hatte darüber auch mal einen Thread eröffnet (gebrochener Vertrag mit dem Leser - wozu für mich ein unlogisches/banales Ende gehört.) Ich persönlich denke meinen Krimi auch vom Ende her (weshalb ich es vorher kennen muss + Tätermotivation natürlich).

vor 27 Minuten schrieb Ulf Schiewe:

Ich dachte, wir diskutieren hier nur darüber, wie man Spannung erzeugt. Ich halte das nicht für so schwer.

Ich finde das tatsächlich nicht so einfach, Ulf. Ein guter Konflikt reicht m.E. nicht, denn er hat nur das Potential für Spannung, garantiert sie aber nicht automatisch. Desgleichen ist für den Helden natürlich ein Ziel wichtig, das natürlich auch nicht ohne Hindernisse erreicht werden kann - aber auch hier: das Wie! Wie setze ich das spannend um? Wenn ich mich drauf verlasse, dass der Plot allein spannend ist, ist die Gefahr gegeben, dass trotzdem ein Langweiler herauskommt( und da gibt’s genügend Beispiele).

Bearbeitet von KerstinH
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vor 30 Minuten schrieb Ulf Schiewe:

Aber hier handelt es sich einfach um schlecht gemachte Plots. Das ist dann aber wieder eine andere Baustelle. Ich dachte, wir diskutieren hier nur darüber, wie man Spannung erzeugt

Ein schlecht gemachter Plot und ein schlecht gemachter Spannungsbogen ist für mich dasselbe. ;) Wenn in einem Krimi im letzten Viertel nach solchen Maßnahmen wie ich oben geschildert habe, gegriffen wird, dann stimmt etwas im gesamten Spannungsbogen nicht.

Die Figuren waren in den beiden von mir erwähnten Büchern über das von mir kritisierte hinaus übrigens sehr gut gemacht, auch das setting und bei dem 'James Bond' der recherchierte Hintergrund waren top.

Bearbeitet von Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 4 Minuten schrieb Susann:

Ein schlecht gemachter Plot und ein schlecht gemachter Spannungsbogen ist für mich dasselbe.

An der Stelle zweifle ich persönlich, wie ich weiter oben schon schrieb. Ein gut gemachter Plot ist für mich die Voraussetzung, aber kein Garant für Spannung. Jetzt käme es für mich auf die Mittel an: Wie setze ich das um? Man kann einen guten Plot auch stinklangweilig schreiben.

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vor 35 Minuten schrieb KerstinH:

An der Stelle zweifle ich persönlich, wie ich weiter oben schon schrieb. Ein gut gemachter Plot ist für mich die Voraussetzung, aber kein Garant für Spannung. Jetzt käme es für mich auf die Mittel an: Wie setze ich das um? Man kann einen guten Plot auch stinklangweilig schreiben.

Okay. Im Prinzip hast du recht. Was ich beschrieben habe, sind ja nur die Grundvoraussetzungen für einen Spannungsbogen. Wie setzt man das dann im Einzelnen um, ist natürlich eine berechtigte Frage.

Spannung wird durch Fragen im Kopf des Lesers erzeugt. Das Grundrauschen bildet die große Frage, die das ganze Buch durchzieht. Wird sie ihre große Liebe finden, wird der Held überleben, wird man endlich den Serienmörder erwischen?

Aber auch im Kleinen sollte man Fragen aufwerfen oder diskrete Andeutungen einstreuen. Das ist die Flinte an der Wand im ersten Akt bei Tschechow. Die Zweifel der Protagonisten. Eine Bemerkung, die aufhorchen lässt. Szenenende, die eine Frage im Kopf des Lesers hinterlassen. Kleine Cliffhanger am Ende eines Kapitels. Dialoge, die neue Fragen aufwerfen, ob man nicht auf dem falschen Pfad ist. Nicht alles auserzählen, Gedanken nicht zu Ende führen. Überraschungen, Schrecksekunden. Dramatische Szenen, die sich mit Ruhephasen abwechseln. Und viele Hunderte solcher Kniffe, die man meist nicht planen kann, die aber beim Schreiben entstehen und die Spannung hochhalten. 

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor 13 Minuten schrieb Ulf Schiewe:

Und viele Hunderte solcher Kniffe, die man meist nicht planen kann, die aber beim Schreiben entstehen und die Spannung hochhalten. 

Ja genau, das meinte ich. An der Stelle scheinen es die Bauchschreiber leichter zu haben ;-) , denen fällt sowas im richtigen Moment ein. Planen kann man das wahrscheinlich nur bedingt. Vielleicht war deshalb für dich die Fragestellung seltsam, weil das bei dir/den Bauchschreibern automatisch kommt. Für mich ist das (noch) schwer. Ich schätze, da spielt Erfahrung eine große Rolle.

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Ich stimme dir in fast allem zu, Ulf. Nur hier nicht:

"wird der Held überleben, wird man endlich den Serienmörder erwischen?"

Es gehört zu Thrillern dazu, aber die Antworten sind ja sowieso klar, nämlich "Ja". Das macht für mich nicht die Spannung aus, wenn ich einen Thriller lese oder als Film oder Serie sehe.

"Wer?", "Warum?" (für mich ist die Backstory in den allermeisten Thrillern viel spannender als die Frage, wer gewinnt), und oft auch "Wie?" sind m.E. die entscheidenden Fragen, die die Spannung reinbringen.

 

Bearbeitet von MichaelT
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vor 32 Minuten schrieb MichaelT:

Ich stimme dir in fast allem zu, Ulf. Nur hier nicht:

"wird der Held überleben, wird man endlich den Serienmörder erwischen?"

Es gehört zu Thrillern dazu, aber die Antworten sind ja sowieso klar, nämlich "Ja". Das macht für mich nicht die Spannung aus, wenn ich einen Thriller lese oder als Film oder Serie sehe.

"Wer?", "Warum?" (für mich ist die Backstory in den allermeisten Thrillern viel spannender als die Frage, wer gewinnt), und oft auch "Wie?" sind dabei für mich die entscheidenden Fragen, die die Spannung reinbringen.

 

Beides ist richtig, das "ob" und das "Wie", je nach Story etwas anders. In meinem "Der Attentäter" war das Ergebnis jedem bekannt, der von dem Attentat 1914 gehört hat. Das "Wie" war hier das Spannungselement. Obwohl viele Leser, auch wenn ihnen der Ausgang bewusst war, dennoch irgendwie hofften, es könnte anders kommen. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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vor einer Stunde schrieb MichaelT:

"Wer?", "Warum?" (für mich ist die Backstory in den allermeisten Thrillern viel spannender als die Frage, wer gewinnt), und oft auch "Wie?" sind m.E. die entscheidenden Fragen, die die Spannung reinbringen.

Das "Warum" ist für mich noch wichtiger als das "Wie" und "Wer" -als gelungenes Beispiel fällt mir Süskinds "Das Parfum" ein. Aber nicht nur in Thrillern, auch in historischen Romanen habe ich eine sich steigernde innere und äußere Spannung schon erlebt. Eine Hexe zum Beispiel, bei der ich bis zum Schluss darauf hoffte, dass sie überleben würde. (wie in Ulfs Beispiel). 

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vor 33 Minuten schrieb Christa:

Aber nicht nur in Thrillern, auch in historischen Romanen habe ich eine sich steigernde innere und äußere Spannung schon erlebt.

Christa, wie würdest du innere und äußere Spannung definieren? Könntest du jeweils ein Beispiel geben?

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vor 3 Minuten schrieb KerstinH:

Christa, wie würdest du innere und äußere Spannung definieren? Könntest du jeweils ein Beispiel geben?

Nicht ganz einfach, puh.;) Ich könnte mal die beiden Beispiele nehmen, die ich genannt habe. Beim Süskind-Mörder wird seine Entwicklung ganz nah beschrieben, und trotz des zunehmenden Entsetzens stellt sich eine Art Identifikation ein, die am Schluss dazu führt, dass man (ich) es sogar bedauert, dass der Mörder von der Meute zerrissen wird. Die äußere Spannung wird durch die Verfolgung ausgelöst (durch den Inspektor und eine weitere Person), durch die Momente, wo er jeweils fast erwischt wird und trotzdem weiter mordet.

Bei "Die Hexe von Freiburg" von Astrid Fritz war es so, dass das Leben der vermeintlichen Hexe geschildert wird, und man ihr immer näher kommt und sie mag. Ihre Gefühle, ihre Freude, ihre Liebe, ihre Verzweiflung wegen der Verfolgung. Die äußere Spannung ergibt sich aus den Schritten der Obrigkeit, die ihr immer näher auf den Pelz rückt. Schließlich habe ich sogar geweint, als sie dann doch hingerichtet wurde. Das passiert mir sehr selten. 

Eine Gemeinsamkeit scheint hier die Identifikation zu sein.

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