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DirkH

Spannungsbogen

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Bei jedem neuen Roman stellt sich dieselbe Frage: Wie lege ich den Spannungsbogen an? Wie viele Spannungsbögen gibt es? Wie hängen sie miteinander zusammen? Wie löse ich sie auf? Und letztendlich kratze ich mir den Kopf und frage mich: Was ist das überhaupt, dieser Spannungsbogen? 

Eins steht fest, er kommt wohl in jedem Genre vor (wenn man Lyrik und technische Bedienungsanleitungen ausnimmt). Wie geht ihr damit um? 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Interessante Frage.

Wenn ich mir meine eigenen Bücher vergegenwärtige, dann wird ein gewisses Muster deutlich. Sie haben fast alle ein zu erreichendes Ziel, das schon sehr früh benannt wird. Es ist ein für den oder die Protagonisten wünschenswertes Ziel. Vielleicht ein Ehrgeiz zu befriedigen oder ein anderes positiv motivierendes Ziel. Oder umgekehrt, etwas zu vermeiden oder einem Desaster zu entkommen. Es muss ambitioniert genug sein, um den Leser zu fesseln, der sich fragt, wie das zu erreichen ist.

Beispiele: die Ehe mit einem verachtenswerten Menschen zu vermeiden, der Plan, eine Geisel zu befreien oder einen Bankraub auszuführen, den Tyrann eines Landes zu beseitigen, einen Gulag zu überleben oder sich einen Lebenspartner zu angeln. Das Prinzip ist das Gleiche.

Diese Frage, wie und ob die Protagonisten das schaffen, bildet das Grundrauschen des Spannungsbogens. Das bleibt beim Leser immer im Hinterkopf. Und alles, was passiert, hat direkt oder indirekt damit zu tun, auch wenn es nicht immer deutlich ist und auch mal Nebenschauplätze besucht werden. Es gibt zwei grundsätzliche Ansätze: 1) Dem Held geht es anfänglich gut, doch dann stürzt er fürchterlich ab. Und ab der Mitte beginnt er sich langsam wieder hochzuarbeiten. Oder 2) Er fängt ganz unten an, arbeitet sich hoch, um erneut abzustürzen und am Ende nur mit letzter Kraft noch die Kurve zu kriegen.

Und damit es nicht langweilig wird, muss es auf dem Weg zum Ziel ab und zu Fortschritte geben und dann auch wieder gemeine Rückschläge. Eine abwechslungsreiche Achterbahn der Gefühle. :)

Die Montalban-Reihe, Die Normannen-Saga, Die Wikinger-Trilogie, Bucht der Schmuggler, Land im Sturm, Der Attentäter, Die Kinder von Nebra, Die Mission des Kreuzritters, Der Eiserne Herzog, www.ulfschiewe.de

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Sebastian Niedlich

Auf das Simpelste heruntergebrochen, ist der Spannungsbogen: Es gibt ein Ziel, das zu erreichen ist, und eines (aber besser mehrere) Hindernisse, die dem Erreichen des Ziels im Wege stehen, welche die Hauptperson überwindet ... oder nicht.

Wie genau man das nun gestaltet und ob es dafür eine feste Form gibt... tja, darüber sind ja schon Tausende Bücher geschrieben worden. Und wahrscheinlich hängt es ein wenig von der Form (Roman, Drehbuch, Theaterstück ...), dem Genre und dem persönlichen Stil ab, wie man da vorgeht. Ich bin ja der Überzeugung, dass es da kein allgemeingültiges Schema gibt, das immer passt. (So wie nicht jede Geschichte ein 3-Akter sein muss, sondern auch mal ein 5-Akter sein kann. Manche haben gar nur einen Akt.)

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vor einer Stunde schrieb DirkH:

Bei jedem neuen Roman stellt sich dieselbe Frage: Wie lege ich den Spannungsbogen an? Wie viele Spannungsbögen gibt es? Wie hängen sie miteinander zusammen? Wie löse ich sie auf? Und letztendlich kratze ich mir den Kopf und frage mich: Was ist das überhaupt, dieser Spannungsbogen? 

Als ganz grobe Vorgabe kenne ich zwei Bögen (und ich glaube, ich baue die auch so in meinen Geschichten): Der eine ist der große, fast den ganzen Text umspannende, beherrscht von der Frage Schafft der/die das (Ziel)?  Den gibt es in jedem Genre und prinzipiell in jedem Text, der den Leser am Buch hält, würde ich sagen. Der andere baut sich erst ganz am Schluss auf, nachdem die erste Frage beantwortet ist: Ja ( :) bei mir jedenfalls), er/sie hat es geschafft, schiebt aber dann quasi auf der vorletzten Seite noch einmal ein Hindernis in die Kulisse, worauf plötzlich doch noch einmal alles in Frage steht. Es gibt viele Texte, die ohne das auskommen, aber mit gefällt es mir besser.

Ein Beispiel, vielleicht kennen es die Bayern hier: Der Brandner Kasper schaut ins Paradies. Von diesem Stück gibt es eine uralte Schwarz-Weiß-Film-Fassung, die ich wirklich toll finde. Irgendwann später kam dann noch ein Remake – auch gut gemacht und mit hervorragenden Schauspielern (Jörg Hube als der Herr Portner etwa). Es ist die gleiche Geschichte, mit neuen Mitteln kongenial verfilmt, hat mir wieder ausgezeichnet gefallen, aber ein ganz kleines Detail hat gefehlt. Am Ende spaziert der Brandner, nachdem er das Paradies gesehen hat, zur Erleichterung aller Parteien endlich doch noch durch das große Tor hinein. In der ersten Fassung lief dabei hinter ihm sein Jagdhund, der – da auf Erden gerade erschossen – nun auch oben gelandet ist. Als er hinter seinem Herrn auf das Tor zutrabt, gibt es noch einmal diese Sekunde erneuter Spannung: Lässt der strenge Portner einen Hund ins Paradies? Oder scheitert doch noch alle?. Wirklich nur eine Sekunde – dann zwinkert Jörg Hube, der Hund läuft Schweif wedelnd durchs Tor, alles gut.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Danke für eure Antworten. Es scheint also unterschiedliche Modelle zu geben. Die beiden, die Ulf nennt:

vor 59 Minuten schrieb Ulf Schiewe:

Es gibt zwei grundsätzliche Ansätze: 1) Dem Held geht es anfänglich gut, doch dann stürzt er fürchterlich ab. Und ab der Mitte beginnt er sich langsam wieder hochzuarbeiten. Oder 2) Er fängt ganz unten an, arbeitet sich hoch, um erneut abzustürzen und am Ende nur mit letzter Kraft noch die Kurve zu kriegen.

Und die beiden Modelle von Angelika. Insbesondere den kleinen Dreher am Schluss finde ich sehr schön. Das kommt in mein Handwerkskästchen. 

vor 16 Minuten schrieb Angelika Jo:

Der eine ist der große, fast den ganzen Text umspannende, beherrscht von der Frage Schafft der/die das (Ziel)?  Den gibt es in jedem Genre und prinzipiell in jedem Text, der den Leser am Buch hält, würde ich sagen. Der andere baut sich erst ganz am Schluss auf, nachdem die erste Frage beantwortet ist: Ja ( :) bei mir jedenfalls), er/sie hat es geschafft, schiebt aber dann quasi auf der vorletzten Seite noch einmal ein Hindernis in die Kulisse, worauf plötzlich doch noch einmal alles in Frage steht.

Kennt ihr noch weitere? Und: legt ihr den Spannungsbogen vor dem Schreiben weitgehend fest? Oder nur die Eckpunkte? Oder alles?

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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vor 58 Minuten schrieb Sebastian Niedlich:

Wie genau man das nun gestaltet und ob es dafür eine feste Form gibt... tja, darüber sind ja schon Tausende Bücher geschrieben worden. Und wahrscheinlich hängt es ein wenig von der Form (Roman, Drehbuch, Theaterstück ...), dem Genre und dem persönlichen Stil ab, wie man da vorgeht.

Wenn wir mal beim Genre bleiben: Wie würde sich denn der Spannungsbogen eines Thrillers von einem Historischen Roman, einen Krimi und einer Liebesgeschichte unterscheiden? 

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Ich befürchte, den Spannungsbogen gibt es gar nicht. Zumindest nicht in der Form, unter der man sich ein Bogen vorstellt.
Spannung ist im Grunde genommen eine Erwartung. Sie baut sich langsam auf und wird relativ kurz aufgelöst. Ausnahme: ellenlange Erklärungen des Meisterdetektivs am Ende des Falls.

Diese Erwartungskurven können in jedem zeitlichen Maßstab vorkommen. In der Regel gibt eine, der die ganze Geschichte umhüllt. Bei einer Trilogie erstreckt sie sich über drei Bände, wobei die einzelnen Bände auch jeweils einen brauchen.

Von der Technik her eignet sich alles, was Erwartungen aufbaut. Rätsel, Geheimnisse, Gefahr, Aufgaben, Andeutungen oder eine Betonung des Besonderen in der Alltäglichkeit, oder eine Betonung des Alltäglichen in der Besonderheit. Widersprüche und alles, was einer Erklärung bedarf.

Die technische Seite wird recht gut behandelt in: Francois Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Ist ein Langzeitinterview.
Aber die technische Seite beantwortet nicht die wichtigste Frage des Autors: Wie viel Spannung erfordert oder erträgt seine Geschichte, und an welchen Stellen soll er sie platzieren. Soll er auf wenige starke Erwartungskurven setzen oder auf viele kleine. Darauf habe ich auch keine Antwort, weil es wohl kaum Regelmäßigkeiten gibt. Ich mache das in meinen Geschichten intuitiv und setze meist auf viele Überraschungen und Wendungen. Aber das ist nicht übertragbar auf andere Genres oder Autoren.

Aber Spannung ist spannend. ;D
Wolf

 

 

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vor einer Stunde schrieb DirkH:

Wenn wir mal beim Genre bleiben: Wie würde sich denn der Spannungsbogen eines Thrillers von einem Historischen Roman, einen Krimi und einer Liebesgeschichte unterscheiden? 

Für mich wäre die Antwort: Er darf zwischendurch nicht abflauen. Beim LR (oder bei cosy crime) gibt es Momente der Erholung, des einfachen Wohlfühlens, der Hygge, die ich dem Krimi nicht und dem Thriller schon gar nicht zugestehe. Hier würde ich entsprechende Momente der Stille (die notwendige Tempiwechsel sind) als latent trügerisch aufbauen (wie ein leises Ohrgeräusch oder eine unterschwellig bedrohliche Filmmusik im Hintergrund). Was ich auch gerade aus einem anderen Seminar (bei der Konkurrenz ;-) ) gelernt habe: Es müssen ständig Fragen offen sein. Die Hauptfrage natürlich ohnehin - Schaffen sie es und wie? Wer war bzw. ist es? -, aber falls es dahingehend grade mal etwas ruhiger wird, müssen sich zwischendurch andere Fragen stellen. Bei dem in einem anderen Thread diskutierten "Bosch" fiel mir auf, dass ich zwischenzeitlich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte einer Nebenfigur ausgeht. Das trug mich über die Phase, in der der eine Fall schon gelöst und der zweite noch nicht wieder so stark im Fokus des Ermittlers war. Ich bin noch am Analysieren, warum mich das plötzlich so interessierte, dass ich weiterlas. Außerdem muss bei einem Krimi/Thriller m.E. viel stärker das Unerwartete passieren, so dass ich als Leser einfach unter eine Erwartungsspannung gerate: Oh mein Gott, aus welcher Richtung kommt es denn jetzt wieder? Ich präpariere mich beispielsweise für eine Bergbesteigung aufwändig mit Kletterseil und Haken und falle dann aber, als ich kurz aus dem Haus zum Briefkasten gehe, in den Gully, den irgendein Armleuchter offengelassen hat. Dann war das aber gar kein Armleuchter, sondern der Antagonist (der Autor :-) ), der mir (dem Leser) gar nicht auf dem Berg, sondern im Untergrund auflauert. Und ausgerechnet jetzt habe ich das Kletterseil nicht zur Hand, um hier wieder rauszukommen ... So etwa.

PS: Allzu offensichtliche Cliffhanger: Hätte er gewusst, was auf den nächsten zwei Seiten ... nerven mich mittlerweile eher.

Bearbeitet von KerstinH
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vor 1 Stunde schrieb Ulf Schiewe:

Diese Frage, wie und ob die Protagonisten das schaffen, bildet das Grundrauschen des Spannungsbogens. Das bleibt beim Leser immer im Hinterkopf.

Alle eure Erklärungen und Beispiele finde ich gut, besonders auch das vom Brandner Kaspar, Angelika. Diese Wendung am Schluss, die alles wieder in Frage stellen kann, finde ich auch im Genre Krimi/Thriller, wo es auf spannende Wendungen ankommt wie besonders in Hitchcocks "Psycho". Da war es der Blick des Täters am Schluss, der alles wieder in Frage stellte. Genial!

Dann das Grundrauschen von dir, Ulf. Ich merke das ganz deutlich als Leserin. Wenn meine Gedanken abschweifen oder ich noch mal zurückblättere-um was geht es denn eigentlich?-dann ist der Spannungsbogen nicht genug gespannt. Wenn ich aus dem Atemlosen gar nicht mehr rauskomme und ich nur noch Action erlebe, ist er m.E. überspannt. Auch Verzetteln jeder Art ist ein Spannungskiller.

vor 48 Minuten schrieb DirkH:

Danke für eure Antworten. Es scheint also unterschiedliche Modelle zu geben. Die beiden, die Ulf nennt:

Und die beiden Modelle von Angelika. Insbesondere den kleinen Dreher am Schluss finde ich sehr schön. Das kommt in mein Handwerkskästchen. 

Kennt ihr noch weitere? Und: legt ihr den Spannungsbogen vor dem Schreiben weitgehend fest? Oder nur die Eckpunkte? Oder alles?

Das Grundrauschen von Ulf kann man auch den zentralen Konflikt nennen. Das und die Motive der Figuren entwickle ich normalerweise vor dem Schreiben. Also: Worum geht es hauptsächlich? Alles andere entwickelt sich während des Schreibens, auch die Wendung am Schluss. Wenn ich mich während des Schreibens nicht langweile, sondern immer gespannt bin, wie es weitergeht, dann ist ein Spannungsbogen da.

Bearbeitet von Christa
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vor einer Stunde schrieb Wolf:

Wie viel Spannung erfordert oder erträgt seine Geschichte, und an welchen Stellen soll er sie platzieren. Soll er auf wenige starke Erwartungskurven setzen oder auf viele kleine.

Ich stelle mir den Spannungsbogen tatsächlich wie einen Bogen vor, der meine Geschichte überspannt, und unter dem viele kleine Kurven liegen, meist überschneiden sie sich. Ich zeichne das sogar auf, wenn ich mir über den Ablauf der Geschichte klar geworden bin. 

 

vor einer Stunde schrieb KerstinH:

Hier würde ich entsprechende Momente der Stille (die notwendige Tempiwechsel sind) als latent trügerisch aufbauen (wie ein leises Ohrgeräusch oder eine unterschwellig bedrohliche Filmmusik im Hintergrund).

Das finde ich als Leser manchmal noch viel spannender als alles andere. Aber eine gute Herangehensweise hat sich mir noch nicht offenbart. Nennt man das bedrohliche Thema im stillen Moment nochmal beim Namen, konkretisiert man es für den Leser? Oder geht man als Autor davon aus, dass der Leser die Bedrohung aus den anderen Kapiteln von selbst mit in das ruhige Kapitel mit hinein trägt und so die latente Bedrohung spürt, ohne dass der Autor sie ihm noch einmal unter die Nase reibt?

 

vor einer Stunde schrieb KerstinH:

ch präpariere mich beispielsweise für eine Bergbesteigung aufwändig mit Kletterseil und Haken und falle dann aber, als ich kurz aus dem Haus zum Briefkasten gehe, in den Gully, den irgendein Armleuchter offengelassen hat. Dann war das aber gar kein Armleuchter, sondern der Antagonist (der Autor :-) ), der mir (dem Leser) gar nicht auf dem Berg, sondern im Untergrund auflauert. Und ausgerechnet jetzt habe ich das Kletterseil nicht zur Hand, um hier wieder rauszukommen ...

Das hat Bestsellerpotential, Kerstin!

Sagt Abraham zu Bebraham: Kann ich mal dein Cebraham?

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Sebastian Niedlich
vor einer Stunde schrieb DirkH:

Wenn wir mal beim Genre bleiben: Wie würde sich denn der Spannungsbogen eines Thrillers von einem Historischen Roman, einen Krimi und einer Liebesgeschichte unterscheiden? 

Ich denke, dass der Spannungsbogen eines Thrillers bis zum Ende relativ(!) kontinuierlich ansteigt, wohingegen in den anderen genannten Genres das nicht so sein muss. (Kann, aber nicht muss. Ein historischer Roman kann ja auch ein Thriller sein ... oder eine Liebesgeschichte.)

Wie Kerstin schon sagte, gibt es in Liebesromanen durchaus auch Momente, in denen die Spannung etwas abflacht, was in dem Genre völlig okay ist, bei Thrillern aber vermutlich eher weniger.

Bitte auch beachten, dass ich hier vom Hauptspannungsbogen der Geschichte spreche. Natürlich kann (bzw. sollte, muss aber nicht) es auch noch weitere Spannungsbögen geben, die sich auf Nebenhandlungen oder vielleicht nur einzelne Szenen beziehen.

Ich muss bei Spannungsbogen immer an das berühmte Zitat von Hitchcock denken, der (von mir jetzt grob zusammengefasst) in etwa gesagt hat:
Wenn sich zwei Leute an einem Tisch über belangloses Zeug unterhalten und dann geht eine Bombe hoch, hat man nur einen kleinen Augenblick Spannung. Wenn man aber dem Zuschauer (oder dem Leser) vorher mitteilt, dass die Bombe unter dem Tisch liegt, herrscht da eine unglaubliche Spannung, weil man weiß, dass die Bombe jeden Moment hochgeht. (Und somit ist selbst die belanglose Unterhaltung spannend.)
Spannung ist also auch eine Frage, wann man dem Leser welche Information gibt. Aber das gehört jetzt vielleicht nicht hierher.

Ich würde sagen, dass der Spannungsbogen unmittelbar mit der stärke des Konflikts zusammenhängt, der die Geschichte trägt.

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vor einer Stunde schrieb KerstinH:

Für mich wäre die Antwort: Er darf zwischendurch nicht abflauen. Beim LR (oder bei cosy crime) gibt es Momente der Erholung, des einfachen Wohlfühlens, der Hygge, die ich dem Krimi nicht und dem Thriller schon gar nicht zugestehe. Hier würde ich entsprechende Momente der Stille (die notwendige Tempiwechsel sind) als latent trügerisch aufbauen (wie ein leises Ohrgeräusch oder eine unterschwellig bedrohliche Filmmusik im Hintergrund). Was ich auch gerade aus einem anderen Seminar (bei der Konkurrenz ;-) ) gelernt habe: Es müssen ständig Fragen offen sein. Die Hauptfrage natürlich ohnehin - Schaffen sie es und wie? Wer war bzw. ist es? -, aber falls es dahingehend grade mal etwas ruhiger wird, müssen sich zwischendurch andere Fragen stellen. 

PS: Allzu offensichtliche Cliffhanger: Hätte er gewusst, was auf den nächsten zwei Seiten ... nerven mich mittlerweile eher.

Das würde ich unterstreichen. Es darf nicht abflauen oder belanglos werden. Zu den offenen Fragen: Es können auch Nebenkonflikte sein, die sich neben dem Hauptkonflikt zwischen den Figuren entwickeln. Oder eine Bedrohung aus einer anderen Richtung. Nicht zu unterschätzen auch das Innenleben der Figuren, die Nähe zur Figur, wie der Leser das miterlebt. Innere Monologe, spannende Dialoge, das ganze Handwerkskästchen eben. 

Diese altmodischen Cliffhanger finde ich übrigens auch noch in modernen Romanen (Thrillern) und finde sie doof. Ebenso das absolut übertriebene Hängen am Kliff, an einem Auto über dem Abgrund oder einem Zweig. Und dann die Hand des Mörders, der die Figur hinunterstoßen will oder die helfende Hand des Freundes, die niemals feucht ist, so dass der Hängende abrutschen muss.

Bearbeitet von Christa
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vor 8 Minuten schrieb Sebastian Niedlich:

 

Ich muss bei Spannungsbogen immer an das berühmte Zitat von Hitchcock denken, der (von mir jetzt grob zusammengefasst) in etwa gesagt hat:
Wenn sich zwei Leute an einem Tisch über belangloses Zeug unterhalten und dann geht eine Bombe hoch, hat man nur einen kleinen Augenblick Spannung. Wenn man aber dem Zuschauer (oder dem Leser) vorher mitteilt, dass die Bombe unter dem Tisch liegt, herrscht da eine unglaubliche Spannung, weil man weiß, dass die Bombe jeden Moment hochgeht. (Und somit ist selbst die belanglose Unterhaltung spannend.)
Spannung ist also auch eine Frage, wann man dem Leser welche Information gibt. Aber das gehört jetzt vielleicht nicht hierher.
 

Doch, Sebastian, das gehört sehr wohl hierher und ist ein wesentliches Werkzeug beim Spannungsbau: Leser-Mehrwissen. Spannung ist ja Erwartung, wie dein zitiertes Beispiel zeigt. Spannungsaufbau daher Erwartungs- und damit Informationsmanagement. Die Spannung lässt dann nach, wenn spannende Situationen immer auf dieselbe Weise aufgelöst werden. Hier hat dann auch die Überraschung ihren Platz, die ich ansonsten spannungstechnisch für eher unergiebig halte.

Der große Spannungsbogen findet nach meinem Gefühl am Ende des zweiten Aktes meist eine Lösung. Es ergibt sich daraus aber eine neue Spannungsfrage, in der Weise: Der Held musste im ersten Spannungsbogen kapieren, dass die Frau, die er immer abgewiesen hat, die Richtige ist. Als er es einsieht, hat will sie ihn aber nicht mehr. Nun muss er sie überzeugen, dass er sich geändert hat. (Das wäre im Drei-Akt-Modell der 3. Akt.)

 

 

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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vor einer Stunde schrieb DirkH:

Das finde ich als Leser manchmal noch viel spannender als alles andere. Aber eine gute Herangehensweise hat sich mir noch nicht offenbart. Nennt man das bedrohliche Thema im stillen Moment nochmal beim Namen, konkretisiert man es für den Leser? Oder geht man als Autor davon aus, dass der Leser die Bedrohung aus den anderen Kapiteln von selbst mit in das ruhige Kapitel mit hinein trägt und so die latente Bedrohung spürt, ohne dass der Autor sie ihm noch einmal unter die Nase reibt?

Daran knabbere ich noch. Ich finde aber, der Leser muss die Verbindung selbst ziehen (gern auch falsch, Hauptsache, er gruselt sich). Ich erwähne nur etwas, was ähnlich klingt. Jetzt ganz schnell aus der Hüfte: Wenn z.B. der Ex-Lover der Protagonistin gewalttätig war, dann geht sie beispielsweise spätnachts nach einem stressvollen Tag durch dunkle Gassen nach Hause. Als Leser erwartet man einen Angriff, der kommt aber nicht. Zuhause gießt sie sich ein Glas Wein ein und setzt sich zur Entspannung vor den Fernseher (das alte Haus knarzt und knackt wie immer). In den Nachrichten kommt als letzte Meldung was, wie jemand irgendwo in Hintertupfingen seine Exfreundin gestalkt und schließlich getötet hat. Sie macht den Fernseher lieber aus und geht ins Bett (erst ins Bad, das schließt sie natürlich ab, dann nach oben ins Dachgeschoss ...). Endlich schläft sie ein. Am nächsten Tag scheint die Sonne ins Zimmer, sie geht runter in die Küche, sieht die Kletterausrüstung - Seile und Haken - und freut sich auf das bevorstehende Kletterabenteuer in den Bergen mit ihrem neuen Lover (weil: es ist Wochenende = Entspannung), will schnell die Post holen und fällt in den Gully ...

... und da ist aber nicht der Exfreund, sondern der Gärtner. Oder Hannibal Lecter. So stelle ich es mir jedenfalls vor. (Und ich wette, du hast bei dem neuen Lover kurz aufgemerkt. Weil ich, wie Andreas schreibt, vorher was erwähnt hatte, nämlich im vorherigen Post die Kletterausrüstung und hier zweimal das Wort Lover, das zweite Mal sogar in Verbindung mit der Ausrüstung.)

Bearbeitet von KerstinH
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vor 32 Minuten schrieb DirkH:

Ich stelle mir den Spannungsbogen tatsächlich wie einen Bogen vor, der meine Geschichte überspannt, und unter dem viele kleine Kurven liegen, meist überschneiden sie sich. Ich zeichne das sogar auf, wenn ich mir über den Ablauf der Geschichte klar geworden bin. 

 

 

Aus dieser Formulierung wird klar, dass Du nur den einen Spannungsbogen meinst, der die ganze Geschichte überspannen soll.

Dann wäre die erste Frage für mich, welcher Art die Erwartung ist. Im traditionellen Krimi ist es die Löung des Falles = Rätsel.
In vielen Fantasygeschichten ist es ein Showdown, bei dem Sieger oft schon früh feststeht. Die Erwartung ist also wie "Wie" der Weg dorthin führt, wie der schwache Held den übermächtigen Gott besiegt etc.
Bei der Heldenreise verändert sich der Held gewaltig. Zu was wird er.

Die Art der Erwartung bedingt die Vorgehensweise, und selbstverständlich die Länge der Geschichte. Der zentrale Spannungbogen einer Serie aus 12 Bänden kann nicht klasssich konstruiert werden. Der bogen wird einbrechen, weil die Spannweite zu groß ist.

Liebe Grüße
Wolf

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vor 2 Stunden schrieb Wolf:

Die technische Seite wird recht gut behandelt in: Francois Truffaut, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?

Das habe ich mir jetzt bestellt. :-) 

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vor 40 Minuten schrieb Wolf:

Die Art der Erwartung bedingt die Vorgehensweise, und selbstverständlich die Länge der Geschichte. Der zentrale Spannungbogen einer Serie aus 12 Bänden kann nicht klasssich konstruiert werden. Der bogen wird einbrechen, weil die Spannweite zu groß ist.

Deshalb sind Serien ja auch Serien und nicht einfach eine in 12 Teile aufgebrochene Geschichte.

Wer erinnert sich noch an "Dallas"? Immer rieb sich der böse J.R. Ewing zu Beginn einer Sendung angesichts eines neuen abscheulichen Plans die Hände. Doch die Guten taten sich zusammen, überlisteten und überrumpelten ihn. So dass er am Ende der fast gebrochene Verlierer war. Und schon am Dienstag drauf rieb er sich wieder die Hände ...

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Gerade eben schrieb Wolf:

Meine Serie ist eine in zwölf Teile aufgebrochene Geschichte. Nach dem zwölften Buch ist unwiderruflich Schluss. ;D

Aber jeder der zwölf Teile hat einen eigenen Spannungsbogen, nicht wahr? Das wollte ich nämlich sagen.

Laudatio auf eine kaukasische Kuh. Eichborn 2021. 

Alicia jagt eine Mandarinente. dtv premium März 2018. Die Grammatik der Rennpferde. dtv premium Mai 2016

www.angelika-jodl.de

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Das muss ja sein, sonst töte ich die Leser mit Langeweile.
Aber das war ja auch mein Punkt im ersten Posting. Selbst in einer Ein-Buch-Geschichte gibt meist mehr mehrere Spannungbögen gleichzeitig. Einmal auf fast jeder Maßstabsebene und einmal für alle wichtigen Figuren, denn sonst gäbe es nur den Protagonisten und seine Statisten.

In meiner Serie habe ich allein für meine Protagonistin fünf oder sechs eigene Plotstränge. Und sie ist nicht die einzige wichtige Figur. Nur Diese Plotstränge benötigen aber nicht 12 Bände, sondern kommen mit weniger aus.

Liebe Grüße
Wolf

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vor 2 Stunden schrieb AndreasG:

Der große Spannungsbogen findet nach meinem Gefühl am Ende des zweiten Aktes meist eine Lösung. Es ergibt sich daraus aber eine neue Spannungsfrage, in der Weise: Der Held musste im ersten Spannungsbogen kapieren, dass die Frau, die er immer abgewiesen hat, die Richtige ist. Als er es einsieht, hat will sie ihn aber nicht mehr. Nun muss er sie überzeugen, dass er sich geändert hat. (Das wäre im Drei-Akt-Modell der 3. Akt.)

Wenn man das Drei-Akt-Modell verwendet, dann entsteht der Spannungsbogen automatisch. Und dann ist es auch gleich, ob man einen Historischen Roman, einen Liebesroman oder einen Krimi schreibt.

Ich finde übrigens nicht unbedingt, dass der übergeordnete Spannungsbogen am zweiten Wendepunkt aufgelöst wird, denn - wenn man jetzt mal bei dem Beispiel bleibt - so hat der Leser doch die ganze Zeit gewusst, dass die Frau, die der Held ständig abgewiesen hat, die Richtige ist und wenn sich das nun umkehrt - er sieht es ein, sie will nicht mehr - so ist doch das Grundziel ( das da lautet: Kommen sie zusammen?  ) immer noch da und hält die Spannung oben. Finde ich.

Bearbeitet von Susann

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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vor 7 Minuten schrieb Susann:

Wenn man das Drei-Akt-Modell verwendet, dann entsteht der Spannungsbogen automatisch. Und dann ist es auch gleich, ob man einen Historischen Roman, einen Liebesroman oder einen Krimi schreibt.

Ich finde übrigens nicht unbedingt, dass der übergeordnete Spannungsbogen am zweiten Wendepunkt aufgelöst wird, denn - wenn man jetzt mal bei dem Beispiel bleibt - so hat der Leser doch die ganze Zeit gewusst, dass die Frau, die der Held ständig abgewiesen hat, die Richtige ist und wenn sich das nun umkehrt - er sieht es ein, sie will nicht mehr - so ist doch das Grundziel ( das da lautet: Kommen sie zusammen?  ) immer noch da und hält die Spannung oben. Finde ich.

Da hast du recht. Diese Hauptfrage (bzw. dieser Gesamtbogen: Kommen sie zusammen?) ist in zwei Bögen unterteilt. Wobei diese Frage im Genre-Liebesroman eigentlich schon am Anfang entschieden ist und insofern spannungstechnisch wenig Substanz hat.

"Wir sind die Wahrheit", Jugendbuch, Dressler Verlag 2020;  Romane bei FISCHER Scherz: "Die im Dunkeln sieht man nicht"; "Die Nachtigall singt nicht mehr"; "Die Zeit der Jäger"

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vor 1 Minute schrieb AndreasG:

Wobei diese Frage im Genre-Liebesroman eigentlich schon am Anfang entschieden ist und insofern spannungstechnisch wenig Substanz hat.

Okay, da hast du recht. Es muss im übergeordneten Spannungsbogen also eher heißen: Wie kommen sie zusammen. Will sagen: Wie werden die Hindernisse überwunden, die sich am ersten und zweiten Wendepunkt manifestieren. Und das erzeugt dann schon die Grundspannung, denke ich. All die kleineren Sannungsbögen dazwischen sind natürlich genauso wichtig. Ich meine sogar gelernt zu haben, dass jedes Einzelkapitel seinen eigenen kleinen Konflikt und Spannungsbogen haben sollte.

Generell ergibt sich doch der Spannungsbogen immer aus der Zuspitzung und Auflösung eines Konfliktes. Oder? Fällt mir gerade so auf.

Eat the frog in the morning (Mark Twain)

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Ich arbeite mit unterschiedlichen Spannungsbögen. Zum einen ist das die dramaturgische (mittelbare) Spannung, die den gesamten Plot umfasst. Und zum anderen ist es die lokale (unmittelbare) Spannung, die sich jeweils auf die einzelnen Szenen bezieht.

Wenn ich einen Thriller plotte, zeichnet sich der dramaturgische Spannungsbogen meist anhand der Buchidee ab, nämlich dann wenn das auslösende Ereignis feststeht und die Frage, wie das alles ausgeht.
Sobald ich den Szenenplan schreibe, achte ich darauf, dass jedes Kapitel die Geschichte vorantreibt. Dies geschieht mittels der lokalen Spannung. Sehr oft notiere ich, was sich der Leser bei den einzelnen Kapiteln fragen wird oder auch was er denken soll, wenn ich z.B. eine falsche Fährte verankere. 
Für mich sind es hauptsächlich die aufgeworfenen Fragen, die für Spannung und Suspense sorgen: Wird der Prota das schaffen? Schafft er es rechtzeitig? Was hat es mit diesem Hinweis auf sich? Verbirgt diese Figur etwas? Wird jene Figur der Prota aus der ausweglosen Situation helfen? Wird ihr das, was sie hier tut, noch gefährlich werden? Wird das gut ausgehen? Usw.

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