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(AnjaT)

Der Judas des Leonardo - Leo Perutz

Empfohlene Beiträge

Dies soll mehr eine Leseempfehlung sein als eine Kritik, obwohl ich von Perutz mehrere kenne, gefällt mir dieses besonders gut. Seine imposante Sprache ist ebenso unverkennbar, wie seine Tiefe. Dennoch ist das sein vielleicht unterhaltsamstes Buch.

 

"Leonardo arbeitet am "Abendmahl". Viele gutsituierte Bürger der Stadt, Menschen, die Leonardo verewigt sehen will, haben den Aposteln auf seinem Skizzenblock, die Züge geliehen. Nun sucht Leonardo seinen "Judas", den schlechtesten Menschen der Stadt. Ein deutscher Kaufmann scheint in Frage zu kommen. Denn Leonardo ist klar, Judas hat nicht nur Jesus Philosophie verraten sondern deren Grundlage: Die Liebe selbst."

 

Der Roman legt ein atemberaubendes Lesetempo vor und Perutz gönnt dem Leser keine Atempause. Historisches Colorit, Kunst, Charakterstudien, die italienische Kultur zu Leonardos Zeiten,  das alles fliegt nur so am Leser vorbei, während die Szenen, die sich mit der Liebe zwischen zwei Menschen befassen, die Intimität mit den Protas bis auf die letzte Silbe auskosten. Ein wunderbarer Einsteiger-Perutz!

 

Liebe Grüße

 

Anja

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So, jetzt will ich auch mal für Leo Perutz die werbetrommel rühren.

 

In den zwanziger Jahren war er berühmt und erfolgreich, aber er war ein Jude aus Prag und musste vor Hitler fliehen. Nach dem Krieg war er vergessen, obwohl einige Literaturliebhaber auch in der Bundesrepublik sich für ihn stark machten. Aber vergeblich. Wen die Nazis vertrieben hatten, den wollte im Wirtschaftswunder keiner lesen. Ein Beispiel mehr, was die deutsche Literatur durch Hitler und die Nazis verloren hat, welche Erzähltalente vertrieben wurden und - viel schlimmer! - erst nach Jahrzehnte versuchte man, sie zurückzuholen.

 

Erst in den Neunziger Jahren besann man sich auf ihn, der lange vor Gabriel Garcia Marquez Realität und Magie mischte und damit einen magischen Realismus schuf. Anja hat hier den über das letzte Abendmahl schon vorgestellt und er hat ja auch andere bedeutende historische Romane geschrieben. Ich will hier drei andere vorstellen.

 

Nachts unter der steinernen Brücke

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Im Prag des beginnenden sechzehnten Jahrhundert sieht Kaiser Rudolf II. die schöne Jüdin Esther und verfällt ihr. Rabbi Loew, der die Juden Prags vor der Verfolgung bewahren will, spricht einen Zauber und fortan träumt der Kaiser, dass Esther jede Nacht in sein Schlafgemach kommt.

 

Aber aus dem Zauber folgt nichts Gutes: Die Pest sucht Prag heim und Rabbi Loew sieht sich gezwungen ...

 

Doch das müsst ihr schon selbst lesen ;-).

 

Nein, Perutz ist nicht Zeitgeist, weder Pop-Literatur noch neudeutsche Weinerlichkeit und auch nicht bombastisches Historiengemälde, das dem Leser bestätigt, was er längst über die Vergangenheit zu wissen glaubt. Im Gegenteil, das ist magischer Realismus pur, wie ihn angeblich nur die Südamerikaner beherrschen, aber Perutz war ein deutscher Jude Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.

 

Er verquickt solide historische Tatsachen auf höchst eigene Art mit Sagen aus Prag, aus der Stadt der drei Nationen (Tschechen, Deutsche und Juden) und webt daraus einen Erzählteppich, der den Leser fesselt und am Ende sich fragen lässt: Was davon ist nun wirklich geschehen? Er zeichnet lebendige Personen, sein Stil ist unaufdringlich und er weiß seine Handlung aufzubauen.

 

Und immer noch stimmt, was Alfred Polgar 1926 über Leo Perutz sagte:

"Ich überschätze die Bücher des Leo Perutz nicht. Es sind spannende Erzählungen mit einem leuchtenden Kern, in denen Einbildungskraft und Ökonomie des Ausdrucks gepaart erscheinen. Sie vermitteln dem Leser kein neues Bild des Seins, reden kein Loch in den Bauch der Welt, helfen nicht über Tod, Dalles, glückliche und unglückliche Liebe. Sie versprechen dir nicht die Ewigkeit, aber sie erfüllen redlich die Stunde, in der du sie liest."

 

 

der schwedische Reiter

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„Ich bin lutherisch oder papistisch, wie es die Welt will“, sagte der Dieb, indem er sich über die Wurst hermachte. „Wenn ich Bildstöcke seh’ an den Wegen und Heiligenhäuslein, dann sag’ ich allen, denen ich begegne, ein Ave Maria gratia plena auf, und wenn ich durch ein lutherisches Land zieh’, dann häng’ ich das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit an das Vaterunser.“

„Das gilt nicht“, sagte Tornefeld und streckte die Beine unter dem Tisch aus. „Man kann nicht petrisch und paulisch zugleich sein. Treib’s nur so weiter, so wirst du in der Ewigkeit verdorben sein. Ich gehör’ der protestierenden Kirche an, ich lache und verspott’ den Papst und sein Gebot. Der schwedische Karl, der ist aller Lutheraner Hort.“

 

Zwei Menschen treffen sich im tiefsten Winter in den Kriegsjahren 1701. Ein Dieb, den man im Land den Hahnenschnapper nennt und ein junger Adliger, Christian von Tornefeld. Beide sind mehr tot als lebendig, der Adlige will ins schwedische Heer und für seinen König fechten, der Dieb hat nur noch eine Chance, in das Pochwerk, in das Arbeitslager des Bischofs zu gehen, dort fragt niemand nach seinem Namen und auch nicht, was er bisher getrieben, aber er wird arbeiten müssen, bis er umfällt, für wenig Essen und keinen Lohn.

 

Denn die Dragoner des Malefizbarons schweifen umher und hängen jeden, der ihnen verdächtig erscheint.

 

Der Adlige hat sich außerdem der Tochter seines Paten versprochen, die nahebei wohnt. Doch das hat er längst vergessen. Weil er aber abgebrannt ist, die sächsischen Musketiere nach ihm, dem Deserteur, fanden, sendet er den Dieb zu dem Paten, er soll ihm Kleidung und Geld besorgen. Erst weigert sich der Hahnenschnapper, dann überkommt ihn eine „trotzige Begierde, hinauszugehen dorthin, wo der scharfe Wind pfiff und noch einmal, ein letztes Mal, mit dem Tod eine Courante zu tanzen.“

 

Und so trifft er Maria Agneta von Krechwitz, die auf ihren Bräutigam wartet, den sie nicht mehr gesehen hat, seitdem sie beide zehn Jahre alt waren. Diese Frau will er haben, er verrät seinen Kumpanen, liefert ihn an das Pochwerk aus, nimmt es mit dem Malefizbaron und seinen Dragonern auf, gründet eine Räuberbande, die Kirchen ausraubt und heiratet unter dem Namen Christian von Tornefeld genannt „der schwedische Reiter“ seine Maria Agneta. Doch das Glück währt nur sieben Jahre, dann holt ihn seine Vergangenheit wieder ein, er muss fliehen und sich dem Heer des schwedischen Königs anschließen.

 

Leo Perutz hat ein Meisterwerk mit dem schwedischen Reiter geschaffen, er versteht es, den Leser in den Bann zu ziehen, versetzt ihn in die Zeit des beginnenden achtzehnten Jahrhundert, lässt ihn Kälte und den Hunger schmecken. Die Sprache, die eine ganz eigene Melodie und Wortwahl hat, trägt dazu ebenso bei, wie der feingesponnene Plot. Im Vorbericht – heute würde man sagen „Prolog“ – werden die Kindheitserinnerungen der Tochter des schwedischen Reiters erzählt und wie ihr Vater noch Wochen, nachdem er in Poltawa längst gefallen war, der Sechsjährigen des Nachts erschien. Und Perutz löst dieses Rätsel am Schluss; wie alle Fäden, die zunächst so zusammenhanglos erscheinen, am Ende doch ihre Bedeutung und ihren Sinn bekommen.

 

die dritte Kugel

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Eine Bande von Landsknechten, antipapistisch bis auf die Knochen, segelt nach Westindien und weiter in das Reich der Azteken, das sie vor Cortez entdecken. Und sie wollen Cortez Landung und die Zerstörung des Aztekenreichs verhindern. Doch bald geht ihnen das Pulver aus und sie haben nur noch drei Schuß, nicht viel, um dem Conquistador das Handwerk zu legen.

Schon in diesem ersten Roman zeigte Perutz sein Können, verband er erfundenes mit realer Historie.

 

Was sich in allen seinen Büchern zeigt, ist die Sprache, die sich dem Thema anpasst, den Leser in eine andere Zeit versetzt und doch nicht altertümelt. Sowas hat sonst nur Brecht in Mutter Courage geschafft.

 

Jedenfalls ist für mich Perutz einer der ganz Großen und völlig zu Unrecht vergessenen. Den muss man gelesen haben, um zu sehen, was man mit Sprache, Figuren und Hintergrund im historischen Roman schaffen kann.

 

Hans Peter

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Ihr treibt mich noch in den Ruin.... und Amazon freut sich  ::)

 

Aber nachdem Hans Peter mir ja schon bei der Literaturliste-Frage für meinen Sohn einen Perutz ans Herz gelegt hat, hab ich jetzt auch noch bei seinen anderen Empfehlungen zuschlagen müssen...

 

Leseverliebte Grüße

Gabi

Schachzüge, Störfaktor, Grenzenlos nah, Infinity/ alle bei Thienemann, &&http://www.gabriele-gfrerer.at&&http://teamor61.blogspot.com/

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Heyho!

 

Ich habe nur ein Buch von perutz gelesen: "Der Meister des jüngsten Tages". Das Werk erinnerte mich an einen eher schwachbrüstigen Versuch einer Lovecraft Kopie. Dqas Buch an sich war relativ spannend, und besonders das Ende war ein Hammer (Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Ein Ende, wie man es sonst höchstens aus 'The Sixth Sense' oder 'Die üblichen Verdächtigen' kennt.), aber irgendwie war mir das alles zu farblos, zu esoterisch...

 

Besonders grausam war aber, dass ich kurz danach noch die Verfilmung gesehen habe, die wirklich gradnios langweilig und gemein war (MIt Wiener Theaterleuten, in den 70ern gedreht, und nahm das Ende gleich vorweg, wie übrigens auch die neue DTV-Ausgabe...)!

 

Anders gesagt: Ein interessantes Buch, und etwas für Leute, die spannende, übertsinnliche Detektivgeschichten mögen. Aber ich lese doch lieber den Lovecraft! ;D

 

Lieben Gruß,

Marco! :s17

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Das was du als "esoterisch" bezeichnest, sind Perutz Themen. Sie sind natürlich nur für Menschen wichtig, für die ein Buch auch eine Möglichkeit darstellt, über ihren Tellerrand zu sehen. Literarisch, "spirituell" und alltäglich.

 

Um die Tiefe mancher Bücher zu erkennen, erfordert es obendrein Lebenserfahrungen, die nicht jeder gemacht haben kann. Mit ihnen kommt dann auch das Interesse.

Sprachlich ist Perutz für die meisten Menschen mit einem Gefühl für Worte jedenfalls eine wahre Wonne.

 

Insofern: Jedem das, was er an "Lesearbeit" leisten will.

 

Grüße

 

Anja

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Das was du als "esoterisch" bezeichnest' date=' sind Perutz Themen. Sie sind natürlich nur für Menschen wichtig, für die ein Buch auch eine Möglichkeit darstellt, über ihren Tellerrand zu sehen. Literarisch, "spirituell" und alltäglich.[/quote']

 

Versteh ich jetzt nicht ganz...

 

Ich habe, zugegegebenermaßen, "Der Meister des jüngsten Tages" im Kontext eines Seminars über Kriminalliteratur gelesen, weil die gesamte erzählte Geschichte durch das Ende noch einmal verändert wird: Der 'unzuverlässige Erzähler' als Stilmittel, quasi!

 

Trotzdem hatte ich Probleme, das Buch einzuordnen: Für einen Krimi war es mir zu gespensterhaft, für eine klassische Deutsche Gespenstergeschichte war es mir zu verzweifelt an der Realität klebend, für eine 'Gruselgeschichte' war es mir zu zahnlos...

Deshalb meine Einordnung ins 'esoterische': Es ist keine Gespenstergeschichte (Wie sie in Deutschland Tradition genießt), und es ist keine Gruselgeschichte, sondern eher eine Geschichte der Sorte: "Es gibt sie, die unerklärlichen Phänomene".

Aber für irgendeinen etwas 'Alltägliches' war die Geschichte eindeutig ZU phantastisch, anders gesagt: Perutz selber versperrt sich den Blick über den 'Tellerrand'.

 

Um die Tiefe mancher Bücher zu erkennen, erfordert es obendrein  Lebenserfahrungen, die nicht jeder gemacht haben kann.  Mit ihnen kommt dann auch das Interesse.

Verstehe ich noch weniger... Weder habe ich dem Buch Tiefe abgesprochen, ganz im Gegenteil: Die Geschichte ist verschachtelt, komplex, und wird durch ihr Ende zu einem geradezu großartigen Plot, noch verstehe ich den Kommentar mit den Lebenserfahrungen...

Wieviel Erfahrungen braucht man, um die Farbe 'Drommetenrot' und einen wahnsinnigen Maler aus der frühen Neuzeit, der den Weltuntergang heraufbeschwören will, und eine Reihe Leute aus der Wiener Hochgesellschaft, die durch das Bild den Verstansd verlieren, 'interesssant' zu finden?

 

 

Sprachlich ist Perutz für die meisten Menschen mit einem Gefühl für Worte jedenfalls eine wahre Wonne.

Das sind Thomas Mann und James Joyce auch, trotzdem finde ich ihre Geschichten  :s14

Shakespeare und E.T.A. Hoffmann und Goethe und Schiller sind es übrigens auch, und ihre Geschichten finde ich hingegen  :s13

 

 

Insofern: Jedem das, was er an "Lesearbeit" leisten will.

Verstehe ich jetzt auch wieder nicht...

O je, tut mir leid, falls ich was böses gegen Perutz gesagt habe. Ich kenne nur den 'Meister des jüngsten Tages', und fand das Buch, im Vergleich zu zeitgenössischer Konkurrenz etwas schwach auf der Brust...

Um diese Meinung zu bilden, habe ich, btw., eine Menge an Lesearbeit geleistet!  ;)

 

Grüße,

Marco! :s17

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Ich habe nur ein Buch von perutz gelesen: "Der Meister des jüngsten Tages". Das Werk erinnerte mich an einen eher schwachbrüstigen Versuch einer Lovecraft Kopie. Dqas Buch an sich war relativ spannend, und besonders das Ende war ein Hammer (Ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Ein Ende, wie man es sonst höchstens aus 'The Sixth Sense' oder 'Die üblichen Verdächtigen' kennt.), aber irgendwie war mir das alles zu farblos, zu esoterisch...

Das habe ich auch gelesen, aber kaum etwas in Erinnerung, immer ein schlechtes Zeichen.

Ganz sicher hat es mich längst nicht so beeindruckt wie Perutz historische Romane. Aber natürlich kommen da auch phantastische Elemente drin vor, ist einfach bei Perutz so.

Und Lovecraft, sorry, da habe ich es nie geschafft auch nur eine Geschichte von ihm zu Ende zu lesen. Statt Horror war es für mich Einschläfern pur, einer der Autoren, die immer etwas behaupten, aber ohne Figuren, ohne Setting. So in der Art: "ein furchtbares, schreckliches Grauen kroch mir den Rücken hinauf. Oder aus dem Meer. Oder sonstwoher." Mir kroch bei ihm nur ein furchtbar schreckliches Gähnen die Kehle hinauf.

Hans Peter

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*lol hpr

 

Marco, kennst du das denn nicht?

Manches, was Dir heute mißfällt oder Dich langweilt, verstehst du in einigen Jahren auf einer anderen als der rein inhaltlichen und technischen Ebene. Das ging mir zum Beispiel mit Fontane so. An Thomas Mann entdecke inzwischen immer mehr Wortwitz und leise Kritik an Strukturen und Gesellschaftsnorm. Das ich das jetzt bemerke und im Studium eher die Sprache beeindruckend fand und den Inhalt interessant, hat mit meinem Beruf, meinen Erfahrungen und meiner Suche nach gewissen Oberthemen eines Menschenlebens zu tun.

 

Ich lese gern zwischen den Zeilen, suche Tiefe und frage mich nach der Intention, heute eben ohne den Druck einer fälligen Haus- oder Semesterarbeit im Nacken. Für mich ist das die angenehmste "Arbeit" am Text. Dennoch war das Studium eine gute Basis, um das Werk eines Autors auch persönlich bewerten zu können, statt die Lehrmeinung vorbehaltlos zu übernehmen. Das wird Dir doch sicher nicht anders gehen? Soweit ich mich erinnere, ist die Meinung zu Lovecraft ja auch ambivalent. (War allerdings nicht mein Fachbereich!)

 

Perutz ist ein Autor, der auf die eher intuitive Art von Leser-Verständnis baut. Ich übrigens auch, deshalb ist er auch ein "Vorbild" für mich. (Was aber auch daran liegt, dass er - sprachlich schön - in meinem Heimatgenre geschrieben hat)

 

Ich habe ja genau deshalb den "Judas" vorgeschlagen, weil ich - wie hpr - der Meinung bin, das Perutz hier - im Historischen - am stärksten ist.

 

Deshalb ist auch eher eine Leseempfehlung, als eine Kritik. Ich werde mir Lovecraft demnächst noch einmal ansehen, mit dem es mir ähnlich ging, wie hpr (liegt aber ganz klar am Genre). Vielleicht überlegst Du Dir ja auch den zweiten "Perutz"?!

 

So, jetzt aber wirklich

 

Ciao... bis nächste Woche Mittwoch

 

Anja

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Ach, liebe Leute - ich hab schon etwas gelacht über diesen thread.

 

Erst einmal - Danke, Anja, für die Buchvorstellung... ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich zwar die Bücher von Perutz kannte, die hpr erwähnte - aber der Judas ist mir bisher entgangen.

 

Ist allerdings schon notiert!

Bin gespannt.

 

Marco - Du allerdings erschütterst mich! ;D

 

Warst Du nicht auch im "Adjektivits-thread" aktiv?

 

Und was das angeht, war Lovecraft ein unbestrittener Meister. Ich hab grade ein herrliches Beispiel gefunden:

Heißt es bei Poe etwa schlicht "Die schwarze Katze", würde es bei Lovecraft heißen: "Die grauenvoll stinkende, verderbensbringende, unheilvolle Katze, aus böser Absicht in die Wand gemauert".

 

Grinsende Grüße

Jan

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Marco - Du allerdings erschütterst mich! ;D

Danke, Danke! ;)

 

Warst Du nicht auch im "Adjektivits-thread" aktiv?

Nicht, das ich wüsste... Wüsste nicht mal, dass wir so einen haben...

 

Und was das angeht, war Lovecraft ein unbestrittener Meister. Ich hab grade ein herrliches Beispiel gefunden:

Heißt es bei Poe etwa schlicht "Die schwarze Katze", würde es bei Lovecraft heißen: "Die grauenvoll stinkende, verderbensbringende, unheilvolle Katze, aus böser Absicht in die Wand gemauert".

Abgesehen davon, dass Lovecraft das, wenn schon nicht hier, dann doch generell, meist etwas feinfühliger handhabt: Eben DAS mag ich an dem Mann!!

 

Ich wollte und will hier keinen stilistischen Vergleich Perutz-Lovecraft thematisieren, weil die beiden, stilistisch (!!), zu sehr auseinanderliegen (Es ging mir eher um das inhaltliche), aber eben das, was du ansprichst ist es, was ICH zumindest, an Lovecraft mag. Er schafft es, allein durch seine Wortwahl, bei mir so lebendige Bilder zu erschaffen, wie kaum ein anderer Autor.

 

Da ist ein Friedhof nicht nur heruntergekommen. "In diesem leichenhaften Zwielicht rüttelte er an den rostigen Griffen, drückte gegen die eiserne Türfüllung und wunderte sich, weshalb das massive Portal so plötzlich widerspenstig geworden war."

 

In dieser Art MAG ich alle Adjektive, die der Mann anbringen kann! ;) Also immer her damit! ;)

 

Gruß,

Marco! :s17

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Liebe Leute,

dieser Thread hat mich hervorgelockt. Enlich empfiehlt einer "meinen" geliebten Perutz! Ich finde, seine Bücher sind recht unterschiedlich in Stuil und Erzählweise... und genau das kann man hervorragend von ihm lernen: Erzählen. Bilder schaffen, Erzählstimmen finden. Perutz ist einer von den jüdischen Schriftstellern, die unsere alte, literarisch-unterhaltsame Erzählkultur repräsentieren, von deren Wurzeln sich Deutschland im Dritten Reich selbst abgeschnitten hat... und bis heute abgeschnitten blieb, weil viel zu viele dieser Bücher nach 1945 nicht mehr aufgelegt wurden. Aus den Augen, aus dem Sinn.

 

Deshalb möchte ich zum bequemen Einstieg ein Buch mit zwei kürzeren Romanen empfehlen, die er mit einem anderen zuerst geschmähten und dann vergessenen Drmatiker und Romancier schrieb: Paul Frank. Paul Frank hat mehr als 40 Lustspiele geschrieben, über ein Dutzend Romane und Novellen und immer wieder zusammen mit Kollegen gearbeitet. Wer kennt ihn noch? 1938 musste er ins Exil nach Paris. Bekannt wurde er mit "Der Gepard" (1918 ) und "Grand Hotel" (1929)... und vielleicht wissen auch noch einige, dass er Co-Autor war für die Spielfilme "Der Kongress tanzt" und "Die Drei von der Tankstelle".

 

Mit Perutz entstand "Das Mangobaumwunder" und "Der Kosak und die Nachtigall" (ersterer ist genial). Das ist die große Literatur der zwanziger Jahre, in denen sich die Leser nach exotischen Schauplätzen, rätselhaften Zeitsprüngen und übersinnlichen Kräften sehnten.

Das ungewöhnliche "wissenschaftliche" Experiment im "Mangobaumwunder" erinnert von der Atmosphäre an alte Schwarweißverfilmungen in der Tradition von Frankenstein oder Dr. Jekyll und Mr. Hyde, ist aber bunter, subtiler... und erschreckend aktuell in einer Zeit der genetischen Forschung!

 

Der zweite Roman zeigt, dass man Liebesromane nicht schnulzig schreiben muss, sondern als große Erzählung konzipieren kann. Die Geschichte klingt einfach: Eine berühmte Opernsängerin ist auf der Flucht vor ihrem Mann, einem russischen Fürsten. Doch der schaltet raffiniert jeden Nachfolger aus. Als sie sich hilfesuchend an den mächtigen Tabakhändler Dschahid wendet, wird ein Kampf der Giganten entfesselt.

 

Außerdem für Einsteiger geeignet: Sankt Petri Schnee.

 

Ein Roman unter 200 Seiten, der mit Edgar Allan Poe verglichen wurde. Ein Spannungsroman mit leicht phantastischen Elementen, der auch trotz seines hohen Alters wieder so aktuell ist wie nie:

Ein fanatischer Weltverbesserer versucht, mit chemischen Mitteln die alte, verlorene mystische Frömmigkeit wiederzuentdecken und die Menschen zu erneuern. Ein Roman, der 1933, im Exil geschrieben, äußerst bedeutsam war - und heute wieder unter modernem Blickwinkel gelesen werden kann. Als hätte es der Autor geahnt, der erste Satz:

"Als die Nacht mich freigab, war ich ein namenloses Etwas, ein unpersönliches Wesen, das die Begriffe 'Vergangenheit' und 'Zukunft' nicht kannte."

 

Dann hab ich da noch "Turlupin", einen historischen Roman aus der Zeit Kardinal Richelieus, in dem der junge Perückenmacher Turlupin in ein geheimnisvolles Federballspiel gezogen werden soll, bei dem Köpfe rollen sollen...

 

Unter dem Titel "Herr, erbarme dich meiner" sind Perutz' Erzählungen veröffentlicht, im Klappentext heißt es: "Sie sind von ironischer Doppelbödigkeit und stellen die Unzulänglichkeiten menschlichen Wissens und die unabsehbaren Folgen unseres Handelns auf meisterhafte Weise da.

 

Wir bejammern oft, dass die Amerikaner uns beim Erzählen einiges voraus haben... nun, es wird Zeit, dass wir unsere gewaltsam abgeschnittenen Wurzeln wiederentecken. Leo Perutz ist so einer, wie es einst viele gab: ein Schriftsteller mit einer unbändigen und überschäumenden Erzählfreude, mit einem Händchen für Atmosphäre, ein Literat, der unterhalten konnte.

 

Schöne Grüße,

Petra

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Ich bitte Euch herzlich, diesen Thread jetzt zu beenden.

Den dritten Perutz hab' ich eben bestellt.

Wenn mir jetzt noch einer die Finger glitschig macht, muss ich die Ostergeschenke meiner Kinder zur Pfandleihe tragen.

 

Vielen Dank und erwartungsfrohen Ostersamstag wuenscht Charlie.

"Der soll was anderes kaufen. Kann der nicht Paris kaufen? Ach nein, in Paris regnet's ja jetzt auch."

Lektorat, Übersetzung, Ghostwriting, Coaching www.charlotte-lyne.com

 

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Lol!

 

Meinen "Perutz" gibt es für 6,90 € im Taschenbuch! Ich glaube, das schaffst du gerade noch, Charlie.

 

Er hat auch knapp 200 Seiten und wird Dir gute Gesellschaft leisten. Aber zufriedene Kinder kann er nicht ersetzen. ;-) Vielleicht lässt sich Deine Bank ja doch noch auf ein "Bildungsdarlehen" ein.

*flüster Ich wette, er gefällt Dir!*

 

Und Petra, danke für die Empfehlungen, das mit den "Drei Männern im Schnee" wußte ich nicht, ist aber von Kästner eines meiner Lieblingswerke. Ich mag den humorvollen Unterton!

 

Bis bald, bin gespannt auf das nächste neue Lesefutter und warte händeringend auf meinen "Suter"!

 

Anja

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Und Petra, danke für die Empfehlungen, das mit den "Drei Männern im Schnee" wußte ich nicht, ist aber von Kästner eines meiner Lieblingswerke. Ich mag den humorvollen Unterton!

Nix mit Schnee und Kästner, Anja (wo liest du das?). "Die Drei von der Tankstelle" ist ein sehr erfolgreicher deutscher Spielfilm von 1930 gewesen, mit Heinz Rühmann, Willi Fritsch und Lilian Harvey. Paul Frank hat am Drehbuch mitgeschrieben:

(Link ungültig)

 

Putzfeudelgrüße,

Petra

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Nix mit Schnee und Kästner, Anja (wo liest du das?).

 

Da:

 

"Die Drei von der Tankstelle".

und da:

 

"Sankt Petri Schnee" ---- "Männer" und "im" hat Anja dazuphantasiert, flugs war ein neuer Titel geboren  ;D

 

Weißt Du, das kommt davon, wenn man eigentlich an seinem Manuskript arbeiten sollte - und sich stattdessen hier rumtreibt :s21

 

Gruß

Jan

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Weiß ich, Uschi.  :)

Aber der Titel kam in dem posting von Petra überhaupt nicht vor - in diesem Sinn meinte ich: neuer Titel.

 

Pingelige Grüße

Jan ;)

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Ich muss sagen, Leo Perutz, den kenn ich noch nicht.:s18 Habe mir gerade den Judas auf meine Liste gesetzt. Beim nächsten Mal ist er dabei.

 

Aber mal im Ernst, wie macht ihr das bloß mit eurem Lesetempo? Ihr scheint über die Bücher zu fliegen und ich muss sie mir Wort für Wort erarbeiten, sonst habe ich das Gefühl, ich habe sie nicht wirklich in mich aufgenommen. Manche Absätze lese ich sogar zwei oder dreimal.

 

Ich beneide euch Schnellleser.

 

Editha

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Hallo.

 

Ich denke, Perutz' Leonardo ist auch einer meiner Lieblinge von ihm. Vielleicht mit dem Schwedischen Reiter.

 

In den letzten beiden Ausgaben von PHANTASTISCH! ist übrigens ein zweiteiliger Artikel über Perutz, falls es jemanden interessiert.

 

Trotzdem hatte ich Probleme, das Buch einzuordnen: Für einen Krimi war es mir zu gespensterhaft, für eine klassische Deutsche Gespenstergeschichte war es mir zu verzweifelt an der Realität klebend, für eine 'Gruselgeschichte' war es mir zu zahnlos...

Perutz wurde sehr böse, wenn man ihn einem Genre zuordnen wollte. W. Benjamin hat den MEISTER mal in einer Krimi-Kolumne besprochen. woraufhin sich Perutz empörte, er habe nie einen Krimi geschrieben und werde auch nie einen schreiben. Er arbeite mehrere Jahre an einem ernsthaften Roman nicht, um dann in die Ecke eines "Krimis" gestellt zu werden - oder so ähnlich.

 

Der Vergleich mit Lovecraft hinkt meiner Meinung nach, abgesehen vielleicht vom Suchteffekt, weil HPL zwar ein paar meisterhafte Erzählungen geschafft hat, aber ohne ... wie nenne ich das jetzt? Tiefe trifft es nicht ganz, aber mir fällt gerade nichts ein, das besser passt.

 

Als einziger Vergleich fällt mir gerade nur Umberto Eco ein, der bei Perutz scheinbar genauso viel gelernt hat wie bei Borges (der übrigens auch den MEISTER ganz toll fand und sich für das Buch in Lateinamerika einsetzte).

 

Ich behaupte einfach mal etwas: Perutz schreibt keine phantastischen Romane.

Man kann die Bücher so lesen, wenn man möchte, aber ich denke, das geht ein wenig an ihrem Inhalt vorbei.

 

Der "unzuverlässige Erzähler" ist dabei ein wichtiger Punkt. Häufig werden die Geschichten von einem Menschen erzählt, die ihr Tun rechtfertigen wollen und möglicherweise sich von Schuld reinzuwaschen versuchen, indem sie alles dem Ewigen Juden (Mauques de Bolibar) oder einem Buch mit Drogenrezept (Meister des Jüngsten Tages) usw. in die Schuhe schieben.

 

Aber das geht jetzt vielleicht etwas zu sehr in die Tiefe. Wichtiger ist vielleicht, dass Perutz selber nicht der Meinung war, Krimis, Historische Romane oder Phantastik zu schreiben (er verabscheute esoterische Romane wie die von Meyrink, den er aber immerhin noch besser fand als Kafka).

Ist auch nicht wirklich wichtig. ;)

 

Wieviel Erfahrungen braucht man, um die Farbe 'Drommetenrot' und einen wahnsinnigen Maler aus der frühen Neuzeit, der den Weltuntergang heraufbeschwören will, und eine Reihe Leute aus der Wiener Hochgesellschaft, die durch das Bild den Verstansd verlieren, 'interesssant' zu finden?

 

Vielleicht LSD-Erfahrungen? ;)

 

@Petra.

Oh. Das Mangobaumwunder findest Du genial?

Das verwundert mich gerade ein wenig. Ich erinnere mich, dass es durchaus Momente hatte, an denen ich dachte, hah, nicht übel, aber eigentlich fand ich es ziemlich dürftig. Natürlich nur Geschmackssache, obwohl mir vor allem die Sprache teilweise als sehr viel "dünner" erschien.

Wenn ich mich nicht irre, schrieb Perutz in seinen Notizbüchern immer vom "Frank-Scheiß", wenn er Notizen zu den Zusammenarbeiten machte. ;)

So empfand ich das auch ein wenig. Den Kosaken habe ich dann erst einmal zurückgestellt - und bis heute nicht angerührt. Na, der letzte Text von Perutz, der mir noch fehlt, dann gibts nichts Neues mehr, seufz.

 

Aber wie immer ist das Gemschacksfrage. Mir sind die "richtigen" Perutz-Werke bei weitem lieber.

 

Nicht, dass es ungeheuer wichtig wäre, aber 1933 war Perutz noch nicht im Exil. Er ging erst 1938 aus Wien fort (auf der Reise schrieb er dann das Fragment "Mainach in Wien").

 

Grüße,

Ralph

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Nix mit Schnee und Kästner, Anja (wo liest du das?). "Die Drei von der Tankstelle" ist ein sehr erfolgreicher deutscher Spielfilm von 1930 gewesen, mit Heinz Rühmann, Willi Fritsch und Lilian Harvey. Paul Frank hat am Drehbuch mitgeschrieben:

(Link ungültig)

 

Putzfeudelgrüße,

Petra

 

 

Ah, Petra, sorry! Ich hab mich verguckt und war mal wieder nur halb bei der Sache!! (Ich schwinge gerade den literarischen Putzlappen und schau nur nebenher rein) :-[ Ist aber trotzdem ein schöner Film! Ich sollte hier nur noch reinsehen, wenn alle meine Bücher in der Nähe sind (meine "Klassiker" habe ich augenblicklich ausgelagert), meine Arbeit erledigt und meine Familie auswärts! *grmpff

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Der "unzuverlässige Erzähler" ist dabei ein wichtiger Punkt. Häufig werden die Geschichten von einem Menschen erzählt, die ihr Tun rechtfertigen wollen und möglicherweise sich von Schuld reinzuwaschen versuchen, indem sie alles dem Ewigen Juden (Mauques de Bolibar) oder einem Buch mit Drogenrezept (Meister des Jüngsten Tages) usw. in die Schuhe schieben

 

Sorry, aber wenn ich Bücher unter solchen Aspekten lesen müsste, würde ich sie wohl nicht mehr lesen ... da kann man sogar den "Faust" ins Eck werfen .

 

Anja

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@Anja

 

Sorry, aber wenn ich Bücher unter solchen Aspekten lesen müsste, würde ich sie wohl nicht mehr lesen ... da kann man sogar den "Faust" ins Eck werfen.

 

Verstehe ich leider gerade nicht. Der "Gag" bei den beiden genannten Büchern ist doch, dass am Ende (Meister) bzw. am Anfang (Bolibar) darauf hingewiesen wird, dass der Erzähler möglicherweise gelogen hat. Das gibt beiden Büchern eine weitere Ebene, die es um einiges interessanter macht.

 

Grüße,

Ralph

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