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DirkH

Spannungsbogen

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Patricia Highsmith hat hierzu auch ein sehr empfehlenswertes Buch geschrieben, das erste überhaupt, das ich selbst über das Thema Schreiben gelesen habe: Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt. Hier eine Kurzkritik

https://denkzeiten.com/2021/03/01/patricia-highsmisth-suspense-oder-wie-man-einen-thriller-schreibt/

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vor einer Stunde schrieb KarinKoch:

Patricia Highsmith hat hierzu auch ein sehr empfehlenswertes Buch geschrieben, das erste überhaupt, das ich selbst über das Thema Schreiben gelesen habe: Suspense oder Wie man einen Thriller schreibt. Hier eine Kurzkritik

https://denkzeiten.com/2021/03/01/patricia-highsmisth-suspense-oder-wie-man-einen-thriller-schreibt/

Von Patricia Highsmith habe ich alle Bücher gelesen und alle verfügbaren Filme gesehen. "Suspense" war nicht dabei. Wenn man da reinliest, kommt als Erstes, dass es keine Erfolgsrezepte dafür gebe, und sie will mit dem Buch erreichen, dass neue Autoren den Weg dazu finden, der in ihnen angelegt ist.

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Nochmal zur Frage übergeordneter und untergeordneter Spannungsbogen. Ich verstehe, was ihr meint, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das nicht anders nennen würde. Für mich gibt es nur den einen Spannungsbogen, nämlich eine (hoffentlich) über das ganze Buch gehaltene Spannung. Und dieser Bogen/diese Spannung sollte beim Krimi/Thriller durchgehend ziemlich hoch sein. Und dann gibt es für mich die Wege, die dahin führen, da hatte Wolf verschiedene Möglichkeiten genannt: Rätsel, Andeutungen, Geheimnisse, Hindernisse ... Natürlich gibt es verschiedene Figuren, verschiedene Themen im Buch usw. Und damit der Spannungsbogen insgesamt hochgehalten wird, wechseln sich die Figuren eben mit ihren Themen ab. Aber Spannung ist Spannung, egal, durch wen genau sie jetzt verursacht wird, oder? Hauptsache, sie ist durchgehend da. Ich will einfach, dass der Leser/Zuschauer möglichst die ganze Zeit an den Nägeln kaut.

Oder verstehe ich da was falsch? 

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vor 1 Stunde schrieb KerstinH:

Für mich gibt es nur den einen Spannungsbogen, nämlich eine (hoffentlich) über das ganze Buch gehaltene Spannung.

Ich glaube wirklich, dass dieser Spannungsbogen (für mich wäre das der übergeordnete Spannungsbogen) durch den Kernkonflikt der Geschichte entsteht. Im Krimi wäre das der Konflikt zwischen dem Mörder (der seine Tat vertuschen will, um nicht entdeckt zu werden) und dem Ermittler (der den Mörder finden will). In der Liebesgeschichte wäre das der Kernkonflikt, der die Liebenden voneinander fernhält. Dieser Kernkonflikt verschärft sich im Verlauf der Erzählung bis am zweiten Wendepunkt scheinbar gar nichts mehr geht. Und dann kommt die Lösung (mit der von Angelika beschriebenen überraschenden Wendung). Der Spannungsbogen fällt wieder ab.

All die 'kleineren' Spannungsbögen, die entstehen meiner Ansicht nach zum Beispiel durch die Subplots und dadurch, dass ich jedes Einzelkapitel idealerweise mit einem eigenen Konflikt versehe, der wie oben geschildert verschärft wird bis zum Höhepunkt und dann zur Lösung hin wieder abfällt.

So zumindest hat man es mir beigebracht - was natürlich keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. :)

Bearbeitet von Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Das sehe ich genauso, nur dass es zwischen den Kapitelplos und dem Gesamtplot noch viele Zwischenstufen gibt.

Und die Erkenntnis, dass es viele Plot und damit Spannungsebenen gibt, hilft noch nicht viel weiter, wie man die Spannung (Erwartung) aufbaut.

Auch unterscheiden sich die Genres. Beim Kriminalroman (Thriller) ist der Hauptkonflikt häufig früh bekannt.
In manchen Subgenres der Fantasy, vor allem, wenn das Setting fremd und anfangs noch schwer verständlich ist, wird das Hauptproblem erst recht spät klar. Der Leser weiß nur, dass da was ist, was sich langsam aus dem Dunst herausschält.

Beide Beispiele erfordern eine völlig unterschiedliche Art des Herangehens.

Und noch ein paar gängige Ratschläge, die gut zueinander passen:
- Konflikte, Konflikte, Konflikte. Es kann gar nicht genug davon geben
- Am Anfang eines guten Plots steht immer ein starker Konflikt
etc.

Konflikte erzeugen Spannung
Ihr Plot soll Spannung erzeugen

Das gehört alles zu sammen und ist ein großes Themenfeld.

Einen schönen Morgen wünsche ich euch.
Wolf

 

 

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vor 9 Stunden schrieb Susann:

Ich glaube wirklich, dass dieser Spannungsbogen (für mich wäre das der übergeordnete Spannungsbogen) durch den Kernkonflikt der Geschichte entsteht. Im Krimi wäre das der Konflikt zwischen dem Mörder (der seine Tat vertuschen will, um nicht entdeckt zu werden) und dem Ermittler (der den Mörder finden will)

Nochmal zur Definition. (Ich habe dahingehend aber keine Ausbildung gemacht, kann also gut sein, dass ich mir was Falsches zusammenreime).

Es scheint mir (nicht automatisch bei dir, Susann; insgesamt) eine Verwechslung von Spannung und Konflikt zu bestehen. Das ist für mich nicht das Gleiche. Spannung kann aus einem Konflikt entstehen, oder umgekehrt, ein Konflikt enthält Spannungspotential, aber ob die Geschichte wirklich spannend wird, liegt m.E. an der Umsetzung. Also an der Frage: Wie erzeuge und halte ich als Autor:in die Spannung, die der Konflikt mir bietet? Dazu muss ich ihn - den Konflikt - natürlich genau analysieren (und in die Szenen noch viele kleine Konflikte einbauen), aber der Konflikt wäre für mich nur die Vorstufe.

Im klassischen Krimi sehe ich den Konflikt z.B. nicht zwischen Mörder und Ermittler, denn normalerweise tut der Mörder nichts, um irgendwas zu verwischen, der Mord ist bereits geschehen und der Ermittler will den Mörder finden (eventuell macht er eine falsche Aussage, falls er schon im Fokus ist). Der Mörder würde hier nur zum Konflikt gehören, wenn es sich um einen Serienkiller handelt und man den nächsten Mord verhindern will, das würde mir als Autorin das Spannungsmittel Tickende Uhr ermöglichen. Bei einem einzigen, schon geschehenen Mord brauche ich, um Spannung zu erzeugen, aber einen anderen Konflikt, und das scheint mir der Kernpunkt von Dirks Frage zu sein. Okay, nein, Dirk schrieb von Thriller, da wäre die Spannung natürlich über das lebendig-aus-der-Sache-rauskommen-Wollen gegeben (aber auch hier: wie?) Aber beim Krimi? Da müsste man jetzt m.E. schauen, wo die Konfliktlinien wirklich verlaufen, um Spannung konstruieren zu können. Sonst lässt man die Ermittler einfach von A über B nach C laufen, bis D oder E gefunden sind, ohne dass wirklich etwas für den Leser Spannendes passiert. 

Bearbeitet von KerstinH
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vor 17 Minuten schrieb KerstinH:

Im klassischen Krimi sehe ich den Konflikt z.B. nicht zwischen Mörder und Ermittler, denn normalerweise tut der Mörder nichts, um irgendwas zu verwischen, der Mord ist bereits geschehen und der Ermittler will den Mörder finden.

Nein, das ist definitiv nicht zutreffend. In einem Krimi ist das Spiel zwischen dem Täter und dem Ermittler, der ihn jagt, der Kernkonflikt, der über die ganze Geschichte trägt. Der Täter ist hierbei die wichtigste Figur und die treibende Kraft, deshalb sollte man beim Entwickeln eines Krimis auch mit dem Verbrechensplot beginnen.

Der Täter wird durch die Ermittlungen des Ermittlers in die Enge gedrängt ... und muss darauf reagieren, um weiter seine Spuren zu verwischen und den Ermittler auf falsche Fährten zu lenken. Dabei kommt es meist noch zu einer Folgetat, einem weiteren Mord. Oft glaubt der Mörder, er könne mit dem Ermittler spielen und daraus ergibt sich dieses Spannungsfeld.

Derhalb ist meiner Ansicht nach der Kernkonflikt eines Krimis das, was ich oben geschrieben habe: Der Konflikt zwischen dem Mörder (der seine Tat vertuschen will, um nicht entdeckt zu werden) und dem Ermittler (der den Mörder finden will). Und die Zuspitzung dieses Konfliktes ergibt den Spannungsbogen.

Schau dir mal die Links an, die ich oben gepostet habe, vielleicht wird es dann klarer.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 39 Minuten schrieb Susann:

… deshalb sollte man beim Entwickeln eines Krimis auch mit dem Verbrechensplot beginnen.

Das auf jeden Fall.

vor 39 Minuten schrieb Susann:

Oft glaubt der Mörder, er könne mit dem Ermittler spielen und daraus ergibt sich dieses Spannungsfeld.

Das wäre aber schon eine Variante, ein Sonderfall, hier kommen bereits Thrillerelemente ins Spiel.

Im klassischen Krimi hat m.E. der Ermittler den Konflikt, seine Welt wurde durch den Mord gestört, die muss er wieder in Ordnung bringen. Sein Gegner sind die jeweiligen Umstände (falsche Fährten, eigene familiäre Probleme, Handicaps, Charakterschwächen, intrigante Kollegen usw.); alles, was der Autor ihm so in den Weg wirft. Den Konflikt hat der Ermittler m.E. mit dem Leser, der ihm im Nacken sitzt und den Fall gelöst haben will (gern durch den Vorgesetzten repräsentiert bzw. durch das „Gewissen“ - z.B. bei Dürrenmatt: Es geschah am helllichten Tag). Gleichzeitig hat natürlich der Autor das Problem, dass der Leser ihm mit der Lösung nicht zuvorkommen soll. Wie also halte ich als Autor die Spannung hoch? Ich lass den Ermittler anfangs (teilweise) an sich selbst scheitern, er erkennt die Falschheit der ersten Spuren aus diversen Gründen nicht usw. Ich muss Konflikte herstellen, die nicht nur im dramaturgischen Zusammenspiel mit dem Mörder liegen, sonst wird es langweilig. Obwohl es natürlich danach aussehen muss, als ginge es nur um die Mörderjagd. Aber der Ermittler scheitert anfangs nicht nur am Mörder.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 9 Minuten schrieb KerstinH:

Im klassischen Krimi hat m.E. der Ermittler den Konflikt, seine Welt wurde durch den Mord gestört, die muss er wieder in Ordnung bringen. Sein Gegner sind die jeweiligen Umstände (falsche Fährten, eigene familiäre Probleme, Handicaps, Charakterschwächen, intrigante Kollegen usw.); alles, was der Autor ihm so in den Weg wirft. Den Konflikt hat der Ermittler m.E. mit dem Leser, der ihm im Nacken sitzt und den Fall gelöst haben will (gern durch den Vorgesetzten repräsentiert bzw. durch das „Gewissen“ - z.B. bei Dürrenmatt: Es geschah am helllichten Tag). Gleichzeitig hat natürlich der Autor das Problem, dass der Leser ihm mit der Lösung nicht zuvorkommen soll. Wie also halte ich als Autor die Spannung hoch? Ich lass den Ermittler anfangs (teilweise) an sich selbst scheitern, er erkennt die Falschheit der ersten Spuren aus diversen Gründen nicht usw. Ich muss Konflikte herstellen, die nicht nur im dramaturgischen Zusammenspiel mit dem Mörder liegen, sonst wird es langweilig.

Das Spannungsfeld entsteht zwischen Protagonist (der den Mord aufklären will) und Antagonist (der die Aufklärung verhindern will). Das ist der Hauptplot. Das, was du oben aufzählst, wie persönliche Probleme des Ermittlers, das sind Nebenplots.

Krimis sind plot-driven, nicht charakter-driven.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Meiner Meinung nach ist der Hauptplot die Ermittlung, das Nachverfolgen aller Spuren, auch der falschen, die nicht immer vom Täter angelegt sein müssen, und damit das anfänglich ständige Scheitern des Ermittlers sowie das Wie und Warum, bis die Wende/Erkenntnis kommt und eventuell ein Showdown. Die Charakterschwächen/familiären Probleme sind Mittel zum Zweck, kein Nebenplot, und stehen einer plotgetriebenen Story auch nicht im Weg. Nebenplots wären für mich die eigenen (!) Stories anderer Personen, die sich idealerweise mit der des Protagonisten kreuzen.

Aber man kann es sicher verschieden sehen. Wo wir übereinstimmen, ist, dass die Spannung aus dem Konflikt kommt. Der liegt m.M.n. aber woanders. Und dann wäre die nächste Frage, wie ich sie über die gesamte Geschichte hochhalte.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 59 Minuten schrieb Susann:

Krimis sind plot-driven, nicht charakter-driven.

Ich habe neulich gelernt: Beim TV-Format eignen sich plot-driven Projekte für Filme, character-driven Projekte hingegen für eine Serie. Vielleicht lässt sich das auf das Verhältnis zwischen Einzelband und Reihe bei Büchern übertragen.

~~~ Carina alias C. R. Scott ~~~

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Spannend, Carina. Ich hatte tatsächlich bei meiner Argumentation Krimireihen im Sinn, also Ermittler, die immer wieder auftauchen.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 15 Stunden schrieb Christa:

Von Patricia Highsmith habe ich alle Bücher gelesen und alle verfügbaren Filme gesehen. "Suspense" war nicht dabei. Wenn man da reinliest, kommt als Erstes, dass es keine Erfolgsrezepte dafür gebe, und sie will mit dem Buch erreichen, dass neue Autoren den Weg dazu finden, der in ihnen angelegt ist.

Doch, das Buch gibt es, und es ist interessant, ich habs bei mir zu Hause stehen. Außerdem ist gerade was völlig Neues von Frau Highsmith herausgekommen, nämlich ihre Tagebücher, die jetzt erst gefunden wurden. Bei diogenes erschienen.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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vor 15 Minuten schrieb Angelika Jo:

Doch, das Buch gibt es, und es ist interessant, ich habs bei mir zu Hause stehen. Außerdem ist gerade was völlig Neues von Frau Highsmith herausgekommen, nämlich ihre Tagebücher, die jetzt erst gefunden wurden. Bei diogenes erschienen.

;) Daran, dass es das gibt, wollte ich nicht zweifeln. Ich meinte, nur ihr Buch Suspence habe ich nicht gelesen. Nach den Tagebüchern werde ich noch schauen. 

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Bei SFR habe ich einen Eintrag über die Tagebücher gefunden. Ewig fasziniert vom Bösen Die Spannung ihrer Krimis, die eigentlich keine sind, basiert auf den eigenen Abgründen. Daraus entsteht eine ungeheure Spannungskurve, und das habe ich zum Beispiel beim Roman "Der Fremde im Zug" gemerkt. Zwei Fremde verabreden einen Mord, den der eine jeweils für den anderen begehen soll-das perfekte Alibi, keinem ist die Anwesenheit am Tatort nachzuweisen. Das ist also der Ausgangspunkt, das Motiv, der Konflikt, der riesige Abgründe nach sich ziehen wird. Das Buch habe ich auch später nochmal gelesen und den Film zweimal gesehen.

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vor 3 Stunden schrieb KerstinH:

Meiner Meinung nach ist der Hauptplot die Ermittlung, das Nachverfolgen aller Spuren, auch der falschen, die nicht immer vom Täter angelegt sein müssen, und damit das anfänglich ständige Scheitern des Ermittlers sowie das Wie und Warum, bis die Wende/Erkenntnis kommt und eventuell ein Showdown. Die Charakterschwächen/familiären Probleme sind Mittel zum Zweck, kein Nebenplot, und stehen einer plotgetriebenen Story auch nicht im Weg. Nebenplots wären für mich die eigenen (!) Stories anderer Personen, die sich idealerweise mit der des Protagonisten kreuzen.

Aber man kann es sicher verschieden sehen. Wo wir übereinstimmen, ist, dass die Spannung aus dem Konflikt kommt. Der liegt m.M.n. aber woanders. Und dann wäre die nächste Frage, wie ich sie über die gesamte Geschichte hochhalte.

Ne, diese dramaturgischen Grundlagen kann man nicht verschieden sehen, man kann sie vielleicht unterschiedlich interpretieren und ich will mich da gar nicht ausnehmen - ich hab auch nicht immer den kompletten Überblick, wie auch. Oder man kann sie ablehnen, in dem Sinne, dass man sie nicht verwenden möchte, und das finde ich auch völlig legitim. Aber das Handwerkszeug an sich bleibt immer gleich.

Ich möcht mal ein bisschen in das reingehen, was du schreibst. Du sagst, der Krimi-Hauptplot ist die Ermittlung und die falschen Spuren gehen nicht immer vom Täter aus. Der Ermittler ermittelt, scheitert, kommt irgendwann zur Erkenntnis und Lösung des Falles. Mir fehlt hier tatsächlich ein bisschen der - ja - Antrieb. Wenn du die Täterfigur so in den Hintergrund stellst, von wem wird der Ermittler dann herausgefordert? Allein von seinem inneren Antrieb, Gerechtigkeit walten zu lassen? Ist das als Grundmotivation einer Hauptfigur wirklich genug? Und wie gestaltest du dann die Zuspitzung zum Höhepunkt, wenn der Ermittler doch irgendwo immer in derselben Betriebstemperatur unterwegs ist. Denn sein Wille, den Fall zu lösen, um Gerechtigkeit herzustellen, der verändert sich ja nicht. Der wird nicht in ansteigendem Maße größer. Da stellt sich mir tatsächlich die Frage: Wie soll da ein Spannungsbogen entstehen?

Und - ganz wichtig - Krimis, deren Hauptfigur der Mörder ist, die aus seiner Sicht erzählt werden, sind nochmal ein ganz anderes Kaliber. Die Figur des Mörders hat in der Tat ein antreibendes inneres Defizit, vermutlich verursacht durch ein Trauma - das er definitiv auf ungesundem Wege zu kompensieren versucht.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 1 Stunde schrieb Susann:

Mir fehlt hier tatsächlich ein bisschen der - ja - Antrieb. Wenn du die Täterfigur so in den Hintergrund stellst, von wem wird der Ermittler dann herausgefordert?

  • Vom Fall selbst. Hercule Poirot möchte brillieren, das ist sein Antrieb. Je schwerer lösbar, desto mehr läuft er zur Hochform auf (z.B. Mord im Orientexpress. Am Ende ist ihm nicht mal an der Bestrafung der Schuldigen gelegen.)
  • Von extremem Gerechtigkeitsempfinden. Der Täter muss dabei nicht mal sonderlich schlau sein. (z.B. Es geschah am helllichten Tag.)
  • Von den Umständen. (Es geschah am helllichten Tag. Der Täter ist längst tot.)
  • Vom Bedürfnis, seine Nase in alles zu stecken. Überbordende Neugier, und man hat ja sonst nichts zu tun. (Miss Marple.)
  • Von persönlicher Betroffenheit.
  • Von der Konkurrenz zu einem anderen Ermittler, der einem immer zuvorkommt ...

Die Herausforderung muss nicht unbedingt vom Täter kommen. Es kann genauso gut ein Charakterzug des Protagonisten sein. Ich stelle die Täterfigur auch nicht in den Hintergrund. Ich sage nur, dass sie nicht unbedingt der Antagonist sein muss.

vor 1 Stunde schrieb Susann:

Und wie gestaltest du dann die Zuspitzung zum Höhepunkt, wenn der Ermittler doch irgendwo immer in derselben Betriebstemperatur unterwegs ist.

Ist er ja nicht. Je anspruchsvoller das Rätsel, je größer die Schwierigkeiten, die sich ihm in den Weg stellen, desto mehr wächst er über sich selbst hinaus. Aber die Schwierigkeiten müssen nicht immer vom vermeintlichen Antagonisten kommen ("vermeintlich", weil ich eben glaube, dass in einem klassischen Krimi nicht der Täter der wirkliche Antagonist ist. Dazu eine kurze Anmerkung: Aus Lesersicht ist er es natürlich. Aber aus Autorensicht beim Plotten und Herstellen des Spannungsbogens ist er es nicht, zumindest nicht allein. Das meinte ich mit verschiedenen Sichtweisen.)

vor 1 Stunde schrieb Susann:

Und - ganz wichtig - Krimis, deren Hauptfigur der Mörder ist, die aus seiner Sicht erzählt werden, sind nochmal ein ganz anderes Kaliber.

Stimmt, aber das sind dann keine klassischen Krimis. Die haben eher Thrillerstruktur: Entkommt der Täter der Gefahr des Entdecktwerdens oder holt ihn der Kommissar/die Gerechtigkeit/das Gefängnis ... ein, und wenn ja, wie?

Bearbeitet von KerstinH
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Bei den "klassischen" Krimis (von Agatha Christie z.B.) sehe ich das wie Susann. Da fokussiert sich alles auf das Duell Ermittler gegen Täter - natürlich mit vielen Nebenfiguren als Ablenkungsmanöver. Die sonstigen "Probleme" der Ermittler finden am Rande statt (z.B.: Poirot muss abnehmen, aber überall gibt es leckeres Essen).

Das, was Kerstin beschreibt, findet man in skandinavischen Krimis häufiger. Da haben die Ermittler starke persönliche Probleme, vor allem innere Konflike, die den äußeren Konflikt für den Ermittler noch schwerer zu lösen machen.

Krimis von Agatha Christie sind m.E. plot driven. Skandinavische oft character driven.

Bearbeitet von MichaelT
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vor 17 Stunden schrieb KerstinH:
  • Vom Fall selbst. Hercule Poirot möchte brillieren, das ist sein Antrieb. Je schwerer lösbar, desto mehr läuft er zur Hochform auf (z.B. Mord im Orientexpress. Am Ende ist ihm nicht mal an der Bestrafung der Schuldigen gelegen.)
  • Von extremem Gerechtigkeitsempfinden. Der Täter muss dabei nicht mal sonderlich schlau sein. (z.B. Es geschah am helllichten Tag.)
  • Von den Umständen. (Es geschah am helllichten Tag. Der Täter ist längst tot.)
  • Vom Bedürfnis, seine Nase in alles zu stecken. Überbordende Neugier, und man hat ja sonst nichts zu tun. (Miss Marple.)
  • Von persönlicher Betroffenheit.
  • Von der Konkurrenz zu einem anderen Ermittler, der einem immer zuvorkommt ...

Die Herausforderung muss nicht unbedingt vom Täter kommen. Es kann genauso gut ein Charakterzug des Protagonisten sein. Ich stelle die Täterfigur auch nicht in den Hintergrund. Ich sage nur, dass sie nicht unbedingt der Antagonist sein muss.

Hab gerade nachgelesen, der Täter bei 'Es geschah am hellichten Tag' ist nicht 'längst tot' - er wird vom Kommissar (der ein kleines Mädchen als Lockvogel benutzt) mit einer Puppe in eine Falle gelockt und am Schluss erschossen. Und er ist auch kein klassischer Krimitäter, weil er ein Serienmörder ist, der bereits drei kleine Mädchen ermordet hat und ein weiterer Mord muss verhindert werden (er mordet aus einem psychischen Defizit heraus - hat ein Problem mit Frauen).

https://de.wikipedia.org/wiki/Es_geschah_am_hellichten_Tag

Überbordende Neugier bei Miss Marple und brillieren wollen bei Hercule Poirot das ist für mich eine Beschreibung von Charakterzügen. Eine Figurenmotivation ist es aber nicht, sonst müsste jeder neugierige Mensch sich in potentiell lebensgefährliche Kriminalermittlungen einmischen. Und gerade bei Mord im Orientexpress wird Hercule Poirot permanent von den Tätern in die Irre geführt, er ist ja quasi mit ihnen gemeinsam im Zug eingesperrt. Und sie versuchen ihn ständig auf falsche Fährten zu locken oder Verdächtigungen umzulenken. Es ist also eigentlich ein sehr gutes Beispiel für dieses Zusammenspiel zwischen Täter und Ermittler, das ich meinte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mord_im_Orient-Express_(Roman)

Persönliche Betroffenheit des Ermittlers vertieft die Geschichte mit Sicherheit, ist für mich aber kein Hauptplot, sondern ein Nebenplot. Solche Nebenplots sind ja verzahnt mit dem Hauptplot und liefern weitere Hindernisse und Schwierigkeiten auf persönlicher Ebene. Sie liefern auch eine wunderbare Figurenmotivation. Wenn ein Angehöriger des Kommissars ermordet wird, dann ist er ganz anders in den Fall involviert, die persönliche Betroffenheit kann ihn anspornen genauso wie auskontern. Sein Umgang mit dem Verlust aber ist ein Subplot. Wenn er im Hauptplot nicht in steigendem Maße vom Täter herausgefordert wird, dann agiert er auch bei persönlicher Betroffenheit immer in ein und derselben Betriebstemperatur. Das Einzige, was ich mir vorstellen könnte, wäre, dass er mit jedem Fehlschlag depressiver wird, aber das ist für eine Mordermittlung ja eher kontraproduktiv. Okay, mag sein, dass es so Bücher gibt, ich kenne die Skandinavier jetzt nicht, die Michael erwähnt. Sind mir zu düster :)

Konkurrenz zu anderem Ermittler ist wieder ein nettes Detail, das die Hauptfigur aber genauso gut links liegen lassen könnte, sich einen Kaffee machen, und den Mörder in den Wind schießen könnte.

Grundsätzlich: Die Herausforderung kommt natürlich nicht nur vom Täter, sie sollte auf allen Ebenen gegeben sein, auch auf der Physischen (eingesperrt im Zug - Mord im Orientexpress). Und eben durch die Nebenplots, wie auch immer sie aussehen. Wenn es aber um den Kern-Spannungsbogen geht, dann sollte man sich zunächst das Grundgerüst der Hauptplots anschauen. Vor allem: Wer agiert da? Wie sieht der Motor der Geschichte aus? Und wenn mich nicht alles täuscht, dann ist der Motor einer Geschichte immer der Kern-Konflikt.

Muss man nicht so sehen. Kann man, wie gesagt.

Ich bin übrigens sehr dankbar für diese Diskussion hier, denn sie hat dazu geführt, dass ich mir selbst nochmal Gedanken über mein eigenes derzeitiges Projekt gemacht habe. Tjo, sagen wir, da hat der Täter auch noch Spielraum nach oben im Aktionspotential. Betriebsblindheit - echt schlimm.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 52 Minuten schrieb Susann:

Hab gerade nachgelesen, der Täter bei 'Es geschah am hellichten Tag' ist nicht 'längst tot' - er wird vom Kommissar (der ein kleines Mädchen als Lockvogel benutzt) mit einer Puppe in eine Falle gelockt und am Schluss erschossen.

Sorry, ich meinte „Das Versprechen“ von Dürrenmatt, das auf „Es geschah am hellichten Tag“ basiert.

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vor 2 Stunden schrieb Susann:

Persönliche Betroffenheit des Ermittlers vertieft die Geschichte mit Sicherheit, ist für mich aber kein Hauptplot, sondern ein Nebenplot. Solche Nebenplots sind ja verzahnt mit dem Hauptplot und liefern weitere Hindernisse und Schwierigkeiten auf persönlicher Ebene. Sie liefern auch eine wunderbare Figurenmotivation. Wenn ein Angehöriger des Kommissars ermordet wird, dann ist er ganz anders in den Fall involviert, die persönliche Betroffenheit kann ihn anspornen genauso wie auskontern. Sein Umgang mit dem Verlust aber ist ein Subplot. Wenn er im Hauptplot nicht in steigendem Maße vom Täter herausgefordert wird, dann agiert er auch bei persönlicher Betroffenheit immer in ein und derselben Betriebstemperatur. Das Einzige, was ich mir vorstellen könnte, wäre, dass er mit jedem Fehlschlag depressiver wird, aber das ist für eine Mordermittlung ja eher kontraproduktiv. Okay, mag sein, dass es so Bücher gibt, ich kenne die Skandinavier jetzt nicht, die Michael erwähnt. Sind mir zu düster :)

Ich muss Kerstin zustimmen, dass Ermittler in Krimis oft keine tiefgreifende Motivation haben. Das ist nämlich ein Grund, warum ich Krimis langweilig finde – und ich habe wirklich schon viele gelesen und nach der Hälfte wieder abgebrochen. Die Kommissare ermitteln meist, weil es eben ihr Job ist, den sie einfach mit voller Hingabe machen. Und Krimileser erwarten auch nichts anderes, denn sie lesen Krimis nur, um mitzurätseln.
Fallhöhe und eine starke Motivation, den Täter zu finden, gibt es meiner Erfahrung nach nur in Thrillern, weil dort eben auch eine Gefahr von einem aktiven Täter ausgeht.

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Für mich ist ein gutes Rätsel in Krimis und Thrillern die halbe Miete für einen guten Spannungsaufbau.

Nur die Frage, wer gewinnt, reicht mir nicht, weil die Antwort sowieso klar ist.

Ein gutes Rätsel mit vielen Wendungen - das hält in meinen Augen die Spannung hoch.

Bearbeitet von MichaelT
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vor 36 Minuten schrieb MichaelT:

Für mich ist ein gutes Rätsel in Krimis und Thrillern die halbe Miete für einen guten Spannungsaufbau.

Exakt. Da muss man ansetzen. Und das Rätsel hat mehr Bestandteile als nur Täter und Ermittler.

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vor einer Stunde schrieb MichaelT:

Für mich ist ein gutes Rätsel in Krimis und Thrillern die halbe Miete für einen guten Spannungsaufbau.

Nur die Frage, wer gewinnt, reicht mir nicht, weil die Antwort sowieso klar ist.

Ein gutes Rätsel mit vielen Wendungen - das hält in meinen Augen die Spannung hoch.

Sehe ich auch so. Das Rätsel ist in Thriller und Krimi elementar. Obwohl, in Thriller kann man auch ohne Rätsel Spannung erzeugen, z.B. durch extreme Bedrohung.

Bearbeitet von Sabine
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